Language of document : ECLI:EU:C:2021:672

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

2. September 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 und 56 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Richtlinie 2014/23/EU – Verfahren zur Vergabe von Konzessionsverträgen – Art. 43 – Wesentliche Änderungen – Sofortlotteriespiele – Nationale Regelung, die die Erneuerung einer Konzession ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens vorsieht – Richtlinie 89/665/EWG- Art. 1 Abs. 3 – Rechtsschutzinteresse“

In den verbundenen Rechtssachen C‑721/19 und C‑722/19

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidungen vom 20. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 23. September 2019, in den Verfahren

Sisal SpA (C‑721/19),

Stanleybet Malta Ltd (C‑722/19),

Magellan Robotech Ltd (C‑722/19)

gegen

Agenzia delle Dogane e dei Monopoli,

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Beteiligte:

Lotterie Nazionali Srl,

Lottomatica Holding Srl, vormals Lottomatica SpA (C‑722/19),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Sisal SpA, vertreten durch L. Medugno, F. Cintioli, S. Sticchi Damiani und A. Lauteri, avvocati,

–        der Stanleybet Malta Ltd und der Magellan Robotech Ltd, vertreten durch R. A. Jacchia, A. Terranova, F. Ferraro und D. Agnello, avvocati,

–        der Lotterie Nazionali Srl, vertreten durch V. Fortunato, R. Baratta und A. Botto, avvocati,

–        der Lottomatica Holding Srl, vormals Lottomatica SpA, vertreten durch S. Fidanzia und A. Gigliola, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. G. Marrone und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, G. Gattinara und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Januar 2021

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV sowie der Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des Diskriminierungsverbots und der Grundsätze der Transparenz, der Unparteilichkeit, des freien Wettbewerbs, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Kohärenz.

2        Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, nämlich erstens (Rechtssache C‑721/19) zwischen der Sisal SpA auf der einen und der Agenzia delle Dogane e dei Monopoli (Zoll- und Monopolagentur, Italien) (im Folgenden: ADM), dem Ministero dell’Economia e delle Finanze (Wirtschafts- und Finanzministerium, Italien) und der Lotterie Nazionali Srl auf der anderen Seite und zweitens (Rechtssache C‑722/19) der Stanleybet Malta Ltd und der Magellan Robotech Ltd (im Folgenden zusammen: Stanleybet) auf der einen und der ADM, dem Ministero dell’Economia e delle Finanze, der Lotterie Nazionali Srl und der Lottomatica Holding Srl, vormals Lottomatica SpA (im Folgenden: Lottomatica), auf der anderen Seite, über die unionsrechtliche Vereinbarkeit der Maßnahme, mit der die ADM im Jahr 2017 die 2010 an Lotterie Nazionali vergebene Konzession zur Veranstaltung von Sofortlotteriespielen erneuert hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2014/23

3        Art. 3 („Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/23 bestimmt:

„Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und in nichtdiskriminierender Weise und wahren in ihrem Handeln Transparenz und Verhältnismäßigkeit.“

4        Art. 43 („Vertragsänderungen während der Vertragslaufzeit“) der Richtlinie 2014/23 sieht vor:

„(1)      Konzessionen können in den folgenden Fällen ohne Durchführung eines neuen Konzessionsvergabeverfahrens im Einklang mit dieser Richtlinie geändert werden:

a)      wenn die Änderungen, unabhängig von ihrem Geldwert, in den ursprünglichen Konzessionsunterlagen in Form von klar, präzise und eindeutig formulierten Überprüfungsklauseln, die auch Wertüberprüfungsklauseln beinhalten können, oder Optionen vorgesehen sind. Entsprechende Klauseln müssen Angaben zu Umfang und Art möglicher Änderungen oder Optionen sowie zu den Bedingungen enthalten, unter denen sie zur Anwendung gelangen können. Sie dürfen keine Änderungen oder Optionen vorsehen, die den Gesamtcharakter der Konzession verändern würden;

e)      wenn die Änderungen, unabhängig von ihrem Wert, nicht wesentlich im Sinne des Absatzes 4 sind.

(4)      Eine Änderung einer Konzession während ihrer Laufzeit gilt als wesentlich im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe e, wenn sie dazu führt, dass sich die Konzession erheblich von der ursprünglich vergebenen Konzession unterscheidet. Unbeschadet der Absätze 1 und 2 gilt eine Änderung in jedem Fall als wesentlich, wenn eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist/sind:

a)      mit der Änderung werden Bedingungen eingeführt, die – wenn sie für das ursprüngliche Konzessionsvergabeverfahren gegolten hätten – die Zulassung anderer als der ursprünglich ausgewählten Bewerber oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots ermöglicht hätten oder das Interesse weiterer Teilnehmer am Konzessionsvergabeverfahren geweckt hätten;

b)      mit der Änderung wird das wirtschaftliche Gleichgewicht der Konzession zugunsten des Konzessionsnehmers in einer Weise verschoben, die in der ursprünglichen Konzession nicht vorgesehen war;

c)      mit der Änderung wird der Umfang der Konzession erheblich ausgeweitet;

d)      ein neuer Konzessionsnehmer ersetzt den Konzessionsnehmer, dem der öffentliche Auftraggeber oder der Auftraggeber ursprünglich den Zuschlag erteilt hatte, in anderen als den in Absatz 1 Buchstabe d vorgesehenen Fällen.

