Language of document : ECLI:EU:C:2022:885

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. November 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Abfälle – Richtlinie 2008/98/EG – Art. 3 Nr. 1 – Art. 5 Abs. 1 – Art. 6 Abs. 1 – Aushubmaterial – Begriffe ‚Abfall‘ und ‚Nebenprodukt‘ – Ende der Abfalleigenschaft“

In der Rechtssache C‑238/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (Österreich) mit Entscheidung vom 2. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2021, in dem Verfahren

Porr Bau GmbH

gegen

Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,


Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Porr Bau GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Walcher,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch F. Boldog, A. Kögl, A. Posch, J. Schmoll und E. Wolfslehner als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Bourgois, C. Hermes und M. Ioan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Juni 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3, berichtigt in ABl. 2009, L 127, S. 24).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Porr Bau GmbH (im Folgenden: Porr Bau) und der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wegen deren Feststellung, dass auf landwirtschaftliche Flächen geschüttetes Aushubmaterial Abfall darstelle.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Wesentliche Zielsetzung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. 1975, L 194, S. 39) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. 1991, L 78, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442) war gemäß ihrem dritten Erwägungsgrund der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen. Die Richtlinie 75/442 wurde durch die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. 2006, L 114, S. 9) aufgehoben und ersetzt; letztere Richtlinie wurde ihrerseits durch die Richtlinie 2008/98 aufgehoben und ersetzt.

4        In den Erwägungsgründen 6, 8, 11, 22 und 29 der Richtlinie 2008/98 heißt es:

„(6)      Das oberste Ziel jeder Abfallpolitik sollte darin bestehen, die nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und ‑bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu minimieren. Die Abfallpolitik sollte auch auf die Verringerung der Nutzung von Ressourcen abzielen und die praktische Umsetzung der Abfallhierarchie fördern.

(8)      … Darüber hinaus sollten die Verwertung von Abfällen sowie die Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen gefördert werden. …

(11)      Die Abfalleigenschaft von nicht kontaminierten, ausgehobenen Böden und anderen natürlich vorkommenden Materialien, die an anderen Standorten verwendet werden als dem, an dem sie ausgehoben wurden, sollte nach Maßgabe der Abfalldefinition sowie der Bestimmungen über Nebenprodukte oder über das Ende der Abfalleigenschaft geprüft werden, die in dieser Richtlinie niedergelegt sind.

(22)      … Zur Spezifizierung bestimmter Aspekte der Abfalldefinition sollte in dieser Richtlinie Folgendes präzisiert werden:

–        Es sollte … festgelegt werden, wann bestimmte Abfälle nicht länger Abfälle sind, und zwar unter Zugrundelegung von Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft, die ein hohes Maß an Umweltschutz bieten und mit ökologischem und ökonomischem Nutzen verbunden sind. Mögliche Kategorien von Abfällen, für die Spezifikationen und Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft entwickelt werden sollten, sind unter anderem Bau- und Abbruchabfälle … Für das Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft kann ein Verwertungsverfahren in der bloßen Sichtung des Abfalls bestehen, um nachzuweisen, dass er die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erfüllt.

(29)      Die Mitgliedstaaten sollten die Verwendung von Recyclingmaterialien, wie Altpapier, im Einklang mit der Abfallhierarchie und dem Ziel der Schaffung einer Recyclinggesellschaft fördern und die Deponierung oder Verbrennung solcher Recyclingmaterialien nach Möglichkeit nicht unterstützen.“

5        Kapitel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie enthält deren Art. 1 bis 7.

6        Art. 1 der Richtlinie lautet:

„Mit dieser Richtlinie werden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festgelegt, indem die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden.“

7        Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/98 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.      ‚Abfall‘ jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

15.      ‚Verwertung‘ jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmte[n] Funktion verwendet worden wären, oder die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen. Anhang II enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren;

16.      ‚Vorbereitung zur Wiederverwendung‘ jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können;

19.      ‚Beseitigung‘ jedes Verfahren, das keine Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge hat, dass Stoffe oder Energie zurück gewonnen werden. Anhang I enthält eine nicht erschöpfende Liste von Beseitigungsverfahren;

…“


8        In Art. 4 („Abfallhierarchie“) der Richtlinie 2008/98 heißt es:

„(1)      Folgende Abfallhierarchie liegt den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen im Bereich der Abfallvermeidung und ‑bewirtschaftung als Prioritätenfolge zugrunde:

a)      Vermeidung[,]

b)      Vorbereitung zur Wiederverwendung,

c)      Recycling,

d)      sonstige Verwertung, z. B. energetische Verwertung,

e)      Beseitigung.

