Language of document : ECLI:EU:C:2010:760

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

9. Dezember 2010(*)

„Art. 28 EG und 30 EG – Nationale Regelung, die die Einfuhr von Blutprodukten verbietet, die nicht aus gänzlich unbezahlt erfolgten Blutspenden stammen“

In der Rechtssache C-421/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2009, in dem Verfahren

Humanplasma GmbH

gegen

Republik Österreich

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.‑J. Kasel (Berichterstatter), A. Borg Barthet und M. Ilešič sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Humanplasma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Graziani-Weiss,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und Z. Tóth als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und G. Wilms als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28 EG und 30 EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Humanplasma GmbH (im Folgenden: Humanplasma), einer Gesellschaft österreichischen Rechts, und der Republik Österreich wegen des gesetzlichen Verbots der Einfuhr von Erythrozythenkonzentraten aus Blutspenden, die nicht gänzlich unbezahlt erfolgt sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 22 und 23 der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. L 33, S. 30) lauten:

„(22) Gemäß Artikel 152 Absatz 5 des Vertrags müssen die Bestimmungen dieser Richtlinie die einzelstaatlichen Regelungen über Blutspenden unberührt lassen. Nach Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a) des Vertrags können die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, strengere Schutzmaßnahmen für die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut und Blutbestandteile beizubehalten oder einzuführen.

(23)      Freiwillige, unbezahlte Blutspenden sind ein Faktor, der zu hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut und Blutbestandteile und somit zum Gesundheitsschutz beitragen kann. Die diesbezüglichen Bestrebungen des Europarates sollten unterstützt und alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden durch geeignete Maßnahmen und Initiativen sowie dadurch zu fördern, dass Blutspender größere öffentliche Anerkennung erfahren; damit würde auch die Selbstversorgung der Gemeinschaft verbessert. Die Definition des Europarates für freiwillige, unbezahlte Blutspenden sollte berücksichtigt werden.“

4        Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/98 sieht vor:

„Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht, in ihrem Hoheitsgebiet strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen, sofern diese in Einklang mit dem Vertrag stehen.

Insbesondere kann ein Mitgliedstaat Anforderungen für freiwillige, unbezahlte Blutspenden einführen einschließlich des Verbots oder der Beschränkung der Einfuhren von Blut oder Blutbestandteilen, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten und das in Artikel 20 Absatz 1 genannte Ziel zu erreichen, soweit dies in Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags geschieht.“

5        Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden zu fördern, damit erreicht wird, dass Blut und Blutbestandteile so weit wie möglich aus solchen Spenden stammen.“

6        Art. 21 der Richtlinie sieht vor:

„Die Blutspendeeinrichtungen gewährleisten, dass jede Spende von Blut und Blutbestandteilen gemäß den Anforderungen in Anhang IV getestet wird.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Blut und Blutbestandteile, die in die Gemeinschaft eingeführt werden, entsprechend den Anforderungen in Anhang IV getestet werden.“

 Internationales Recht

7        Art. 2 der am 12. Oktober 1995 verabschiedeten Empfehlung R (95) 14 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über den Gesundheitsschutz von Spendern und Empfängern bei Bluttransfusionen lautet: „Eine Spende gilt als freiwillig und unentgeltlich, wenn die Person, die Blut, Plasma oder zelluläre Bestandteile spendet, dies aus eigenem, freiem Willen tut und keine Bezahlung in Form von Bargeld oder anderen entsprechenden Leistungen erhält. Dies schließt auch eine Vergütung in Form von Freizeit aus, die über den angemessenen Zeitaufwand für die Spende und die An- bzw. Abreise hinausgeht. Geringfügige Anerkennungen, Erfrischungen und die Erstattung der Reisekosten sind mit dem Begriff der freiwilligen, unentgeltlichen Spende vereinbar.“

 Nationales Recht

8        § 7 Abs. 1 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes 2002 in seiner im BGBl. I Nr. 153/2005 veröffentlichten Fassung (im Folgenden: Arzneiwareneinfuhrgesetz) sah vor, dass die Einfuhr der in diesem Gesetz angeführten Waren nur zulässig ist, wenn das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen deren Verkehrsfähigkeit bestätigt hat.

9        In § 7 Abs. 3 dieses Gesetzes waren die Angaben aufgeführt, die u. a. die Importeure von Blutprodukten nach Aufforderung der zuständigen Behörden zu machen hatten. Hierzu gehörten Angaben über die Identität des Einzelspenders sowie der Nachweis, dass bei dessen Auswahl die nach dem Stand der Wissenschaften international anerkannten Kriterien berücksichtigt worden waren und dass er nicht an bestimmten Virusinfektionen erkrankt war.