(5)      Ein neues Konzessionsvergabeverfahren im Einklang mit dieser Richtlinie ist erforderlich bei anderen als den in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Änderungen der Bestimmungen einer Konzession während ihrer Laufzeit.“

5        Art. 46 („Änderung der Richtlinie 89/665/EWG“) der Richtlinie 2014/23 bestimmt:

„Die Richtlinie 89/665/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33)] wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 erhält Absatz 1 folgende Fassung:

‚…

[Diese Richtlinie] gilt zudem für von öffentlichen Auftraggebern vergebene Konzessionen im Sinne der Richtlinie [2014/23], sofern diese Konzessionen nicht gemäß den Artikeln 10, 11, 12, 17 und 25 jener Richtlinie ausgeschlossen sind.‘

…“

6        Nach Art. 51 („Umsetzung“) Abs. 1 der Richtlinie 2014/23 hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie bis zum 18. April 2016 nachzukommen.

7        Art. 54 („Inkrafttreten“) der Richtlinie 2014/23 sieht vor:

„Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf vor dem 17. April 2014 ausgeschriebene oder vergebene Konzessionen.“

 Richtlinie 89/665

8        Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665) bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“

 Italienisches Recht

9        Art. 21 („Gewährung von Spielkonzessionen“) des Decreto-legge n. 78 Provvedimenti anticrisi, nonché proroga di termini (Gesetzesdekret Nr. 78 über Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise und die Verlängerung von Fristen) vom 1. Juli 2009 (GURI Nr. 150 vom 1. Juli 2009), das durch das Gesetz Nr. 102 vom 3. August 2009 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 179 vom 4. August 2009) mit Änderungen als Gesetz verabschiedet wurde (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 78/2009), sieht vor:

„1.      Zur Gewährleistung des Schutzes wesentlicher öffentlicher Interessen bei den Tätigkeiten der Annahme der Spieleinsätze wird die Leitung dieser Tätigkeiten, wenn sie an außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehende Personen übertragen werden, immer durch eine Konzession übertragen, die gemäß den gemeinschafts- und nationalrechtlichen Grundsätzen und Vorschriften im Regelfall an mehrere Personen vergeben wird, die durch offene, wettbewerbsorientierte und nichtdiskriminierende Verfahren ausgewählt werden. … [Das] Ministero dell'economia e delle finanze – Amministrazione autonoma dei monopoli di Stato (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen – Autonome Verwaltung der Staatsmonopole, Italien) [leitet] daher die Verfahren ein, die erforderlich sind, um die Konzession auch für die im Fernabsatz erfolgende Annahme der Spieleinsätze für diese Lotterien rechtzeitig an die höchstqualifizierten nationalen und gemeinschaftlichen Spielveranstalter zu vergeben, deren Anzahl jedenfalls nicht höher als vier sein darf und die die geeigneten Anforderungen an die moralische, technische und wirtschaftliche Verlässlichkeit erfüllen.

2.      Die in Absatz 1 genannte Konzession sieht für jeden Konzessionsnehmer, der den Zuschlag erhält, eine Provision in Höhe von 11,90 % der Spieleinsätze und der durchschnittlichen Gewinnauszahlungen, jedoch höchstens in Höhe von 75 %, vor, in der die Vergütung der Verkaufsstellen für Sofortlotterien in Höhe von 8 % enthalten ist.

3.      Die Auswahl durch Ausschreibung zur Vergabe der Konzession beruht auf dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots, in dessen Rahmen folgenden Kriterien Vorrang eingeräumt wird: a) Erhöhung der Angebote in Bezug auf einen im Voraus festgelegten Grundbetrag, so dass unabhängig von der endgültigen Zahl der Zuschlagsempfänger insgesamt jedenfalls Einnahmen von mindestens 500 Mio. Euro im Jahr 2009 und mindestens 300 Mio. Euro im Jahr 2010 gewährleistet sind; b) Angebot von Qualitätsstandards, die Verbrauchern größtmögliche Sicherheit im Hinblick auf die Unveränderbarkeit und Fälschungssicherheit der Spielscheine sowie die Sicherheit des Systems der Gewinnauszahlung gewährleisten; c) flächendeckender Vertrieb über ein landesweites Netz von mindestens 10 000 Verkaufsstellen, das bis zum 31. Dezember 2010 einzurichten ist, unbeschadet des unter Androhung der Nichtigkeit geltenden Verbots von Vertragsklauseln, die die Vertragsfreiheit der Anbieter von Waren oder Dienstleistungen einschränken.

4.      Die gegebenenfalls höchstens einmal erneuerbaren Konzessionen nach Absatz 1 haben eine Höchstdauer von neun Jahren, die in zwei Zeiträume von fünf bzw. vier Jahren aufgeteilt ist. Die Fortführung der Konzession über den zweiten Zeitraum hängt von der positiven Beurteilung des bisherigen Betriebs durch die konzessionserteilende Verwaltung ab, die vor dem Ende des ersten Halbjahrs des fünften Konzessionsjahrs abzugeben ist.“

10      Art. 20 Abs. 1 des Decreto-legge n. 148 – Disposizioni urgenti in materia finanziaria e per esigenze indifferibili (Gesetzesdekret Nr. 148 über Sofortmaßnahmen im Finanzwesen und für unaufschiebbare Bedürfnisse) vom 16. Oktober 2017 (GURI Nr. 242 vom 16. Oktober 2017), das durch das Gesetz Nr. 172 vom 4. Dezember 2017 (GURI Nr. 284 vom 5. Dezember 2017) mit Änderungen als Gesetz verabschiedet wurde (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 148/2017), sieht vor:

