URTEIL DES GERICHTSHOFES
4. November 1997(1)
[234s„Marken- und Urheberrecht Klage des Inhabers dieser Rechte gegen den
Wiederverkäufer auf Unterlassung der Werbung für den weiteren Vertrieb des
Erzeugnisses Parfum“[s
In der Rechtssache C-337/95
betreffend ein dem Gerichtshofes nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Hoge Raad
der Nederlanden in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Parfums Christian Dior SA und Parfums Christian Dior BV
gegen
Evora BV
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 30,
36 und 177 Absatz 3 EG-Vertrag sowie der Artikel 5 und 7 der Ersten Richtlinie
89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der
Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter), H. Ragnemalm und
R. Schintgen sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida,
P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, G. Hirsch,
P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Parfums Christian Dior SA und Parfums Christian Dior BV, vertreten
durch Rechtsanwälte C. Gielen, Amsterdam, und H. van der Woude,
Brüssel,
- der Evora BV, vertreten durch Rechtsanwälte D. W. F. Verkade,
O. W. Brouwer, Amsterdam, und P. Wytinck, Brüssel,
- der französischen Regierung, vertreten durch C. de Salins, Abteilungsleiterin
in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige
Angelegenheiten, und durch P. Martinet, Sekretär für Auswärtige
Angelegenheiten in diesem Ministerium, als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza, Leiter des Servizio
del contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als Bevollmächtigten,
Beistand: Avvocato dello Stato O. Fiumara,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Nicoll,
Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, Beistand: Barrister
M. Silverleaf,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch
B. J. Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Parfums Christian Dior SA und
Parfums Christian Dior BV, vertreten durch Rechtsanwälte C. Gielen und H. van
der Woude, der Evora BV, vertreten durch Rechtsanwälte O. W. Brouwer, L. de
Gryse, Brüssel, und P. Wytinck, der französischen Regierung, vertreten durch
P. Martinet, und der Kommission, vertreten durch B. J. Drijber, in der Sitzung vom
5. Februar 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. April
1997,
folgendes
Urteil
- Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 20. Oktober 1995, beim
Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag
sechs Fragen nach der Auslegung der Artikel 30, 36 und 177 Absatz 3 EG-Vertrag
sowie der Artikel 5 und 7 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.
Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung
vorgelegt.
- Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft
französischen Rechts Parfums Christian Dior SA mit Sitz in Paris (im folgenden:
Dior Frankreich) sowie der Gesellschaft niederländischen Rechts Parfums Christian
Dior BV mit Sitz in Rotterdam (im folgenden: Dior Niederlande) einerseits und
der Gesellschaft niederländischen Rechts Evora BV mit Sitz in Renswoude (im
folgenden: Evora) andererseits, in dem es um die Werbung der letzteren für die
von ihr verkauften Dior-Erzeugnisse geht.
- Dior Frankreich entwickelt und produziert Parfüme und andere kosmetische
Erzeugnisse, die zu relativ hohen Preisen verkauft und dem Markt für
Luxuskosmetika zugerechnet werden. Für den Verkauf ihrer Erzeugnisse außerhalb
Frankreichs hat sie Alleinvertreter bestellt, darunter in den Niederlanden Dior
Niederlande. Ebenso wie andere Alleinvertreter von Dior Frankreich in Europa
macht Dior Niederlande für den Vertrieb von Dior-Erzeugnissen von einem
selektiven Vertriebssystem Gebrauch, was bedeutet, daß die Dior-Erzeugnisse nur
an ausgewählte Wiederverkäufer verkauft werden, die sich verpflichten müssen, nur
an Endabnehmer zu liefern und niemals andere als ebenfalls für den Verkauf von
Dior-Erzeugnissen ausgewählte Wiederverkäufer zu beliefern.
- Dior Frankreich ist im Beneluxgebiet die ausschließliche Rechtsinhaberin für die
Bildzeichen Eau sauvage, Poison, Fahrenheit und Dune, u. a. für Parfüme. Diese
Bildzeichen bestehen aus Abbildungen der Verpackung, in der die Fläschchen mit
den gleichnamigen Parfümen verkauft werden. Dior Frankreich besitzt außerdem
das Urheberrecht sowohl für diese Verpackungen als auch für die genannten
Fläschchen sowie für die Verpackungen und Fläschchen der Erzeugnisse, die unter
dem Namen Svelte vermarktet werden.
- Evora betreibt unter dem Namen ihrer Tochtergesellschaft Kruidvat eine
ausgedehnte Kette von Drogerien. Obwohl die Kruidvat-Läden keine von Dior
Niederlande ausgewählten Vertriebshändler sind, vertreiben sie Dior-Erzeugnisse,
die Evora durch Parallelimporte erlangt hat. Die Rechtmäßigkeit des
Wiederverkaufs dieser Erzeugnisse wird im Ausgangsverfahren nicht bestritten.
