URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
4. Oktober 2024(*)
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl – Richtlinie 2011/95/EU – Voraussetzungen, die Drittstaatsangehörige für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllen müssen – Art. 2 Buchst. d und e – Begriff ‚Verfolgungshandlung‘ – Erforderlicher Schweregrad – Art. 9 – Hinreichend gravierende Kumulierung von diskriminierenden Maßnahmen gegen Frauen – Art. 9 Abs. 1 Buchst. b – Formen der Verfolgungshandlungen – Art. 9 Abs. 2 – Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz – Art. 4 Abs. 3 – Pflicht zur individuellen Prüfung – Reichweite “
In den verbundenen Rechtssachen C‑608/22 und C‑609/22
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidungen vom 14. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 2022, in den Verfahren
AH (C‑608/22),
FN (C‑609/22)
gegen
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter N. Piçarra (Berichterstatter), N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von AH, vertreten durch Rechtsanwältin N. Lorenz,
– von FN, vertreten durch Rechtsanwältin S. Moschitz-Kumar,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und M. Kopetzki als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, A. Van Baelen und M. Van Regemorter als Bevollmächtigte,
– der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis und A. Pérez-Zurita Gutiérrez als Bevollmächtigte,
– der französischen Regierung, vertreten durch B. Fodda und J. Illouz als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Azéma, J. Hottiaux und H. Leupold als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. November 2023
folgendes
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9).
2 Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen AH bzw. FN und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Österreich) über die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Bundesamts, mit denen die Anträge von AH bzw. FN auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Genfer Flüchtlingskonvention
3 Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]), das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnet wurde, am 22. April 1954 in Kraft trat und durch das am 31. Januar 1967 in New York geschlossene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzt wurde (im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention), bestimmt:
„Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck ‚Flüchtling‘ auf jede Person Anwendung [, die] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“.
CEDAW
4 Art. 1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (im Folgenden: CEDAW), das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Dezember 1979 verabschiedet wurde, am 3. September 1981 in Kraft trat (United Nations Treaty Series, Bd. 1249, Nr. I-20378, S. 13) und dem alle Mitgliedstaaten beigetreten sind, bestimmt:
„In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck ‚Diskriminierung der Frau‘ jede mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frau – ungeachtet ihres Familienstands – im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird“.
5 Nach Art. 3 dieses Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten auf allen Gebieten, insbesondere auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet, alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung und Förderung der Frau, damit gewährleistet wird, dass sie die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit dem Mann ausüben und genießen kann.
6 Gemäß Art. 5 des Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen, um insbesondere einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseitigung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterlegenheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelangen.
7 Nach den Art. 7, 10 und 16 des Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau im politischen und öffentlichen Leben ihres Landes, im Bildungsbereich sowie in Ehe- und Familienfragen.
Übereinkommen von Istanbul
8 Nach Art. 1 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das am 11. Mai 2011 in Istanbul geschlossen, am 13. Juni 2017 von der Europäischen Union unterzeichnet, in deren Namen mit dem Beschluss (EU) 2023/1076 des Rates vom 1. Juni 2023 (ABl. 2023, L 143 I, S. 4) genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Istanbul) und, was die Union betrifft, am 1. Oktober 2023 in Kraft trat, ist Zweck dieses Übereinkommen u. a., Frauen sowohl vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen, als auch einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen, zu fördern.
9 Art. 3 dieses Übereinkommens definiert den Begriff „Gewalt gegen Frauen“ im Sinne des Übereinkommens als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau, und er bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben.