10      Durch eine im BGBl. I Nr. 41/2006 veröffentlichte Gesetzesänderung wurde mit Wirkung vom 29. März 2006 ein Abs. 1a in § 7 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes eingefügt. Dieser lautet:

„Bei der Einfuhr von Blutprodukten zur direkten Transfusion ist die Verkehrsfähigkeit jedenfalls nicht gegeben, wenn die Blutspende, abgesehen von Fällen, in denen der Spender aufgrund eines unmittelbaren Bedarfs in einer akuten Notfallsituation von der Blutspendeeinrichtung zur unverzüglichen Spende aufgefordert wurde, nicht gänzlich unbezahlt erfolgt ist. Dies gilt nicht, wenn die Einfuhr zur Sicherung der Versorgung mit äußerst seltenen Blutgruppen erforderlich ist.“

11      Durch diese Änderung wurde zudem eine Z 2a in § 7 Abs. 3 des Arzneiwareneinfuhrgesetzes eingefügt; diese sieht vor, dass Importeure jedenfalls belegen müssen, „dass bei Blutprodukten zur direkten Transfusion die Spende gänzlich unbezahlt erfolgt ist oder in Fällen, in denen der Spender aufgrund eines unmittelbaren Bedarfs in einer akuten Notfallsituation von der Blutspendeeinrichtung zur unverzüglichen Spende aufgefordert wurde, nur ein Aufwandersatz geleistet wurde …“

12      § 8 Abs. 4 des Blutsicherheitsgesetzes 1999 bestimmt in seiner im BGBl. I Nr. 63/2005 veröffentlichten Fassung:

„Es ist untersagt, Spendern von Blut oder Blutbestandteilen oder dritten Personen für eine Spende einen Gewinn zukommen zu lassen oder zu versprechen. Erfolgt die Blutspende (Vollblut) für Produkte zur direkten Transfusion, so hat die Spende gänzlich unbezahlt zu erfolgen. Ein Aufwandersatz ist in diesen Fällen nur dann zulässig, wenn der Spender aufgrund eines unmittelbaren Bedarfs in einer akuten Notfallsituation von der Blutspendeeinrichtung zur unverzüglichen Spende aufgefordert wurde.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13      Am 1. November 2005 wurde die Ausschreibung eines Auftrags zur Belieferung des Wiener Krankenanstaltenverbunds mit Blutprodukten, und zwar leukozytendepletierten Erythrozythenkonzentraten, veröffentlicht. Diese Erythrozythenkonzentrate werden als Arzneimittel verkauft.

14      Das Ende der Angebotsfrist war für den 1. März 2006 vorgesehen. Der Lieferauftrag bestand aus fünf verschiedenen Losen; Angebote konnten für jedes Los einzeln abgegeben werden. Die ausgeschriebenen Rahmenverträge sollten eine Laufzeit von drei Jahren mit einer Option für eine einmalige Verlängerung um drei weitere Jahre haben.

15      In Punkt 2.2. der Ausschreibungsbedingungen heißt es:

„Der Liefergegenstand muss ... dem österreichischen Arzneiwareneinfuhrgesetz in der geltenden Fassung entsprechen, ... aus unbezahlt gewonnenen Spenden stammen und dem Stand der Wissenschaft entsprechen.“

16      Punkt 6 („Ausfall der Lieferung“) der besonderen Vertragsbestimmungen sieht insbesondere vor:

„Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die Versorgung sicherzustellen. Sollte es dennoch zu einem Verzug oder Ausfall der Lieferung kommen, ist der Wiener Krankenanstaltenverbund (aufgrund seiner Versorgungsverpflichtung) berechtigt, benötigte leukozytendepletierte Erythrozythenkonzentrate außerhalb des Rahmenvertrages zu besorgen, wobei die dadurch entstandenen Mehr- und Folgekosten der Auftragnehmer zu tragen hat.“

17      Zwei Bieter beteiligten sich an dem Verfahren, Humanplasma und das Österreichische Rote Kreuz. Wie sich ergab, hatte Humanplasma für zwei der fünf Lose das günstigste Angebot unterbreitet.

