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Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande), eingereicht am 11. April 2023 – Kwantum Nederland BV, Kwantum België BV/Vitra Collections AG

(Rechtssache C-227/23, Kwantum Nederland und Kwantum België)

Verfahrenssprache: Niederländisch

Vorlegendes Gericht

Hoge Raad der Nederlanden

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kassationsbeschwerdeführerinnen: Kwantum Nederland BV, Kwantum België BV

Kassationsbeschwerdegegnerin: Vitra Collections AG

Vorlagefragen

1.    Fällt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation in den materiellen Anwendungsbereich des Unionsrechts?

Für den Fall, dass diese Frage zu bejahen ist, werden außerdem folgende Fragen vorgelegt:

2.    Führt der Umstand, dass sich der in Art. 17 Abs. 2 der Charta verankerte Schutz des geistigen Eigentums auf das Urheberrecht an einem Werk der angewandten Kunst erstreckt, dazu, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 52 Abs. 1 der Charta, für die Einschränkung der Ausübung des Urheberrechts (im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG1 ) an einem Werk der angewandten Kunst durch die Anwendung der materiellen Prüfung der Gegenseitigkeit gemäß Art. 2 Abs. 7 BÜ2 voraussetzt, dass diese Einschränkung gesetzlich vorgesehen ist?

3.    Sind die Art. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2001/29/EG sowie Art. 17 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta im Licht von Art. 2 Abs. 7 BÜ dahin auszulegen, dass es allein Sache des Unionsgesetzgebers (und nicht der nationalen Gesetzgeber) ist, zu bestimmen, ob die Ausübung des Urheberrechts (im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG) in der EU durch die Anwendung der materiellen Prüfung der Gegenseitigkeit gemäß Art. 2 Abs. 7 BÜ bei einem Werk der angewandten Kunst eingeschränkt werden kann, das einen Drittstaat als Ursprungsland im Sinne der Berner Übereinkunft hat und dessen Urheber kein Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist, und, wenn ja, diese Einschränkung klar und bestimmt zu definieren (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. September 2020, C-265/19, EU:C:2020:677)?

4.    Sind die Art. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2001/29/EG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen, dass, solange der Unionsgesetzgeber keine Einschränkung der Ausübung des Urheberrechts (im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG) an einem Werk der angewandten Kunst durch die Anwendung der materiellen Prüfung der Gegenseitigkeit gemäß Art. 2 Abs. 7 BÜ vorgesehen hat, die EU-Mitgliedstaaten diese Prüfung bei einem Werk der angewandten Kunst nicht anwenden dürfen, das einen Drittstaat als Ursprungsland im Sinne der Berner Übereinkunft hat und dessen Urheber kein Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?

5.    Sind unter den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umständen und angesichts des Zeitpunkts des Zustandekommens (der Vorgängerregelung) von Art. 2 Abs. 7 BÜ für Belgien die Voraussetzungen von Art. 351 Abs. 1 AEUV erfüllt, so dass es Belgien aus diesem Grund freisteht, die materielle Prüfung der Gegenseitigkeit gemäß Art. 2 Abs. 7 BÜ anzuwenden, und zwar unter Berücksichtigung des Umstands, dass vorliegend das Ursprungsland der Berner Übereinkunft am 1. Mai 1989 beigetreten ist?

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1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

1 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (im Folgenden auch: BÜ).