Language of document : ECLI:EU:C:2020:682

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

9. September 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Unternehmensübergänge – Richtlinie 2001/23/EG – Art. 3 und 5 – Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer – Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – Übertragung durch den Insolvenzverwalter des übertragenden, in einem Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmens – Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – Begrenzung der Pflichten des Erwerbers – Berechnung der Höhe der zustehenden Leistung aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung anhand der Vergütung des Arbeitnehmers bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens – Richtlinie 2008/94/EG – Art. 8 – Unmittelbare Wirkung – Voraussetzungen“

In den verbundenen Rechtssachen C-674/18 und C-675/18

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 16. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 2018, in den Verfahren

EM

gegen

TMD Friction GmbH (C-674/18)

und

FL


gegen

TMD Friction EsCo GmbH (C-675/18)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von EM, vertreten durch R. Buschmann als Prozessbevollmächtigten,

–        von FL, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Scholten und M. Schulze,

–        der TMD Friction GmbH und der TMD Friction EsCo GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Reinhard und T. Hoffmann-Remy,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 2020

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 3 und 5 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16) sowie von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, und zwar zwischen EM und der TMD Friction GmbH (Rechtssache C‑674/18) sowie zwischen FL und der TMD Friction EsCo GmbH (Rechtssache C‑675/18), über die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung bei einem Betriebsübergang im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2001/23

3        In den Erwägungsgründen 3, 4 und 6 der Richtlinie 2001/23 heißt es:

„(3)      Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.

(4)      Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen in Bezug auf den Umfang des Arbeitnehmerschutzes auf diesem Gebiet weiterhin Unterschiede, die verringert werden sollten.

...

(6)      Im Jahre 1977 hat der Rat die Richtlinie 77/187/EWG [des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26)] erlassen, um auf eine Harmonisierung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Wahrung der Ansprüche und Rechte der Arbeitnehmer hinzuwirken; Veräußerer und Erwerber werden aufgefordert, die Vertreter der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten und anzuhören.“

4        Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a ist die Richtlinie 2001/23 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.


5        In Art. 3 dieser Richtlinie heißt es:

„1.      Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

...

3.      Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.

4.      a)      Sofern die Mitgliedstaaten nicht anderes vorsehen, gelten die Absätze 1 und 3 nicht für die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten.

b)      Die Mitgliedstaaten treffen auch dann, wenn sie gemäß Buchstabe a) nicht vorsehen, dass die Absätze 1 und 3 für die unter Buchstabe a) genannten Rechte gelten, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus den unter Buchstabe a) genannten Zusatzversorgungseinrichtungen.“

6        Art. 5 dieser Richtlinie bestimmt:

„1.      Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, gelten die Artikel 3 und 4 nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde.


2.      Wenn die Artikel 3 und 4 für einen Übergang während eines Insolvenzverfahrens gegen den Veräußerer (unabhängig davon, ob dieses Verfahren zur Auflösung seines Vermögens eingeleitet wurde) gelten und dieses Verfahren unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein nach dem innerstaatlichen Recht bestimmter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) steht, kann ein Mitgliedstaat vorsehen, dass

a)      ungeachtet des Artikels 3 Absatz 1 die vor dem Übergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen nicht auf den Erwerber übergehen, sofern dieses Verfahren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats einen Schutz gewährt, der dem von der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers [(ABl. 1980, L 283, S. 23)] vorgesehenen Schutz zumindest gleichwertig ist, …

...

4.      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit Insolvenzverfahren nicht in missbräuchlicher Weise in Anspruch genommen werden, um den Arbeitnehmern die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte vorzuenthalten.“

 Richtlinie 2008/94

7        Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 lautet:

„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten; dabei muss die Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten eine Einrichtung schaffen, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.“

8        Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt sie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind.

9        Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

a)      die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat; oder

b)      festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.“

10      In Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Diese Richtlinie lässt das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte ‚Arbeitnehmer‘, ‚Arbeitgeber‘, ‚Arbeitsentgelt‘, ‚erworbenes Recht‘ und ‚Anwartschaftsrecht‘ unberührt.“

11      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 lautet:

„Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

 Deutsches Recht

12      § 613a („Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: BGB) bestimmt:

„(1)      Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer …

...

(4)      Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.“


13      Die Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 2866) in der durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. 2017 I S. 1693) geänderten Fassung (im Folgenden: Insolvenzordnung) sieht in ihrem § 45 („Umrechnung von Forderungen“) vor:

„Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, sind mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. ...

...“

14      § 108 („Fortbestehen bestimmter Schuldverhältnisse“) der Insolvenzordnung bestimmt:

„(1)      ... Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. ...

...

(3)      Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.“

15      In § 191 („Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen“) der Insolvenzordnung heißt es:

„Eine aufschiebend bedingte Forderung wird bei einer Abschlagsverteilung mit ihrem vollen Betrag berücksichtigt. Der auf die Forderung entfallende Anteil wird bei der Verteilung zurückbehalten.“

16      Nach § 198 („Hinterlegung zurückbehaltener Beträge“) der Insolvenzordnung hat der Insolvenzverwalter Beträge, die bei der Schlussverteilung zurückzubehalten sind, bei einer geeigneten Stelle zu hinterlegen.

17      Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610) in der durch das Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. 2017 I S. 3214) geänderten Fassung (im Folgenden: Betriebsrentengesetz) bestimmt in seinem § 1b („Unverfallbarkeit und Durchführung der betrieblichen Altersversorgung“):

„(1)      Einem Arbeitnehmer, dem Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft). ...