„Gemäß Art. 21 Abs. 3 und 4 des [Gesetzesdekrets Nr. 78/2009] erteilt die [ADM] die Genehmigung für die Fortsetzung des bestehenden Konzessionsverhältnisses in Bezug auf die Annahme der Spieleinsätze – auch im Fernabsatz – für die nationalen Sofortlotterien bis zu dem in Art. 4 Abs. 1 der Konzessionsurkunde vorgesehenen Endtermin, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt in Höhe von 50 Mio. Euro für das Jahr 2017 und 750 Mio. Euro für das Jahr 2018 gewährleistet sind.“

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

11      Mit Ausschreibungen, die am 15. August 2009 und am 2. April 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, leitete die Autonome Verwaltung der Staatsmonopole, deren Rechtsnachfolgerin die ADM ist, ein Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Konzessionen für die Veranstaltung von Sofortlotteriespielen, sogenannten Rubbellosspielen, auf nationaler Ebene ein.

12      Am 5. August 2010 wurde am Ende dieses Ausschreibungsverfahrens eine einzige Konzession für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2019 an Lottomatica, den einzigen Wirtschaftsteilnehmer, der ein Angebot abgegeben hatte, vergeben, deren Rechtsnachfolgerin Lotterie Nazionali ist.

13      Die Konzessionsnehmerin wurde gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 78/2009 ausgewählt, wonach für die Verwaltung der Annahme der Spieleinsätze eine Konzession zu erteilen ist, die im Regelfall an mehrere Personen vergeben wird, die durch offene, wettbewerbsorientierte und nicht diskriminierende Verfahren ausgewählt werden, um unabhängig von der endgültigen Zahl der Zuschlagsempfänger insgesamt Einnahmen von mindestens 500 Mio. Euro im Jahr 2009 und mindestens 300 Mio. Euro im Jahr 2010 zu gewährleisten. Aufgrund der Verlängerung der Fristen für den Abschluss der Konzession wurde der Zeitplan für die Zahlung der Gebühr dahin geändert, dass die erste Tranche in Höhe von 520 Mio. Euro spätestens am 28. Mai 2010 und die zweite Tranche in Höhe von 280 Mio. Euro spätestens am 30. November 2010 zu zahlen war.

14      Der zwischen der Autonomen Verwaltung der Staatsmonopole und dem Konzessionsnehmer geschlossene Konzessionsvertrag (im Folgenden: betreffender Konzessionsvertrag) bestimmte in Art. 4 Abs. 1, dass „[die] Konzession, die einmal erneuerbar ist, … eine Laufzeit von neun Jahren [hat], die in zwei Zeiträume von fünf bzw. vier Jahren aufgeteilt ist und ab dem 1. Oktober 2010 läuft. Die Fortführung der Konzession über den zweiten Zeitraum hängt von der positiven Beurteilung durch die Autonome Verwaltung der Staatsmonopole ab, die während des ersten Halbjahrs des fünften Konzessionsjahrs abzugeben ist.“

15      Gemäß dieser Vertragsbestimmung wurde am Ende der ersten fünf Jahre der Nutzung der Konzession deren Fortführung im zweiten Zeitraum genehmigt.

16      Am 26. Juli 2017 stellte Lotterie Nazionali bei der ADM, der Rechtsnachfolgerin der Autonomen Verwaltung der Staatsmonopole, auf der Grundlage der ebenfalls in dieser Vertragsbestimmung vorgesehenen Erneuerungsklausel einen Antrag auf Erneuerung der ihr erteilten Konzession. Sisal und Stanleybet bekundeten ihr Interesse an der Durchführung eines neuen Konzessionsvergabeverfahrens.

17      Mit Mitteilung vom 19. September 2017 stellte die ADM fest, dass die Erneuerung des betreffenden Konzessionsvertrags im öffentlichen Interesse lag.

18      Im gleichen Sinne sieht das am 16. Oktober 2017 in Kraft getretene Gesetzesdekret Nr. 148/2017 in Art. 20 Abs. 1 vor, dass die ADM gemäß Art. 21 Abs. 3 und 4 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 die Fortsetzung des betreffenden Konzessionsvertrags bis zu seinem in Art. 4 Abs. 1 des Vertrags vorgesehenen Endtermin genehmigen muss, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind.

19      Mit Mitteilung vom 1. Dezember 2017 erneuerte die ADM die Konzession von Lotterie Nazionali bis zum 30. September 2028 unter der Bedingung, dass der Konzessionsnehmer gemäß Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 im Voraus die Gebühr von 800 Mio. Euro an den Staatshaushalt zahlt, so dass er einen Betrag von 50 Mio. Euro bis spätestens 15. Dezember 2017, einen Betrag in Höhe von 300 Mio. Euro bis spätestens 30. April 2018 und einen Betrag in Höhe von 450 Mio. Euro bis spätestens 31. Oktober 2018 statt zweier Teilbeträge in Höhe von 500 Mio. Euro und 300 Mio. Euro vor dem normalen Endtermin der Konzession am 30. September 2019 zahlt.

