Language of document : ECLI:EU:C:2023:721

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 28. September 2023(1)

Rechtssache C536/22

MW,

CY

gegen

VR Bank Ravensburg-Weingarten eG

(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher – Richtlinie 2014/17/EU – Vorzeitige Rückzahlung des Kredits – Nationale Regelung, die eine Entschädigung unter Einschluss des entgangenen Gewinns des Kreditgebers vorsieht – Methode zur Berechnung des entgangenen Gewinns – Kündigung des Vertrags vor Rückzahlung“






1.        Nach Art. 25 der Richtlinie 2014/17/EU(2) haben die Verbraucher das Recht, ihre Verbindlichkeiten aus einem Wohnimmobilienkreditvertrag vollständig oder teilweise vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen.

2.        Bisher hatte der Gerichtshof über den Umfang der Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits (zugunsten des Verbrauchers) zu entscheiden, die mit der vorzeitigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten einhergeht(3).

3.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, sich (sofern ich mich nicht irre) zum ersten Mal mit der anderen Seite der Gleichung zu befassen, d. h. mit dem Anspruch des Kreditgebers auf, „sofern gerechtfertigt, eine angemessene und objektive“ Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten.

I.      Anwendbares Recht

A.      Unionsrecht. Richtlinie 2014/17

4.        Im 66. Erwägungsgrund heißt es:

„Die Fähigkeit eines Verbrauchers, den Kredit vor Ablauf des Kreditvertrags zurückzuzahlen, kann eine wichtige Rolle bei der Förderung des Wettbewerbs im Binnenmarkt und der Freizügigkeit der Unionsbürger spielen sowie dazu beitragen, die erforderliche Flexibilität während der Laufzeit des Kreditvertrags zu gewähren, um die Finanzstabilität im Einklang mit den Empfehlungen des Rates für Finanzstabilität zu fördern. … Deshalb sollten die Mitgliedstaaten entweder durch Rechtsvorschriften oder auf andere Weise, z. B. mittels Vertragsbestimmungen, gewährleisten, dass die Verbraucher ein Recht auf vorzeitige Rückzahlung haben. … In den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen kann vorgesehen werden, dass der Kreditgeber Anspruch auf eine faire und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für etwaige Kosten hat, die ihm in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits entstehen. In den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Kreditgeber Anspruch auf eine Entschädigung hat, sollte es eine faire und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für etwaige Kosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits im Einklang mit den nationalen Entschädigungsvorschriften sein. Die Entschädigung darf den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht übersteigen.“

5.        Art. 25 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher das Recht haben, ihre Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vollständig oder teilweise vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.

(2)      Die Mitgliedstaaten können die Ausübung des in Absatz 1 genannten Rechts an bestimmte Bedingungen knüpfen. Solche Bedingungen können die zeitliche Begrenzung der Ausübung dieses Rechts, eine je nach Art des Sollzinssatzes oder je nach Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher das Recht ausübt, unterschiedliche Behandlung oder Beschränkungen hinsichtlich der Umstände, unter denen dieses Recht ausgeübt werden kann, beinhalten.

(3)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Kreditgeber, sofern gerechtfertigt, eine angemessene und objektive Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten verlangen kann; sie verhängen jedoch keine Vertragsstrafen gegen den Verbraucher. Hierbei darf die Entschädigung den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten. Vorbehaltlich dieser Voraussetzungen können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Entschädigung einen bestimmten Umfang nicht überschreiten darf oder nur für eine bestimmte Zeitspanne zulässig ist.

(4)      Beabsichtigt ein Verbraucher, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen, so erteilt der Kreditgeber dem Verbraucher unverzüglich nach Eingang des Antrags die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger. Diese Informationen müssen mindestens eine Quantifizierung der Auswirkungen der Erfüllung der Verbindlichkeiten vor Ablauf des Kreditvertrags für den Verbraucher enthalten sowie etwaige herangezogene Annahmen klar angeben. Alle herangezogenen Annahmen müssen vernünftig und zu rechtfertigen sein.

(5)      Fällt die vorzeitige Rückzahlung in einen Zeitraum, für den ein fester Sollzinssatz vereinbart wurde, können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Ausübung des Rechts nach Absatz 1 an die Voraussetzung knüpfen, dass aufseiten des Verbrauchers ein berechtigtes Interesse vorliegt.“

B.      Nationales Recht

6.        Auf die vorliegende Rechtssache kommen verschiedene Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Anwendung, insbesondere § 252 („Entgangener Gewinn“), § 490 („Außerordentliches Kündigungsrecht“) Abs. 2, § 500 („Kündigungsrecht des Darlehensnehmers; vorzeitige Rückzahlung“) Abs. 2, § 502 („Vorfälligkeitsentschädigung“) und § 812 („Herausgabeanspruch“).

II.    Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

7.        MW und CY schlossen am 11. Januar 2019 mit der VR Bank Ravensburg-Weingarten eG (im Folgenden: VR Bank) einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zum Zweck des Erwerbs einer Eigentumswohnung. Der Sollzinssatz des Darlehens war gemäß dem Darlehensvertrag bis zum 30. Januar 2029 gebunden.

8.        Nach dem Darlehensvertrag konnte der Darlehensnehmer seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann vorzeitig erfüllen, wenn er insoweit ein berechtigtes Interesse nachwies.

9.        Der Vertrag enthielt u. a. folgende Klauseln:

–      Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens hat die VR Bank Anspruch auf Ersatz des daraus resultierenden Schadens. Die Berechnung dieses Schadens erfolgt nach der vom Bundesgerichtshof (Deutschland) für zulässig befundenen Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode(4).

–      Die Darlehensnehmer sind verpflichtet, ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand zu zahlen.

10.      Am 19. Mai 2020 veräußerten MW und CY die (im Vorjahr erworbene) Immobilie(5) und kündigten den Darlehensvertrag zum 30. Juni 2020.

11.      Am 9. Juni 2020 forderte die VR Bank von MW und CY eine Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens. Die Kläger zahlten diese Vorfälligkeitsentschädigung.

12.      Am 19. April 2021 forderten MW und CY die VR Bank zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung auf. In dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit machen sie die Rückzahlung dieses Betrags geltend.

13.      Die Kläger sind der Ansicht, die VR Bank habe keinen Anspruch auf die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung, weil der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben über die Berechnung der Entschädigung enthalte. Außerdem dürfe die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Richtlinie 2014/17 nur eine Entschädigung für tatsächlich angefallene Kosten und nicht die dem Darlehensgeber entgehenden Zinsen bzw. den entgangenen Gewinn umfassen. Weiter halten die Kläger eine hypothetische Berechnung nach finanzmathematischen Formeln für unzulässig.

14.      Die VR Bank tritt der Klage entgegen und macht geltend:

–      Im Vertrag seien alle gesetzlich vorgeschriebenen Angaben enthalten.

–      Die Höhe der Entschädigung richte sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Fälle der berechtigten Ablösung eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens. Nach dieser Rechtsprechung habe der Darlehensgeber Anspruch auf den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden, wenn der Darlehensnehmer zu diesem Zeitpunkt Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schulde.

–      Die Banken müssten sich bei der Gewährung von Darlehen in der Regel refinanzieren und gingen aus diesem Grund ihrerseits langfristige Bindungen ein. Könnte sich der Darlehensnehmer jederzeit und ohne Zahlung des sich aus seiner Kündigung ergebenden Schadens vom Vertrag lösen, würde dies nach Auffassung der VR Bank zu einer erheblichen Verteuerung der durch Hypotheken gesicherten Darlehen führen, da dieses Risiko einzupreisen wäre.

