Language of document : ECLI:EU:C:2023:144

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

2. März 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Art. 56 AEUV – Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – Glücksspiel – Regelung eines Mitgliedstaats, die ein allgemeines Verbot der Bewerbung für Glücksspieleinrichtungen vorsieht – Ausnahme von Rechts wegen von diesem Verbot für Einrichtungen mit einer von den Behörden dieses Mitgliedstaats erteilten Betriebslizenz – Keine Ausnahmemöglichkeit für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Einrichtungen“

In der Rechtssache C‑695/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 8. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 19. November 2021, in dem Verfahren

Recreatieprojecten Zeeland BV,

Casino Admiral Zeeland BV,

Supergame BV

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters F. Biltgen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Recreatieprojecten Zeeland BV, der Casino Admiral Zeeland BV und der Supergame BV, vertreten durch T. Bauwens und J. Bocken, Advocaten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von J. De fauw, G. Ryelandt, M. Ryś, R. Verbeke und P. Vlaemminck, Advocaten,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, C. Chambel Alves, P. de Sousa Inês und S. Veiga als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Hallsjø Aarvik, F. Bergsjø, S. Hammersvik und K. Moe Winther als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, P.‑J. Loewenthal und M. Mataija als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Recreatieprojecten Zeeland BV, der Casino Admiral Zeeland BV und der Supergame BV, drei Betreibern von Glücksspieleinrichtungen mit Sitz in den Niederlanden, und dem Belgische Staat (Belgischer Staat) über Geldbußen, die wegen im belgischen Hoheitsgebiet für ihre Einrichtungen durchgeführter Werbemaßnahmen von der Kansspelcommissie (Glücksspielkommission, Belgien) gegen sie verhängt wurden.

 Belgisches Recht

3        Art. 4 §§ 1 und 2 der Wet op de kansspelen, de weddenschappen, de kansspelinrichtingen en de bescherming van de spelers (Gesetz über die Glücksspiele, die Wetten, die Glücksspieleinrichtungen und den Schutz der Spieler) vom 7. Mai 1999 (Belgisch Staatsblad, 30. Dezember 1999, S. 50040, im Folgenden: Glücksspielgesetz) in der Fassung der Wet tot wijziging van de wetgeving inzake kansspelen (Gesetz zur Abänderung der Rechtsvorschriften über Glücksspiele) vom 10. Januar 2010 (Belgisch Staatsblad, 1. Februar 2010, S. 4309) bestimmt:

„§ 1      Niemand darf unter gleich welcher Form, an gleich welchem Ort und in gleich welcher direkten oder indirekten Weise ohne eine im Voraus von der Kommission für Glücksspiele gemäß vorliegendem Gesetz erteilte Lizenz und vorbehaltlich der durch vorliegendes Gesetz bestimmten Ausnahmen … eine Glücksspieleinrichtung betreiben.

§ 2      Niemand darf … für … eine Glücksspieleinrichtung Werbung machen …, wenn ihm bekannt ist, dass es sich um den Betrieb eines Glücksspiels oder einer Glücksspieleinrichtung handelt, die nicht gemäß vorliegendem Gesetz zugelassen sind.“

4        Die Begründung des Gesetzesentwurfs, der dem Gesetz zur Abänderung der Rechtsvorschriften über Glücksspiele vom 10. Januar 2010 zugrunde lag, enthielt folgende Passage:

„Die Ziele der belgischen Politik im Bereich der Glücksspiele sind auf den Schutz des Spielers, die finanzielle Transparenz und die Kontrolle von Geldflüssen, die Kontrolle des Spielwesens sowie die Identifizierung und Kontrolle der Veranstalter ausgerichtet.

Die Regulierung der Glücksspiele beruht auf dem ‚Kanalisierungsgedanken‘. Um dem offensichtlichen Bedarf der Menschen an Glücksspielen Rechnung zu tragen, wird das rechtswidrige Angebot durch die Zulassung eines ‚begrenzten‘ rechtmäßigen Glücksspielangebots bekämpft.

… Die Beschränkung des rechtmäßigen Angebots greift eine der Säulen dieser Politik auf, nämlich den Schutz des Spielers vor der Spielsucht.“

5        Art. 15/3 § 1 des Glücksspielgesetzes in der Fassung der Wet tot wijziging van de wet van 7 mei 1999 op de kansspelen, de weddenschappen, de kansspelinrichtingen en bescherming van de spelers en tot invoeging van artikel 37/1 in de wet van 19 april 2002 rationalisering van de werking en het beheer van de Nationale Loterij (Gesetz zur Abänderung des Gesetzes vom 7. Mai 1999 über die Glücksspiele, die Wetten, die Glücksspieleinrichtungen und den Schutz der Spieler und zur Einfügung von Artikel 37/1 in das Gesetz vom 19. April 2002 zur Rationalisierung der Arbeit und Verwaltung der Nationallotterie) vom 7. Mai 2019 (Belgisch Staatsblad, 15. Mai 2019, S. 46589) sieht vor:

„Unbeschadet der in Artikel 15/2 festgelegten Maßnahmen kann die [Glücksspielkommission] bei Verstoß gegen … Artikel 4 … den Zuwiderhandelnden eine administrative Geldbuße auferlegen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

6        Recreatieprojecten Zeeland, Casino Admiral Zeeland und Supergame führten zwischen dem 3. Dezember 2018 und dem 25. Juni 2019 (Recreatieprojecten Zeeland) bzw. zwischen dem 20. März und dem 2. April 2019 (Casino Admiral Zeeland und Supergame) nahe der belgischen Grenze Werbemaßnahmen für ihre jeweiligen Einrichtungen in den Niederlanden unter Verwendung von Medien auf gegenständlichen Trägern durch.