...“


18      § 9 des Betriebsrentengesetzes sieht vor:

„Ansprüche oder Anwartschaften des Berechtigten gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die den Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung begründen, gehen im Falle eines Insolvenzverfahrens mit dessen Eröffnung ... auf den Träger der Insolvenzsicherung über ... Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergegangenen Anwartschaften werden im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen nach § 45 der Insolvenzordnung [in der durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 geänderten Fassung] geltend gemacht.“

19      In § 30f Abs. 1 Satz 1 des Betriebsrentengesetzes heißt es:

„Wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1. Januar 2001 zugesagt worden sind, ist § 1b Absatz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch nach Vollendung des 35. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt

1.      mindestens zehn Jahre …

...

bestanden hat; in diesen Fällen bleibt die Anwartschaft auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1. Januar 2001 fünf Jahre bestanden hat und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 30. Lebensjahr vollendet ist. ...“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Rechtssache C674/18

20      Der im Jahr 1980 geborene EM war seit dem 1. August 1996 bei der Textar GmbH beschäftigt. Diese Gesellschaft gewährte ihren Arbeitnehmern aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung. Nach dieser Versorgungsordnung beträgt die Höhe der Altersrente für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr zwischen 0,2 % und 0,55 % der vom Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erzielten monatlichen Bruttovergütung, höchstens jedoch – nach 45 Dienstjahren – 20,25 %.

21      Als Textar veräußert wurde, ging das Arbeitsverhältnis von EM auf TMD Friction über. Am 1. März 2009 wurde über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, der Betrieb aber fortgeführt.


22      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass der Insolvenzverwalter im April 2009 bestimmte Geschäftsfelder von TMD Friction an eine Gesellschaft veräußerte, die später, am 4. Juni 2009, selbst in TMD Friction umfirmiert wurde.

23      Der Pensions-Sicherungs-Verein (im Folgenden: PSV), eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die bei Insolvenz eines Arbeitgebers in Deutschland die Zahlung der betrieblichen Altersrente sicherstellt, teilte EM mit, dass er gemäß § 1b Abs. 1 in Verbindung mit § 30f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betriebsrentengesetzes aufgrund seines Lebensalters, das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 29 Jahre betrug, auf Leistungen bei Alter noch keine unverfallbare Anwartschaft erworben habe, so dass er bei Eintritt eines Versorgungsfalls keine Leistungen vom PSV erhalten werde.

24      EM erhob daraufhin Klage gegen TMD Friction mit dem Antrag, sie zu verurteilen, ihm in Zukunft, wenn er das zum Leistungsbezug berechtigende Rentenalter erreicht habe, eine Altersrente zu zahlen, bei deren Höhe die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Beschäftigungszeiten berücksichtigt würden.

25      TMD Friction trat diesem Antrag mit der Begründung entgegen, dass ein Erwerber bei einem Betriebsübergang nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers nur noch für denjenigen Teil der Altersrente hafte, der auf den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeiten beruhe.

26      Da sein Begehren sowohl in der ersten als auch in der Berufungsinstanz ohne Erfolg blieb, legte EM beim vorlegenden Gericht, dem Bundesarbeitsgericht (Deutschland), Revision ein.

27      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Erlaubt Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/23 bei einem Betriebsübergang nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betriebsveräußerers im nationalen Recht, welches grundsätzlich die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2001/23 auch für die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen bei einem Betriebsübergang anordnet, eine Einschränkung dahin gehend, dass der Erwerber nicht für Anwartschaften haftet, die auf Beschäftigungszeiten vor der Insolvenzeröffnung beruhen?


2.      Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Richten sich die nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen bei einem Betriebsübergang nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betriebsveräußerers nach dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geforderten Schutzniveau?

3.      Falls die zweite Vorlagefrage verneint wird:

Ist Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen getroffen sind, wenn das nationale Recht vorsieht, dass

–        die Verpflichtung, dem vom Betriebsübergang in der Insolvenz erfassten Arbeitnehmer aus der betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung künftig eine Leistung bei Alter zu gewähren, grundsätzlich auf den Betriebserwerber übergeht,

–        der Betriebserwerber für künftige Versorgungsansprüche in dem Umfang haftet, in dem diese auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Zeiten der Betriebszugehörigkeit beruhen,

–        nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in diesem Fall für den vor der Insolvenzeröffnung erworbenen Teil der künftigen Versorgungsansprüche nicht einzutreten hat und

–        der Arbeitnehmer den Wert des vor der Insolvenzeröffnung erworbenen Teils seines künftigen Versorgungsanspruchs im Insolvenzverfahren des Veräußerers geltend machen kann?

4.      Ist, wenn das nationale Recht die Anwendung der Art. 3 und 4 der Richtlinie 2001/23 im Fall eines Betriebsübergangs auch während eines Insolvenzverfahrens anordnet, Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 auf Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen anwendbar, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar bereits entstanden sind, jedoch erst bei Eintritt des Versorgungsfalls und damit erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Leistungsansprüchen der Arbeitnehmer führen?

5.      Falls die zweite oder die vierte Vorlagefrage bejaht wird:

Erfasst das nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 von den Mitgliedstaaten zu gewährende Mindestschutzniveau auch die Verpflichtung zur Absicherung von Versorgungsanwartschaften, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach nationalem Recht noch nicht gesetzlich unverfallbar waren und die überhaupt nur deshalb gesetzlich unverfallbar werden, weil das Arbeitsverhältnis nicht im Zusammenhang mit der Insolvenz beendet wird?

6.      Falls die fünfte Vorlagefrage bejaht wird:

Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 zu gewährleisten, obwohl der Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhalten wird, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben werden?

7.      Falls die fünfte Vorlagefrage bejaht wird:

Wird ein nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 oder Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 erforderlicher – Art. 8 der Richtlinie 2008/94 gleichwertiger – Schutz für Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer auch dann gewährt, wenn sich dieser nicht aus dem nationalen Recht, sondern nur aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ergibt?