15.      Vor diesem Hintergrund legt das Landgericht Ravensburg (Deutschland) dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Ist der Begriff der „angemessenen und objektiven Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten“ in Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17/EU dahingehend auszulegen, dass die Entschädigung auch den entgangenen Gewinn des Kreditgebers, insbesondere die ihm infolge der vorzeitigen Rückzahlung entgehenden zukünftigen Zinszahlungen erfasst?

2.      Falls die Frage Ziff. 1 bejaht wird:

Enthält das Unionsrecht und speziell Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17/EU Vorgaben für die Berechnung der bei dem entgangenen Gewinn zu berücksichtigenden Einnahmen des Kreditgebers aus der Wiederanlage eines vorzeitig zurückgezahlten Immobiliar-Verbraucherkredits, und gegebenenfalls welche?

Insbesondere:

a)      Hat die nationale Regelung für die Berechnung daran anzuknüpfen, in welcher Art der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag tatsächlich verwendet?

b)      Darf eine nationale Regelung es dem Kreditgeber gestatten, die Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung anhand einer fiktiven Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln mit kongruenter Laufzeit zu berechnen (sog. Aktiv-Passiv-Methode)?

3.      Fällt in den Anwendungsbereich des Art. 25 der Richtlinie 2014/17/EU auch der Fall, dass der Verbraucher einen Immobiliar-Verbraucherkreditvertrag zunächst aufgrund eines vom nationalen Gesetzgeber vorgesehenen Kündigungsrechts kündigt, bevor er den Kredit vorzeitig an den Kreditgeber zurückzahlt?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 10. August 2022 beim Gerichtshof eingegangen.

17.      Die VR Bank, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht für erforderlich erachtet.

IV.    Würdigung

18.      Mit der Richtlinie 2014/17 wird „ein gemeinsamer Rahmen zur Regelung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für mit Verbrauchern geschlossene grundpfandrechtlich besicherte Kreditverträge oder andere Wohnimmobilienkreditverträge festgelegt …“(6).

19.      Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen erfolgt durch die Richtlinie 2014/17 nur eine minimale Harmonisierung. In ihrem sachlichen Anwendungsbereich:

–      ermöglicht sie es den Mitgliedstaaten, für einheitlich geregelte Aspekte strengere Bestimmungen zum Zweck des Verbraucherschutzes beizubehalten oder einzuführen(7);

–      erkennt sie für sonstige Aspekte den nationalen Gesetzgebern die Regelungsbefugnis zu und nimmt die Folgen der mangelnden einheitlichen Regelung im Voraus in Kauf.

20.      Unter der Überschrift „Vorzeitige Rückzahlung“ garantiert Art. 25 der Richtlinie 2014/17 dem Verbraucher das Recht, sich vor dem vereinbarten Zeitpunkt von seiner vertraglichen Verbindlichkeit zu lösen. Dieses Recht wird jedoch weder bedingungslos noch frei von Gegenleistungen gewährt: Zu den Gegenleistungen zählt die Entschädigung des Kreditgebers für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten.

21.      Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, das Recht des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung eines Wohnimmobilienkredits mit anschließender Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits (zu seinen Gunsten) festzuschreiben. Die Richtlinie 2014/17 legt fest, wonach sich diese Ermäßigung richtet.

22.      Die Richtlinie 2014/17 selbst garantiert dem Kreditgeber allerdings keinen Anspruch auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung. Sie erlaubt es den nationalen Gesetzgebern lediglich, diesen Anspruch festzulegen und zu regeln, und stellt diesbezüglich die Bedingungen sicher(8). Wenn die nationalen Rechtsvorschriften jedoch eine Entschädigung vorsehen, muss sie bestimmte, in der Richtlinie 2014/17 selbst vorgegebene Mindestanforderungen erfüllen.

A.      Erste Vorlagefrage

23.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die angemessene und objektive Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten auch den entgangenen Gewinn des Kreditgebers erfasst(9). Dazu gehören insbesondere die Zinsen, deren Empfang der Kreditgeber für die Zukunft erwartet hat und die er nun nicht mehr empfängt(10).

24.      Meiner Ansicht nach steht die Richtlinie 2014/17 einer Berücksichtigung dieser Zinsen bei der Berechnung der Entschädigung nicht entgegen, was bedeutet, dass die erste Vorlagefrage zu bejahen ist. Im Rahmen der nachstehenden Erwägungen werde ich daher Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie mit Hilfe der üblichen Auslegungskriterien auslegen.

1.      Am Wortlaut orientierte Auslegung

25.      Bei einer ersten Annäherung an den Wortlaut(11) kommen Fragen auf:

–      Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 verweist auf eine Entschädigung für Kosten. Gemäß Abs. 1 (in dem die Konjunktion „und“ zwischen „Zinsen“ und „Kosten“ steht) umfasst der Begriff der Kosten etwas anderes als der Begriff der Zinsen.

–      In Abs. 3 wird auf die möglicherweise entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Rückzahlung des Kredits abgestellt. Die Zinsen, die angefallen wären, wenn es nicht zu einer Rückzahlung gekommen wäre, sind danach nicht als Kosten anzusehen, da sie durch die Rückzahlung zwangsläufig verloren gehen.

–      Der Artikel nennt die unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten. Es könnte der Standpunkt vertreten werden, dass hierzu nur solche Kosten zählen, die konkreten, von den Kreditinstituten zur Abwicklung der Rückzahlung vorgenommenen Transaktionen entsprechen(12).

26.      Ich bin dennoch nicht der Ansicht, dass die am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 gegen den von mir vertretenen Ansatz spricht.

27.      Der Begriff „Kosten“, den die Richtlinie verwendet(13), ist weder präzise noch inhaltlich eindeutig(14). In ihrem Wortlaut geht sie sogar so weit, dass sie Zinsen als „Kosten“ bezeichnet, z. B. in Art. 14 über vorvertragliche Informationen(15).

28.      Wenn in Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 die „Kosten“ zu den „Gesamtkosten des Kredits“ für den Verbraucher zählen und somit „Kosten“ darstellen, die er zu tragen hat(16), so sind „Zinsen“ ebenfalls „Kosten“ im Sinne der Definition der „Gesamtkosten des Kredits“(17).

29.      Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 verweist außerdem darauf, dass die Entschädigung „den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten“ darf(18). Dies deutet darauf hin, dass die entgangenen zukünftigen Zinsen als Kosten anzusehen sind, die der Kreditgeber infolge der vorzeitigen Rückzahlung (möglicherweise) zu tragen hat und die zu entschädigen sind, sofern der nationale Gesetzgeber dies beschließt.

30.      Die Verwendung des Begriffs „möglicherweise entstandene Kosten“ verhindert ebenso wenig, dass der entgangene Gewinn als Teil der dem Kreditgeber zustehenden Entschädigung angesehen werden kann. Infolge der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits erhält der Kreditgeber nicht mehr die vereinbarten Zinsen (d. h. die Zinsen, die laut Vertrag während der gesamten Vertragslaufzeit angefallen wären). Genau aus diesem Grund ist der Verlust der Zinsen als eine unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängende finanzielle Folge anzusehen.

31.      In diesem Sinne ist der Standpunkt, dass die Zinsen nicht nur möglicherweise, sondern auf jeden Fall verloren gehen, grundsätzlich richtig. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem Kredit mit variablem Zinssatz (unter bestimmten konjunkturellen Marktbedingungen) vor der Rückzahlung und unabhängig von ihr keine Zinsen mehr anfallen(19).

