Rechtssache C‑533/06
O2 Holdings Limited und O2 (UK) Limited
gegen
Hutchison 3G UK Limited
(Vorabentscheidungsersuchen des
Court of Appeal [England & Wales] [Civil Division])
„Marken – Richtlinie 89/104/EWG – Art. 5 Abs. 1 – Ausschließliches Recht des Inhabers der Marke – Benutzung eines Zeichens in einer vergleichenden Werbung, das mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist – Beschränkung der Wirkungen der Marke – Vergleichende Werbung – Richtlinien 84/450/EWG und 97/55/EG – Art. 3a Abs. 1 – Zulässigkeitsbedingungen für vergleichende Werbung – Benutzung der Marke eines Mitbewerbers oder eines dieser Marke ähnlichen Zeichens“
Leitsätze des Urteils
1. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Recht des Inhabers einer Marke, der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen entgegenzutreten
(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 1 und 2)
2. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Recht des Inhabers einer Marke, der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen entgegenzutreten
(Richtlinien des Rates 89/104, Art. 5 Abs. 1 und 2, und 84/450, Art. 3a Abs. 1)
3. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Eintragung einer neuen Marke – Bestehen einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Recht des Inhabers einer Marke, der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen entgegenzutreten – Verwechslungsgefahr
(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und 5 Abs. 1 Buchst. b)
4. Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Recht des Inhabers einer Marke, der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen entgegenzutreten
(Richtlinien des Rates 89/104, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, und 84/450, Art. 3a)
1. Die Benutzung eines mit der Marke eines Mitbewerbers identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Werbenden in einer vergleichenden Werbung zu dem Zweck, die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu identifizieren, ist als eine Benutzung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken für die eigenen Waren und Dienstleistungen des Werbenden anzusehen.
Erstens muss nämlich Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 89/104 dahin ausgelegt werden, dass er die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens für von dem Dritten vertriebene Waren oder erbrachte Dienstleistungen betrifft.
Zweitens zielt eine Werbung, in der der Werbende die von ihm vermarkteten Waren und Dienstleistungen mit denen eines Mitbewerbers vergleicht, offensichtlich darauf ab, den Absatz der Waren und Dienstleistungen dieses Werbenden zu fördern. Der Werbende will mit einer solchen Werbung seine Waren und Dienstleistungen unterscheiden, indem er ihre Eigenschaften mit denen konkurrierender Waren und Dienstleistungen vergleicht. Diese Beurteilung wird durch den 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/55 bestätigt, in dem der Gemeinschaftsgesetzgeber hervorgehoben hat, dass die vergleichende Werbung die Unterscheidung der Erzeugnisse und Dienstleistungen des Werbenden von denjenigen seines Mitbewerbers bezweckt.
(vgl. Randnrn. 34-36)
2. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken und Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 84/450 über irreführende und vergleichende Werbung in der durch die Richtlinie 97/55 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer eingetragenen Marke nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines mit seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, die alle in Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 84/450 genannten Zulässigkeitsbedingungen erfüllt.
Es ist jedoch, wenn die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 verlangten Voraussetzungen für das Verbot der Benutzung eines mit einer eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens vorliegen, ausgeschlossen, dass die vergleichende Werbung, in der das Zeichen benutzt wird, die in Art. 3a Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 84/450 in der durch die Richtlinie 97/55 geänderten Fassung genannte Zulässigkeitsbedingung erfüllt.
Erstens stellt nämlich die Verwechslungsgefahr im Fall der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder den Dienstleistungen die spezifische Schutzvoraussetzung dar. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 betrifft deshalb nur den Fall, dass für das Publikum wegen der Identität oder der Ähnlichkeit sowohl der Marken als auch der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr besteht. Zweitens geht aus Art. 3a Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 84/450 hervor, dass eine vergleichende Werbung dann unzulässig ist, wenn zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den Marken, den Waren oder den Dienstleistungen des Werbenden und denen eines Mitbewerbers eine Verwechslungsgefahr besteht. Im Licht der Erwägungsgründe 13 bis 15 der Richtlinie 97/55 ist der sowohl in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 als auch in Art. 3a Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 84/450 verwendete Begriff „Verwechslung“ einheitlich auszulegen.
(vgl. Randnrn. 45-49, 51, Tenor 1)
3. Der Begriff der Verwechslungsgefahr in den Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und 5 Abs. 1 Buchst. b der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist derselbe.
Im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 geht es jedoch um eine Anmeldung einer Marke. Wenn eine Marke einmal eingetragen ist, ist der Inhaber dieser Marke berechtigt, sie nach seinem Belieben zu benutzen, so dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Anmeldung unter das in dieser Vorschrift geregelte Eintragungshindernis fällt, im Hinblick auf alle Umstände, unter denen die angemeldete Marke, sollte sie eingetragen werden, benutzt werden könnte, zu prüfen ist, ob eine Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke des Widersprechenden besteht.
Dagegen macht im von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 ins Auge gefassten Fall der Dritte, der ein mit einer eingetragenen Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen benutzt, kein Markenrecht an diesem Zeichen geltend, sondern benutzt es punktuell. In einer solchen Fallgestaltung ist die Beurteilung der Frage, ob der Inhaber der eingetragenen Marke berechtigt ist, dieser speziellen Benutzung zu widersprechen, auf die Umstände zu beschränken, die diese Benutzung kennzeichnen, ohne dass zu prüfen wäre, ob eine andere Benutzung desselben Zeichens, die unter anderen Umständen stattfände, ebenfalls geeignet wäre, eine Verwechslungsgefahr zu erzeugen.
(vgl. Randnrn. 65-67)
4. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer eingetragenen Marke nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines dieser Marke ähnlichen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denen, für die die Marke eingetragen wurde, identisch oder ihnen ähnlich sind, in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, wenn diese Benutzung beim Publikum keine Verwechslungsgefahr hervorruft, und zwar unabhängig davon, ob diese vergleichende Werbung alle in Art. 3a der Richtlinie 84/450 über irreführende und vergleichende Werbung in der durch die Richtlinie 97/55 geänderten Fassung genannten Zulässigkeitsbedingungen erfüllt oder nicht.
(vgl. Randnr. 69, Tenor 2)