- Im Rahmen einer Weihnachtsaktion im Jahr 1993 bot Kruidvat die
Dior-Erzeugnisse Eau sauvage, Poison, Fahrenheit, Dune und Svelte zum Kauf an
und bildete dabei in ihren Werbeprospekten die Verpackungen und Fläschchen
einiger dieser Erzeugnisse ab. Dem Vorlageurteil zufolge erfolgte die Abbildung
der Verpackungen und Fläschchen ausschließlich in unmittelbarem und deutlichem
Zusammenhang mit der zum Kauf angebotenen Ware und auf eine für
Wiederverkäufer in diesem Handelssektor übliche Weise.
- Da diese Werbung nach Ansicht von Dior Frankreich und Dior Niederlande (im
folgenden: Dior) nicht mit dem Luxus- und Prestigecharakter der Dior-Marken in
Einklang stand, leiteten sie vor der Rechtbank Haarlem ein Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes wegen Verletzung dieser Markenrechte ein und
beantragten, die Evora anzuweisen, die Benutzung der Bildzeichen von Dior und
jede Veröffentlichung oder Vervielfältigung der Dior-Erzeugnisse in Katalogen,
Broschüren, Anzeigen und dergleichen einzustellen und nicht wiederaufzunehmen.
Dior machte insbesondere geltend, daß die Benutzung ihrer Marken durch Evora
den Vorschriften der damals geltenden Fassung des Einheitlichen Beneluxgesetzes
über Warenzeichen zuwiderlaufe und in einer Weise erfolge, daß sie dem Luxus-
und Prestigeimage der Marken schaden könne. Außerdem trug Dior vor, die
Werbung von Evora verletze ihre Urheberrechte.
- Der Präsident der Rechtbank gab dem Antrag von Dior statt und wies Evora an,
mit sofortiger Wirkung jede Benutzung der Bildzeichen von Dior sowie jede
Veröffentlichung und Vervielfältigung der Dior-Erzeugnisse in Katalogen,
Broschüren, Anzeigen und dergleichen in einer Weise, die nicht mit der für Dior
üblichen Form der Werbung in Einklang steht, einzustellen und nicht
wiederaufzunehmen. Evora legte gegen dieses Urteil Berufung beim Gerechtshof
Amsterdam ein.
- Der Gerechtshof hob das angefochtene Urteil auf und lehnte den Erlaß der
beantragten Anordnungen ab. Er wies insbesondere das Vorbringen Diors zurück,
sie könne sich dem weiteren Vertrieb der Waren gemäß Artikel 7 Absatz 2 der
Richtlinie widersetzen, wonach der Markeninhaber sich der Benutzung der Marke
bei Waren widersetzen könne, die unter dieser Marke von ihm in den Verkehr
gebracht worden seien, wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigten, insbesondere
wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder
verschlechtert sei. Der Gerechtshof war der Ansicht, daß sich diese Bestimmung
ausschließlich auf die Schädigung des Rufes der Marke durch eine Veränderung
des physischen Zustands des betreffenden Markenartikels beziehe.
- Dior legte gegen diese Entscheidung Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad ein.
Sie trug insbesondere vor, daß zum „Zustand der Waren“ im Sinne von Artikel 7
Absatz 2 der Richtlinie auch der „psychische“ Zustand der Ware gehöre, also ihre
Wirkung nach außen und das hochwertige Image der Ware sowie die luxuriöse
Ausstrahlung, die infolge der vom Markeninhaber im Rahmen der Ausübung seiner
Markenrechte gewählten Aufmachung und Werbung von ihr ausgehe.
- Evora führte insbesondere aus, daß ihre Werbung die in der für Einzelhändler
der betreffenden Branche üblichen Weise erfolge die ausschließlichen Rechte von
Dior nicht beeinträchtige und daß die Vorschriften der Richtlinie sowie die Artikel
30 und 36 des Vertrages es verböten, daß Dior ihre Marken- und Urheberrechte
geltend mache, um ihr die Werbung für die von ihr vertriebenen Dior-Erzeugnisse
zu untersagen.
- Daraufhin hat der Hoge Raad dem Benelux-Gerichtshof Fragen nach der
Auslegung des Einheitlichen Beneluxgesetzes über Warenzeichen und dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen nach dem
Gemeinschaftsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang
wirft der Hoge Raad die Frage auf, ob im vorliegenden Fall der Benelux-Gerichtshof oder er selbst als das nationale Gericht anzusehen ist, dessen
Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts
angefochten werden können und das deshalb gemäß Artikel 177 Absatz 3 des
Vertrages zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist.
- Der Hoge Raad führt in seinem Vorlageurteil ferner aus, daß die Beneluxländer
ihre Rechtsvorschriften zwar bislang ungeachtet des Ablaufs der hierzu
vorgesehenen Frist noch nicht der Richtlinie angepaßt hätten, daß die Auslegung
der Richtlinie aber dennoch nicht unerheblich sei, da sich nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofes die Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften auch dann,
wenn sich ein einzelner auf eine nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist in
innerstaatliches Recht umgesetzte Richtlinie berufe, soweit wie möglich am
Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten müsse (vgl. insbesondere Urteil vom
14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325). Im
übrigen stelle sich für den Fall, daß die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften
nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnten, die Frage nach der Auslegung
der Artikel 30 und 36 des Vertrages.