32.      Es kann auch vorkommen, dass der Kreditgeber durch die vorzeitige Rückzahlung des Kapitals in der Praxis keinen Verlust in Form von entgangenen zukünftigen Zinsen erleidet, wenn er den Betrag erneut anlegt und der nach der Wiederanlage geltende Zinssatz für ihn günstiger ist. Insoweit kann im Voraus nicht sicher festgestellt werden, ob es zu einem Verlust kommen wird oder nicht.

33.      Weitere Vorgaben aus Art. 25 der Richtlinie 2014/17 bestätigen, dass es richtig ist, die entgangenen Zinsen als Bestandteil der Entschädigung des Kreditgebers einzustufen, da diese nicht auf reine Verwaltungskosten beschränkt ist:

–      Die Entschädigung, die „angemessen und objektiv“ sein soll, muss „gerechtfertigt“ sein(20): Dies müsste nicht so deutlich festgeschrieben werden, wenn es sich bei der Entschädigung nur um die Bezahlung von Dienstleistungen (z. B. Abwicklung der Rückzahlung) handeln würde, für die immer eine objektive Rechtfertigung vorliegt.

–      Der abschließende Satz „[die Entschädigung ist] nur für eine bestimmte Zeitspanne zulässig“ geht in dieselbe Richtung, da die Kosten für die Abwicklung der Rückzahlung nicht über einen längeren Zeitraum anfallen.

34.      Schließlich sieht Abschnitt 9 („Vorzeitige Rückzahlung“) von Teil B in Anhang II des Europäischen Standardisierten Merkblatts (ESIS) der Richtlinie 2014/17 bezüglich der im ESIS-Merkblatt aufzunehmenden Angaben vor: „Hängt die Höhe der Entschädigung von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa … dem zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung geltenden Sollzinssatz …“. Dies zeigt, dass die entgangenen Zinsen eines der Elemente darstellen, die bei der Berechnung der Entschädigung einbezogen werden dürfen.

2.      Vorarbeiten

35.      Bei der Überprüfung der Vorarbeiten für die Richtlinie 2014/17 habe ich keine Verweise auf die Vorfälligkeitsentschädigung gefunden, die auf eine Harmonisierung der Berechnungsmethode oder der entschädigungsfähigen Posten abzielen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Möglichkeit in Betracht gezogen wurde, den entgangenen Gewinn des Kreditgebers in die Entschädigung einzubeziehen.

36.      Das Parlament schlug in seinem Bericht zu dem Vorschlag der Kommission vor, bei der Festsetzung der Entschädigung nicht nur die Kosten des Kreditgebers zu berücksichtigen, sondern auch etwaige Einsparungen, die für ihn aus der Rückzahlung entstehen(21). Weiterhin wurde in den verfügenden Teil die Bestimmung aufgenommen, dass die Entschädigung den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten darf(22).

37.      In einigen Dokumenten des Rates wird die Entschädigung getrennt von den „sonstigen zusätzlichen Kosten“ aufgeführt, zu denen beispielsweise die Verwaltungskosten oder die Kosten für die Schließung des Vorgangs zählen(23).

38.      Neben einer möglichen Regelung der vorzeitigen Rückzahlung durch die Mitgliedstaaten mit einer Entschädigung für die dem Kreditgeber entstandenen Kosten sah der Rat „für den Verbraucher unentgeltliche“ Rückzahlungen („free of charge for the consumer“) vor, wobei er als Beispiel hierfür Kredite mit variablem Zinssatz nannte(24). Dieser Vorschlag scheint mir darauf hinzudeuten, dass nach Auffassung des Rates die durch die vorzeitige Rückzahlung entgangenen Zinsen bei der Entschädigung miteinbezogen werden konnten.

3.      Teleologische Auslegung

39.      Wie ich bereits erläutert habe, gewährt die Richtlinie 2014/17 dem Kreditgeber nicht bereits als solche einen Anspruch auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits. Die Entscheidung darüber, ob eine Entschädigung festgelegt wird oder nicht, obliegt dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber, der allerdings das Ziel von Art. 25 zu berücksichtigen hat.

40.      Eine nationale Regelung, die im Rahmen der Bestimmung der Vorfälligkeitsentschädigung den entgangenen Gewinn des Kreditgebers miteinbezieht, kann meiner Ansicht nach mit diesem Ziel vereinbar sein.

41.      Im Urteil UniCredit Bank Austria hat der Gerichtshof, nachdem er das Recht auf vorzeitige Rückzahlung mit Art. 1 der Richtlinie 2014/17 in Zusammenschau mit ihrem 15. Erwägungsgrund in Verbindung gebracht hatte, bestätigt, dass mit dieser Richtlinie „ein hohes Maß an Schutz“ für mit Verbrauchern geschlossene durch eine Hypothek oder eine sonstige Sicherheit gesicherte Wohnimmobilienkreditverträge gewährt werden soll(25).

42.      Es wurde geltend gemacht, bei dem Ausschluss des entgangenen Gewinns des Kreditgebers aus den zu entschädigenden Kosten handele es sich um die Lösung, mit der der Verbraucher am besten geschützt werde (da sie Hindernisse bei der Ausübung des Rechts des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung beseitige)(26). Von diesem Standpunkt aus schließt die Ermäßigung der Zinsen und Kosten, die gemäß Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 mit dem Recht auf Rückzahlung einhergeht, eine Einbeziehung der entgangenen zukünftigen Zinsen in die Entschädigung aus(27).

43.      Nach dieser Auffassung macht eine Ermittlung des entgangenen Gewinns des Kreditgebers anhand der Rendite, die er erzielt hätte, wenn der Vertrag in Kraft geblieben wäre, einen der Anreize des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung, nämlich die Einsparung, zunichte und stellt den Sinn des Rechts in Frage. Ohne eine konkrete Begründung und ohne jegliche Bedingungen sei eine solche Vorgehensweise nicht mit der Richtlinie 2014/17 vereinbar.

44.      Meiner Überzeugung nach lässt sich ein solcher Ansatz jedoch nicht aus der Richtlinie 2014/17 ableiten. Diese sieht ein Recht auf vorzeitige Rückzahlung vor (das als solches unabdingbar ist), überlässt es jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten, dieses Recht unter Wahrung der Besonderheiten ihres jeweiligen Rechtssystems und unter Berücksichtigung der Merkmale ihres Immobilienkreditmarktes in ihr Rechtssystem zu integrieren(28).

45.      Wenn ein Mitgliedstaat unter Gebrauch dieser Freiheit das Recht auf Entschädigung des Kreditgebers festschreibt, ist er verpflichtet, sich dabei an bestimmte Mindestvoraussetzungen zu halten(29), nichts hindert ihn jedoch daran, bei der Berechnung den entgangenen Gewinn des Kreditgebers zu berücksichtigen.

46.      Die Richtlinie 2014/17 enthält keine Definition des Begriffs „angemessene Entschädigung“(30), der einheitlich ausgelegt werden sollte und sich sowohl auf den Grund als auch auf die Höhe der Entschädigung bezieht. Wie in anderen Bereichen des Unionsrechts(31) verweist der Begriff „angemessen“ im Rahmen der Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits sowohl auf den Ersatz des von einer Partei erlittenen Verlustes als auch auf den Ausgleich zwischen den entgegengesetzten Interessen des Verbrauchers und des Kreditgebers:

–      Für den Verbraucher bringt die Rückzahlung Vorteile, da er von seiner vertraglichen Verpflichtung befreit und der vereinbarte Preis reduziert wird.

–      Für den Kreditgeber kann eine vorzeitige Rückzahlung Nachteile mit sich bringen, da er diese nicht nur abwickeln, sondern auch das Kapital zu neuen Marktpreisen wiederanlegen (bzw. den Zinsverlust tragen) muss(32).