8.      Falls die siebte Vorlagefrage bejaht wird:

Entfaltet Art. 8 der Richtlinie 2008/94 auch dann unmittelbare Wirkung, so dass er von einem einzelnen Arbeitnehmer vor dem nationalen Gericht geltend gemacht werden kann, wenn dieser zwar mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben, seine durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste aber dennoch als unverhältnismäßig anzusehen sind?

9.      Falls die achte Vorlagefrage bejaht wird:

Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat – für die Arbeitgeber verpflichtend – als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaats?

 Rechtssache C675/18

28      Der im Jahr 1950 geborene FL war seit dem 1. Oktober 1968 bei Textar beschäftigt. Diese Gesellschaft gewährte ihren Arbeitnehmern aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung eine Rente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung. Nach dieser Versorgungsordnung beträgt die Höhe der Altersrente für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr 0,5 % der vom Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erzielten monatlichen Bruttovergütung, höchstens jedoch – nach 45 Dienstjahren – 22,5 %.

29      Als Textar veräußert wurde, ging das Arbeitsverhältnis von FL auf TMD Friction über, deren Betrieb fortgeführt wurde, nachdem über sie am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

30      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass der Insolvenzverwalter im April 2009 bestimmte Geschäftsfelder von TMD Friction an TMD Friction EsCo veräußerte, die mit Wirkung zum 22. April 2009 den Betrieb, in dem der Kläger des Ausgangsverfahrens beschäftigt war, erwarb.

31      FL erhält seit dem 1. August 2015 von TMD Friction EsCo eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung in Höhe von 145,03 Euro monatlich sowie vom PSV eine Rente in Höhe von 816,99 Euro monatlich. Bei deren Berechnung legte der PSV die monatliche Bruttovergütung zugrunde, die FL zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogen hatte, so dass der 1. März 2009 hierfür maßgebend war.

32      FL erhob gegen TMD Friction EsCo Klage auf Zahlung einer höheren betrieblichen Altersrente. Nach Ansicht von FL hätte unter Berücksichtigung seiner 45 Dienstjahre bei TMD Friction EsCo bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sowie des Umstands, dass seine monatliche Bruttovergütung vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis 4 940 Euro betragen habe, die Höhe seiner betrieblichen Altersrente auf 1 111,50 Euro monatlich festgesetzt werden müssen. Hiervon dürfe TMD Friction EsCo nur die vom PSV erbrachte Leistung in Höhe von 816,99 Euro in Abzug bringen. FL verlangt daher von TMD Friction EsCo zusätzlich zu der von ihr bereits gezahlten monatlichen Rente in Höhe von 145,03 Euro noch einen weiteren Betrag von 149,48 Euro monatlich.

33      Wie TMD Friction in der Rechtssache C‑674/18 entgegnete auch TMD Friction EsCo, dass der Erwerber bei einem Betriebsübergang nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers nur für denjenigen Teil der Altersrente hafte, der auf den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeiten der Betriebszugehörigkeit beruhe.

34      Da sein Begehren sowohl in der ersten als auch in der Berufungsinstanz ohne Erfolg blieb, legte FL beim vorlegenden Gericht, dem Bundesarbeitsgericht, Revision ein.

35      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof neun Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, wobei die Fragen 1, 2 und 4 sowie 6 bis 9 den gleichen Wortlaut wie in der Rechtssache C‑674/18 haben:

1.      …

2.      …

3.      Falls die zweite Vorlagefrage verneint wird:

Ist Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen getroffen sind, wenn das nationale Recht vorsieht, dass

–        die Verpflichtung, dem vom Betriebsübergang in der Insolvenz erfassten Arbeitnehmer aus der betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung künftig eine Leistung bei Alter zu gewähren, grundsätzlich auf den Betriebserwerber übergeht,

–        der Betriebserwerber für Versorgungsanwartschaften, deren Höhe sich unter anderem nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und des Arbeitsentgelts bei Eintritt des Versorgungsfalls bestimmt, in dem Umfang haftet, in dem diese auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Zeiten der Betriebszugehörigkeit beruhen,

–        der nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in diesem Fall für den vor der Insolvenzeröffnung erworbenen Teil der Versorgungsanwartschaft insoweit einzutreten hat, als dessen Höhe sich nach dem zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vom Arbeitnehmer bezogenen Arbeitsentgelt errechnet, und

–        weder der Erwerber noch der Träger der Insolvenzsicherung für die Steigerungen der Versorgungsanwartschaft haften, die durch zwar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfindende Erhöhungen des Arbeitsentgelts, aber für vor diesem Zeitpunkt erbrachte Zeiten der Betriebszugehörigkeit erfolgen,

–        der Arbeitnehmer diese wertmäßige Differenz seiner Anwartschaft aber im Insolvenzverfahren des Veräußerers geltend machen kann?

4.      …

5.      Falls die zweite oder die vierte Vorlagefrage bejaht wird:

Erfasst das nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 von den Mitgliedstaaten zu gewährende Mindestschutzniveau auch den Teil der zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erworbenen Versorgungsanwartschaft, der nur deshalb entsteht, weil das Arbeitsverhältnis nicht im Zusammenhang mit der Insolvenz beendet wird?

6.      …

7.      …

8.      …

9.      …

36      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. November 2018 sind die Rechtssachen C‑674/18 und C‑675/18 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

37      Die beiden Ausgangsverfahren betreffen Betriebsübergänge, die nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter durchgeführt wurden und in deren Rahmen sowohl die Arbeitsverhältnisse als auch die Verbindlichkeiten aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, die auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung zurückgeht, auf die Erwerber übergegangen sind. Die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeitnehmer erhoben Klage gegen die Erwerber und machten geltend, gegen sie auch für die Beschäftigungszeiten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegt worden seien, Altersrentenansprüche zu haben, da der PSV nach dem nationalen Recht für diese Ansprüche nicht oder nur eingeschränkt hafte.