- Der Hoge Raad hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende
Fragen vorgelegt:
1. Ist, wenn sich in einem markenrechtlichen Verfahren in einem der
Beneluxländer im Zusammenhang mit der Auslegung des Einheitlichen
Beneluxgesetzes über Warenzeichen eine Frage nach der Auslegung der
Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom
21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG) stellt, das höchste nationale
Gericht oder der Benelux-Gerichtshof als das einzelstaatliche Gericht
anzusehen, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des
innerstaatlichen Rechts angefochten werden können und das deshalb gemäß
Artikel 177 Absatz 3 EG-Vertrag zur Anrufung des Gerichtshofes
verpflichtet ist?
2. Steht die Annahme, daß es beim Wiederverkauf von Waren, die unter einer
Marke vom Inhaber dieser Marke oder mit seiner Zustimmung in der
Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind, dem Wiederverkäufer
auch freisteht, diese Marke zu benutzen, um dem Publikum diesen weiteren
Vertrieb anzukündigen, in Einklang mit der Systematik der genannten
Richtlinie und insbesondere mit deren Artikeln 5 bis 7?
3. Falls die zweite Frage bejaht wird, gibt es dann Ausnahmen von diesem
Grundsatz?
4. Falls die dritte Frage bejaht wird, ist dann Raum für eine Ausnahme in dem
Fall, daß die Werbefunktion der Marke dadurch bedroht wird, daß der
Wiederverkäufer durch die Art und Weise, in der er die Marke bei der
fraglichen Ankündigung benutzt, den Luxus- und Prestigecharakter dieser
Marke beeinträchtigt?
5. Kann von „berechtigten Gründen“ im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der
Richtlinie gesprochen werden, wenn durch die Art und Weise, in der der
Wiederverkäufer für die Waren wirbt, der „psychische Zustand“ dieser
Waren d. h. ihre Wirkung nach außen und das hochwertige Image sowie
die luxuriöse Ausstrahlung, die die Waren infolge der vom Markeninhaber
unter Benutzung seiner Markenrechte gewählten Aufmachung und Werbung
haben verändert oder verschlechtert wird?
6. Verstößt es gegen die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag, daß es der Inhaber
eines (Bild-)Warenzeichens oder eines Urheberrechts, das sich auf die für
seine Waren verwendeten Flaschen und Verpackungen bezieht, unter
Berufung auf dieses Warenzeichenrecht oder dieses Urheberrecht einem
Wiederverkäufer, dem der weitere Vertrieb dieser Waren freisteht,
unmöglich macht, für diese Waren auf eine für Einzelhändler der
betreffenden Branche üblichen Weise zu werben? Gilt dies auch dann, wenn
der Wiederverkäufer durch die Art und Weise, in der er die Marke in
seinem Werbematerial benutzt, den Luxus- und Prestigecharakter dieser
Marke beeinträchtigt oder wenn die Veröffentlichung und die
Vervielfältigung unter Umständen erfolgen, durch die der Inhaber des
Urheberrechts geschädigt werden kann?
Zur ersten Frage
- Aus dem Vorlageurteil geht hervor,
- daß der Benelux-Gerichtshof durch einen am 31. März 1965 in Brüssel
zwischen dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und
dem Königreich der Niederlande geschlossenen Vertrag errichtet wurde und
aus Richtern der höchsten Gerichte jedes der drei Länder besteht, und
- daß der Hoge Raad gemäß Artikel 6 Absatz 3 dieses Vertrages in
Verbindung mit Artikel 10 des am 19. März 1962 zwischen diesen drei
Ländern geschlossenen Benelux-Vertrages über die Warenzeichen
grundsätzlich verpflichtet ist, Fragen nach der Auslegung des zum
letztgenannten Vertrag gehörenden Einheitlichen Beneluxgesetzes überWarenzeichen dem Benelux-Gerichtshof zur Beantwortung vorzulegen.
- Artikel 6 des Vertrages über die Errichtung des Benelux-Gerichtshofes lautet wie
folgt:
„1. In den nachfolgend aufgeführten Fällen entscheidet der Benelux-Gerichtshof
über Fragen nach der Auslegung der gemäß Artikel 1 bezeichneten
Rechtsvorschriften, die sich in Rechtsstreitigkeiten stellen, die ... vor einem
in den europäischen Hoheitsgebieten eines der drei Länder eingerichteten
Gericht ... anhängig sind.
2. Setzt die Entscheidung über einen vor einem nationalen Gericht anhängigen
Rechtsstreit die Beantwortung einer Frage nach der Auslegung einer gemäß
Artikel 1 bezeichneten Rechtsvorschrift voraus, so kann dieses Gericht,
wenn es eine Entscheidung darüber für den Erlaß seines Urteils für
erforderlich hält, auch von Amts wegen jede endgültige Entscheidung
aussetzen, um dem Benelux-Gerichtshof diese Auslegungsfrage vorzulegen.