20      Sisal und Stanleybet fochten diese Entscheidung vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) an. Ihrer Ansicht nach verstößt Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 gegen das Unionsrecht, da er ein Monopolsystem zugunsten eines einzigen Wirtschaftsteilnehmers einführe, indem er die Fortsetzung des betreffenden Konzessionsvertrags zugunsten von Lotterie Nazionali vorsehe, obwohl die im Gesetzesdekret Nr. 78/2009 vorgesehene Regelung der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt habe, sich nach Ablauf der ursprünglichen Konzessionsdauer entweder für eine Erneuerung oder für die Einleitung eines neuen Ausschreibungsverfahrens zu entscheiden. Ferner handele es sich nicht um eine bloße Fortsetzung des betreffenden Konzessionsvertrags, sondern um eine Novation des Vertragsverhältnisses, die zudem mehr als zwei Jahre vor dem normalen Endtermin des ursprünglichen Konzessionsvertrags liege, da die Parteien für die Gebühr andere Zahlungsmodalitäten als die in diesem Vertrag ursprünglich vorgesehenen vereinbart hätten. Schließlich stelle das Erfordernis, beträchtliche Einnahmen für den Staatshaushalt zu gewährleisten, keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine andere Regelung nur für Sofortlotteriespiele rechtfertige.

21      Nachdem das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) ihre Klage abgewiesen hatte, haben Sisal und Stanleybet beim vorlegenden Gericht, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien), Rechtsmittel eingelegt. Ebenso wie die Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren zweifelt der Consiglio di Stato (Staatsrat), ob die mit Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 eingeführte neue Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Zudem hält es das vorlegende Gericht für möglich, dass diese Regelung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt, da Sisal und Stanleybet zwar nicht an der ursprünglichen Ausschreibung im Jahr 2010 teilgenommen hätten, nach Ablauf des ursprünglichen Konzessionszeitraums im Jahr 2019 aber an einem neuen Ausschreibungsverfahren hätten teilnehmen können, weil die Erneuerung der Konzession bis zum Inkrafttreten des Gesetzesdekrets nur eine im Ermessen der Verwaltung stehende Möglichkeit gewesen sei. Im Rahmen der neuen Regelung habe die Verwaltung jedoch nicht mehr die Möglichkeit, zwischen der Einleitung eines neuen Verfahrens und der automatischen Erneuerung zu wählen, da Letztere die in Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 vorgegebene Wahl sei.

22      Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in den beiden verbundenen Rechtssachen gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist das Unionsrecht, insbesondere das Niederlassungsrecht und das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. und 56 ff. AEUV) sowie die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Unparteilichkeit, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Kohärenz sowie – soweit sie für anwendbar erachtet werden – die Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen, dass es einer Regelung wie der in Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 und den folgenden Durchführungsakten enthaltenen entgegensteht, die Folgendes bestimmt: „Gemäß Art. 21 Abs. 3 und 4 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 erteilt die ADM die Genehmigung für die Fortsetzung des bestehenden Konzessionsverhältnisses in Bezug auf die Annahme der Spieleinsätze – auch im Fernabsatz – für die nationalen Sofortlotterien bis zu dem in Art. 4 Abs. 1 der Konzessionsurkunde vorgesehenen Endtermin, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt in Höhe von 50 Mio. Euro für das Jahr 2017 und 750 Mio. Euro für das Jahr 2018 gewährleistet sind“, in einer Situation, in der

–      Art. 21 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 vorgesehen hat, dass die zu prüfenden Konzessionen im Regelfall an mehrere Personen vergeben werden, die durch offene, wettbewerbsorientierte und nicht diskriminierende Verfahren ausgewählt werden,

–      Art. 21 Abs. 4 des Gesetzesdekrets vorgesehen hat, dass die in Abs. 1 genannten Konzessionen gegebenenfalls höchstens einmal erneuert werden können,

–      die Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren an der im Jahr 2010 durchgeführten Ausschreibung nicht teilgenommen haben,

–      das konkrete bestehende Verhältnis ursprünglich mit einem einzigen Konzessionsnehmer im Anschluss an eine öffentliche Ausschreibung eingegangen worden ist, in der nur ein einziges Angebot eingereicht worden war,

–      die Fortsetzung des bestehenden Konzessionsverhältnisses konkret zur Folge haben würde, dass dieses Verhältnis ohne weitere Ausschreibung nur mit diesem einzigen Konzessionsnehmer fortgesetzt würde, anstatt mit mehreren Personen ein neues Verhältnis einzugehen?

2.      Ist das Unionsrecht, insbesondere das Niederlassungsrecht und das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. und 56 ff. AEUV) sowie die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Unparteilichkeit, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Kohärenz sowie – soweit sie für anwendbar erachtet werden – die Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen, dass es einer Regelung wie der in Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 enthaltenen entgegensteht, die in erklärter Anwendung des Art. 21 Abs. 3 und 4 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 Folgendes bestimmt: „[Die ADM erteilt] die Genehmigung für die Fortsetzung des bestehenden Konzessionsverhältnisses in Bezug auf die Annahme der Spieleinsätze – auch im Fernabsatz – für die nationalen Sofortlotterien bis zu dem in Art. 4 Abs. 1 der Konzessionsurkunde vorgesehenen Endtermin, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt in Höhe von 50 Mio. Euro für das Jahr 2017 und 750 Mio. Euro für das Jahr 2018 gewährleistet sind“, und dies vorsieht