10 Art. 4 Abs. 2 dieses Übereinkommens sieht vor:
„Die Vertragsparteien verurteilen jede Form von Diskriminierung der Frau und treffen unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu ihrer Verhütung, insbesondere durch
– die Verankerung des Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren nationalen Verfassungen oder in anderen geeigneten Rechtsvorschriften sowie die Sicherstellung der tatsächlichen Verwirklichung dieses Grundsatzes;
– das Verbot der Diskriminierung der Frau, soweit erforderlich auch durch Sanktionen;
– die Aufhebung aller Gesetze und die Abschaffung von Vorgehensweisen, durch die Frauen diskriminiert werden.“
11 Art. 60 Abs. 1 des Übereinkommens von Istanbul bestimmt:
„Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 [der Genfer Flüchtlingskonvention] und als eine Form schweren Schadens anerkannt wird, die einen ergänzenden/subsidiären Schutz begründet.“
Unionsrecht
Richtlinie 2011/95
12 In den Erwägungsgründen 4 und 16 der Richtlinie 2011/95 heißt es:
„(4) Die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll stellen einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar.
…
(16) Diese Richtlinie achtet die Grundrechte und befolgt insbesondere die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [(im Folgenden: Charta)] anerkannten Grundsätze. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie begleitenden Familienangehörigen sicherzustellen sowie die Anwendung der Artikel 1, 7, 11, 14, 15, 16, 18, 21, 24, 34 und 35 der Charta zu fördern, und sollte daher entsprechend umgesetzt werden.“
13 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/95 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
d) ‚Flüchtling‘ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;
e) ‚Flüchtlingseigenschaft‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;
…
h) ‚Antrag auf internationalen Schutz‘ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht;
i) ‚Antragsteller‘ einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist;
…
n) ‚Herkunftsland‘ das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – des früheren gewöhnlichen Aufenthalts.“
14 Art. 4 („Prüfung der Tatsachen und Umstände“) der Richtlinie 2011/95 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten können es als Pflicht des Antragstellers betrachten, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Es ist Pflicht des Mitgliedstaats, unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte zu prüfen.
…
(3) Die Anträge auf internationalen Schutz sind individuell zu prüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:
a) alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslandes und der Weise, in der sie angewandt werden;
b) die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. erleiden könnte;
c) die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind;
…“
15 Nach Art. 6 („Akteure, von denen die Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden ausgehen kann“) der Richtlinie 2011/95 gilt:
„Die Verfolgung bzw. der ernsthafte Schaden kann ausgehen von
a) dem Staat;
b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen;
c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden im Sinne des Artikels 7 zu bieten.“
16 Art. 9 („Verfolgungshandlungen“) in Kapitel III („Anerkennung als Flüchtling“) der Richtlinie 2011/95 bestimmt:
„(1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der [am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten] Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [(im Folgenden: EMRK)] keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
…
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.“
17 Art. 10 („Verfolgungsgründe“) der Richtlinie 2011/95 bestimmt in Abs. 1 Buchst. d:
„Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe berücksichtigen die Mitgliedstaaten Folgendes:
…
d) eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
– die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
– die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
…“
Richtlinie 2013/32/EU
18 Die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) sieht in Art. 10 („Anforderungen an die Prüfung von Anträgen“) Abs. 3 vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nach angemessener Prüfung trifft. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a) die Anträge einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden werden;
b) genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen wie etwa [dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)] und [dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR)] sowie einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen, eingeholt werden, die Aufschluss geben über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller … und diese Informationen den für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten zur Verfügung stehen;
…
d) die für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten die Möglichkeit erhalten, in bestimmten, unter anderem medizinischen, kulturellen, religiösen, kinder- oder geschlechtsspezifischen Fragen, den Rat von Sachverständigen einzuholen, wann immer dies erforderlich ist.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19 AH ist eine im Jahr 1995 geborene afghanische Staatsangehörige. Nachdem ihr Vater sie habe verkaufen wollen, sei sie mit ihrer Mutter in den Iran geflohen. Nach einem Aufenthalt in Griechenland, während dessen sie geheiratet hatte, reiste sie 2015 nach Österreich ein, wo ihr Ehemann lebte, und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz.