3. Unter den in Absatz 2 festgelegten Voraussetzungen ist ein nationales
Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des
innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, zur Anrufung des
Benelux-Gerichtshofes verpflichtet ...“
- Artikel 7 Absatz 2 dieses Vertrages bestimmt ferner:
„Die nationalen Gerichte, die später in diesem Rechtsstreit zu entscheiden haben,
sind an die sich aus der Entscheidung des Benelux-Gerichtshofes ergebende
Auslegung gebunden.“
- Im Hinblick auf dieses Rechtssystem möchte das nationale Gericht mit seiner
ersten Frage wissen, ob in dem Fall, daß sich in einem der Benelux-Mitgliedstaaten
in einem die Auslegung des Einheitlichen Beneluxgesetzes über Warenzeichen
betreffenden Verfahren eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie stellt, das
höchste nationale Gericht oder der Benelux-Gerichtshof als das einzelstaatliche
Gericht anzusehen ist, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln
des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können und das deshalb gemäß
Artikel 177 Absatz 3 EG-Vertrag zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist.
- Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob ein Gericht wie der
Benelux-Gerichtshof berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet ist, dem Gerichtshof
Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
- Zunächst geht das nationale Gericht bei seiner Frage zutreffend davon aus, daß ein
Gericht wie der Benelux-Gerichtshof dem Gerichtshof Fragen zur
Vorabentscheidung vorlegen kann.
- Nichts spricht nämlich dagegen, daß ein mehreren Mitgliedstaaten gemeinsames
Gericht dem Gerichtshof ebenso wie die Gerichte der einzelnen Mitgliedstaaten
Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen kann.
- Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Benelux-Gerichtshof die
Aufgabe hat, die einheitliche Anwendung der den drei Beneluxstaaten
gemeinsamen Rechtsvorschriften zu gewährleisten, und daß das Verfahren vor ihm
ein Zwischenstreit in den vor den nationalen Gerichten anhängigen Verfahren ist,
nach dessen Abschluß die endgültige Auslegung der den Beneluxstaaten
gemeinsamen Rechtsvorschriften feststeht.
- Daher entspricht es dem Ziel des Artikels 177, die einheitliche Auslegung des
Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, es einem Gericht wie dem Benelux-Gerichtshof zu erlauben, das Verfahren nach Artikel 177 des Vertrages
anzuwenden, wenn es im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgabe
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft auszulegen hat.
- Was die Frage angeht, ob ein Gericht wie der Benelux-Gerichtshof zur Anrufung
des Gerichtshofes verpflichtet sein kann, so ist gemäß Artikel 177 Absatz 3 des
Vertrages ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr
mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, zur
Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist, wenn sich in einem bei ihm anhängigen
Verfahren eine Vorabentscheidungsfrage stellt.
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes fügt sich diese Vorlagepflicht in den
Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den innerstaatlichen Gerichten als den mit
der Anwendung des Gemeinschaftsrechts betrauten Gerichten und dem Gerichtshof
ein, durch die die ordnungsgemäße Anwendung und die einheitliche Auslegung des
Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden sollen (vgl.
insbesondere Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, Cilfit und
Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, 3415, Randnr. 7). Aus der Rechtsprechung ergibt
sich auch, daß Artikel 177 Absatz 3 insbesondere verhindern soll, daß sich in einem
Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des
Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht (vgl. insbesondere Urteile vom 24. Mai
1977 in der Rechtssache 107/76, Hoffmann-La Roche, Slg. 1977, 957, Randnr. 5,
und vom 27. Oktober 1982 in den verbundenen Rechtssachen 35/82 und 36/82,
Morson und Jhanjan, Slg. 1982, 3723, Randnr. 8).
- Da gegen die Entscheidung eines Gerichts wie des Benelux-Gerichtshofes, der über
Fragen nach der Auslegung des einheitlichen Beneluxrechts endgültig entscheidet,
kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, kann also ein solches Gericht verpflichtet sein,
den Gerichtshof gemäß Artikel 177 Absatz 3 anzurufen, wenn sich in einem bei ihm
anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie stellt.
- Was die Frage angeht, ob der Hoge Raad verpflichtet sein kann, dem Gerichtshof
Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, so steht fest, daß ein solches höchstes
nationales Gericht, dessen Entscheidungen ebenfalls nicht mehr mit Rechtsmitteln
des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, keine Entscheidung
erlassen kann, ohne zuvor den Gerichtshof gemäß Artikel 177 Absatz 3 des
Vertrages angerufen zu haben, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren
eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellt.