38      Nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts gehen im deutschen Recht gemäß § 613a BGB grundsätzlich die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen auf den Erwerber über, und zwar auch dann, wenn der Betriebsübergang nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt. Der Erwerber werde zum Schuldner der Verpflichtungen, die mit der künftigen Zahlung einer Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung verbunden seien. Bei der Berechnung der Rente seien daher auch die beim Veräußerer bzw. seinen Rechtsvorgängern bereits erbrachten Betriebszugehörigkeitszeiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

39      Nach der Auslegung des nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht in seinem Urteil vom 17. Januar 1980 wäre es jedoch bei einem Betriebsübergang nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger nicht zulässig, dass die übernommene Belegschaft ihre Forderung gegenüber einem neuen, zahlungskräftigen Schuldner geltend machte und dadurch gegenüber anderen Gläubigern, vor allem gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern, unangemessen bevorzugt würde. So hafte der Erwerber bei einem solchen Betriebsübergang weder für erworbene Rechte noch für Versorgungsanwartschaften, für die die erforderliche Arbeitsleistung oder Betriebszugehörigkeit bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitnehmer erbracht worden sei. Die Haftung des Erwerbers beschränke sich – bezogen auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – vielmehr nur auf den Anteil, der in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitnehmer durch seine Betriebszugehörigkeit verdient worden sei.

40      Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts ist die Höhe der dem Arbeitnehmer beim Eintritt eines Versorgungsfalls vom Erwerber zu zahlenden Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung daher in einem ersten Schritt auf der Grundlage der Vorgaben in der Versorgungsordnung unter Zugrundelegung der gesamten im Arbeitsverhältnis erbrachten anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers und gegebenenfalls der vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis maßgebenden Bruttovergütung des Arbeitnehmers zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sei der sich danach ergebende Betrag anteilig auf die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vor und nach der Insolvenzeröffnung erbrachten Zeiten der Betriebszugehörigkeit aufzuteilen.

41      Im Übrigen sei der PSV in Bezug auf den Teil der Rentenansprüche, den die vom Erwerber übernommenen Arbeitnehmer in der Zeit erworben hätten, in der sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem übertragenden Unternehmen beschäftigt gewesen seien, nur dann eintrittspflichtig, wenn sich diese Arbeitnehmer – so wie FL – zu diesem Zeitpunkt auf eine unverfallbare Anwartschaft berufen könnten. Außerdem würden selbst in einem solchen Fall – im Unterschied zu dem bei der Berechnung des Anteils des Erwerbers verwendeten fiktiven Betrag – die vom PSV zu zahlenden Leistungen auf der Grundlage der monatlichen Bruttovergütung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet.

42      Folglich könnte es zu einer – vom vorlegenden Gericht im vorliegenden Fall mit monatlich 142,22 Euro veranschlagten – Differenz zwischen der Summe der von dem PSV und dem Erwerber tatsächlich gezahlten Beträge einerseits und dem fiktiven Betrag der Gesamtrente, auf die FL unter normalen Umständen Anspruch hätte, andererseits kommen. Indessen könnte ein solcher Arbeitnehmer seine Forderung in Höhe dieses Betrags zur Insolvenztabelle anmelden (Rechtssache C‑675/18).

43      Bei einem Arbeitnehmer wie EM (Rechtssache C‑674/18), der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hat, würde der PSV nicht eintreten, allerdings könnte der Arbeitnehmer seine Forderung in Höhe des Betrags der Versorgungsanwartschaft zur Insolvenztabelle anmelden.

44      Es ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 28. Mai 2020, World Comm Trading Gfz, C‑684/18, EU:C:2020:403, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im vorliegenden Fall sind die Vorlagefragen in den verbundenen Rechtssachen jeweils dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht zunächst wissen möchte, ob die in diesen Rechtssachen in Rede stehende nationale Regelung und die nationale Rechtsprechungspraxis mit den Richtlinien 2001/23 und 2008/94 vereinbar sind, sodann, ob Verluste, wie sie EM und FL erlitten haben, als offensichtlich unverhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 der Richtlinie 2008/94 anzusehen sind, und schließlich, ob diese Bestimmung unmittelbare Wirkung entfalten kann und ob sie gegenüber einem privatrechtlich organisierten Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung – wie dem PSV – geltend gemacht werden kann.

46      Vor dem Gerichtshof haben die Kläger der Ausgangsverfahren zum Ausdruck gebracht, sie hegten Zweifel, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Veräußerers in den Fällen der Ausgangsverfahren nicht deshalb eröffnet worden sei, um den Betriebsübergang so durchzuführen, dass die Belastung der Erwerber mit den von den Klägern der Ausgangsverfahren erworbenen Rechten aus der betrieblichen Zusatzversorgung möglichst gering gehalten werde. Im vorliegenden Fall enthalten die Vorabentscheidungsersuchen des vorlegenden Gerichts jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise erfolgt wäre.

 Zu den Fragen 1, 2 und 4 der verbundenen Rechtssachen

47      Mit den Fragen 1, 2 und 4 der verbundenen Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2001/23, insbesondere unter Berücksichtigung ihres Art. 3 Abs. 1 und 4 sowie ihres Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, dahin auszulegen ist, dass sie beim Übergang eines von einem Insolvenzverfahren betroffenen Betriebs, der von dessen Insolvenzverwalter durchgeführt wurde, einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erwerber nicht für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, die auf Beschäftigungszeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet, wenn der Versorgungsfall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt.