18      In einem Begleitschreiben zu ihrem Angebot bestätigte Humanplasma, dass sie über sämtliche erforderlichen Bewilligungen zur Erbringung der angebotenen Leistungen verfüge. Damit sei gewährleistet, dass der Liefergegenstand im Zeitpunkt der Angebotslegung den in Punkt 2.2. der Ausschreibungsbedingungen vorgegebenen Anforderungen entspreche. Hinsichtlich der künftigen Rechtslage könne jedoch keine Gewährleistung bzw. Garantie übernommen werden; sollte eine Änderung der Gesetzeslage und insbesondere des Arzneiwareneinfuhrgesetzes ihr die Einhaltung der Verpflichtung zur Lieferung der fraglichen Produkte unmöglich machen, werde sie für etwaige Mehr- und Folgekosten im Sinne von Punkt 6 der besonderen Vertragsbestimmungen keine Haftung übernehmen.

19      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass aufgrund der Änderung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes nach Ablauf der Angebotsfrist, die dahin ging, dass zur Transfusion eingeführte Blutprodukte – von zwei Sonderfällen abgesehen – nicht mehr verkauft werden durften, wenn die Blutspenden nicht gänzlich unbezahlt erfolgt waren, die von Humanplasma angebotenen Produkte, die nicht überwiegend aus solchen Spenden stammten, den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mehr entsprachen.

20      Im Zuge der Angebotsprüfung forderte die ausschreibende Stelle Humanplasma auf, zu erklären, ob sie die Einhaltung der in der Ausschreibung aufgestellten Lieferbedingungen gleichwohl garantieren könne. Da Humanplasma diese Garantien nicht geben konnte, teilte die ausschreibende Stelle ihr mit, dass ihr Angebot gemäß den nationalen Vergabebestimmungen ausgeschieden werde.

21      Der von Humanplasma beim Vergabekontrollsenat für Wien gestellte Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, ihr Angebot auszuscheiden, wurde u. a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Angebot von Humanplasma den nationalen Bestimmungen nicht entspreche und nicht zuschlagsfähig sei, da sie die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen zu den im Leistungsverzeichnis festgelegten Voraussetzungen nicht garantieren könne. Die ausschreibende Stelle habe das Angebot von Humanplasma daher zu Recht ausgeschieden.

22      Mit ihrer Klage gegen die Entscheidung des Vergabekontrollsenats für Wien begehrt Humanplasma unter Berufung auf die Haftung des Staates für die Verletzung von Gemeinschaftsrecht die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 840 000 Euro und die Erstattung von Nebengebühren. Zur Stützung ihrer Klage machte sie geltend, § 7 Abs. 1a des Arzneiwareneinfuhrgesetzes stelle eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine nach Art. 28 EG verbotene mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar. Da sie ihre Produkte nicht überwiegend aus gänzlich unbezahlten Spenden erhalte, sei sie verpflichtet gewesen, einen Vorbehalt zu setzen und auf die Unmöglichkeit der Einhaltung der Lieferbedingungen für das betreffende Produkt hinzuweisen. Wäre das Arzneiwareneinfuhrgesetz nicht geändert worden, hätte sie den Vorbehalt nicht setzen müssen, und ihr Angebot hätte nicht aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden werden dürfen.

23      Das mit der Rechtssache befasste Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 28 EG (in Verbindung mit Art. 30 EG) der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Einfuhr von Erythrozythenkonzentraten aus Deutschland nur unter der – auch für die nationale Gewinnung von Erythrozythenkonzentraten geltenden – Vorgabe zulässig ist, dass die Blutspende gänzlich unbezahlt (auch im Sinne eines Aufwandsersatzes) erfolgt ist?

 Zur Vorlagefrage

24      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 28 EG in Verbindung mit Art. 30 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einfuhr von Blut oder Blutbestandteilen aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter der auch für inländische Produkte geltenden Bedingung zulässig ist, dass die Spender des Blutes, aus dem diese Produkte gewonnen wurden, keinerlei Bezahlung, auch nicht im Sinne eines Aufwandsersatzes, erhalten haben.

25      Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist ein elementarer Grundsatz des EG-Vertrags, der in Art. 28 EG in dem Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 5. Juni 2007, Rosengren u. a., C‑170/04, Slg. 2007, I‑4071, Randnr. 31).

26      Das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst nach ständiger Rechtsprechung jede Regelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, Rosengren u. a., Randnr. 32, vom 20. September 2007, Kommission/Niederlande, C‑297/05, Slg. 2007, I‑7467, Randnr. 53, und vom 8. November 2007, Ludwigs-Apotheke, C‑143/06, Slg. 2007, I‑9623, Randnr. 26).