- Daraus folgt jedoch nicht unbedingt, daß in einem Fall, wie ihn der Hoge Raad
anspricht, tatsächlich beide Gerichte zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet
sind.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann, wenn auch Artikel 177
Absatz 3 nationale Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln
des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ohne jede Einschränkung
dazu verpflichtet, dem Gerichtshof alle sich in bei ihnen anhängigen Verfahren
stellenden Fragen nach der Auslegung des Vertrages vorzulegen, die Wirkung, die
von einer vom Gerichtshof gemäß Artikel 177 in einem früheren Verfahren
gegebenen Auslegung ausgeht, doch im Einzelfall den inneren Grund dieser
Verpflichtung entfallen und sie somit sinnlos erscheinen lassen. Dies gilt
insbesondere dann, wenn die gestellte Frage tatsächlich bereits in einem
gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist (vgl.
insbesondere Urteile Cilfit und Lanificio di Gavardo, a. a. O., Randnr. 13, und vom
27. März 1963 in den verbundenen Rechtssachen 28/62, 29/62 und 30/62, Da Costa
u. a., Slg. 1963, 63). Es gilt erst recht, wenn die gestellte Frage tatsächlich bereits
Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens im Rahmen desselben nationalen
Rechtsstreits gewesen ist.
- Hat also ein Gericht wie der Hoge Raad vor der Anrufung des
Benelux-Gerichtshofes von seinem Recht Gebrauch gemacht, die sich stellende
Frage dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, so kann die Wirkung,
die von der von diesem bereits gegebenen Auslegung ausgeht, die Verpflichtung
eines Gerichts wie des Benelux-Gerichtshofes, vor Erlaß seiner Entscheidung eine
inhaltlich gleiche Frage vorzulegen, entfallen lassen. Umgekehrt ist, wenn der
Gerichtshof nicht zuvor von einem Gericht wie dem Hoge Raad angerufen worden
ist, ein Gericht wie der Benelux-Gerichtshof verpflichtet, die sich stellende Frage
dem Gerichtshof vorzulegen, dessen Entscheidung dann die Verpflichtung des Hoge
Raad, vor Erlaß seiner Entscheidung eine inhaltlich gleiche Frage vorzulegen,
entfallen lassen kann.
- Auf die erste Frage ist somit zu antworten, daß ein Gericht wie der Benelux-Gerichtshof oder der Hoge Raad, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit
Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, gemäß
Artikel 177 Absatz 3 des Vertrages zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet ist,
wenn sich in einem der Beneluxstaaten in einem die Auslegung des Einheitlichen
Beneluxgesetzes über Warenzeichen betreffenden Verfahren eine Frage nach der
Auslegung der Richtlinie stellt. Diese Verpflichtung verliert jedoch ihren inneren
Grund und damit ihren Sinn, wenn die gestellte Frage im Rahmen desselben
nationalen Rechtsstreits tatsächlich bereits Gegenstand eines
Vorabentscheidungsersuchens gewesen ist.
Zur zweiten Frage
- Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Artikel 5 bis
7 der Richtlinie dahin auszulegen sind, daß ein Wiederverkäufer von mit einer
Marke versehenen Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung
in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind, nicht nur diese Waren
weiterverkaufen, sondern auch die Marke benutzen darf, um der Öffentlichkeit den
weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen.
- Zur Beantwortung dieser Frage sind zunächst die einschlägigen Bestimmungen der
Richtlinie in Erinnerung zu rufen, auf die das vorlegende nationale Gericht
verweist.
- Einerseits bestimmt Artikel 5 der Richtlinie, in dem die Rechte aus der Marke
festgelegt sind, in Absatz 1, daß der Inhaber es Dritten verbieten kann, im
geschäftlichen Verkehr seine Marke zu benutzen, und in Absatz 3 Buchstabe d, daß
es Dritten verboten werden kann, die Marke in der Werbung zu benutzen.
- Andererseits sieht Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie, der die Erschöpfung des
Rechts aus der Marke betrifft, vor, daß dieses Recht es dem Inhaber nicht erlaubt,
die Benutzung der Marke für Waren zu verbieten, die unter dieser Marke von ihm
oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden
sind.
- Wenn aber das dem Inhaber einer Marke durch Artikel 5 der Richtlinie gewährte
Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu verbieten, erschöpft ist, sobald diese
Waren von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht
worden sind, so muß für das Recht, die Marke zu benutzen, um der Öffentlichkeit
den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen, dasselbe gelten.
- Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich nämlich, daß Artikel 7 der
Richtlinie im Lichte der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr,
insbesondere des Artikels 36, auszulegen ist (vgl. Urteil vom 11. Juli 1996 in den
verbundenen Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Bristol-Myers Squibb
u. a., Slg. 1996, I-3457, Randnr. 27) und daß der Grundsatz der Erschöpfung des
Rechts den Markeninhabern die Möglichkeit nehmen soll, die nationalen Märkte
abzuschotten und dadurch die Beibehaltung eventueller Preisunterschiede zwischen
den Mitgliedstaaten zu fördern (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., a. a. O.,
Randnr. 46). Wäre nun das Recht, die Benutzung einer Marke zur Ankündigung
des weiteren Vertriebs zu verbieten, nicht ebenso erschöpft wie das Recht, den
Wiederverkauf zu verbieten, so würde dieser Wiederverkauf erheblich erschwert
und der mit dem in Artikel 7 vorgesehenen Grundsatz der Erschöpfung verfolgte
Zweck verfehlt.
- Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, daß die Artikel 5 und 7 der
Richtlinie dahin auszulegen sind, daß ein Wiederverkäufer nicht nur das Recht hat,
mit einer Marke versehene Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner
Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind,
weiterzuverkaufen, sondern auch das Recht, die Marke zu benutzen, um der
Öffentlichkeit den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen.
Zur dritten, vierten und fünften Frage
- Mit seiner dritten, vierten und fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte
das nationale Gericht wissen, ob Ausnahmen von dem sich aus der Antwort auf die
zweite Frage ergebenden Grundsatz zulässig sind, und zwar
- wenn die Werbefunktion der Marke dadurch bedroht wird, daß der
Wiederverkäufer aufgrund der Art und Weise, in der er die Marke bei der
fraglichen Ankündigung benutzt, den Luxus- und Prestigecharakter dieser
Marke beeinträchtigt, und
- wenn durch die Art und Weise, in der der Wiederverkäufer für die Waren
wirbt, der „psychische Zustand“ dieser Waren d. h. ihre Wirkung nach
außen, das hochwertige Image und die luxuriöse Ausstrahlung, die die
Waren infolge der vom Markeninhaber unter Benutzung seiner
Markenrechte gewählten Art und Weise der Aufmachung und Werbung
haben verändert oder verschlechtert wird.
- Nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie findet der in Absatz 1 niedergelegte
Grundsatz der Erschöpfung des Rechts keine Anwendung, wenn berechtigte
Gründe es rechtfertigen, daß der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der mit der
Marke versehenen Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren
nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.
- Daher ist zu prüfen, ob in den vom nationalen Gericht angeführten Fällen
berechtigte Gründe im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie vorliegen, die
es dem Inhaber der Marke gestatten, sich der Benutzung der Marke durch einen
Wiederverkäufer zu widersetzen, der damit der Öffentlichkeit den weiteren
Vertrieb der mit dieser Marke versehenen Waren ankündigen will.
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Frage der Erschöpfung des
Rechts aus der Marke für Waren, die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht
worden sind, in Artikel 7 der Richtlinie abschließend geregelt, und die Verwendung
des Begriffes „insbesondere“ in Absatz 2 zeigt, daß der Fall der Veränderung oder
Verschlechterung des Zustands der mit der Marke versehenen Waren nur als ein
Beispiel dafür genannt wird, welche Gründe als berechtigte Gründe in Frage
kommen (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., a. a. O., Randnrn. 26 und 39).
Außerdem hat diese Bestimmung den Zweck, die grundlegenden Belange des
Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in
Einklang zu bringen (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., a. a. O., Randnr. 40).
- Die Schädigung des Rufes der Marke kann für einen Markeninhaber grundsätzlich
ein berechtigter Grund im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie sein, sich
dem weiteren Vertrieb der Waren zu widersetzen, die von ihm oder mit seiner
Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Umpacken von Markenwaren hat der
Inhaber einer Marke nämlich ein durch den spezifischen Gegenstand des
Markenrechts bedingtes berechtigtes Interesse, sich dem Vertrieb dieser Waren
widersetzen zu können, wenn die Aufmachung der umgepackten Waren geeignet
ist, den Ruf der Marke zu schädigen (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., a. a. O.,
Randnr. 75).
- Wenn ein Wiederverkäufer eine Marke benutzt, um den weiteren Vertrieb der mit
der Marke versehenen Waren anzukündigen, so ist folglich das berechtigteInteresse des Markeninhabers daran, gegen Wiederverkäufer geschützt zu sein, die
seine Marke zu Werbezwecken in einer Weise benutzen, die den Ruf der Marke
schädigen könnte, gegen das Interesse des Wiederverkäufers abzuwägen, die
betreffenden Waren unter Verwendung der für seine Branche üblichen
Werbeformen weiterverkaufen zu können.
- Geht es wie im Ausgangsverfahren um Waren mit Luxus- und Prestigecharakter,
so darf der Wiederverkäufer nicht in unlauterer Weise dem berechtigten Interesse
des Markeninhabers zuwiderhandeln. Er muß also darauf bedacht sein, mit seiner
Werbung die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, daß er
den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von ihnen
ausgehende luxuriöse Ausstrahlung beeinträchtigt.
- Allerdings stellt der Umstand, daß ein Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel
gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität vertreibt, für die mit der Marke
versehenen Waren in seiner Branche übliche Werbeformen benutzt, selbst wenn
diese nicht denen entsprechen, die der Markeninhaber selbst oder die von ihm
ausgewählten Wiederverkäufer verwenden, keinen berechtigten Grund im Sinne
von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie dar, der es rechtfertigt, daß der Inhaber sich
dieser Werbung widersetzt, sofern nicht erwiesen ist, daß die Benutzung der Marke
in der Werbung des Wiederverkäufers den Ruf der Marke im konkreten Fall
erheblich schädigt.