48      Zur Beantwortung dieser Fragen ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/23 nach ihrem Art. 3, der im Licht ihres dritten Erwägungsgrundes zu lesen ist, die Arbeitnehmer schützen soll, indem sie die Wahrung ihrer Ansprüche bei einem Inhaberwechsel dadurch gewährleistet, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu denselben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Die Richtlinie soll so weit wie möglich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form gewährleisten, um eine Verschlechterung der Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Januar 2015, Gimnasio Deportivo San Andrés, C‑688/13, EU:C:2015:46, Rn. 34, und Urteil vom 16. Mai 2019, Plessers, C‑509/17, EU:C:2019:424, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Richtlinie will jedoch – ausweislich ihrer Erwägungsgründe 4 und 6 – in Anbetracht der zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Umfang des Arbeitnehmerschutzes auf diesem Gebiet bestehenden Unterschiede diese durch eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften verringern, ohne aber eine vollständige Harmonisierung auf dem Gebiet vorzusehen (Beschluss vom 28. Januar 2015, Gimnasio Deportivo San Andrés, C‑688/13, EU:C:2015:46, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Außerdem können, auch wenn gemäß dem Ziel der Richtlinie 2001/23 die Interessen der von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer zu schützen sind, die Interessen des Erwerbers nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Richtlinie dient nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmerinteressen bei einem Unternehmensübergang, sondern sie soll auch einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits gewährleisten (Urteil vom 26. März 2020, ISS Facility Services, C‑344/18, EU:C:2020:239, Rn. 26).

51      Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2001/23 insofern als zwingend anzusehen sind, als die Mitgliedstaaten – von den in der Richtlinie selbst vorgesehenen Ausnahmen abgesehen – von ihnen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen dürfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Januar 2015, Gimnasio Deportivo San Andrés, C‑688/13, EU:C:2015:46, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 enthält den Grundsatz, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen.

53      Allerdings ergibt sich erstens aus Art. 3 Abs. 4. Buchst. a der Richtlinie 2001/23, dass, sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, die Abs. 1 und 3 dieses Artikels für die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten nicht gelten.

54      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 auch dann, wenn sie nicht vorsehen, dass die Abs. 1 und 3 für die in der vorstehenden Randnummer genannten Rechte gelten, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer – einschließlich derjenigen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind – hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter und Leistungen für Hinterbliebene aus den in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a dieser Richtlinie genannten Zusatzversorgungseinrichtungen treffen (Beschluss vom 28. Januar 2015, Gimnasio Deportivo San Andrés, C‑688/13, EU:C:2015:46, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Zweitens gelten gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 deren Art. 3 und 4 – sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen – nicht für einen Unternehmensübergang, bei dem gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde.

56      Ferner stellt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23 klar, dass ein Mitgliedstaat, wenn die Art. 3 und 4 der Richtlinie für einen solchen Übergang gelten, unabhängig davon, ob das Insolvenzverfahren zur Auflösung des Vermögens des Veräußerers eingeleitet worden ist oder nicht, unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Garantien der Art. 3 und 4 der Richtlinie unangewendet lassen kann.

57      So kann ein solcher Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nach deren Art. 5 Abs. 2 Buchst. a vorsehen, dass die vor dem Übergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen nicht auf den Erwerber übergehen, sofern dieses Verfahren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats einen Schutz gewährt, der dem von der Richtlinie 80/987 vorgesehenen Schutz zumindest gleichwertig ist.

58      Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass nach § 613a BGB beim Übergang eines Betriebs der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt und dass dieser Artikel weder ausdrücklich vorsieht, dass bestimmte Arten von Rechten nicht übergehen, noch, dass es darauf ankommt, unter welchen Umständen ein solcher Übergang erfolgt. Somit wollte der deutsche Gesetzgeber im Einklang mit der durch die Richtlinie 2001/23 eröffneten Möglichkeit Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie grundsätzlich auf die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung anwenden, und zwar auch dann, wenn der Übergang während eines gegen den Veräußerer eingeleiteten Insolvenzverfahrens eintritt.

59      Deshalb ist zu prüfen, ob es im Rahmen einer grundsätzlichen Anwendung von Art. 3 der Richtlinie gleichwohl in Anwendung der in dieser Richtlinie genannten Ausnahmen möglich ist, vorzusehen, dass der Erwerber nicht für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung haftet, die auf Beschäftigungszeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen.

60      Zunächst hat der Gerichtshof zu Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 wiederholt entschieden, dass zur Ermittlung, ob ein Unternehmensübergang unter diese Ausnahme fällt, sicherzustellen ist, dass dieser Übergang die drei in dieser Bestimmung aufgestellten kumulativen Voraussetzungen erfüllt, nämlich dass gegen den Veräußerer ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren eröffnet worden ist, dass dieses Verfahren zum Zweck der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet worden ist und dass es unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2019, Plessers, C‑509/17, EU:C:2019:424, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie verlangt, dass das Konkursverfahren oder das entsprechende Verfahren zum Zweck der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde und dass ein Verfahren, das auf die Fortführung der Geschäftstätigkeit des betreffenden Unternehmens abzielt, diese Voraussetzung nicht erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, Federatie Nederlandse Vakvereniging u. a., C‑126/16, EU:C:2017:489, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Folglich stellen Verfahren wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, deren Ziel nicht die Auflösung des Vermögens des Veräußerers ist, sondern die Fortführung seiner Geschäftstätigkeit nach deren Übergang, kein zum Zweck der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnetes Verfahren im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, Federatie Nederlandse Vakvereniging u. a., C‑126/16, EU:C:2017:489, Rn. 51 und 52).

63      Sodann ist zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 festzustellen, dass nach der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung zwar Anwartschaftsrechte auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben wurden, der Bezug der Altersrente aber erst bei Eintritt des Versorgungsfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten wird.