7        Am 11. Dezember 2020 verhängte die Glücksspielkommission gemäß Art. 15/3 des Glücksspielgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 7. Mai 2019 gegen sämtliche Klägerinnen des Ausgangsverfahrens administrative Geldbußen wegen Verstoßes gegen Art. 4 § 2 dieses Gesetzes, der Werbung für Glücksspieleinrichtungen verbietet, die nicht über eine von der Glücksspielkommission erteilte Lizenz verfügen.

8        Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben gegen diese Geldbußen Klage beim vorlegenden Gericht und machten geltend, dass dieses Werbeverbot den durch Art. 56 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr verletze.

9        Das vorlegende Gericht weist zum einen darauf hin, dass die Glücksspielkommission außerhalb des belgischen Hoheitsgebiets angesiedelten Einrichtungen keine Betriebslizenz erteilen könne. Zum anderen sehe das belgische Recht für Betreiber von Einrichtungen wie die der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nicht die Möglichkeit vor, in Belgien Werbemaßnahmen für ihre in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelten Glücksspieleinrichtungen durchzuführen. Im Übrigen bestehe in Belgien ein allgemeines Verbot der Bewerbung von Glücksspieleinrichtungen. Für Glücksspieleinrichtungen, die in Belgien angesiedelt seien und dort über eine Betriebslizenz verfügten, gelte jedoch von Rechts wegen eine Ausnahme von diesem Verbot. Tatsächlich dürften solche Einrichtungen daher in Belgien beworben werden. Dagegen bestehe für die Glücksspieleinrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelt seien, das Werbeverbot in Belgien und bleibe in jedem Fall bestehen.

10      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende diskriminierenden Charakter hat, da diese Regelung zwar ein legitimes Ziel wie die Prävention übermäßigen Spielverhaltens und der Spielsucht verfolgt, einer begrenzten und kontrollierten Anzahl – ausschließlich inländischer – Glücksspieleinrichtungen aber eine Ausnahme vom allgemeinen Werbeverbot in Belgien in Bezug auf deren Tätigkeiten gewährt wird, während unterschiedslos für sämtliche vergleichbaren, in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelten Einrichtungen keine Möglichkeit besteht, eine solche Ausnahme zu erwirken.

11      Unter diesen Umständen hat die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 56 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass er einer nationalen Gesetzesregelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betreibern einer begrenzten und kontrollierten Anzahl von in seinem Hoheitsgebiet zugelassenen Glücksspieleinrichtungen eine Ausnahme von einem allgemeinen Werbeverbot für solche Einrichtungen einräumt, ohne zugleich die Möglichkeit vorzusehen, dass Betreiber von in anderen Mitgliedstaaten angesiedelten Glücksspieleinrichtungen für diese Einrichtungen die gleiche Ausnahme vom Werbeverbot in seinem Hoheitsgebiet erhalten?

 Zur Vorlagefrage

12      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betreibern einer begrenzten und kontrollierten Anzahl von im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Glücksspieleinrichtungen von Rechts wegen eine Ausnahme von dem allgemein für solche Einrichtungen geltenden Werbeverbot einräumt, ohne vorzusehen, dass die Betreiber von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Glücksspieleinrichtungen eine entsprechende Ausnahme erwirken können.

13      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 56 AEUV die Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs verlangt – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gilt –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Im Übrigen gilt die Dienstleistungsfreiheit sowohl zugunsten des Dienstleistenden als auch des Dienstleistungsempfängers (Urteile vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51, und vom 3. Dezember 2020, BONVER WIN, C‑311/19, EU:C:2020:981, Rn. 18).

14      Sodann gehört die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Europäische Union ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Im Übrigen steht fest, dass im Rahmen mit dem AEU-Vertrag vereinbarer Rechtsvorschriften die Wahl der Bedingungen für die Organisation und die Kontrolle der in der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücks- oder Geldspielen bestehenden Tätigkeiten den nationalen Behörden im Rahmen ihres Ermessens obliegt (Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Der Gerichtshof hat schließlich klargestellt, dass im Bereich der Glücksspiele grundsätzlich gesondert für jede mit einer nationalen Rechtsvorschrift auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen ist, ob sie geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels oder der Ziele zu gewährleisten, die von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemacht werden, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist (Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung vorsieht, dass die Durchführung von Werbemaßnahmen in Belgien für Glücksspieleinrichtungen, die nicht über eine von der Glücksspielkommission erteilte Betriebslizenz verfügen, ohne Ausnahmemöglichkeit verboten ist. Da die Glücksspielkommission eine solche Lizenz aber nur den in Belgien ansässigen Glücksspieleinrichtungen erteilen kann, bewirkt diese nationale Regelung, dass die Werbung für alle in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Glücksspieleinrichtungen in diesem Mitgliedstaat verboten ist.