–      durch die befristete Fortsetzung des einzigen bestehenden Konzessionsverhältnisses anstelle etwaiger Erneuerungen mehrerer Konzessionen gemäß Art. 21 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 und ohne Durchführung einer neuen Ausschreibung,

–      zu einem Zeitpunkt, der vor dem Ablauf der Konzession liegt: Das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 trat am 16. Oktober 2017 in Kraft, d. h. zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in der Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana, während die Konzession am 30. September 2019 ablaufen sollte,

–      so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt in Höhe von 50 Mio. Euro für das Jahr 2017 und 750 Mio. Euro für das Jahr 2018 gewährleistet sind, und dadurch bestimmte Aspekte geändert werden, die die Modalitäten und Frist für die Zahlung der Vergütung der Konzession sowie potenziell den Gesamtbetrag der geschuldeten Zahlung im Hinblick auf die durch sie verursachte Belastung betreffen, insbesondere durch Änderung der Zahlungsfristen, indem sie gegenüber den in der ursprünglichen Konzession vorgesehenen Fristen vorgezogen werden, wenn die – entsprechend dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren – objektive und offenkundige Tatsache berücksichtigt wird, dass der Zeit ein finanzieller Wert zukommt?

3.      Ist das Unionsrecht, insbesondere das Niederlassungsrecht und das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. und 56 ff. AEUV) sowie die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Unparteilichkeit, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Kohärenz sowie – soweit sie für anwendbar erachtet werden – die Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen, dass es einer Regelung wie der in den Durchführungsakten des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 und insbesondere in der Mitteilung Nr. 0133677 der ADM vom 1. Dezember 2017 enthaltenen entgegensteht, die in erklärter Durchführung von Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 und aufgrund von Art. 4 Abs. 1 der Konzessionsvereinbarung für die Veranstaltung nationaler Sofortlotterien, wonach diese höchstens einmal erneuerbar ist, den Endtermin des Konzessionsverhältnisses auf den 30. September 2028 neu festlegt, aber jedenfalls Art. 4 in Bezug auf die Aufteilung der Konzessionsdauer in zwei Zeiträume von fünf bzw. vier Jahren unberührt lässt (so dass nach Ablauf des ab 1. Oktober 2019 laufenden ersten Fünfjahreszeitraums die Fortsetzung über den folgenden Vierjahreszeitraum bis zum 30. September 2028 von der positiven Beurteilung des bisherigen Betriebs durch die ADM abhängt, die bis zum 30. März 2024 abzugeben ist), und bestimmt, dass die Gesellschaft einen Betrag von 50 Mio. Euro bis zum 15. Dezember 2017, einen Betrag von 300 Mio. Euro bis zum 30. April 2018 und einen Betrag von 450 Mio. Euro bis zum 31. Oktober 2018 zahlen wird,

–      und dies vorsieht, bevor die ursprüngliche Laufzeit der Konzession endete (die Mitteilung Nr. 0133677 der ADM wurde am 1. Dezember 2017 erlassen, während der Konzessionsvertrag danach am 30. September 2019 ablaufen sollte),

–      und damit die vorgezogene Zahlung von 800 Mio. Euro binnen vorverlegter Fristen (50 Mio. Euro bis zum 15. Dezember 2017, 300 Mio. Euro bis zum 30. April 2018 und 450 Mio. Euro bis zum 31. Oktober 2018) gegenüber jener Laufzeit (30. September 2019) gewährleistet

–      und damit zur potenziellen Änderung des Gesamtbetrags der geschuldeten Zahlung im Hinblick auf die durch sie verursachte Belastung führt, wenn die – entsprechend dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren – objektive und offenkundige Tatsache berücksichtigt wird, dass der Zeit ein finanzieller Wert zukommt?

4.      Ist das Unionsrecht, insbesondere das Niederlassungsrecht und das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. und 56 ff. AEUV) sowie die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Unparteilichkeit, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Kohärenz sowie – soweit sie für anwendbar erachtet werden – die Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen, dass es einer solchen Regelung auch dann entgegensteht, wenn die Wirtschaftsteilnehmer des Sektors, die gegenwärtig am Marktzugang interessiert sind, nicht an der ursprünglich durchgeführten Ausschreibung zur Vergabe der mit dem ausscheidenden Konzessionsnehmer fortgesetzten ablaufenden Konzession zu den beschriebenen neuen Vertragsbedingungen teilgenommen haben, oder tritt die etwaige Beschränkung des Marktzugangs nur im Fall ihrer tatsächlichen Teilnahme an der ursprünglichen Ausschreibung ein?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

23      Die Vorlagefragen stellen sich vor dem Hintergrund der Erneuerung einer Konzession für die Veranstaltung von Sofortlotteriespielen, sogenannten Rubbellosspielen, in Italien, die im Jahr 2010 an Lotterie Nazionali gewährt und im Jahr 2017 erneuert wurde. Das vorlegende Gericht verweist außer auf die Art. 49 und 56 AEUV sowie bestimmte Grundsätze des Unionsrechts auch auf die Art. 3 und 43 der Richtlinie 2014/23. Da diese Richtlinie am 17. April 2014 in Kraft trat, also nach der ursprünglichen Entscheidung über die Vergabe der Konzession, aber vor deren Erneuerung, ist zunächst festzustellen, ob diese Richtlinie auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten zeitlich anwendbar ist.