(2)      Bei Anwendung der Abfallhierarchie nach Absatz 1 treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Förderung derjenigen Optionen, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen. …

…“

9        Art. 5 („Nebenprodukte“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 gelten, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird,

b)      der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden,

c)      der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und

d)      die weitere Verwendung ist rechtmäßig, d. h. der Stoff oder Gegenstand erfüllt alle einschlägigen Produkt‑, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung und führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.“

10      Nach Art. 6 („Ende der Abfalleigenschaft“) der Richtlinie gilt:

„(1)      Bestimmte festgelegte Abfälle sind nicht mehr als Abfälle im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 anzusehen, wenn sie ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recyclingverfahren zu rechnen ist, durchlaufen haben und spezifische Kriterien erfüllen, die gemäß den folgenden Bedingungen festzulegen sind:

a)      Der Stoff oder Gegenstand wird gemeinhin für bestimmte Zwecke verwendet;

b)      es besteht ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach;

c)      der Stoff oder Gegenstand erfüllt die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke und genügt den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse und

d)      die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.

Die Kriterien enthalten erforderlichenfalls Grenzwerte für Schadstoffe und tragen möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen des Stoffes oder Gegenstands Rechnung.

(4)      Wurden auf Gemeinschaftsebene keine Kriterien nach dem Verfahren in den Absätzen 1 und 2 festgelegt, so können die Mitgliedstaaten im Einzelfall entscheiden, ob bestimmte Abfälle unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung nicht mehr als Abfälle anzusehen sind. …“

11      Art. 11 („Wiederverwendung und Recycling“) der Richtlinie sieht in Abs. 2 vor:

„Zur Erfüllung der Ziele dieser Richtlinie und im Interesse der Entwicklung zu einer europäischen Recycling-Gesellschaft mit einem hohen Maß an Effizienz der Ressourcennutzung ergreifen die Mitgliedstaaten die zur Erreichung der folgenden Zielvorgaben nötigen Maßnahmen:

b)      bis 2020 wird die Vorbereitung zur Wiederverwendung, des Recyclings und die sonstige stoffliche Verwertung (einschließlich der Verfüllung, bei der Abfälle als Ersatz für andere Materialien genutzt werden) von nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfällen – mit Ausnahme von in der Natur vorkommenden Materialien, die in Kategorie 17 05 04 des Europäischen Abfallkatalogs definiert sind – auf mindestens 70 Gewichtsprozent erhöht[.]“

12      Zu den in Anhang II der Richtlinie 2008/98 aufgezählten Verwertungsverfahren gehört u. a. die „Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder zur ökologischen Verbesserung“.

 Österreichisches Recht

13      § 2 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 sieht vor:

„Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.      deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.      deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.“

14      § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:

„Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 oder eine Verordnung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht.“

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

15      Mehrere Landwirte wandten sich an Porr Bau, um von ihr Aushubmaterial für eine Bodenrekultivierung bzw. Verbesserung der landwirtschaftlichen Ertragsflächen zu erhalten. Zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht gewiss, ob dieses Unternehmen in der Lage sein würde, ihrem Ersuchen nachzukommen. In der Folge wählte Porr Bau ein geeignetes Bauvorhaben aus und entnahm dort das Aushubmaterial. Sodann lieferte sie das gewünschte Material, nämlich unkontaminiertes Aushubmaterial der Qualitätsklasse A1, die nach österreichischem Recht die höchste Qualitätsklasse für Bodenaushub ist. Nach diesem Recht ist der Einsatz derartigen Materials für Geländeanpassungen geeignet und rechtlich zulässig.

16      Am 4. Mai 2018 beantragte Porr Bau bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung die Feststellung, dass das von ihr gelieferte Aushubmaterial keinen Abfall darstelle, hilfsweise, dass die geplanten Arbeiten keine Tätigkeit darstellten, die einer Altlastenbeitragspflicht unterläge.

17      Mit Bescheid vom 14. September 2020 stellte die genannte Behörde fest, dass es sich bei dem fraglichen Material um Abfall im Sinne von § 2 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 handele, bei dem das Abfallende nicht eingetreten sei, nämlich vor allem, weil bestimmte Formalkriterien nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan nicht eingehalten worden seien.