64      Daher kann, ohne gegen die, wie vom Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge angemerkt, gebotene enge Auslegung dieser Ausnahme zu verstoßen, nicht davon ausgegangen werden, dass diese nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung vor dem Übergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällige Verbindlichkeiten des Veräußerers betrifft.

65      Daraus folgt, dass die in Art. 5 der Richtlinie 2001/23 speziell vorgesehenen Ausnahmen nicht auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung anwendbar sind.

66      Diese Feststellung schließt jedoch nicht aus, dass eine solche Regelung unter die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/23 vorgesehenen Ausnahmen fallen kann. Voraussetzung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, der einen Übergang wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden betrifft, ist nämlich die Anwendung der Art. 3 und 4 dieser Richtlinie (Urteil vom 11. Juni 2009, Kommission/Italien, C‑561/07, EU:C:2009:363, Rn. 41).

67      Insoweit geht aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils hervor, dass durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung die Verpflichtung, Ansprüche der Arbeitnehmer auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung zu erfüllen, teilweise auf den Erwerber überging.

68      Wie die Kommission hervorgehoben hat, kann Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/23, da er es den Mitgliedstaaten erlaubt, sowohl den vollständigen Übergang einer solchen Verpflichtung auf den Erwerber als auch das vollständige Unterbleiben eines solchen Übergangs vorzuschreiben, nicht dahin ausgelegt werden, dass er einer nationalen Regelung grundsätzlich entgegensteht, die einen teilweisen Übergang vorsieht.

69      Wie in den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sieht diese Richtlinie nämlich keine vollständige Harmonisierung vor und soll einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits gewährleisten.

70      In einer solchen Konstellation ist zum einen davon auszugehen, dass der Mitgliedstaat nur für denjenigen Teil der Rechte der Arbeitnehmer auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung „anderes [im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a erster Halbsatz der Richtlinie 2001/23] vorsieht“, der auf den Erwerber übergehen muss, und zum anderen, dass die Verpflichtung, die zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu treffen, diesem Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie sowohl für denjenigen Teil der Rechte, der auf den Erwerber übergeht, als auch für denjenigen Teil obliegt, der weiterhin nur dem Veräußerer, gegebenenfalls in einem gegen ihn eingeleiteten Insolvenzverfahren, wie dies in den Ausgangsverfahren der Fall ist, entgegengehalten werden kann.

71      Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat in Ausübung seines Wertungsspielraums vorsehen kann, dass auch dann, wenn der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, dieser nur für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung haftet, die auf Beschäftigungszeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, sofern dieser Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer trifft.

72      Eine solche Auslegung ermöglicht es nämlich grundsätzlich, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und jenen der Erwerber im Fall eines Betriebsübergangs nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sicherzustellen, da sie gewährleistet, dass den Arbeitnehmern ihre Rechte auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erhalten bleiben, und zugleich eine Beschränkung der Haftung der Erwerber vorsieht, die den Übergang von Unternehmen erleichtern kann, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind.

73      Insoweit ist noch darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 im Wesentlichen den Wortlaut von Art. 8 der Richtlinie 80/987 übernimmt, der mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94, mit der die Richtlinie 80/987 kodifiziert wurde, identisch ist. Außerdem verlangt Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/23, der Unternehmensübergänge im Fall eines Insolvenzverfahrens betrifft, ausdrücklich einen Schutz, der dem von der Richtlinie 80/987 vorgesehenen Schutz zumindest gleichwertig ist. Folglich sind die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer, die die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 zu treffen haben, so zu verstehen, dass sie jedenfalls die in der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Maßnahmen umfassen, mit denen die Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers ausgeglichen werden soll, unabhängig davon, ob es sich bei diesem um den Erwerber oder, wie im vorliegenden Fall, um den Veräußerer handelt.

74      Daraus folgt, dass bei einem Unternehmensübergang nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Schutz der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaften auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 zumindest dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geforderten Schutzniveau gleichwertig sein muss.

75      Nach alledem ist auf die Fragen 1, 2 und 4 in den verbundenen Rechtssachen zu antworten, dass die Richtlinie 2001/23, insbesondere unter Berücksichtigung ihres Art. 3 Abs. 1 und 4 sowie ihres Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, dahin auszulegen ist, dass sie beim Übergang eines von einem Insolvenzverfahren betroffenen Betriebs, der von dessen Insolvenzverwalter durchgeführt wurde, einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung, wonach der Erwerber nicht für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, die auf Beschäftigungszeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet, wenn der Versorgungsfall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt, nicht entgegensteht, sofern hinsichtlich des Teils des Betrags, für den der Erwerber nicht haftet, die zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer getroffenen Maßnahmen ein Schutzniveau bieten, das dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geforderten zumindest gleichwertig ist.

 Zu den Fragen 3, 5 und 6 der verbundenen Rechtssachen

76      Mit seinen Fragen 3, 5 und 6, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei Eintritt des Versorgungsfalls für Rechte auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, während dessen der Betrieb übergegangen ist, und hinsichtlich des Teils der Leistungen, der nicht vom Erwerber zu tragen ist, vorsieht, dass zum einen der nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung nicht eintreten muss, wenn die Anwartschaften auf Leistungen bei Alter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht unverfallbar waren, und dass zum anderen der Betrag des Teils der Leistungen, für den der Träger der Insolvenzsicherung haftet, auf der Grundlage der monatlichen Bruttovergütung des betreffenden Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet wird.

77      Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie aus Rn. 75 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Absicherung, die der betreffende Mitgliedstaat für den Teil des Betrags der Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, den nicht der Erwerber zu tragen hat, gewähren muss, ein Schutzniveau bieten muss, das dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geforderten zumindest gleichwertig ist.