47.      Insoweit kann die Einbeziehung des entgangenen Gewinns in die Entschädigung zu den Zielen der Richtlinie 2014/17 beitragen, die sich nicht allein darauf beschränken, ein hohes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten. Ein weiteres erklärtes Ziel ist die Schaffung eines wirksamen und von Wettbewerb geprägten Binnenmarkts für Wohnimmobilienkreditverträge(33) vor dem Hintergrund der Sicherstellung der Finanzstabilität(34). Dem 66. Erwägungsgrund zufolge handelt es sich bei dem Recht auf vorzeitige Rückzahlung um ein Instrument, das diesen Zwecken dient(35).

48.      Hat ein Mitgliedstaat das Entschädigungsrecht anerkannt, bietet die Richtlinie 2014/17, wie ich dargestellt habe, einen großen Spielraum, um seine Ausübung zu regeln. Auf diese Weise kann der betreffende Mitgliedstaat die Besonderheiten seines Kreditmarktes berücksichtigen, ohne den Zielen der Richtlinie zuwiderzuhandeln.

49.      Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang bei vorzeitiger Rückzahlung eine Entschädigung zugunsten des Kreditgebers festgeschrieben wird, kann je nach Einzelfall weitreichende Folgen mit sich ziehen. Im Bereich der Immobilienkredite, der sich hauptsächlich auf Wohnimmobilien bezieht, betreffen diese Folgen in erster Linie den lokalen Markt und die lokale Wirtschaft, jedoch können Auswirkungen auf breiterer Ebene nicht ausgeschlossen werden.

50.      Bei Erlass einer Regelung, wonach Kreditgebern keine Entschädigung für den Verlust der erwarteten Zinsen zusteht, ist es denkbar, dass die Kreditgeber sich für Strategien mit potenziell unerwünschten Auswirkungen auf die Ziele der Richtlinie 2014/17 entscheiden(36): z. B. die Einschränkung des Angebots an Kreditprodukten oder die Forderung höherer Zinssätze von allen Verbrauchern(37).

51.      Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Festschreibung der Entschädigung und beschränkt diese nicht im Voraus auf die Kosten für die Abwicklung der Rückzahlung oder sonstige damit zusammenhängende Verwaltungskosten. Der nationale Gesetzgeber verfügt über einen weiten Handlungsspielraum und kann den entgangenen Gewinn des Kreditgebers in die Entschädigung einbeziehen, wenn er dies für erforderlich erachtet, um die Ziele der Richtlinie 2014/17 auf seinem eigenen Wohnimmobilienmarkt zu fördern.

4.      Systematische Auslegung. Richtlinie 2008/48

52.      In den Erwägungsgründen der Richtlinie 2014/17 wird darauf hingewiesen, dass eine Auslegung der Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Union, insbesondere mit der Richtlinie 2008/48, im Einklang stehen und diese ergänzen sollte(38). Zwar werden für dieses Kriterium der systematischen Auslegung auch Grenzen aufgezeigt, jedoch betrifft dies in keinem Fall das Recht auf vorzeitige Rückzahlung(39).

53.      In ihrem 39. Erwägungsgrund erkennt die Richtlinie 2008/48 den Unterschied zwischen Verbraucherkrediten und „andere[n], über langfristige Finanzierungsmechanismen finanzierte[n] Kreditprodukte[n], wie beispielsweise festverzinsliche Hypothekendarlehen“, an. Gerade weil das letztgenannte Modell der langfristigen Finanzierung bei Verbraucherkrediten nicht üblich ist, ist der Höchstbetrag der Entschädigung des Kreditgebers bei vorzeitiger Rückzahlung solcher Kredite in der Regel pauschal festzulegen.

54.      In der Richtlinie 2008/48 bestätigt die Ausnahme von dieser Regel, dass Zinsen, die nach einer vorzeitigen Rückzahlung nicht mehr anfallen, erstattungsfähig sind (oder sein können):

–      Art. 16 Abs. 4 Buchst. b ermächtigt die Mitgliedstaaten, unter Einhaltung einer Obergrenze und abhängig vom tatsächlich erlittenen Verlust eine abweichende Entschädigung vorzusehen(40).

–      Zum Zweck der Bestimmung der Verluste wird in der genannten Vorschrift festgelegt, dass der Verlust „in der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz [besteht], zu dem der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag auf dem Markt zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung als Kredit ausreichen kann“.

55.      Wenn dieser Ansatz also für die Richtlinie 2008/48 gilt, ist dies erst recht zwecks Auslegung von Art. 25 der Richtlinie 2014/17 im Zusammenhang mit (durch eine Hypothek oder durch eine vergleichbare Sicherheit gesicherten) Immobilienkrediten der Fall(41). Es wird somit bestätigt, dass der den Zinsen entsprechende finanzielle Verlust im Einklang mit den nationalen Entschädigungsvorschriften zu den etwaigen, mit der vorzeitigen Rückzahlung in Zusammenhang stehenden Kosten des Kredits zählen kann.

56.      Zusammenfassend hindert meines Erachtens einen Mitgliedstaat nichts daran, eine nationale Regelung zu erlassen, wonach in die Entschädigung nach Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 der Verlust der Zinsen einbezogen wird, die infolge der vorzeitigen Rückzahlung nicht mehr anfallen werden.

B.      Zweite Vorlagefrage

57.      Für den Fall, dass (wie ich es vertrete) die erste Vorlagefrage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 „Vorgaben für die Berechnung der bei dem entgangenen Gewinn zu berücksichtigenden Einnahmen des Kreditgebers aus der Wiederanlage eines vorzeitig zurückgezahlten Immobiliar-Verbraucherkredits“ enthält.

1.      Zur Berechnungsmethode im Allgemeinen

58.      Die Richtlinie 2014/17 verweist auf keine bestimmte Art der Berechnung der dem Kreditgeber zustehenden Entschädigung(42). Die Berechnungsmethode (genauso wie sonstige Aspekte der Entschädigung, abgesehen von einigen wenigen Bedingungen, die ich bereits angedeutet habe und nachstehend wiederholen werde) liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten.

59.      Dies bestätigt der 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/17, in dem es heißt, dass die Entschädigung „im Einklang mit den nationalen Entschädigungsvorschriften“ festzulegen ist.

60.      Die Richtlinie 2014/17 schreibt weder vor, dass bei der Festlegung der Entschädigung an die Art und Weise, in der der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag tatsächlich verwendet(43), oder an eine sonstige vergleichbare Methode anzuknüpfen ist, noch untersagt sie dies; die diesbezügliche Entscheidung obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten.

61.      Die Bedingungen der Richtlinie 2014/17 an die Entschädigung beschränken sich darauf, dass diese keine Vertragsstrafe gegen den Verbraucher darstellen und den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten darf sowie „angemessen“(44) und „objektiv“ sein muss.

62.      Das Erfordernis, dass die Entschädigung „objektiv“ zu sein hat, bezieht sich auf eine abstrakte und im Voraus festgelegte Berechnungsmethode, deren Parameter die Parteien nicht nach ihrem Ermessen festlegen können. Anhand der Methode müssen weiterhin die Fälle bestimmt werden können, in denen eine Entschädigung nicht gerechtfertigt ist(45). Sofern diese Voraussetzungen jedoch erfüllt sind, steht die Richtlinie 2014/17 nach meiner Überzeugung der Berechnung der Entschädigung mittels einer Methode, die ein hypothetisches Element enthält, nicht entgegen.