18      Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Österreich), bei dem Porr Bau eine Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben hat, fragt sich, ob das fragliche Aushubmaterial als „Abfall“ im Sinne der Richtlinie 2008/98 einzustufen ist. Es weist außerdem darauf hin, dass es in diesem Fall prüfen müsse, ob das Ende der Abfalleigenschaft eingetreten sei.

19      Das fragliche Material sei einem Prüfverfahren unterzogen worden, so dass es unmittelbar verwendet werden könne. Konkret sei es zum Zweck der Agrarstrukturverbesserung verwendet worden. Es habe ein Bedarf an dem Material bestanden, die technischen Anforderungen seien eingehalten worden, und es sei auch sonst nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen gekommen. Überdies verfolge eine derartige Vorgehensweise das Ziel, Abfälle zu vermeiden und Rohstoffe durch solches Material zu substituieren.

20      Nach österreichischem Recht führten nur zwei Tätigkeiten zum Abfallende, nämlich zum einen die Vorbereitung zur Wiederverwendung durch Prüfung, Reinigung oder Reparatur und zum anderen die tatsächliche Verwendung des betreffenden Materials für die Substitution von Rohstoffen. Bei Aushubmaterialien seien die anwendbaren Kriterien noch strenger, da die Vorbereitung zur Wiederverwendung ihre Abfalleigenschaft nicht beseitige. Nach der in Österreich derzeit geltenden Rechtslage und gängigen Auslegung werde der Eintritt des Abfallendes somit unionsrechtswidrig eingeschränkt.

21      Obwohl das fragliche Aushubmaterial zur höchsten Qualitätsklasse gehöre und in technischer und rechtlicher Hinsicht für die Verbesserung der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen geeignet sei, könnten die Formalkriterien des Bundes-Abfallwirtschaftsplans – bei strikter Auslegung – nämlich dem Eintritt des Abfallendes dieses Materials entgegenstehen.

22      Damit werde eine Tätigkeit wie die Verbesserung landwirtschaftlicher Flächen mit Aushubmaterial, die der Substitution von Rohstoffen diene und nach Maßgabe der in der Richtlinie 2008/98 vorgesehenen Abfallhierarchie geboten sei, verhindert. Hierdurch entstehe ein den Zielen dieser Richtlinie zuwiderlaufender Anreiz zur Verwendung von Primärrohstoffen und zur Deponierung von für die Verwertung bestens geeigneten Sekundärrohstoffen wie Aushubmaterial.

23      Unter diesen Umständen hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht eine nationale Regelung, wonach das Abfallende nur dann eintritt, bis Abfälle oder Altstoffe oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden oder sie zur Wiederverwendung vorbereitet wurden, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 entgegen?

Für den Fall, dass Frage 1 mit „Nein“ beantwortet wird:

2.      Steht eine nationale Regelung, wonach das Abfallende für Aushubmaterial frühestens durch die Substitution von Rohstoffen oder aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten eintreten kann, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 entgegen?


Für den Fall, dass die Fragen 1 und/oder 2 mit „Nein“ beantwortet werden:

3.      Steht eine nationale Regelung, die vorsieht, dass das Abfallende für Aushubmaterial dann nicht eintreten kann, wenn Formalkriterien (insbesondere Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten), die keinen umweltrelevanten Einfluss auf die durchgeführte Maßnahme haben, nicht oder nicht vollständig eingehalten werden, obwohl das Aushubmaterial die für den vorgesehenen konkreten Verwendungszweck einzuhaltenden Grenzwerte (Qualitätsklasse) nachweislich unterschreitet, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 entgegen?

 Zu den Vorlagefragen

24      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegte Frage gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteil vom 1. August 2022, Uniqa Asigurări, C‑267/21, EU:C:2022:614, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Der Gerichtshof hat ferner die Aufgabe, die ihm vorgelegten Fragen unter Zugrundelegung der nationalen Regelung und des tatsächlichen Rahmens, wie sie vom vorlegenden Gericht, das insoweit allein zuständig ist, dargelegt wurden, zu beantworten und dem vorlegenden Gericht alle unionsrechtlichen Auslegungshinweise zu geben, die es diesem ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Bestimmungen der betreffenden Richtlinie zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Februar 2022, Philips Orăştie, C‑487/20, EU:C:2022:92, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall ist sich das vorlegende Gericht darüber im Unklaren, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial „Abfall“ im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 darstellt. Gegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sei nämlich u. a. die Frage, ob unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehöre, als „Abfall“ einzustufen sei.