20 FN ist eine im Jahr 2007 geborene afghanische Staatsangehörige, die nie in Afghanistan gelebt hatte. Sie stellte 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ihr Bruder, der ebenfalls aus Afghanistan stammt, hatte dort bereits den Status als subsidiär Schutzberechtigter. In diesem Antrag machte sie geltend, sie sei aus dem Iran geflohen, wo sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern gelebt habe. Da keine von ihnen einen Aufenthaltstitel gehabt habe, habe sie die Schule nicht besuchen dürfen und ihre Mutter habe nicht arbeiten dürfen. FN wolle in Freiheit leben und die gleichen Rechte wie Männer haben.
21 Mit Entscheidungen vom 26. März 2018 bzw. vom 14. Oktober 2020 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass die Geschichte von AH nicht glaubwürdig sei und FN in Afghanistan keiner tatsächlichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei, und versagte daher in beiden Fällen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95. Es gewährte AH und FN jedoch den Status als subsidiär Schutzberechtigte im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie aufgrund des Fehlens sozialer Unterstützung in Afghanistan bei einer Rückkehr in das Land Schwierigkeiten wirtschaftlicher und sozialer Art ausgesetzt wären.
22 AH und FN erhoben gegen diese Entscheidungen jeweils Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Österreich), wobei sie u. a. geltend machten, dass sie zum einen westliche Werte und einen westlich orientierten Lebensstil übernommen hätten und dass sich zum anderen die Situation nach der Machtübernahme durch das Taliban-Regime im Sommer 2021 so verändert habe, dass Frauen nun einer weitreichenden Verfolgung ausgesetzt seien.
23 Dieses Gericht wies diese beiden Beschwerden als unbegründet ab und entschied u. a., dass sich AH und FN angesichts ihrer Lebensbedingungen in Österreich keine „westliche Lebensführung“ angeeignet hätten, die zu einem solch wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden sei, dass von ihnen nicht erwartet werden könne, diese aufzugeben, um einer drohenden Verfolgung in ihrem Herkunftsland zu entgehen.
24 AH und FN erhoben jeweils Revision an den Verwaltungsgerichtshof (Österreich), das vorlegende Gericht, und machten erneut geltend, dass allein schon die Situation der Frauen unter dem neuen Taliban-Regime die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertige.
25 Dazu stellt dieses Gericht fest, dass die Frauen, die Staatsangehörige von Afghanistan seien, zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/95 gehörten, und dass eine Verknüpfung zwischen dem in dieser Bestimmung angeführten Verfolgungsgrund und den „Verfolgungshandlungen“ bestehe, denen diese Frauen ausgesetzt sein könnten, wie es Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie verlange.
26 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es zur Zeit der von 1996 bis 2001 bestehenden Herrschaft der Taliban entschieden habe, dass die Situation der Frauen in Afghanistan insgesamt als so gravierend einzustufen sei, dass die gegen sie gerichteten diskriminierenden Maßnahmen als solche Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellten. Daher sei damals bei einer internationalen Schutz beantragenden Antragstellerin allein aufgrund ihrer Eigenschaft als Frau aus Afghanistan die Flüchtlingseigenschaft anerkannt worden.
27 Nach dem Sturz dieses Taliban-Regimes habe dieses Gericht seine Rechtsprechung dahin gehend geändert, dass nunmehr nur noch Frauen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden könnte, die Gefahr liefen, wegen eines „westlich orientierten Lebensstils“ verfolgt zu werden, der zu einem solch wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden sei, dass von ihnen nicht erwartet werden könne, ihn aufzugeben, um einer drohenden Verfolgung zu entgehen, wobei eine solche Beurteilung auf einer konkreten Prüfung aller Umstände des Einzelfalls beruhen müsse. Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die von den Taliban seit ihrer Rückkehr an die Macht gegen Frauen ergriffenen Maßnahmen, ob es sich um Diskriminierungen, sexuelle Gewalt oder Tötung handele, von einem Ausmaß seien, das mit dem der Maßnahmen des Vorgängerregimes gleichzusetzen sei.
28 In diesem neuen Kontext möchte das vorlegende Gericht erstens wissen, ob die von den Taliban gegen Frauen ergriffenen Maßnahmen so gravierend seien, dass sie als „Verfolgungshandlung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 eingestuft werden könnten. Zwar stellten diese Maßnahmen für sich genommen keine schwerwiegende Verletzung von Grundrechten dar, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden dürfe, und fielen daher nicht unter Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie. Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit hinreichend gravierend im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 seien.