2.      Aktiv-Passiv-Methode nach der deutschen Rechtsprechung

63.      Nach der Darstellung in der Vorlageentscheidung, die auf die nationale Rechtsprechung verweist(46), entspricht bei der Aktiv-Passiv-Methode der finanzielle Verlust des Kreditgebers der Differenz zwischen den folgenden zwei Größen:

–      den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Vertrags tatsächlich gezahlt hätte, und

–      der Rendite, die der Kreditgeber aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln erzielt hätte.

64.      Für die Vornahme dieser Berechnung ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Wiederanlage als solche durchgeführt wurde. Der Referenzwert wird durch Bewertung der Rendite einer Anlage mit gleicher Laufzeit ermittelt(47).

65.      Der Differenzbetrag ist außerdem um die zum Zeitpunkt der Leistung der Vorfälligkeitsentschädigung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf diesen Zeitpunkt abzuzinsen.

66.      Für die Methode gilt Folgendes:

–      Die Berechnung der Entschädigung erfolgt auf der Grundlage transparent ermittelter Bedingungen des Kapitalmarkts, auf die der Kreditgeber keinen Einfluss hat.

–      Die Formel beinhaltet keine Beträge, die dem Kreditnehmer als Sanktion für die vorzeitige Rückzahlung auferlegt werden.

–      Die auf diese Weise berechnete Entschädigung zielt darauf ab, den finanziellen Verlust auszugleichen, und stellt somit de facto auch keine Vertragsstrafe gegen den Verbraucher dar, der den Kredit vorzeitig zurückzahlt. Sind die für die Wiederanlage geltenden Zinssätze höher als die im ursprünglichen Kreditvertrag vereinbarten Zinssätze, hat der Kreditgeber keinen Anspruch auf Entschädigung.

67.      Wie alle Beteiligten des Vorabentscheidungsverfahrens vertrete ich, vorbehaltlich der abschließenden Würdigung durch das vorlegende Gericht, die Auffassung, dass die Aktiv-Passiv-Methode die in der Richtlinie 2014/17 geforderten Mindestvoraussetzungen an eine Entschädigung erfüllt.

68.      Die genannte Methode ähnelt im Übrigen der Methode, die in Art. 16 Abs. 4 a. E. der Richtlinie 2008/48 zur Berechnung des tatsächlich erlittenen finanziellen Verlusts des Kreditgebers verwendet wird, wenn die Mitgliedstaaten ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel eines pauschalen Höchstbetrags (Art. 16 Abs. 2) vorsehen.

69.      Die nach der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48 zulässige Berechnung der Entschädigung des Kreditgebers beinhaltet nämlich ebenso wie die Aktiv-Passiv-Methode das Element der hypothetischen (und nicht unbedingt tatsächlich erfolgten) Anlage des zurückgezahlten Betrags(48). Der Umstand, dass diese Berechnung im Bereich der Verbraucherkredite zulässig ist, macht es einfacher, sie auch für durch eine Hypothek oder durch eine vergleichbare Sicherheit gesicherte Kredite heranzuziehen.

C.      Dritte Vorlagefrage

70.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 25 der Richtlinie 2014/17 auch für einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens gilt, in dem der Verbraucher den Vertrag zunächst aufgrund eines vom nationalen Gesetzgeber vorgesehenen Kündigungsrechts kündigt, bevor er den Kredit vorzeitig an den Kreditgeber zurückzahlt.

71.      Die Frage stellt sich im Zusammenhang mit den deutschen Rechtsvorschriften, die für festverzinsliche Darlehen zwei Fälle der vorzeitigen Rückzahlung vorsehen:

–      Im ersten Fall erfolgt die Rückzahlung nach Kündigung des Vertrags durch den Kreditnehmer und unterliegt den Bedingungen dieser Kündigung. Es gilt § 490 Abs. 2 BGB, der dem Verbraucher ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt(49). Die Vorschrift stammt in ihrer derzeitigen Fassung aus der Zeit vor der Richtlinie 2014/17 und entspricht nicht deren Umsetzung in nationales Recht.

–      Im zweiten Fall ist die Rückzahlung keine Folge der Kündigung des Vertrags; sie erfolgt unabhängig davon, ob der Vertrag gekündigt wird oder nicht. Dieser Fall ist im Wesentlichen in den §§ 500 und 502 BGB geregelt, die 2016 zur Umsetzung der Richtlinie 2014/17 geändert wurden(50). Der Verbraucher kann das Darlehen jederzeit vorzeitig zurückzahlen, sofern er ein berechtigtes Interesse(51) nachweisen kann.

72.      Je nachdem, ob die eine oder die andere Bestimmung angewandt wird, kommt es zu unterschiedlichen Folgen für die Entschädigung des Kreditgebers:

–      § 490 Abs. 2 BGB sieht vor, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht. Für die Berechnung dieser Vorfälligkeitsentschädigung kommen geltende schadensersatzrechtliche Grundsätze zur Anwendung, so dass nach § 252 BGB auch der entgangene Gewinn zu ersetzen ist.

–      Nach § 502 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen. Die Festlegung, aus welchen Bestandteilen sich die Entschädigung zusammensetzt und wie sie zu berechnen ist, obliegt dem nationalen Gesetzgeber, der sich dabei an die Grenzen und Bedingungen der Richtlinie 2014/17 zu halten hat.

73.      Da die Meinungen in der Rechtslehre diesbezüglich auseinandergehen, stellt das vorlegende Gericht die Frage, ob in den Anwendungsbereich des Art. 25 der Richtlinie 2014/17 auch der Fall fällt, dass das Darlehen infolge des in § 490 Abs. 2 BGB vorgesehenen Kündigungsrechts zurückgezahlt wird.

74.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts „spricht viel dafür, dass Art. 25 der Richtlinie 2014/17 auch anwendbar ist, wenn der Verbraucher den [Vertrag] nach § 490 Abs. 2 BGB kündigt, bevor er den Kredit vorzeitig zurückzahlt“.

75.      Wäre dies nicht der Fall, „würden viele Verbraucher von ihrem Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens … nicht profitieren. Würde man die Vorfälligkeitsentschädigung bei Ausübung des Rechts zur vorzeitigen Kündigung nach § 490 Abs. 2 BGB anders berechnen als im Rahmen [der] §§ 500 und 502 BGB, hätte dies zur Folge, dass der Verbraucher, der seinen Kredit vorzeitig kündigt, unter Umständen schlechter stünde als derjenige, der sein Recht auf vorzeitige Rückzahlung ohne Kündigung ausübt.“

76.      Im Ergebnis lässt es somit nach Auffassung des vorlegenden Gerichts „[d]ie verbraucherschützende Zielrichtung dieses Rechts … als notwendig erscheinen, dass Art. 25 der Richtlinie 2014/17 auch im Fall der vor Rückzahlung des Kredits erklärten Kündigung eingreift“.

77.      Ich teile die Auffassung des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 25 der Richtlinie 2014/17. Ich habe allerdings Vorbehalte bezüglich einiger der dahinter stehenden Überlegungen.

78.      Abstrakt stellt sich die Frage, ob die einzelnen Mitgliedstaaten den Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung unterschiedlich ausgestalten können(52), je nachdem, ob es mit der Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts des Verbrauchers verknüpft wird oder nicht.

79.      Meines Erachtens ist nicht auszuschließen, dass diese konkrete Frage zu bejahen ist. Mit anderen Worten erscheinen mir Argumente wie das, dass ein Verbraucher, der eine der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Möglichkeiten nutzt, „schlechter stünde“(53) als ein anderer, der die Alternative nutzt, nicht ausreichend, um den gesetzgeberischen Freiraum der Mitgliedstaaten zu reduzieren.