24      Nach einer im Bereich öffentlicher Aufträge entwickelten ständigen Rechtsprechung, die auf Dienstleistungskonzessionen übertragbar ist, sind grundsätzlich diejenigen für Konzessionsverträge geltenden Rechtsvorschriften der Union anwendbar, die zu dem Zeitpunkt gelten, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Vorliegend wurde die Ausschreibung am 15. August 2009 und am 2. April 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, also vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2014/23 am 18. April 2016.

26      Außerdem wurde die Konzession im Anschluss an diese Ausschreibung vor dem 17. April 2014 vergeben, so dass jedenfalls diese ursprüngliche Vergabe gemäß Art. 54 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 nicht in deren Anwendungsbereich fällt.

27      Enthält ein Konzessionsvertrag eine Erneuerungsklausel, die Bestandteil des ursprünglichen Vertrags ist, gelten auch für diese Klausel die Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge, die für diese Konzession gelten.

28      Allerdings geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch hervor, dass bei einer wesentlichen Änderung eines Konzessionsvertrags die Unionsrechtsvorschriften, anhand deren diese Änderung zu beurteilen ist, jene sind, die zum Zeitpunkt dieser Änderung gelten. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es insoweit unerheblich ist, dass der ursprüngliche Konzessionsvertrag vor dem Erlass der einschlägigen Unionsrechtsvorschriften abgeschlossen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, Kommission/Italien, C‑526/17, EU:C:2019:756, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Vorliegend betreffen die Ausgangsrechtsstreitigkeiten die Entscheidung, mit der gemäß Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 beschlossen wurde, die bestehende Konzession zu erneuern und um neun Jahre zu verlängern; diese Möglichkeit war in Art. 21 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 vorgesehen. Insoweit tragen die Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren vor, dass diese Erneuerung zu wesentlichen Änderungen gegenüber dem betreffenden Konzessionsvertrag führe.

30      Folglich ist in den Ausgangsverfahren die Frage, ob an diesem Konzessionsvertrag anlässlich seiner Erneuerung wesentliche Änderungen vorgenommen worden sind, anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2014/23 zu beurteilen, da sie vor dieser Erneuerung in Kraft getreten ist.

31      Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 43 der Richtlinie 2014/23, dass mit ihr die Fälle abschließend harmonisiert wurden, in denen einerseits Konzessionen geändert werden können, ohne dass die Durchführung eines neuen Konzessionsvergabeverfahrens entsprechend den in der Richtlinie aufgestellten Regeln erforderlich ist, und in denen andererseits bei einer Änderung der Konzessionsbedingungen ein solches Vergabeverfahren erforderlich ist.

32      Jede nationale Regelung in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, ist aber nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts, sondern anhand dieser Harmonisierungsmaßnahme zu beurteilen (Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a., C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Folglich ist die Frage, ob mit der in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung Änderungen vorgenommen wurden, die eine Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens erforderlich machen, allein anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2014/23 zu beurteilen.

 Zur ersten Frage

34      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere – höchstens vier – Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall entgegensteht, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde.

35      Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine mitgliedstaatliche Regelung, die die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit wie die Veranstaltung bestimmter Glücksspiele vom Erhalt einer Konzession abhängig macht, eine Beschränkung der in den Art. 49 und 56 AEUV garantierten Freiheiten darstellt, und zwar unabhängig davon, ob der öffentliche Auftraggeber eine oder mehrere Konzessionen vergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Wie vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Glücksspielen ebenfalls wiederholt festgestellt, können der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben zwingende Gründe des Allgemeininteresses sein, die Beschränkungen der Grundfreiheiten gemäß den Art. 49 und 56 AEUV rechtfertigen können (Urteil vom 19. Dezember 2018, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Allerdings stellt das vorlegende Gericht in seiner ersten Frage nicht auf die Gründe ab, aus denen der betreffende Mitgliedstaat in diesem Bereich solche Beschränkungen eingeführt und aufrechterhalten hat.

38      Vorliegend fechten die Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren nicht das für die Veranstaltung der Sofortlotterien gewählte Konzessionsmodell als solches an, sondern machen geltend, dass Art. 20 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 durch die Modalitäten der Erneuerung dieser Konzession und die entsprechenden Voraussetzungen das in Art. 21 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 78/2009 vorgesehene Konzessionsmodell aufgegeben habe und zu einem Modell mit einem einzigen Konzessionsnehmer zurückgekehrt sei, was eine wesentliche Änderung des betreffenden Konzessionsvertrags darstelle.

39      Insoweit ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber gemäß dem Wortlaut von Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23 vorgesehen hat, dass Konzessionen ohne Durchführung eines neuen Konzessionsvergabeverfahrens geändert werden können, wenn die Änderungen, unabhängig von ihrem Geldwert, in den ursprünglichen Konzessionsunterlagen in Form von klar, präzise und eindeutig formulierten Überprüfungsklauseln, die auch Wertüberprüfungsklauseln beinhalten können, oder Optionen vorgesehen sind. Entsprechende Klauseln müssen Angaben zu Umfang und Art möglicher Änderungen oder Optionen sowie zu den Bedingungen enthalten, unter denen sie zur Anwendung gelangen können. Sie dürfen keine Änderungen oder Optionen vorsehen, die den Gesamtcharakter der Konzession verändern würden.