29 Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob einer afghanischen Frau die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95 zuerkannt werden könne, ohne dass ihre Situation individuell geprüft werde.
30 Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist die Kumulierung von Maßnahmen, die in einem Staat von einem faktisch die Regierungsgewalt innehabenden Akteur gesetzt, gefördert oder geduldet werden und insbesondere darin bestehen, dass Frauen
– die Teilhabe an politischen Ämtern und politischen Entscheidungsprozessen verwehrt wird,
– keine rechtlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt erhalten zu können,
– allgemein der Gefahr von Zwangsverheiratungen ausgesetzt sind, obgleich solche vom faktisch die Regierungsgewalt innehabenden Akteur zwar verboten wurden, aber den Frauen gegen Zwangsverheiratungen kein effektiver Schutz gewährt wird und solche Eheschließungen zuweilen auch unter Beteiligung von faktisch mit Staatsgewalt ausgestatteten Personen im Wissen, dass es sich um eine Zwangsverheiratung handelt, vorgenommen werden,
– einer Erwerbstätigkeit nicht oder in eingeschränktem Ausmaß überwiegend nur zu Hause nachgehen dürfen,
– der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen erschwert wird,
– der Zugang zu Bildung – gänzlich oder in großem Ausmaß (etwa indem Mädchen lediglich eine Grundschulausbildung zugestanden wird) – verwehrt wird,
– sich ohne Begleitung eines (in einem bestimmten Angehörigenverhältnis stehenden) Mannes nicht in der Öffentlichkeit, allenfalls im Fall der Überschreitung einer bestimmten Entfernung zum Wohnort, aufhalten oder bewegen dürfen,
– ihren Körper in der Öffentlichkeit vollständig zu bedecken und ihr Gesicht zu verhüllen haben,
– keinen Sport ausüben dürfen,
im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 als so gravierend anzusehen, dass eine Frau davon in ähnlicher wie der unter lit. a des Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist?
2. Ist es für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hinreichend, dass eine Frau von diesen Maßnahmen im Herkunftsstaat allein aufgrund ihres Geschlechts betroffen ist, oder ist für die Beurteilung, ob eine Frau von diesen – in ihrer Kumulierung zu betrachtenden – Maßnahmen im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 betroffen ist, die Prüfung ihrer individuellen Situation erforderlich?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
31 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff „Verfolgungshandlung“ eine Kumulierung von Frauen diskriminierenden Maßnahmen fällt, die von einem „Akteur, von dem Verfolgung ausgeht“, im Sinne von Art. 6 dieser Richtlinie getroffen oder geduldet werden und insbesondere im Fehlen jedes rechtlichen Schutzes vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sowie Zwangsverheiratungen, der Verpflichtung, ihren Körper vollständig zu bedecken und ihr Gesicht zu verhüllen, der Beschränkung des Zugangs zu Gesundheitseinrichtungen und der Bewegungsfreiheit, dem Verbot oder der Beschränkung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, der Verwehrung des Zugangs zu Bildung, dem Verbot, Sport auszuüben, und der Verwehrung der Teilhabe am politischen Leben bestehen.
32 Erstens definiert Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95, der Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention übernimmt, den Ausdruck „Flüchtling“ als einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95 definiert die „Flüchtlingseigenschaft“ als die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat.
33 Die Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 sind nicht nur im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks dieser Richtlinie, sondern auch unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention – die, wie es im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, „einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen“ darstellt – und der übrigen in Art. 78 Abs. 1 AEUV angeführten einschlägigen Verträge auszulegen. Zu diesen Verträgen gehören u. a. das Übereinkommen von Istanbul und das CEDAW (Urteile vom 16. Januar 2024, Intervyuirasht organ na DAB pri MS [Frauen als Opfer häuslicher Gewalt], C‑621/21, EU:C:2024:47, Rn. 37 und 44 bis 47, sowie vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 36).