80.      Voraussetzung ist auf jeden Fall, dass alle nationalen Regelungen Art. 25 der Richtlinie 2014/17 sowie die allgemeinen Bestimmungen in Art. 2 berücksichtigen.

81.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Frage, ob die Grundsätze, nach denen sich die Entschädigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB richtet (und nach denen der entgangene Gewinn des Kreditgebers einbezogen werden kann), mit Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 vereinbar sein müssen, zu bejahen ist(54).

82.      Art. 25 der Richtlinie 2014/17 gewährt den Verbrauchern das Recht, ihre Verbindlichkeiten vollständig oder teilweise zu erfüllen, ohne deren Fälligkeit abwarten zu müssen. Die Bestimmung sagt nichts über die Art und Weise der Ausübung dieses Rechts aus: Es kann als rein materieller Akt der Rückzahlung oder infolge eines Rechts zur Kündigung des Kreditvertrags ausgeübt werden.

83.      Der dem Verbraucher durch die Richtlinie 2014/17 gewährte Schutz muss immer aufrechterhalten werden, unabhängig davon, von welcher der beiden genannten Optionen der Ausübung des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung der Verbraucher Gebrauch macht. Welche Regelung der Mitgliedstaat im Rahmen der ihm durch die Richtlinie 2014/17 eingeräumten Freiheit auch erlässt, sein Ermessensspielraum unterliegt den Bedingungen aus Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie. Diese Bedingungen gelten folglich sowohl, wenn die vorzeitige Rückzahlung nach Kündigung des Vertrags vorgenommen wird, als auch, wenn sie unabhängig von einer Kündigung erfolgt.

84.      Ich bin nicht der Ansicht, dass der Verweis in Art. 25 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/17 auf das Recht auf Rückzahlung „vor Ablauf“ des Vertrags das Argument der VR Bank unterstützt(55). Art. 25 der Richtlinie 2014/17 zielt nicht darauf ab, die Ausübung des Rechts des Verbrauchers auf vorzeitige Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zeitlich einzuschränken. Vielmehr soll mit diesem Artikel hervorgehoben werden, dass dieses Recht Vorrang genießt gegenüber der normalen Regelung für privatrechtliche Verträge, wonach beide Parteien verpflichtet sind, den Vertrag in Übereinstimmung mit den vereinbarten Bedingungen (und Fristen) zu erfüllen.

V.      Ergebnis

85.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Landgericht Ravensburg (Deutschland) wie folgt zu antworten:

Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010

ist wie folgt auszulegen:

Er steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach bei der Bestimmung der dem Kreditgeber geschuldeten Entschädigung der Verlust der Zinsen einbezogen wird, die infolge der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits durch den Verbraucher nicht mehr anfallen werden.

Er steht einer Methode zur Berechnung der Entschädigung des Kreditgebers für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits, die auf einer fiktiven Wiederanlage des zurückgezahlten Betrags in sicheren Kapitalmarkttiteln mit kongruenter Laufzeit beruht, nicht entgegen.

Er kommt zur Anwendung, wenn der Verbraucher, nachdem er den Immobilienkreditvertrag gekündigt hat, von seinem Recht auf vorzeitige Erfüllung seiner Verbindlichkeiten Gebrauch macht.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34).


3      Urteil vom 9. Februar 2023, UniCredit Bank Austria (C‑555/21, EU:C:2023:78; im Folgenden: Urteil UniCredit Bank Austria).


4      Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass die durch die Rückzahlung freigewordenen Mittel entsprechend der Laufzeit in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden. Im Rahmen der Berechnung wird der Zinsverschlechterungsschaden, d. h. die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht, als finanzieller Verlust aus der vorzeitigen Darlehensablösung angesehen.


5      Einer von ihnen, ein Zeitsoldat, war von seinem Dienstherrn versetzt worden.


6      Art. 1.


7      Sofern diese Bestimmungen mit ihren Pflichten nach dem Unionsrecht übereinstimmen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17).


8      Die in Bezug auf diesen Punkt bereits vor der Richtlinie existierende Regelungsvielfalt erklärt wahrscheinlich die Schwierigkeit, eine weitergehende Harmonisierung zu erzielen. Vgl. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Weißbuch über die Integration der Hypothekarkreditmärkte, SEK(2007) 1683, S. 56. Laut der Studie Evaluation of the Mortgage Credit Directive (Directive 2014/17/EU) von Risk & Policy Analysts (RPA), 2021, Anhang I, Tabelle 163, hatten bis Oktober 2020 20 Mitgliedstaaten Vorschriften zur Entschädigung des Kreditgebers im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung erlassen; vier hatten keine Vorschriften erlassen, und aus den anderen fehlten Informationen.


9      Dies scheint die gängige Praxis in Deutschland zu sein, wo die Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Verlust des Kreditgebers nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen bestimmt wird. Folglich können die entgangenen Zinsen unter Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung von Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 als entgangener Gewinn (§ 252 BGB) zu entschädigen sein.


10      Der Wortlaut der Frage kann zu Verwirrung führen. Soweit sie den entgangenen Gewinn mit diesen zukünftigen Zinsen gleichsetzt, würde eine uneingeschränkte Bejahung bedeuten, dass der Kreditgeber vom Verbraucher als Entschädigung nach Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 sämtliche Zinsen fordern könnte, die für den Kredit zu zahlen wären, wenn das Vertragsverhältnis bis zum ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt fortgesetzt worden wäre, obwohl für die Zinsen das Recht auf Ermäßigung nach Art. 25 Abs. 1 gilt. Die zweite Frage bezüglich der Berechnungsmethode für den entgangenen Gewinn zwecks Festlegung der Entschädigung relativiert den Ansatz und somit diese Aussage.


11      Das vorlegende Gericht verweist auf bestimmte Auslegungen durch die Rechtslehre, die auf dem Wortlaut beruhen. Der Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen macht es erforderlich, mit diesem Auslegungskriterium vorsichtig umzugehen.


12      Vgl. in diesem Sinne die Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Lexitor (C‑383/18, EU:C:2019:451, Nr. 49) zu Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates von 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66). Meines Erachtens zielt dieser Absatz darauf ab, die Rendite auszugleichen, die der Kreditgeber ohne die vorzeitige Rückzahlung des Kredits hätte erzielen können (selbst wenn die Entschädigung aus den im 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 dargelegten Gründen abhängig von der Laufzeit auf einen prozentualen Höchstbetrag begrenzt wird).


13      In der Richtlinie 2014/17, einschließlich ihrer Anhänge, werden unterschiedliche Kostenkategorien genannt: Kosten für die Immobilienbewertung; für die Eröffnung und Führung eines Bankkontos; für die Grundbucheintragung; Kosten des Zugangs zu Kreditdatenbanken mit Verbraucherdaten; mit der Rückzahlung des Kredits zusammenhängende Kosten; mit der Besicherung des Kredits verbundene Kosten; Kosten der Kreditverträge; die in Art. 17 Abs. 2 genannten Kosten; Kosten, die nicht in den Gesamtkosten des Kredits enthalten sind; Kosten der Immobilienbewertung; Kosten des Kreditvertragsangebots; Kosten für die Verwendung eines Zahlungsmittels, mit dem sowohl Geschäfte auf dem Konto getätigt als auch Kreditbeträge in Anspruch genommen werden können; sonstige Kosten für Zahlungsgeschäfte; Kosten, die aufgrund des Zahlungsausfalls entstehen; einmalige Kosten; regelmäßig anfallende Kosten; im Zusammenhang mit dem Kredit anfallende Kosten; für Vertragsverletzungen anfallende Kosten; dem Kreditgeber nicht bekannte Kosten; in der Rate enthaltene Kosten.