27      Die österreichische Regierung macht geltend, nach österreichischem Recht habe der Bauträger, wenn bei einem Bauvorhaben Aushub- oder Abbruchmaterial anfalle, in der Regel das Hauptziel, dieses Vorhaben zu vollenden, ohne durch das Material behindert zu werden, so dass dieses von der betreffenden Baustelle entfernt werde, um sich seiner zu entledigen.


28      Porr Bau hält dies im vorliegenden Fall für nicht zutreffend und macht geltend, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 erfüllen und somit als „Nebenprodukt“ eingestuft werden könnte.

29      Für den Fall, dass dieses Material dennoch als „Abfall“ einzustufen sein sollte, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass dann eine Altlastenbeitragspflicht dafür gelte und geprüft werden müsse, ob und gegebenenfalls wann die Abfalleigenschaft dieses Materials geendet habe.

30      Hierzu ist festzustellen, dass nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/98 die Abfalleigenschaft von nicht kontaminierten, ausgehobenen Böden und anderen natürlich vorkommenden Materialien, die an anderen Standorten verwendet werden als dem, an dem sie ausgehoben wurden, nach Maßgabe der Abfalldefinition sowie der Bestimmungen über Nebenprodukte oder über das Ende der Abfalleigenschaft geprüft werden sollte, die in dieser Richtlinie niedergelegt sind.

31      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist daher davon auszugehen, dass dieses Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu behandeln sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 3 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört, zum einen als „Abfall“ einzustufen ist, selbst wenn festgestellt wird, dass es unter den Begriff „Nebenprodukte“ fällt, und zum anderen die Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt, die für den Umweltschutz irrelevant sind.

 Zur Einstufung von Aushubmaterial als „Abfall“ oder als „Nebenprodukt“

32      Art. 3 der Richtlinie 2008/98 definiert den Begriff „Abfall“ als jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