78      Im Rahmen der Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 verfügen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung sowohl des Mechanismus als auch des Umfangs des Schutzes der von Arbeitnehmern erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus Zusatzversorgungseinrichtungen über einen weiten Wertungsspielraum. Da diese Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie eine vollständige Absicherung dieser Rechte verlangt, hindert sie die Mitgliedstaaten nicht daran, unter Verfolgung legitimer wirtschaftlicher und sozialer Ziele die erworbenen Rechte der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers zu kürzen, sofern sie insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Folglich sind die Mitgliedstaaten gemäß dem mit dieser Richtlinie verfolgten Ziel verpflichtet, Arbeitnehmern den in Art. 8 dieser Richtlinie geforderten Mindestschutz zu garantieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Pensions-Sicherungs-Verein, C‑168/18, EU:C:2019:1128, Rn. 38 bis 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Zu dem in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geforderten Mindestschutz hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Bestimmung erfordert, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhält, die sich aus den im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Rentenansprüchen ergeben, und dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten aufgibt, in diesem Fall jedem ehemaligen Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Entschädigung zu garantieren, die mindestens der Hälfte seiner in einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Ansprüche entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Pensions-Sicherungs-Verein, C‑168/18, EU:C:2019:1128, Rn. 41, 51 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Außerdem steht dieser Mindestschutz einer offensichtlich unverhältnismäßigen Kürzung der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitnehmers entgegen, die die Fähigkeit des Betroffenen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, schwerwiegend beeinträchtigt. Dies wäre bei einer Kürzung der Leistungen bei Alter für einen ehemaligen Arbeitnehmer der Fall, der wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) für den betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder künftig leben müsste. Dieser Mindestschutz verlangt somit, dass ein Mitgliedstaat einem ehemaligen Arbeitnehmer, der einer solchen Kürzung seiner Leistungen bei Alter ausgesetzt ist, eine Entschädigung in Höhe eines Betrags garantiert, der zwar nicht notwendigerweise den gesamten erlittenen Verlust abdeckt, aber doch geeignet ist, dessen offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit abzuhelfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Pensions-Sicherungs-Verein, C‑168/18, EU:C:2019:1128, Rn. 44 und 45).

81      Hinzuzufügen ist noch, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 den Schutz langfristiger Interessen der Arbeitnehmer sicherstellen soll, da sich derartige Interessen hinsichtlich der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte grundsätzlich auf den gesamten Ruhestandszeitraum erstrecken (Urteil vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 27).

82      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung für den Fall des Betriebsübergangs nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsieht, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, so dass bei einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Berechnung der Höhe der Leistungen bei Alter bei Eintritt des Versorgungsfalls die gesamte im Arbeitsverhältnis erbrachte anrechnungsfähige Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers, einschließlich der beim Veräußerer verdienten Zeit und die vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis maßgebende Bruttovergütung des Arbeitnehmers zugrunde zu legen ist.

83      Außerdem ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, auf die in den Rn. 20 und 28 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, dass die Höhe der Altersrente nach dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden System der betrieblichen Zusatzversorgung für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr einen bestimmten Prozentsatz der Bruttovergütung des Arbeitnehmers bei Eintritt des Versorgungsfalls beträgt, jedoch nach 45 Dienstjahren einen bestimmten Prozentsatz nicht übersteigen darf.

84      Daraus folgt, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94 hervorgehende und in Rn. 79 des vorliegenden Urteils erwähnte Garantie, die darin besteht, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhält, die sich aus den im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Rentenansprüchen ergeben, nur insoweit wahrt, als der ehemalige Arbeitnehmer sicher sein kann, dass er zumindest die Hälfte der Beträge erhält, die ihm nach dem durch die nationale Regelung eingeführten und in den Rn. 82 und 83 des vorliegenden Urteils erwähnten Berechnungsverfahren zustehen.

85      Insbesondere kann Art. 8 der Richtlinie 2008/94 in einem Fall wie dem der Ausgangsverfahren nicht dahin ausgelegt werden, dass die Höhe der Leistung, von der dem ehemaligen Arbeitnehmer mindestens 50 % zuzuerkennen sind, berechnet werden kann, ohne hierfür die beim Veräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeiten, während deren Rechte auf Leistungen bei Alter erworben worden sind, und die Bruttovergütung des Arbeitnehmers bei Eintritt des Versorgungsfalls angemessen zu berücksichtigen.

86      Im Übrigen ließe sich anhand einer Berechnung, bei der die Beschäftigungszeiten und die Bruttovergütung, die in der vorstehenden Randnummer erwähnt worden sind, nicht berücksichtigt würden, nicht feststellen, ob gemäß dem sich aus dem genannten Art. 8 ergebenden Erfordernis – das in Rn. 80 des vorliegenden Urteils angeführt worden ist – den Folgen einer Kürzung dieser Leistungen zulasten eines ehemaligen Arbeitnehmers, der bereits vor oder aufgrund dieser Kürzung unter der für den betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Armutsschwelle lebte bzw. leben müsste, abzuhelfen ist.

87      In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der deutschen Regierung zurückzuweisen, wonach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 angesichts dessen, dass die deutsche Sprachfassung die Wendung „ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte“ enthalte und „erworbene Anwartschaftsrechte“ wörtlich „droits en cours d’acquisition acquis“ entspreche, nur für Anwartschaftsrechte gelte, die nach den nationalen Vorschriften erworben, d. h. unverfallbar, seien.

88      Es ist nämlich festzustellen, dass sich, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑674/18 geltend macht, andere Sprachfassungen dieser Bestimmung, wie die spanische, die französische oder die italienische Sprachfassung, nur auf „erworbene Rechte und Anwartschaften“ beziehen, ohne zu verlangen, dass diese auch unverfallbar seien.