34 Wie die Art. 1 und 3 und Art. 4 Abs. 2 des Übereinkommens von Istanbul bestätigen, umfasst die Gleichstellung von Frauen und Männern u. a. das Recht jeder Frau, vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt zu werden, das Recht, nicht zur Eheschließung gezwungen zu werden, sowie das Recht, sich für oder gegen einen Glauben zu entscheiden, ihre eigenen politischen Meinungen zu haben und zu äußern und ihre eigenen Lebensentscheidungen, insbesondere in den Bereichen Bildung, Berufswahl oder Tätigkeiten im öffentlichen Raum, frei zu treffen. Gleiches gilt für die Art. 3, 5, 7, 10 und 16 des CEDAW (Urteil vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 37).
35 Außerdem bestimmt Art. 60 Abs. 1 des Übereinkommens von Istanbul, dass Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts, die nach Art. 3 dieses Übereinkommens als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau zu verstehen ist, als eine Form der Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen ist (Urteil vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 55).
36 Die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 muss zudem, wie deren 16. Erwägungsgrund zu entnehmen ist, die Achtung der in der Charta anerkannten Rechte gewährleisten, deren Anwendung die Richtlinie fördern soll, wobei Art. 21 Abs. 1 der Charta Diskriminierungen wegen des Geschlechts verbietet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Januar 2021, Bundesrepublik Deutschland [Flüchtlingseigenschaft eines Staatenlosen palästinensischer Herkunft], C‑507/19, EU:C:2021:3, Rn. 39; vom 9. November 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Begriff „ernsthafter Schaden“], C‑125/22, EU:C:2023:843, Rn. 60, und vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 38).
37 Zweitens definiert Art. 9 der Richtlinie 2011/95 die Tatbestandsmerkmale, bei deren Vorliegen eine Handlung als Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention gilt. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie stellt klar, dass die betreffende Handlung aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein muss, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden dürfe, nämlich des Rechts auf Leben (Art. 2), des Rechts, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3), der Sklaverei (Art. 4 Abs. 1) oder einer Verurteilung ohne Gesetz (Art. 7) unterworfen zu werden.
38 Die Verwendung des Adverbs „insbesondere“ in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie weist darauf hin, dass der Verweis auf Art. 15 Abs. 2 EMRK ein Anhaltspunkt ist und den Schweregrad veranschaulicht, der erforderlich ist, damit eine Handlung als „Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2012, Y und Z, C‑71/11 und C‑99/11, EU:C:2012:518, Rn. 57).
39 Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95, auf den sich das vorlegende Gericht bezieht, kann eine „Verfolgung“ auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die „so gravierend“ ist, dass eine Person davon in „ähnlicher“ wie der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95 beschriebenen Weise betroffen ist.
40 Nach diesen Bestimmungen stellt eine Verletzung von Grundrechten nur dann eine Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention dar, wenn sie einen bestimmten Schweregrad erreicht (Urteil vom 19. November 2020, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Militärdienst und Asyl], C‑238/19, EU:C:2020:945, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Schweregrad ist in jedem der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/95 genannten Fälle ähnlich.
41 Was speziell Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie betrifft, ist ein solcher Schweregrad insbesondere dann als erreicht anzusehen, wenn mehrere Verletzungen von Rechten in ihrer Gesamtheit, die nicht zwangsläufig Rechte darstellen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK nicht abgewichen werden darf, die uneingeschränkte Wahrung der in Art. 1 der Charta verankerten Menschenwürde beeinträchtigen, die die Richtlinie 2011/95, wie sich aus ihrem 16. Erwägungsgrund ergibt, ausdrücklich gewährleisten soll.
42 Im vorliegenden Fall besteht, wie der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge im Wesentlichen hervorhebt, kein Zweifel daran, dass unabhängig von den Repressionen, denen afghanische Frauen ausgesetzt sind, wenn sie die vom Taliban-Regime erlassenen Vorschriften – die für sich genommen bereits eine Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 darstellen können – nicht befolgen, die vom vorlegenden Gericht angeführten diskriminierenden Maßnahmen sowohl aufgrund ihrer Intensität und ihrer kumulativen Wirkung als auch aufgrund der Folgen, die sie für die betroffene Frau haben, den erforderlichen Schweregrad erreichen.