14      Dies zeigt sich in der Rechtssache, die zum Urteil UniCredit Bank Austria geführt hat, im Zusammenhang mit Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17. Vgl. auch das Urteil vom 11. September 2019, Lexitor (C‑383/18, EU:C:2019:702), zu Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, dessen Wortlaut nahezu identisch ist.


15      Genau heißt es „Sollzinssatz oder andere für das Angebot maßgebliche Kosten“. Ein weiteres Beispiel für „Kosten“, zu denen Zinsen gehören, findet sich in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2014/17 in Verbindung mit Abs. 3 Buchst. c.


16      Art. 4 Abs. 13 der Richtlinie 2014/17, der auf Art. 3 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 verweist.


17      Ebd. Nach Art. 3 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 bezeichnet der Ausdruck „Gesamtkosten des Kredits“ „sämtliche Kosten, einschließlich der Zinsen …“ (Hervorhebung nur hier). Aus der Sicht des Verbrauchers dient es der Klarstellung, wenn „Zinsen“ und „Kosten“ im Zusammenhang mit dem Recht auf Ermäßigung bei vorzeitiger Rückzahlung als unterschiedliche Begriffe genannt werden: Die Frage, ob die Ermäßigung auf die eine oder die andere Kategorie beschränkt ist, wird im Voraus beantwortet (und jeder Versuch, die Ermäßigung zu begrenzen, vereitelt). Aus der Sicht des Kreditgebers passt der Ansatz, dass sich die Begriffe gegenseitig ausschließen, nicht zu den weiteren Erwähnungen in Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17: siehe oben, Nr. 29.


18      So auch im 66. Erwägungsgrund („finanzielle[r] Verlust des Kreditgebers“).


19      Ich erinnere daran, dass im Rahmen der Vorarbeiten des Rates zu dieser Richtlinie in den späteren 50. Erwägungsgrund ein Verweis auf die Unentgeltlichkeit der vorzeitigen Rückzahlung („free of charge for the consumer“) aufgenommen wurde, der sich gerade auf Kredite mit variablem Zinssatz bezog: siehe unten Fußnote 24. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung, wie im vorliegenden Fall, nur einen festverzinslichen Kredit betrifft.


20      Im 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/17 wird eine etwas andere Formulierung gewählt: „In den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Kreditgeber Anspruch auf eine Entschädigung hat, sollte es eine faire und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für etwaige Kosten … sein“ (Hervorhebung nur hier). In dieser Fassung wird meines Erachtens deutlicher, dass die Kosten sowohl der Grund für die Entschädigung als auch das Kriterium für ihre Berechnung sind.


21      Bericht zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge, COM(2011) 0142 – C7-0085/2011 – 2011/0062(COD), vom 11. Oktober 2012, Änderungsantrag 35. Der Änderungsantrag wurde nicht angenommen: vgl. Dokument des Europäischen Parlaments vom 10. September 2013 zu diesem Antrag, P7_TA(2013) 0341 (ABl. 2016, C 93, S. 295).


22      Bericht zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge, COM(2011) 0142 – C7-0085/2011 – 2011/0062(COD), vom 11. Oktober 2012. Der 87. Änderungsantrag wurde vom Europäischen Parlament am 10. September 2013 angenommen, Dokument P7_TA(2013) 0341 (ABl. 2016, C 93, S. 295). Ich erinnere daran, dass diese Änderungsanträge durch den Standpunkt vom 10. Dezember 2013, Dokument P7_TC1-COD(2011) 0062, ersetzt wurden, dessen Wortlaut dem endgültigen Rechtsakt, d. h. der Richtlinie 2014/17, entspricht.


23      Ab dem Dokument vom 3. November 2011, 16325/11. Diese Unterscheidung erfolgte im (damaligen) Abschnitt 8 der Hinweise zum Ausfüllen des ESIS-Merkblatts.


24      Ab dem Vermerk des Generalsekretariats des Rates für die Delegationen (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge – Kompromissvorschlag des Vorsitzes) vom 15. November 2011, Dokument Nr. 16948/11, 50. Erwägungsgrund. In der am 22. April 2013 nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Parlament vorläufig vereinbarten Fassung ist er nicht mehr enthalten: vgl. Vermerk des Generalsekretariats des Rates für die Delegationen (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge – Kompromissvorschlag des Vorsitzes), vom 3. Mai 2013, Dokument Nr. 8895/13.


25      Urteil UniCredit Bank Austria, Rn. 29.


26      In der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie „Study on switching of financial services and products“ aus 2019 wird die Höhe der dem Kreditgeber zustehenden Entschädigung, insbesondere bei festverzinslichen Hypothekendarlehen, als einer der Faktoren genannt, der die Verbraucher davon abhalten könnte, ihr Recht auf Rückzahlung auszuüben. Vgl. auch Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher, COM(2021) 229 final.


27      Vorlageentscheidung, Teil D Abs. I. 2. b) bb) und I. 3. a) mit Verweis auf Meinungen aus der Rechtslehre.


28      Die Richtlinie 2014/17 erkennt in ihrem 66. Erwägungsgrund die daraus resultierende Vielfalt an und trägt ihr Rechnung.


29      Die Entschädigung deckt nur die „unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten“ und wird mit diesen Kosten gerechtfertigt; die Entschädigung darf „den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten“; stellt keine Vertragsstrafen gegenüber dem Verbraucher dar; und sie ist „objektiv“ und „angemessen“.


30      Ebenso wenig wird der Begriff „objektive Entschädigung“ definiert. Meiner Ansicht nach bezieht sich das Adjektiv auf die Art und Weise, wie die Höhe der Entschädigung berechnet wird: unten Nr. 62.


31      Ungeachtet der Unterschiede sollte an dieser Stelle als Hinweis auf einen gemeinsamen Ansatz der der Billigkeit entsprechende Ausgleich für den Kundenverlust des Handelsvertreters genannt werden, der den ergänzenden Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter (ABl. 1986, L 382, S. 17) nicht ausschließt; vgl. hierzu Urteile vom 23. März 2023, O2 Czech Republic (C‑574/21, EU:C:2023:233), und vom 13. Oktober 2022, Herios (C‑593/21, EU:C:2022:784). Ein weiteres Beispiel wäre die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10), deren Art. 5 Abs. 2 Buchst. b unter bestimmten Umständen die Pflicht zur Leistung eines „gerechten Ausgleichs“ an die Rechtsinhaber vorsieht. Der Gerichtshof hat das Verhältnis zwischen diesem Begriff und dem Erfordernis eines „angemessenen Ausgleichs“ zwischen verschiedenen Beteiligten im Sinne des 31. Erwägungsgrunds klargestellt: vgl. Urteil vom 21. Oktober 2010, Padawan (C‑467/08, EU:C:2010:620, Rn. 38 ff.), sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in derselben Rechtssache (C‑467/08, EU:C:2010:264, Nr. 73 ff.). Schließlich ist der angemessene Ersatz zu erwähnen, den der Gerichtshof im Rahmen der (inzwischen aufgehobenen) Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, L 144, S. 19) anerkannt hat: vgl. Urteil vom 3. September 2009, Messner (C‑489/07, EU:C:2009:502, Rn. 26).


32      So hat die Kommission den Begriff „angemessen“ in ihrem ersten Vorschlag für die Verbraucherkreditrichtlinie erläutert, in dem ausdrücklich auf die Entschädigung des Kreditgebers Bezug genommen wird: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, KOM(2002) 443 endgültig, Abs. 3 (Erörterung des verfügenden Teils, Art. 16).


33      82. Erwägungsgrund.