33      Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass sich die Einstufung als „Abfall“ vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks „sich entledigen“ ergibt (Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Zum Ausdruck „sich entledigen“ kann der ständigen Rechtsprechung entnommen werden, dass er unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie 2008/98 verfolgten Zwecks, der nach ihrem sechsten Erwägungsgrund in der Minimierung der nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und ‑bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt besteht, sowie im Licht von Art. 191 Abs. 2 AEUV auszulegen ist, dem zufolge die Umweltpolitik der Union auf ein hohes Schutzniveau abzielt und insbesondere auf den Grundsätzen der Vorsorge und der Vorbeugung beruht. Daraus folgt, dass der Ausdruck „sich entledigen“ und damit der Begriff „Abfall“ im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 nicht eng ausgelegt werden dürfen (Urteil vom 4. Juli 2019, Tronex, C‑624/17, EU:C:2019:564, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Konkret ist die Frage, ob es sich um „Abfall“ im Sinne der Richtlinie 2008/98 handelt, anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, wobei bestimmte dieser Umstände Anhaltspunkte dafür bilden können, dass sich der Besitzer eines Stoffes oder Gegenstands im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Zu den Umständen, die solche Anhaltspunkte darstellen können, gehört die Tatsache, dass der verwendete Stoff ein Produktions‑ oder Verbrauchsrückstand ist, d. h. ein Erzeugnis, das nicht als solches gewonnen werden sollte und dessen etwaige Verwendung wegen der Gefährlichkeit seiner Zusammensetzung für die Umwelt unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erfolgen muss (Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich weiter, dass die Methode der Behandlung oder die Art der Verwendung eines Stoffes nicht entscheidend dafür ist, ob dieser Stoff als „Abfall“ einzustufen ist, und dass unter den Begriff „Abfall“ auch Stoffe und Gegenstände fallen, die zur wirtschaftlichen Wiederverwendung geeignet sind. Das durch die Richtlinie 2008/98 eingeführte System der Überwachung und Bewirtschaftung soll nämlich alle Stoffe und Gegenstände erfassen, deren sich ihr Besitzer entledigt, auch wenn sie einen Handelswert haben und gewerbsmäßig zum Zweck des Recyclings, der Rückgewinnung oder der Wiederverwendung eingesammelt werden (Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Besonderes Augenmerk ist zudem auf den Umstand zu legen, dass der fragliche Stoff oder Gegenstand für seinen Besitzer keinen Nutzen besitzt oder diesen nicht mehr besitzt, so dass der Stoff oder Gegenstand eine Last darstellt, deren sich der Besitzer zu entledigen sucht. Ist dies tatsächlich der Fall, besteht die Gefahr, dass der Besitzer sich des in seinem Besitz befindlichen Stoffes oder Gegenstands in einer Weise entledigt, die die Umwelt schädigen kann, vor allem dadurch, dass er den Besitz an dem Gegenstand oder Stoff aufgibt, diesen wegwirft oder ihn unkontrolliert beseitigt. Fällt der Stoff oder Gegenstand unter den Begriff „Abfall“ im Sinne der Richtlinie 2008/98, so unterliegt er deren Vorschriften, womit die Verwertung oder Beseitigung dieses Stoffes oder Gegenstands so vorzunehmen ist, dass die menschliche Gesundheit nicht gefährdet wird und keine Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können (Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Dabei ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung eines Stoffes oder Gegenstands ohne vorherige Verarbeitung ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob es sich um Abfall im Sinne der Richtlinie 2008/98 handelt. Ist die Wiederverwendung des Stoffes oder Gegenstands nicht nur möglich, sondern darüber hinaus für den Besitzer wirtschaftlich vorteilhaft, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wiederverwendung hoch. In diesem Fall kann der betreffende Stoff oder Gegenstand nicht mehr als Last betrachtet werden, deren sich der Besitzer „zu entledigen“ sucht, sondern hat als echtes Erzeugnis zu gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40      In bestimmten Fällen kann ein Stoff oder Gegenstand, der bei einem nicht hauptsächlich zu seiner Gewinnung bestimmten Abbau- oder Herstellungsverfahren entsteht, nämlich keinen Rückstand, sondern ein Nebenerzeugnis darstellen, dessen sich der Besitzer nicht im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 „entledigen“ will, sondern das er unter für ihn vorteilhaften Umständen in einem späteren Vorgang – einschließlich gegebenenfalls für Zwecke anderer Wirtschaftsteilnehmer als des Erzeugers des fraglichen Gegenstands – nutzen oder vermarkten möchte, sofern diese Wiederverwendung nicht nur möglich, sondern ohne vorherige Verarbeitung in Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens gewiss ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, erschiene es nämlich keineswegs gerechtfertigt, den Anforderungen der Richtlinie 2008/98, die gewährleisten sollen, dass Vorgänge der Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgen, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet und potenziell umweltschädliche Verfahren oder Methoden verwendet werden, auch Stoffe oder Gegenstände zu unterstellen, die ihr Besitzer unabhängig von irgendeiner Verwertung unter vorteilhaften Bedingungen nutzen oder vermarkten möchte. Angesichts des Erfordernisses, den Begriff „Abfall“ weit auszulegen, gilt dies jedoch nur für Sachverhalte, in denen die Wiederverwendung des fraglichen Stoffes oder Gegenstands nicht nur möglich, sondern gewiss ist, ohne dass es dafür erforderlich wäre, zuvor auf eines der Verwertungsverfahren für Abfälle gemäß Anhang II der Richtlinie 2008/98 zurückzugreifen, was durch das vorlegende Gericht zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

42      In diesem Sinne geht aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 hervor, dass ein „Nebenprodukt“ ein Stoff oder Gegenstand ist, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, und der eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt, die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie aufgezählt werden.

43      Wie sich aus dieser Bestimmung ergibt, kann ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, nur dann nicht als „Abfall“ im Sinne von Art. 3 Nr. 1 dieser Richtlinie, sondern als „Nebenprodukt“ gelten, wenn die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss sicher sein, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird. Zweitens muss der Stoff oder Gegenstand direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden können. Drittens muss der Stoff oder Gegenstand als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt werden. Viertens muss die weitere Verwendung rechtmäßig sein, d. h. der Stoff oder Gegenstand muss alle einschlägigen Produkt‑, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung erfüllen und darf insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führen.

44      Ein Stoff oder Gegenstand, der ein „Nebenprodukt“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 darstellt, gilt nicht als Abfall, der in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt. Somit schließen nach dieser Bestimmung die Eigenschaft als „Nebenprodukt“ und jene als „Abfall“ einander aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 71).