43 Zum einen sind einige dieser Maßnahmen für sich genommen als „Verfolgung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95 einzustufen. Dies gilt insbesondere für die Zwangsverheiratung, die einer nach Art. 4 EMRK verbotenen Form der Sklaverei gleichzustellen ist, und für den fehlenden Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, die Formen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung darstellen, die nach Art. 3 EMRK verboten sind.
44 Wenn man zum anderen annimmt, dass die diskriminierenden Maßnahmen gegen Frauen, die den Zugang zur Gesundheitsfürsorge, zum politischen Leben und zur Bildung sowie die Ausübung einer beruflichen oder sportlichen Tätigkeit einschränken, die Bewegungsfreiheit behindern oder die Freiheit, sich zu kleiden, beeinträchtigen, für sich genommen keine ausreichend schwerwiegende Verletzung eines Grundrechts im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95 darstellen, beeinträchtigen diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit Frauen in einer Weise, dass sie den Schweregrad erreichen, der erforderlich ist, um eine Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 darzustellen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 56 bis 58 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, führen diese Maßnahmen nämlich aufgrund ihrer kumulativen Wirkung und ihrer bewussten und systematischen Anwendung dazu, dass afghanischen Frauen in flagranter Weise hartnäckig aus Gründen ihres Geschlechts die mit der Menschenwürde verbundenen Grundrechte vorenthalten werden. Diese Maßnahmen zeugen von der Etablierung einer gesellschaftlichen Organisation, die auf einem System der Ausgrenzung und Unterdrückung beruht, in dem Frauen aus der Zivilgesellschaft ausgeschlossen werden und ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Alltagsleben in ihrem Herkunftsland verwehrt wird.
45 Eine solche Auslegung wird durch Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 unterstützt, der eine beispielhafte Aufzählung von Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie enthält, zu denen u. a. nach den Buchst. a bis c und f dieses Absatzes physische oder psychische Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen, gehören.
46 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff „Verfolgungshandlung“ eine Kumulierung von Frauen diskriminierenden Maßnahmen fällt, die von einem „Akteur, von dem Verfolgung ausgeht“, im Sinne von Art. 6 dieser Richtlinie getroffen oder geduldet werden und insbesondere im Fehlen jedes rechtlichen Schutzes vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sowie Zwangsverheiratungen, der Verpflichtung, ihren Körper vollständig zu bedecken und ihr Gesicht zu verhüllen, der Beschränkung des Zugangs zu Gesundheitseinrichtungen sowie der Bewegungsfreiheit, dem Verbot oder der Beschränkung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, der Verwehrung des Zugangs zu Bildung, dem Verbot, Sport auszuüben, und der Verwehrung der Teilhabe am politischen Leben bestehen, da diese Maßnahmen durch ihre kumulative Wirkung die durch Art. 1 der Charta gewährleistete Wahrung der Menschenwürde beeinträchtigen.
Zur zweiten Frage
47 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass er die zuständige nationale Behörde verpflichtet, bei der Feststellung, ob angesichts der im Herkunftsland einer Frau zum Zeitpunkt der Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz vorherrschenden Bedingungen diskriminierende Maßnahmen, denen sie in diesem Land ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen, im Rahmen der individuellen Prüfung dieses Antrags im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie andere Aspekte ihrer persönlichen Umstände als ihr Geschlecht oder ihre Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen.
48 Nach Art. 4 der Richtlinie 2011/95 ist jeder Antrag auf internationalen Schutz grundsätzlich individuell zu prüfen (vgl. u. a. Urteile vom 7. November 2013, X u. a., C‑199/12 bis C‑201/12, EU:C:2013:720, Rn. 73, vom 25. Januar 2018, F, C‑473/16, EU:C:2018:36, Rn. 41, sowie vom 19. November 2020, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Militärdienst und Asyl], C‑238/19, EU:C:2020:945, Rn. 23).