34      Erwägungsgründe 3, 66, 67 und 75 u. a.


35      „Die Fähigkeit eines Verbrauchers, den Kredit vor Ablauf des Kreditvertrags zurückzuzahlen, kann eine wichtige Rolle bei der Förderung des Wettbewerbs im Binnenmarkt und der Freizügigkeit der Unionsbürger spielen sowie dazu beitragen, die erforderliche Flexibilität während der Laufzeit des Kreditvertrags zu gewähren, um die Finanzstabilität im Einklang mit den Empfehlungen des Rates für Finanzstabilität zu fördern.“ Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache UniCredit Bank Austria (C‑555/21, EU:C:2022:742, Nr. 67) dargestellt habe, zielt das Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Kredits nicht darauf ab, die für das Vertragsverhältnis zwischen Kreditgeber und Verbraucher typische Asymmetrie zu korrigieren.


36      Schriftliche Erklärungen der deutschen Regierung, Rn. 45, und im Einzelnen Erklärungen der VR Bank, Rn. 44 ff. In Anhang III des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zum Weißbuch über die Integration der Hypothekarkreditmärkte, SEK(2007) 1683, werden auf den Seiten 60 und 61 diese Strategien im Zusammenhang mit der Regelung der Entschädigung in verschiedenen Mitgliedstaaten angesprochen und ihre negativen Auswirkungen auf konkrete Märkte aufgezeigt. Vgl. Schäfer, H. B., und Wulf, A. J., „Premature repayment of fixed interest mortgage loans without compensation, a case of misguided consumer protection in the EU“, European Journal of Law and Economics, 2022, S. 175 bis 208.


37      Dies würde letztlich die Möglichkeiten der Verbraucher einschränken, vor Abschluss eines Wohnimmobilienkreditvertrags das auf ihre Bedürfnisse am besten zugeschnittene Produkt zu finden oder nach Vertragsschluss ihr Recht auf vorzeitige Rückzahlung auszuüben. Ob ein Entschädigungsrecht vorgesehen wird oder nicht und ob eine Höchstgrenze für die Entschädigung festgelegt wird, hat Auswirkungen darauf, inwieweit die Kreditgeber bereit sind, langfristige festverzinsliche Kredite anzubieten.


38      Erwägungsgründe 19 und 20. Vgl. auch Urteil UniCredit Bank Austria, Rn. 28: „[A]us den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie 2014/17 [geht] hervor, dass diese Richtlinie aus Gründen der Rechtssicherheit mit anderen Rechtsvorschriften im Bereich Verbraucherschutz im Einklang stehen und diese ergänzen sollte …“


39      22. Erwägungsgrund. Vor Erlass der Richtlinie 2014/17 hatten einige Mitgliedstaaten Art. 16 der Richtlinie 2008/48 auf durch eine Hypothek oder durch eine vergleichbare Sicherheit gesicherte Kredite ausgedehnt.


40      Dabei ist einzuräumen, dass sich die Differenz zugunsten beider Vertragsparteien auswirken kann: zugunsten des Kreditgebers, wenn er einen tatsächlichen Verlust nachweist, der höher ist als der pauschal berechnete Betrag; und zugunsten des Verbrauchers, der eine Ermäßigung dieses Betrags fordern kann, wenn er den tatsächlich vom Kreditgeber erlittenen Verlust übersteigt.


41      Es versteht sich, dass in Bezug auf grundpfandrechtlich besicherte Kredite theoretisch auch andere Methoden zur Berechnung der Entschädigung möglich sind, sofern sie die Bedingungen aus Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 erfüllen. Ich erinnere daran, dass das Maß der Harmonisierung dieser Richtlinie niedriger ist als das der Richtlinie 2008/48.


42      Auch die Vorarbeiten für die Richtlinie enthalten keine Ausführungen zu möglichen Berechnungsmethoden.


43      Die Kommission verweist in Rn. 35 ihrer Erklärungen auf die Probleme in Zusammenhang mit dieser Methode, bei der es erforderlich wäre, genau zu bestimmen und sogar festzulegen, wie der zurückgezahlte Betrag ab dem Zeitpunkt seiner Rückzahlung bis zum ursprünglich für die Zahlung vorgesehenen Datum zu investieren ist.


44      Wie ich bereits dargestellt habe, gilt eine Entschädigung als „angemessen“, wenn sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Vorteilen, die das Recht auf vorzeitige Rückzahlung für den Verbraucher mit sich bringt, und den Nachteilen für den Kreditgeber erzielt. Siehe oben, Nr. 46.


45      Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Kreditgeber mit der Wiederanlage aufgrund verbesserter Marktbedingungen einen höheren Gewinn erzielt, als dies bei einer Erfüllung des Vertrags in der vereinbarten Laufzeit der Fall gewesen wäre. Der erste Vorschlag der Kommission für die Verbraucherkreditrichtlinie, in dem eine Entschädigung des Kreditgebers ausdrücklich vorgesehen war, ging in diese Richtung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, KOM(2002) 443 endgültig, Abs. 3 (Erörterung des verfügenden Teils, Art. 16).


46      Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. November 2004, XI ZR 285/03.


47      Die Rendite kann den für den Kapitalmarkt vorliegenden Daten der Deutschen Bundesbank oder der Europäischen Zentralbank entnommen werden.


48      Nach Art. 16 Abs. 4 a. E. der Richtlinie 2008/48 besteht der finanzielle Verlust des Kreditgebers, für den dieser eine Entschädigung verlangen kann, falls der Mitgliedstaat dies vorsieht, „in der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz, zu dem der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag auf dem Markt zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung als Kredit ausreichen kann …“. Das hypothetische Element wird in den Sprachfassungen deutlicher, in denen das Verb in der Möglichkeitsform steht.


49      Technisch gesehen gewährt § 490 Abs. 2 BGB dem Verbraucher das Recht, das Vertragsverhältnis unter strengen zeitlichen Bedingungen und bei Vorliegen eines eng auszulegenden berechtigten Interesses abzuändern („Gestaltungsrecht“). Gemäß der Vorlageentscheidung hat für dieses Interesse ein Bezug zur wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Kreditnehmers im Hinblick auf die Immobilie zu bestehen; es liegt insbesondere vor, wenn der Kreditnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der Immobilie hat.


50      Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, 11. März 2016, BGBl I. 2016, Nr. 12 16.03.2016, S. 296.


51      Der Begriff des „berechtigten Interesses“ ist in diesem Zusammenhang weiter gefasst als in § 490 Abs. 2 BGB. In der Vorlageentscheidung wird erläutert, dass eine Scheidung oder Arbeitslosigkeit als berechtigtes Interesse angesehen werden.


52      Und unterschiedliche Voraussetzungen festlegen können, z. B. in Bezug auf das geforderte „berechtigte Interesse“ oder in Bezug auf Kündigungsfristen, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist.


53      Siehe oben, Nr. 75.


54      Die Antwort greift natürlich nicht der Entscheidung in der Frage vor, ob die Mitgliedstaaten ein außerordentliches Kündigungsrecht zugunsten der Verbraucher einführen können. Im 21. Erwägungsgrund a. E. der Richtlinie 2014/17 wird klargestellt, dass die Richtlinie „… das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, soweit Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts in dieser Richtlinie nicht geregelt werden, unberührt lassen [sollte]“. Vgl. entsprechend das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021, UK u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 110), in Zusammenhang mit der Richtlinie 2008/48.


55      Erklärungen der VR Bank, Rn. 16 und 17. Nach ihrer Auffassung ist der Kreditvertrag bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Verbraucher ex nunc beendet. Die Rückzahlung des Verbrauchers erfolge damit nicht „vor Ablauf des Vertrages“ im Sinne von Art. 25 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/17.