40      Es steht fest, dass der betreffende Konzessionsvertrag eine Klausel enthielt, die eine Option vorsah, mit der die Erneuerung ursprünglich erteilter Konzessionen für einen Zeitraum von neun Jahren ermöglicht wurde.

41      Ferner ist in den Ausgangsverfahren der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber einen einzigen Konzessionsnehmer erneut für einen weiteren Zeitraum von neun Jahren bestellt hat, nicht die Folge der Änderung der nationalen Regelung über die Vergabemethode, denn das Gesetzesdekret Nr. 78/2009 sieht in Art. 21 Abs. 1 vor, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Konzession grundsätzlich „an mehrere Personen vergeben wird, die durch offene, wettbewerbsorientierte und nichtdiskriminierende Verfahren ausgewählt werden“. Diese Bestellung ist die Folge davon, dass die im Gesetzesdekret Nr. 78/2009 und im betreffenden Konzessionsvertrag vorgesehene Option der Erneuerung der Konzession ausgeübt wurde, und diese Eventualität konnte in Anbetracht des Ergebnisses des ursprünglichen Ausschreibungsverfahrens, an dem – wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat – nur Lottomatica, deren Rechtsnachfolgerin Lotterie Nazionali ist, nicht aber die Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren oder andere Wirtschaftsteilnehmer teilgenommen haben, nicht außer Acht gelassen werden.

42      Eine solche Erneuerung ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ist nach Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23 jedoch nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der entsprechenden Klausel eingehalten worden sind.

43      Insoweit ist den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 52 und 53 seiner Schlussanträge folgend festzustellen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Erneuerung – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – zwar formal durch das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 vorgeschrieben wurde, jedoch dem zuvor von der ADM zum Ausdruck gebrachten Willen entsprach, wie sich insbesondere aus der Mitteilung der ADM vom 19. September 2017 ergibt.

44      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere – höchstens vier – Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

45      Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind.

46      Vorab ist zum einen festzustellen, dass der Umstand, dass die Erneuerung des betreffenden Konzessionsvertrags hier zwei Jahre vor dem Vertragsende gewährt wurde, für sich genommen keine Änderung der Bestimmungen dieses Vertrags darstellt, da sich aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – ergibt, dass das für diesen Vertrag geltende Recht nicht vorsah, zu welchem Zeitpunkt über eine etwaige Erneuerung entschieden werden konnte.

47      Zum anderen sind die Gründe für diese Erneuerung, insbesondere das Ziel, neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt zu gewährleisten, nicht entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die für diese Erneuerung geltenden Bedingungen wesentliche Änderungen beinhalten.

48      In Bezug auf die Änderung der im betreffenden Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung lässt sich aus Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23 nicht ableiten, dass im Rahmen der Anwendung einer darunter fallenden Klausel oder Option jede Änderung, die in dieser Klausel oder Option nicht ausdrücklich vorgesehen ist, zur Folge hätte, dass gemäß Art. 43 Abs. 5 der Richtlinie ein neues Konzessionsvergabeverfahren erforderlich ist.

49      In den Ausgangsrechtsstreitigkeiten können nämlich nach Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23 solche Änderungen an einer Konzession vorgenommen werden, ohne dass die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens erforderlich ist, sofern diese Änderungen nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie sind.

50      Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 sieht als allgemeine Regel vor, dass die Änderung eines Konzessionsvertrags während seiner Laufzeit als wesentlich gilt, wenn sie dazu führt, dass sich die Konzession erheblich von der ursprünglich vergebenen Konzession unterscheidet. Nach dieser Vorschrift gilt eine Änderung „in jedem Fall“ als wesentlich, wenn mit ihr Bedingungen eingeführt werden, die – wenn sie für das ursprüngliche Konzessionsvergabeverfahren gegolten hätten – die Zulassung anderer als der ursprünglich ausgewählten Bewerber oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots ermöglicht hätten oder das Interesse weiterer Teilnehmer am Konzessionsvergabeverfahren geweckt hätten, oder wenn mit ihr das wirtschaftliche Gleichgewicht der Konzession zugunsten des Konzessionsnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag nicht vorgesehen war.

51      Insoweit ist vorliegend festzustellen, dass der Betrag, den der Konzessionsnehmer als Gegenleistung für die Erteilung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungskonzession zu zahlen hat, unverändert geblieben ist, da nur die Modalitäten, die für die Zahlung dieses Betrags gelten und die Gegenstand der Fragen des vorlegenden Gerichts sind, geändert wurden.

52      Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte geht nämlich hervor, dass der im betreffenden Konzessionsvertrag vereinbarte Betrag zum Teil in dem Jahr geschuldet war, in dem die Konzession in Kraft trat, und zum Teil im darauffolgenden Jahr. Dagegen ist im Zuge der Erneuerung der erste Teil des geschuldeten Betrags zwei Jahre vor Inkrafttreten der erneuerten Konzession zu zahlen, während der Restbetrag in dem diesem Zeitpunkt vorausgehenden Jahr zu zahlen ist.

53      Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist festzustellen, dass eine solche Änderung nicht als wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 angesehen werden kann. Da die vorgezogene Zahlung zu einer Erhöhung des zu zahlenden Betrags führen kann, scheint eine solche Änderung nicht das wirtschaftliche Gleichgewicht der Konzession zugunsten des Konzessionsnehmers im Sinne von Art. 43 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie zu verschieben.