49 Gemäß Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie muss die individuelle Prüfung der zuständigen nationalen Behörden, ob die von einem Antragsteller geäußerte Furcht vor Verfolgung begründet ist, im Einzelfall mit Wachsamkeit und Vorsicht vorgenommen werden, wobei ausschließlich eine konkrete Prüfung der Tatsachen und Umstände zugrunde zu legen ist, um zu ermitteln, ob die festgestellten Tatsachen und Umstände eine solche Bedrohung darstellen, dass die betroffene Person in Anbetracht ihrer individuellen Lage begründete Furcht haben kann, tatsächlich Verfolgungshandlungen zu erleiden, sollte sie in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Januar 2024, Intervyuirasht organ na DAB pri MS [Frauen als Opfer häuslicher Gewalt], C‑621/21, EU:C:2024:47, Rn. 60, und vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 59).
50 Diese Bestimmung zählt die Anhaltspunkte auf, die die zuständigen nationalen Behörden bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz berücksichtigen müssen. Dazu gehören die mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz relevant sind, die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter.
51 Art. 4 der Richtlinie 2011/95 gilt zwar für alle Anträge auf internationalen Schutz unabhängig von den Verfolgungsgründen, auf die diese Anträge gestützt werden, doch müssen die zuständigen Behörden unter Wahrung der in der Charta garantierten Rechte die Art und Weise, in der sie die Aussagen und Unterlagen oder sonstigen Beweise prüfen, den besonderen Merkmalen der jeweiligen Kategorie von Anträgen auf internationalen Schutz anpassen (Urteile vom 2. Dezember 2014, A u. a., C‑148/13 bis C‑150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 54, sowie vom 25. Januar 2018, F, C‑473/16, EU:C:2018:36, Rn. 36).
52 Außerdem verpflichtet Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass zum einen Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz nach einer angemessenen Prüfung getroffen werden, bei der genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa dem Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), dem Nachfolger der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA), und dem UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen, eingeholt werden, die Aufschluss geben über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller. Zum anderen verlangt diese Bestimmung, dass diese Informationen den für die Prüfung und Entscheidung dieser Anträge zuständigen Bediensteten zur Verfügung stehen (Urteil vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 60).
53 Zu diesem Zweck sollten, wie in Rn. 36 Ziff. x der die geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit Art. 1 Abschnitt A Ziff. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention betreffenden Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz Nr. 1 ausgeführt wird, von den zuständigen nationalen Behörden Informationen über das Herkunftsland eingeholt werden, die für Anträge von Frauen von Bedeutung sind, z. B. über die Rechtsstellung der Frau, ihre politischen Rechte, ihre bürgerlichen und wirtschaftlichen Rechte, die kulturellen und sozialen Sitten und Gebräuche des Landes und die Folgen, wenn sich eine Frau darüber hinwegsetzt, das Vorhandensein grausamer traditioneller Praktiken, Häufigkeit und Formen von Gewalt gegen Frauen und wie Frauen davor geschützt werden, die für solche Gewalttäter vorgesehenen Strafen und welche Risiken eine Frau möglicherweise erwarten, wenn sie in ihr Land zurückkehrt, nachdem sie einen solchen Antrag gestellt hat (Urteile vom 16. Januar 2024, Intervyuirasht organ na DAB pri MS [Frauen als Opfer häuslicher Gewalt], C‑621/21, EU:C:2024:47, Rn. 61, und vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren], C‑646/21, EU:C:2024:487, Rn. 61).
54 Aus dem Vorstehenden folgt, dass schon das Erfordernis einer individuellen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz voraussetzt, dass die zuständigen nationalen Behörden die Art und Weise, in der sie die Tatsachen und Beweise prüfen, den Umständen und Besonderheiten des jeweiligen Antrags anpassen.