- Eine solche erhebliche Schädigung könnte dann vorliegen, wenn der
Wiederverkäufer nicht dafür sorgen würde, daß die Marke in seinem
Werbeprospekt nicht in einer Umgebung erscheint, die das Image, das der Inhaber
seiner Marke hat verschaffen können, erheblich beeinträchtigen könnte.
- Nach alledem ist auf die dritte, die vierte und die fünfte Frage zu antworten, daß
der Inhaber einer Marke einen Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher
Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität wie die mit der Marke versehenen
Waren vertreibt, nicht gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie daran hindern kann,
diese Marke im Rahmen der für seine Branche üblichen Werbeformen zu
benutzen, um der Öffentlichkeit den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen,
sofern nicht erwiesen ist, daß diese Benutzung der Marke ihren Ruf im konkreten
Fall erheblich schädigt.
Zur sechsten Frage
- Mit seiner sechsten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Artikel 30
und 36 des Vertrages es dem Inhaber eines Marken- oder Urheberrechts, das sich
auf die für seine Waren verwendeten Fläschchen und Verpackungen bezieht,
verbieten, einen Wiederverkäufer unter Berufung auf dieses Marken- oder
Urheberrecht daran zu hindern, auf eine für Einzelhändler der betreffenden
Branche übliche Weise für den weiteren Vertrieb dieser Waren zu werben. Es
möchte ferner wissen, ob dies auch dann gilt, wenn der Wiederverkäufer durch die
Art und Weise, in der er die Marke in seinem Werbematerial benutzt, den Luxus-
und Prestigecharakter dieser Marke beeinträchtigt oder wenn die Veröffentlichung
und die Vervielfältigung unter Umständen erfolgen, durch die der Inhaber des
Urheberrechts geschädigt werden kann.
- Diese Fragen beruhen auf den Prämissen,
- daß der Inhaber des Marken- oder Urheberrechts nach dem einschlägigen
nationalen Recht in solchen Fällen berechtigt ist, dem Wiederverkäufer die
Werbung für den weiteren Vertrieb der Waren zu verbieten, und
- daß ein solches Verbot eine nach Artikel 30 des Vertrages verbotene
Behinderung des freien Warenverkehrs darstellen würde, es sei denn, sie
wäre aus einem der in Artikel 36 genannten Gründe zu rechtfertigen.
- Im Gegensatz zu Dior vertritt das nationale Gericht zu Recht die Ansicht, daß ein
Verbot, wie es im Ausgangsverfahren begehrt wird, eine nach Artikel 30 verbotene
Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellen
kann. Insoweit genügt der Hinweis, daß es dem Vorlageurteil zufolge im
Ausgangsverfahren um Waren geht, die sich der Wiederverkäufer durch
Parallelimporte verschafft hat, und daß ein Werbeverbot, wie es im
Ausgangsverfahren begehrt wird, das Inverkehrbringen dieser Waren und somit
deren Zugang zum Markt erheblich erschweren würde.
- Daher ist zu prüfen, ob ein Verbot, wie es im Ausgangsverfahren begehrt wird,
gemäß Artikel 36 des Vertrages zulässig sein kann, wonach die Bestimmungen der
Artikel 30 bis 34 Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegenstehen, die
aus Gründen des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind,
sofern sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine
verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.
- Was das Recht des Inhabers einer Marke angeht, sind Artikel 36 des Vertrages und
Artikel 7 der Richtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gleich
auszulegen (Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., a. a. O., Randnr. 40).
- Folglich ist in Anbetracht der Beantwortung der zweiten, dritten, vierten und
fünften Frage auf diesen Teil der sechsten Frage zu antworten, daß die Artikel 30
und 36 des Vertrages dahin auszulegen sind, daß der Inhaber einer Marke einen
Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher
Qualität wie die mit der Marke versehenen Waren vertreibt, nicht gemäß Artikel
7 Absatz 2 der Richtlinie daran hindern kann, diese Marke im Rahmen der für
seine Branche üblichen Werbeformen zu benutzen, um der Öffentlichkeit den
weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen, sofern nicht erwiesen ist, daß diese
Benutzung der Marke ihren Ruf im konkreten Fall erheblich schädigt.
- Zu dem das Urheberrecht betreffenden Teil der sechsten Frage ist festzustellen,
daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Schutz des gewerblichen und
kommerziellen Eigentums im Sinne von Artikel 36 auch den durch das
Urheberrecht gewährten Schutz einschließt (Urteil vom 20. Januar 1981 in den
verbundenen Rechtssachen 55/80 und 57/80, Musik-Vertrieb membran und K-tel
International, Slg. 1981, 147, Randnr. 9).
- Werke der Literatur und Kunst können entweder durch öffentliche Aufführung
oder durch Vervielfältigung und Inverkehrbringen der hergestellten Bild- und
Tonträger gewerblich verwertet werden, und die beiden grundlegenden Rechte des
Urhebers, das ausschließliche Recht der Aufführung und das ausschließliche Recht
der Vervielfältigung, werden von den Bestimmungen des EWG-Vertrags nicht
berührt (Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers und
Metronome Video, Slg. 1988, 2605, Randnr. 13).