45      Insoweit hat der Gerichtshof festgestellt, dass Petrolkoks, der absichtlich erzeugt wird oder aus der gleichzeitigen Erzeugung anderer brennbarer Erdölderivate in einer Erdölraffinerie stammt und mit Gewissheit als Brennstoff für den Energiebedarf der Raffinerie und anderer Gewerbetreibender verwendet wird, keinen Abfall im Sinne der genannten Richtlinie darstellt. Bei Dung kann unter denselben Voraussetzungen eine Einstufung als „Abfall“ ausscheiden, wenn er im Rahmen einer rechtmäßigen Ausbringungspraxis auf genau bestimmten Geländen als Dünger für die Böden verwendet wird und nur für die Erfordernisse dieser Ausbringungen gelagert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2005, Kommission/Spanien, C‑121/03, EU:C:2005:512, Rn. 59 und 60 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Würdigung des Sachverhalts des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zuständig ist, zu prüfen, ob Porr Bau nach Maßgabe der in den Rn. 32 bis 39 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen sich des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushubmaterials tatsächlich „entledigen“ wollte, so dass es sich um Abfall im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 handelt.

47      Das vorlegende Gericht wird insbesondere zu prüfen haben, ob dieses Aushubmaterial eine Last darstellte, deren sich dieses Bauunternehmen zu entledigen suchte, so dass die Gefahr besteht, dass das Unternehmen sich des Materials in einer Weise entledigt, die die Umwelt schädigen kann, vor allem dadurch, dass es den Besitz an dem Material aufgibt, es wegwirft oder es unkontrolliert beseitigt.

48      Jedoch ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht alle für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit sachdienlichen Hinweise zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2020, Sappi Austria Produktion und Wasserverband „Region Gratkorn-Gratwein“, C‑629/19, EU:C:2020:824, Rn. 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof zur Kenntnis gebrachten Umständen, dass bereits vor dem Aushub des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Materials eine konkrete Anfrage der örtlichen Landwirte in Bezug auf die Lieferung solchen Materials vorlag. Nachdem geeignete Bauvorhaben gefunden worden waren, wodurch das gewünschte Aushubmaterial verfügbar wurde, führte diese Anfrage offenbar zu einer Zusage seitens Porr Bau, dieses Aushubmaterial zur Verfügung zu stellen, verbunden mit einer Vereinbarung, nach der dieses Unternehmen mit Hilfe dieses Materials Arbeiten zur Rekultivierung und Verbesserung von ordnungsgemäß bestimmten Böden und landwirtschaftlichen Flächen durchführen sollte. Diese Umstände erscheinen – falls sie sich als zutreffend erweisen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – nicht geeignet, den Willen des betreffenden Bauunternehmens zu belegen, sich des fraglichen Materials zu entledigen.

50      Daher ist zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial als „Nebenprodukt“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 einzustufen ist.

51      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob alle in dieser Bestimmung genannten, in Rn. 43 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Voraussetzungen erfüllt sind.

52      Was erstens die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie genannte Voraussetzung anbelangt, wonach sicher sein muss, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird, so obliegt es dem vorlegenden Gericht, sowohl zu prüfen, ob sich die betreffenden Landwirte gegenüber Porr Bau verbindlich zur Abnahme des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Materials verpflichtet haben, um es zur Rekultivierung und Verbesserung von Böden und landwirtschaftlichen Flächen zu verwenden, als auch festzustellen, ob dieses Material und die gelieferten Mengen tatsächlich zur Ausführung dieser Arbeiten bestimmt und strikt auf deren Erfordernisse begrenzt waren.


53      Sollte das fragliche Material nicht sofort geliefert worden sein, so ist eine Lagerung von angemessener Dauer zum Zweck seiner vorübergehenden Verwahrung bis zur Ausführung der Arbeiten, für die das Material bestimmt ist, als zulässig zu erachten. Wie aus der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, darf diese Lagerdauer jedoch nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, damit das betreffende Unternehmen in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Brady, C‑113/12, EU:C:2013:627, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Was zweitens die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/98 vorgesehene Voraussetzung betrifft, wonach der Stoff oder Gegenstand direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden können muss, so geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial einer Qualitätskontrolle unterzogen wurde, der zufolge es sich um unkontaminiertes Material der höchsten Qualitätsklasse handelt, und dass es vom nationalen Recht als solches anerkannt wird. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass für dieses Material vor seiner Weiterverwendung keine Verarbeitung oder Behandlung erforderlich war.

55      Drittens ist in Bezug auf die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/98 vorgesehene Voraussetzung und die Frage, ob das Aushubmaterial integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses von Porr Bau ist, in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Generalanwältin in den Nrn. 41 und 47 ihrer Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass ein Bodenaushub bei einem der ersten Schritte anfällt, die im Verfahren der Bauausführung als wirtschaftlicher Tätigkeit, die zur Transformation von Gelände führt, üblicherweise unternommen werden.