55 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 der Richtlinie 2011/95 günstigere Normen erlassen oder beibehalten können, die z. B. die Lockerung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorsehen können, sofern diese Normen die allgemeine Systematik oder die Ziele dieser Richtlinie nicht gefährden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2018, Ahmedbekova, C‑652/16, EU:C:2018:801, Rn. 70 und 71, sowie vom 9. November 2021, Bundesrepublik Deutschland [Wahrung des Familienverbands], C‑91/20, EU:C:2021:898, Rn. 39 und 40).
56 Im vorliegenden Fall kommt die EUAA in Punkt 3.15 ihres Berichts „Country Guidance: Afghanistan“ aus dem Januar 2023 zu dem Schluss, dass für afghanische Frauen und junge Mädchen angesichts der vom Taliban-Regime seit dem Jahr 2021 ergriffenen Maßnahmen im Allgemeinen eine begründete Furcht vor Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2011/95 bestehe. Auch weist das UNHCR im Kontext der vorliegenden Rechtssache in seiner am 25. Mai 2023 abgegebenen Erklärung zum Begriff der Verfolgung aufgrund einer Kumulierung von Maßnahmen im Hinblick auf die aktuelle Situation von Frauen und jungen Mädchen in Afghanistan darauf hin, dass bei afghanischen Frauen und jungen Mädchen wegen der von den Taliban allein aufgrund ihres Geschlechts gegen sie begangenen Verfolgungshandlungen die Vermutung einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe.
57 Unter diesen Umständen können die zuständigen nationalen Behörden bei Anträgen auf internationalen Schutz, die von Frauen, die Staatsangehörige von Afghanistan sind, gestellt werden, davon ausgehen, dass es derzeit nicht erforderlich ist, bei der individuellen Prüfung der Situation einer Antragstellerin auf internationalen Schutz festzustellen, dass diese bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich und spezifisch Verfolgungshandlungen zu erleiden droht, sofern die Umstände hinsichtlich ihrer individuellen Lage wie ihre Staatsangehörigkeit oder ihr Geschlecht erwiesen sind.
58 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass er die zuständige nationale Behörde nicht verpflichtet, bei der Feststellung, ob angesichts der im Herkunftsland einer Frau zum Zeitpunkt der Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz vorherrschenden Bedingungen diskriminierende Maßnahmen, denen sie in diesem Land ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen, im Rahmen der individuellen Prüfung dieses Antrags im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie andere Aspekte ihrer persönlichen Umstände als ihr Geschlecht oder ihre Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen.
Kosten
59 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes
ist dahin auszulegen, dass
unter den Begriff „Verfolgungshandlung“ eine Kumulierung von Frauen diskriminierenden Maßnahmen fällt, die von einem „Akteur, von dem Verfolgung ausgeht“, im Sinne von Art. 6 dieser Richtlinie getroffen oder geduldet werden und insbesondere im Fehlen jedes rechtlichen Schutzes vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sowie Zwangsverheiratungen, der Verpflichtung, ihren Körper vollständig zu bedecken und ihr Gesicht zu verhüllen, der Beschränkung des Zugangs zu Gesundheitseinrichtungen sowie der Bewegungsfreiheit, dem Verbot oder der Beschränkung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, der Verwehrung des Zugangs zu Bildung, dem Verbot, Sport auszuüben, und der Verwehrung der Teilhabe am politischen Leben bestehen, da diese Maßnahmen durch ihre kumulative Wirkung die durch Art. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete Wahrung der Menschenwürde beeinträchtigen.
2. Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95
ist dahin auszulegen, dass
er die zuständige nationale Behörde nicht verpflichtet, bei der Feststellung, ob angesichts der im Herkunftsland einer Frau zum Zeitpunkt der Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz vorherrschenden Bedingungen diskriminierende Maßnahmen, denen sie in diesem Land ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen, im Rahmen der individuellen Prüfung dieses Antrags im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie andere Aspekte ihrer persönlichen Umstände als ihr Geschlecht oder ihre Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2024.
Der Kanzler | | Die Kammerpräsidentin |
A. Calot Escobar | | K. Jürimäe |