54      Zur Frage, ob die Anwendung dieser derart geänderten Zahlungsmodalitäten auf den betreffenden Konzessionsvertrag vorliegend die Zulassung anderer Bewerber als derjenigen, die tatsächlich teilgenommen haben, oder die Teilnahme weiterer Bewerber im Sinne von Art. 43 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/23 ermöglicht hätte, ist festzustellen, dass dies von keiner der Rechtsmittelführerinnen der Ausgangsverfahren geltend gemacht wurde und die dem Gerichtshof vorgelegte Akte nichts enthält, was ein solches Vorbringen stützen könnte.

55      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.

 Zur vierten Frage

56      Zunächst ist festzustellen, dass es in den Vorlagefragen zwar formal gesehen nicht um die Auslegung einer spezifischen Bestimmung der Richtlinie 89/665 geht. Dies hindert den Gerichtshof jedoch nicht daran, alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu erteilen, die für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Mai 2021, Analisi G. Caracciolo, C‑142/20, EU:C:2021:368, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Insoweit ist in Anbetracht dessen, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge der Zugang zu Nachprüfungsverfahren durch die Richtlinie 89/665 geregelt wird, die auch für gemäß der Richtlinie 2014/23 erteilte Konzessionen gilt, die vierte Frage dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen sind, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass bei dieser Gelegenheit die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat.

58      Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den von ihnen festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

59      Folglich setzt der Anspruch eines Wirtschaftsteilnehmers auf Einlegung eines Rechtsbehelfs den Nachweis voraus, dass er ein Interesse daran hat, dass die betreffende Konzession in einem neuen Vergabeverfahren an ihn vergeben wird.

60      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich öffentlicher Aufträge ist es grundsätzlich zulässig, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen aufgrund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen kann. Hat eine Person kein Angebot eingereicht, kann sie schwerlich dartun, dass sie ein Interesse an der Anfechtung dieser Entscheidung habe oder dass diese Zuschlagserteilung sie schädige oder zu schädigen drohe (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2004, Grossmann Air Service, C‑230/02, EU:C:2004:93, Rn. 27, und vom 28. November 2018, Amt Azienda Trasporti e Mobilità u. a., C‑328/17, EU:C:2018:958, Rn. 46).

61      Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf die Ausgangsverfahren anwenden, in denen es nicht darum geht, ob Wirtschaftsteilnehmer, die nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen haben, das Ergebnis dieses Verfahrens anfechten dürfen. Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, geht es in diesen Rechtssachen darum, ob solche Wirtschaftsteilnehmer ein Interesse daran haben, dass der Auftraggeber darauf achtet, die Klausel über die Erneuerung der Konzession unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften anzuwenden.

62      Insoweit ist es unerheblich, ob der Wirtschaftsteilnehmer am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung einer solchen Konzession nachweisen kann.

63      In diesem Zusammenhang muss dieser Wirtschaftsteilnehmer nicht nachweisen, dass er an diesem neuen Vergabeverfahren tatsächlich teilnehmen würde. Es reicht insoweit aus, dass diese Möglichkeit besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2019, Lombardi, C‑333/18, EU:C:2019:675, Rn. 29).

64      Somit ist der Wirtschaftsteilnehmer, der diese Voraussetzungen erfüllt, gegebenenfalls berechtigt, die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Konzession des ursprünglichen Konzessionsnehmers zu erneuern, mit der Begründung anzufechten, dass bei dieser Gelegenheit die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags geändert worden sind. Wie der Generalanwalt in Nr. 94 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss der Wirtschaftsteilnehmer zur Feststellung, ob die Änderungen wesentlich sind, in der Lage sein, einen Rechtsbehelf einzulegen, um dies prüfen zu lassen.

65      Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen sind, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.

 Kosten

66      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der ein Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu erneuern ist, während das geltende nationale Recht vorsah, dass eine solche Konzession grundsätzlich an mehrere – höchstens vier – Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben ist, in einem Fall, in dem der Konzessionsvertrag an einen einzigen Konzessionsnehmer vergeben wurde, dann nicht entgegensteht, wenn mit dieser nationalen Regelung eine Klausel angewendet wird, die im ursprünglichen Konzessionsvertrag enthalten war und eine solche Erneuerung als Option vorsah.

2.      Das Unionsrecht, insbesondere Art. 43 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/23, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung, nach der zwei Jahre vor dem Ablauf der Konzession über deren Erneuerung entschieden wird und mit der die im ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehenen Modalitäten der Zahlung der vom Konzessionsnehmer geschuldeten finanziellen Gegenleistung geändert werden, so dass neue und höhere Einnahmen für den Staatshaushalt gewährleistet sind, dann nicht entgegensteht, wenn diese Änderung nicht wesentlich im Sinne von Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie ist.

3.      Art. 43 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen eine Entscheidung, mit der eine Konzession erneuert wird, einen Rechtsbehelf mit der Begründung einlegen kann, dass die Durchführungsbedingungen des ursprünglichen Konzessionsvertrags wesentlich geändert worden sind, auch wenn er nicht am ursprünglichen Verfahren zur Vergabe der Konzession teilgenommen hat, sofern er zu dem Zeitpunkt, zu dem die Konzession zu erneuern ist, ein Interesse an der Erteilung der Konzession nachweisen kann.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.