18      Insoweit hat der Gerichtshof zur Glücksspielwerbung bereits entschieden, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass die Werbung in einem Mitgliedstaat für Glücksspiele, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig veranstaltet werden, verboten ist, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Urteil vom 12. Juli 2012, HIT und HIT LARIX, C‑176/11, EU:C:2012:454, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Somit stellt im vorliegenden Fall die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung eine solche Beschränkung dar.

20      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass der freie Dienstleistungsverkehr die Beseitigung jeder Diskriminierung gegenüber dem Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands voraussetzt, dass er in einem anderen als dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem die Dienstleistung zu erbringen ist (Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 35).

21      Im vorliegenden Fall beschränkt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Möglichkeit, Glücksspieleinrichtungen in Belgien zu bewerben, auf Einrichtungen, die in Belgien ansässig sind und über eine entsprechende Betriebslizenz verfügen, die von Rechts wegen mit einer Erlaubnis der Bewerbung einhergeht.

22      Insoweit ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen muss, die im Voraus bekannt sind, so dass dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Zwar ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass die Erteilung einer Lizenz für den Betrieb einer Glücksspieleinrichtung im belgischen Hoheitsgebiet auf der Grundlage objektiver und im Voraus bekannter Kriterien erfolgt, jedoch ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts – die von diesem zu überprüfen sind –, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Beschränkung, dass es nämlich einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Glücksspieleinrichtung völlig unmöglich ist, eine Erlaubnis der Durchführung von Werbemaßnahmen in Belgien zu erwirken, im Wesentlichen daher rührt, dass diese Einrichtung außerhalb des belgischen Hoheitsgebiets ansässig ist. Daraus folgt, dass eine solche Beschränkung diskriminierenden Charakter hat.

24      Zwar kann eine diskriminierende Beschränkung nach Art. 52 AEUV gegebenenfalls aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung), jedoch nur aus einer Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie den Zielen des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2009, Kommission/Spanien, C‑153/08, EU:C:2009:618, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Ziele der belgischen Politik im Bereich der Glücksspiele auf den Schutz des Spielers, die finanzielle Transparenz und die Kontrolle von Geldflüssen, die Kontrolle des Spielwesens sowie die Identifizierung und Kontrolle der Veranstalter ausgerichtet sind. Im Übrigen ergibt sich aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen der belgischen Regierung, dass diese Politik auch durch Ziele des Verbraucherschutzes sowie der Bekämpfung von Betrug und illegalem Glücksspiel gerechtfertigt ist.

26      In diesem Zusammenhang können zunächst die angegebenen Ziele, da sie zu zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, nicht geltend gemacht werden, um eine diskriminierende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu rechtfertigen (siehe oben, Rn. 24).

27      Sodann ist für den Fall, dass die Rechtfertigung mit dem Verbraucherschutz tatsächlich der Bekämpfung der Spielsucht dient und diese Bekämpfung unter den Begriff „öffentliche Gesundheit“ im Sinne von Art. 52 AEUV fällt, darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer diskriminierenden Beschränkung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden den Nachweis erfordert, dass sie eine unerlässliche Voraussetzung für die Erreichung des verfolgten Ziels darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Es ist aber offensichtlich, dass eine Beschränkung, die darauf hinausläuft, lediglich den Betreibern von im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ansässigen Glückspieleinrichtungen mit einer entsprechenden Betriebslizenz die Möglichkeit der Durchführung von Werbemaßnahmen in diesem Mitgliedstaat vorzubehalten, über das hinausgeht, was als verhältnismäßig angesehen werden kann, sofern weniger restriktive Maßnahmen zur Erreichung der von der belgischen Regierung angeführten Ziele zur Verfügung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 43), wie eine den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Einrichtungen erteilte Erlaubnis der Bewerbung, sofern die in diesem anderen Mitgliedstaat erlassenen und kontrollierten gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen gleichwertige Garantien bieten wie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des betreffenden Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, HIT und HIT LARIX, C‑176/11, EU:C:2012:454, Rn. 36).

29      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betreibern einer begrenzten und kontrollierten Anzahl von im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Glücksspieleinrichtungen von Rechts wegen eine Ausnahme von dem allgemein für solche Einrichtungen geltenden Werbeverbot einräumt, ohne vorzusehen, dass die Betreiber von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Glücksspieleinrichtungen eine entsprechende Ausnahme erwirken können.

 Kosten

30      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betreibern einer begrenzten und kontrollierten Anzahl von im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Glücksspieleinrichtungen von Rechts wegen eine Ausnahme von dem allgemein für solche Einrichtungen geltenden Werbeverbot einräumt, ohne vorzusehen, dass die Betreiber von in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Glücksspieleinrichtungen eine entsprechende Ausnahme erwirken können.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.