56      Was viertens die Voraussetzung anbelangt, dass die weitere Verwendung des fraglichen Stoffes oder Gegenstands rechtmäßig sein muss, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2008/98 insbesondere, dass der Stoff oder Gegenstand alle einschlägigen Produkt‑, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung erfüllt und insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führt.

57      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial laut den Angaben im Vorlagebeschluss infolge einer vor seiner Wiederverwendung durchgeführten Qualitätsanalyse in die höchste Qualitätsklasse für unkontaminiertes Aushubmaterial eingestuft worden war, entsprechend der Definition im österreichischen Recht, insbesondere im Bundes-Abfallwirtschaftsplan, der spezifische Anforderungen in Bezug auf die Verringerung der Menge der Abfälle, ihrer Schadstoffe und ihrer schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit vorsieht. Dem Vorlagebeschluss zufolge sieht dieser Plan außerdem vor, dass die Verwendung unkontaminierten Aushubmaterials der höchsten Qualitätsklasse für die Rekultivierung und Verbesserung von Böden geeignet und zulässig ist.

58      Diese Verwendung steht grundsätzlich im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2008/98. Die Nutzung von Bodenaushub als Baumaterial weist nämlich, sofern der Aushub strengen Qualitätsanforderungen genügt, einen erheblichen Vorteil für die Umwelt auf, da sie, wie es Art. 11 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie verlangt, zur Verringerung von Abfällen, zum Schutz der natürlichen Ressourcen und zur Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft beiträgt.

59      Zudem ist, wie die Generalanwältin in Nr. 73 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, davon auszugehen, dass die Verwendung von Aushubmaterial der höchsten Qualitätsklasse zum Zweck der Rekultivierung und Verbesserung landwirtschaftlicher Flächen es ermöglicht, die in Art. 4 dieser Richtlinie festgelegte Abfallhierarchie zu wahren.

60      Für den gegenteiligen Fall, dass es zu dem Schluss gelangen sollte, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial „Abfall“ im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98 darstellt, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Abfalleigenschaft solchen Materials nur dann endet, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt, die für den Umweltschutz irrelevant sind.

 Zum Ende der Abfalleigenschaft von Aushubmaterial

61      Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 sind bestimmte festgelegte Abfälle nicht mehr als Abfälle anzusehen, wenn sie ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recyclingverfahren zu rechnen ist, durchlaufen haben. Das Ende der Abfalleigenschaft hängt außerdem von spezifischen Kriterien ab, die gemäß mehreren Bedingungen festzulegen sind. Erstens muss der betreffende Stoff oder Gegenstand gemeinhin für bestimmte Zwecke verwendet werden. Zweitens muss ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach bestehen. Drittens muss der Stoff oder Gegenstand die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke erfüllen und den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse genügen. Viertens darf die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führen.

62      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach § 5 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 die Abfalleigenschaft von Altstoffen oder aus ihnen gewonnenen Stoffen ende, wenn diese Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet würden oder wenn ihre Vorbereitung zur Wiederverwendung abgeschlossen sei.

63      Bei Aushubmaterial ende die Abfalleigenschaft jedoch nur, wenn es als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet worden sei.

64      Die Verwertung durch Vorbereitung zur Wiederverwendung beende die Abfalleigenschaft solchen Materials nicht. Damit die Abfalleigenschaft ende, müssten nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan zudem formale Anforderungen wie Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten erfüllt werden, die für den Umweltschutz irrelevant seien.

65      Es ist daher zu prüfen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Abfalleigenschaft unkontaminierten Aushubmaterials, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört, nur dann endet, wenn das Material als Substitution von Rohstoffen verwendet wurde und derartige formale Anforderungen erfüllt wurden.

66      Erstens ist festzustellen, dass zwar zu den in Anhang II der Richtlinie 2008/98 aufgezählten Verwertungsverfahren die „Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder zur ökologischen Verbesserung“ gehört, aber aus dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, dass für das Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft ein Verwertungsverfahren in der bloßen Sichtung des Abfalls bestehen kann, um nachzuweisen, dass er die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erfüllt.

67      Wie die Generalanwältin in Nr. 65 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wird dieser Erwägungsgrund in Art. 3 Nr. 16 der Richtlinie 2008/98 konkretisiert, wo die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ als ein Verwertungsverfahren der „Prüfung, Reinigung oder Reparatur“ definiert wird, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können. Durch diese Bestimmung werden Verfahren der „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ ausdrücklich als Verwertung eingestuft.