- Aus der Rechtsprechung ergibt sich außerdem, daß die kommerzielle Nutzung des
Urheberrechts einerseits eine Einkommensquelle für den Rechtsinhaber bildet,
andererseits aber zugleich eine Form der Vertriebskontrolle durch den Inhaber mit
sich bringt und daß die kommerzielle Nutzung des Urheberrechts in dieser Hinsicht
die gleichen Probleme aufwirft wie die eines anderen gewerblichen oder
kommerziellen Eigentumsrechts (vgl. Urteil Musik-Vertrieb membran und K-tel
International, a. a. O., Randnr. 13). Der Gerichtshof hat daher festgestellt, daß sich
der Inhaber des durch das Urheberrecht verliehenen ausschließlichen
Verwertungsrechts nicht auf dieses Recht berufen kann, um die Einfuhr von
Tonträgern zu verhindern oder zu beschränken, in denen geschützte Werke
verkörpert sind und die auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaats von dem
Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung rechtmäßig in den Verkehr
gebracht worden sind (vgl. Urteil Musik-Vertrieb membran und K-tel International,
a. a. O., Randnr. 15).
- In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist ohne daß zu der Frage Stellung
genommen werden müßte, ob für ein und dieselbe Ware zugleich ein Urheberrecht
und ein Markenrecht geltend gemacht werden können lediglich festzustellen, daß
unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren gegeben sind, der durch das
Urheberrecht hinsichtlich der Abbildung von geschützten Werken im
Werbematerial des Wiederverkäufers gewährte Schutz jedenfalls nicht weiter gehen
kann als der Schutz, den ein Markenrecht seinem Inhaber unter denselben
Umständen gewährt.
- Somit ist auf die sechste Frage zu antworten, daß die Artikel 30 und 36 des
Vertrages dahin auszulegen sind, daß der Inhaber eines Marken- oder
Urheberrechts einen Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher Art, aber
nicht unbedingt gleicher Qualität wie die geschützten Waren vertreibt, nicht daran
hindern kann, diese im Rahmen der für seine Branche üblichen Werbeformen zu
benutzen, um der Öffentlichkeit den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen,
sofern nicht erwiesen ist, daß die Benutzung dieser Waren ihren Ruf im konkreten
Fall erheblich schädigt.
Kosten
- Die Auslagen der französischen und der italienischen Regierung, der Regierung des
Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in
dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hatDER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden durch Urteil vom 20. Oktober 1995
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
- Stellt sich in einem der Beneluxstaaten in einem die Auslegung des
Einheitlichen Beneluxgesetzes über Warenzeichen betreffenden Verfahren
eine Frage nach der Auslegung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates
vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken, so ist ein Gericht wie der Benelux-Gerichtshof oder der Hoge Raad der Nederlanden, dessen Entscheidungen
selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts
angefochten werden können, gemäß Artikel 177 Absatz 3 EG-Vertrag zur
Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet. Diese Verpflichtung verliert jedoch
ihren inneren Grund und damit ihren Sinn, wenn die gestellte Frage im
Rahmen desselben nationalen Rechtsstreits tatsächlich bereits Gegenstand
eines Vorabentscheidungsersuchens gewesen ist.
- Die Artikel 5 und 7 der Richtlinie 89/104 sind dahin auszulegen, daß ein
Wiederverkäufer nicht nur das Recht hat, mit einer Marke versehene
Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in der
Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind, weiterzuverkaufen,
sondern auch das Recht, die Marke zu benutzen, um der Öffentlichkeit den
weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen.
- Der Inhaber einer Marke kann einen Wiederverkäufer, der gewöhnlich
Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität wie die mit der
Marke versehenen Waren vertreibt, nicht gemäß Artikel 7 Absatz 2 der
Richtlinie 89/104 daran hindern, diese Marke im Rahmen der für seine
Branche üblichen Werbeformen zu benutzen, um der Öffentlichkeit den
weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen, sofern nicht erwiesen ist, daß
diese Benutzung der Marke ihren Ruf im konkreten Fall erheblich schädigt.
- Die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß der Inhaber
eines Marken- oder Urheberrechts einen Wiederverkäufer, der gewöhnlich
Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität wie die
geschützten Waren vertreibt, nicht daran hindern kann, diese im Rahmen
der für seine Branche üblichen Werbeformen zu benutzen, um der
Öffentlichkeit den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen, sofern
nicht erwiesen ist, daß die Benutzung dieser Waren ihren Ruf im konkreten
Fall erheblich schädigt.
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Rodríguez IglesiasGulmann
Ragnemalm
Schintgen Mancini Moitinho de Almeida Kapteyn Murray Edward Puissochet Hirsch Jann Sevón
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. November 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
1: Verfahrenssprache: Niederländisch.