89      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erfordert die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts, dass sie, wenn ihre verschiedenen Sprachfassungen voneinander abweichen, anhand des Kontexts und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden muss, zu der sie gehört (Urteil vom 23. November 2016, Bayer CropScience und Stichting De Bijenstichting, C‑442/14, EU:C:2016:890, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Zwar sieht Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/94 vor, dass diese das einzelstaatliche Recht u. a. bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte „erworbenes Recht“ und „Anwartschaftsrecht“ unberührt lässt.

91      Daher hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, innerhalb der Anwartschaftsrechte jene zu unterscheiden, die unverfallbar sind. Jedoch darf ein solcher den Mitgliedstaaten zuerkannter Wertungsspielraum nicht dazu führen, dass die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere ihres Art. 8, beeinträchtigt wird. Dies wäre aber der Fall, wenn es einem Mitgliedstaat gestattet wäre, bestimmte Kategorien von Anwartschaftsrechten im Sinne seines nationalen Rechts von der Mindestschutzpflicht auszunehmen, die sich aus Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 im Licht von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 für sämtliche Anwartschaftsrechte ergibt.

92      Letztlich ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der in den vorstehenden Randnummern dargelegten Grundsätze zu prüfen, ob in den Ausgangsverfahren gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, dem Arbeitnehmer, der Leistungen aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung bezieht, einen Mindestschutz zu gewähren.

93      Nach alledem ist auf die Fragen 3, 5 und 6 der verbundenen Rechtssachen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei Eintritt des Versorgungsfalls für Rechte auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, während dessen der Betrieb übergegangen ist, und hinsichtlich des Teils der Leistungen, der nicht vom Erwerber zu tragen ist, vorsieht, dass zum einen der nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung nicht eintreten muss, wenn die Anwartschaften auf Leistungen bei Alter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht unverfallbar waren, und dass zum anderen der Betrag des Teils der Leistungen, für den der Träger der Insolvenzsicherung haftet, auf der Grundlage der monatlichen Bruttovergütung des betreffenden Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet wird, wenn sich daraus ergibt, dass den Arbeitnehmern der durch diese Bestimmung gewährte Mindestschutz verwehrt wird, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 Zu den Fragen 7 bis 9 der verbundenen Rechtssachen

94      Mit den Fragen 7 bis 9 der verbundenen Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94, soweit er einen Mindestschutz der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter vorsieht, unmittelbare Wirkung entfaltet, die der Betroffene gegenüber einer privatrechtlich organisierten Sicherungseinrichtung geltend machen kann, die mit der Erhebung von Pflichtbeiträgen bei den Arbeitgebern betraut ist und zu diesem Zweck auf die Zwangsvollstreckung zurückgreifen kann, wobei sie der Aufsicht einer öffentlichen Stelle des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt.

95      In seinem Urteil vom 19. Dezember 2019, Pensions-Sicherungs-Verein (C‑168/18, EU:C:2019:1128), hat der Gerichtshof bereits die Frage beantwortet, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 derart unmittelbare Wirkung entfalten kann, dass er gegenüber einer privatrechtlich organisierten Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom betreffenden Mitgliedstaat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist. In den Rn. 52 bis 57 dieses Urteils hat der Gerichtshof diese Frage im Wesentlichen bejaht, sofern zum einen diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann und zum anderen sich diese Aufgabe tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird.

96      Nach alledem ist auf die Fragen 7 bis 9 der verbundenen Rechtssachen zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94, soweit er einen Mindestschutz der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter vorsieht, unmittelbare Wirkung entfalten kann, so dass er gegenüber einer privatrechtlich organisierten Einrichtung, die vom betreffenden Mitgliedstaat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, geltend gemacht werden kann, sofern zum einen diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann und zum anderen sich diese Aufgabe tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird, was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist.

 Kosten

97      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist, insbesondere unter Berücksichtigung ihres Art. 3 Abs. 1 und 4 sowie ihres Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, dahin auszulegen, dass sie beim Übergang eines von einem Insolvenzverfahren betroffenen Betriebs, der von dessen Insolvenzverwalter durchgeführt wurde, einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung, wonach der Erwerber nicht für Anwartschaften eines Arbeitnehmers auf eine Altersrente aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung, die auf Beschäftigungszeiten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet, wenn der Versorgungsfall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt, nicht entgegensteht, sofern hinsichtlich des Teils des Betrags, für den der Erwerber nicht haftet, die zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer getroffenen Maßnahmen ein Schutzniveau bieten, das dem von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers geforderten zumindest gleichwertig ist.

2.      Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die bei Eintritt des Versorgungsfalls für Rechte auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, während dessen der Betrieb übergegangen ist, und hinsichtlich des Teils der Leistungen, der nicht vom Erwerber zu tragen ist, vorsieht, dass zum einen der nach nationalem Recht bestimmte Träger der Insolvenzsicherung nicht eintreten muss, wenn die Anwartschaften auf Leistungen bei Alter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht unverfallbar waren, und dass zum anderen der Betrag des Teils der Leistungen, für den der Träger der Insolvenzsicherung haftet, auf der Grundlage der monatlichen Bruttovergütung des betreffenden Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet wird, wenn sich daraus ergibt, dass den Arbeitnehmern der durch diese Bestimmung gewährte Mindestschutz verwehrt wird, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 kann, soweit er einen Mindestschutz der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter vorsieht, unmittelbare Wirkung entfalten, so dass er gegenüber einer privatrechtlich organisierten Einrichtung, die vom betreffenden Mitgliedstaat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, geltend gemacht werden kann, sofern zum einen diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann und zum anderen sich diese Aufgabe tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird, was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist.

Regan

Jarukaitis

Juhász

Ilešič

 

Lycourgos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. September 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

E. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.