68      Folglich ist davon auszugehen, dass eine Prüfung, die darauf abzielt, die Qualität und die Präsenz von Schadstoffen oder Verunreinigungen in Aushubmaterial zu ermitteln, als „[V]erfahren der Prüfung“ eingestuft werden kann, das unter den Begriff „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 16 der Richtlinie 2008/98 fällt. Folglich kann bei Abfällen, die einer solchen „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ unterzogen wurden, angenommen werden, dass sie ein Verwertungsverfahren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie durchlaufen haben, wenn ihre Wiederverwendung keine weitere Vorbehandlung erfordert.

69      Zweitens ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im Ausgangsverfahren die spezifischen Kriterien, die gemäß den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 genannten Bedingungen festgelegt wurden, nach Abschluss des Prüfverfahrens eingehalten werden.

70      Was die im Bundes-Abfallwirtschaftsplan vorgesehenen Formalkriterien betrifft, deren Einhaltung bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushubmaterial verlangt wurde, so ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/98 die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erforderlichenfalls Grenzwerte für Schadstoffe enthalten und möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen des Stoffes oder Gegenstands Rechnung tragen. Außerdem verfügen die Mitgliedstaaten in dem durch Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie gesteckten Rahmen bei der Festlegung dieser Kriterien über einen Gestaltungsspielraum.

71      Folglich können sich Formalkriterien wie die vom vorlegenden Gericht angeführten zwar u. a. als notwendig erweisen, um die Qualität und Unbedenklichkeit des fraglichen Stoffes zu gewährleisten, doch müssen sie so festgelegt werden, dass ihre Ziele erreicht werden, ohne die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/98 zu gefährden.

72      Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass ausweislich des in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Bescheids die Feststellung, dass die Abfalleigenschaft des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushubmaterials nicht geendet habe, im Wesentlichen auf die Nichteinhaltung von Formalkriterien zurückzuführen war, die für den Umweltschutz irrelevant sind.

73      Es wäre aber eine Verkennung der Ziele der Richtlinie 2008/98 zu befürchten, wenn trotz Einhaltung der spezifischen Kriterien, die gemäß den in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Bedingungen festgelegt wurden, bei unkontaminiertem Aushubmaterial der höchsten Qualitätsklasse, dessen Eigenschaften zur Verbesserung landwirtschaftlicher Strukturen dienen können, nach einer Qualitätskontrolle, mit der sich die Unbedenklichkeit seiner Verwendung für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit sicherstellen lässt, das Ende der Abfalleigenschaft verneint würde.

74      Würde nämlich, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Wiederverwendung solchen Aushubmaterials durch Formalkriterien behindert, die für den Umweltschutz irrelevant sind, so liefen diese Kriterien den mit der Richtlinie 2008/98 verfolgten Zielen zuwider, die, wie aus den Erwägungsgründen 6, 8 und 29 dieser Richtlinie hervorgeht, darin bestehen, die Anwendung der Abfallhierarchie nach Art. 4 der Richtlinie sowie die Verwertung von Abfällen und die Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen zu fördern und die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Gegebenenfalls würden solche Maßnahmen die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen.

75      Es ist nicht zulässig, dass derartige Formalkriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/98 gefährdet wird. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu prüfen, ob dies hier der Fall ist.

76      Aus diesen Erwägungen folgt, dass, falls das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aushubmaterial einem Verwertungsverfahren unterzogen wurde und alle spezifischen Kriterien erfüllt, die gemäß den in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis d der Richtlinie 2008/98 genannten Bedingungen festgelegt wurden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, davon auszugehen wäre, dass die Abfalleigenschaft dieses Materials geendet hat.

77      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört,

–        als „Abfall“ einzustufen ist, selbst wenn sein Besitzer sich seiner weder entledigen will noch entledigen muss und dieses Material die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für die Einstufung als „Nebenprodukt“ erfüllt, und

–        die Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt hat, die für den Umweltschutz irrelevant sind, falls diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie gefährdet wird.

 Kosten

78      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört,

–        als „Abfall“ einzustufen ist, selbst wenn sein Besitzer sich seiner weder entledigen will noch entledigen muss und dieses Material die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für die Einstufung als „Nebenprodukt“ erfüllt, und

–        die Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt hat, die für den Umweltschutz irrelevant sind, falls diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie gefährdet wird.

Arabadjiev

Bay Larsen

Xuereb

Kumin

 

Ziemele

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. November 2022.

Der Kanzler

 

Der Kammerpräsident

A. Calot Escobar

 

A. Arabadjiev


*      Verfahrenssprache: Deutsch.