27      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die nationale Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, ein grundsätzliches Verbot der Einfuhr und des Inverkehrbringens von Blut und Blutbestandteilen aus bezahlten Blutspenden enthält, wobei die Erstattung der Aufwendungen, die dem Spender im Zusammenhang mit der Blutspende entstanden sind, nach dieser Regelung ebenfalls als Bezahlung angesehen wird.

28      Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbot des Inverkehrbringens gilt in gleicher Weise für Blutspenden, die in Österreich erfolgt sind, wie für Spenden, die in anderen Mitgliedstaaten abgegeben wurden.

29      Da in einigen anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit der Richtlinie 2002/98 die Aufwendungen für Blutspenden erstattet werden, können Blut und Blutbestandteile, die in diesen Mitgliedstaaten rechtmäßig gesammelt und in den Verkehr gebracht wurden, nicht nach Österreich eingeführt und dort verkauft werden.

30      Daher ist festzustellen, dass, wie die österreichische Regierung im Übrigen ausdrücklich einräumt, eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr zu behindern, und damit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 EG darstellt.

31      Um zu ermitteln, ob diese Regelung eine nach Art. 28 EG verbotene Beschränkung darstellt, ist weiter zu prüfen, ob sie, wie insbesondere die österreichische Regierung und die Europäische Kommission geltend gemacht haben, mit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt werden kann.

32      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Gesundheit der Bevölkerung den ersten Rang unter den in Art. 30 EG geschützten Gütern und Interessen einnimmt und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll (Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband, C‑322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnr. 103, vom 13. Juli 2004, Kommission/Frankreich, C‑262/02, Slg. 2004, I‑6569, Randnr. 24, Rosengren u. a., Randnr. 39, und Ludwigs-Apotheke, Randnr. 27).

33      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, mit der nach den Angaben der österreichischen Regierung zum einen gewährleistet werden soll, dass das Blut und die Blutbestandteile, die in Österreich verkauft werden, hohe Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllen, und zum anderen das in Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2002/98 verankerte Ziel, freiwillige, unbezahlte Blutspenden zu fördern, erreicht werden soll, den in Art. 30 EG anerkannten Belangen des Gesundheitsschutzes Rechnung trägt. Diese Ziele können eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs somit grundsätzlich rechtfertigen.

34      Nach der Rechtsprechung lässt sich jedoch eine Regelung, die eine durch den Vertrag gewährleistete Grundfreiheit wie den freien Warenverkehr beschränken kann, nur dann mit Erfolg rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 8. Mai 2003, ATRAL, C‑14/02, Slg. 2003, I‑4431, Randnr. 64, vom 7. Juni 2007, Kommission/Belgien, C‑254/05, Slg. 2007, I‑4269, Randnr. 33, vom 13. März 2008, Kommission/Belgien, C‑227/06, Randnr. 61, und vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C‑141/07, Slg. 2008, I‑6935, Randnr. 48).

35      Was erstens die Geeignetheit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung angeht, ergibt sich aus dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/98, dass freiwillige, unbezahlte Blutspenden ein Faktor sind, der zu hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut und Blutbestandteile und somit zum Gesundheitsschutz beitragen kann.

36      Da eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende verhindert, dass Blutspender einen finanziellen Vorteil aus ihrer Spende ziehen können, ist eine solche Regelung geeignet, diesen Bedenken Rechnung zu tragen und die Qualität und Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen zu verbessern; sie ist daher als zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung geeignet anzusehen.

37      Den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass – wie die österreichische Regierung geltend gemacht hat – eine Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, die es verbietet, den Blutspendern eine Erstattung z. B. der Fahrtkosten zu gewähren, die sie aufgewendet haben, um sich zu der ihrer Wohnung oder ihrem Arbeitsplatz am nächsten gelegenen Blutspendeeinrichtung zu begeben, geeignet ist, die Betroffenen zum Spenden von Blut zu ermutigen. Daher ist festzustellen, dass mit einer solchen Regelung das zweite Ziel, das mit der nationalen Regelung verfolgt werden soll, nicht erreicht werden kann.

38      Was zweitens die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es, da Art. 30 EG eine eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft darstellt, Sache der nationalen Behörden ist, nachzuweisen, dass diese Regelung erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und dass dieses Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreicht werden könnte, die weniger umfangreich sind oder den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1994, Van der Veldt, C‑17/93, Slg. 1994, I‑3537, Randnr. 15, vom 23. Oktober 1997, Franzén, C‑189/95, Slg. 1997, I‑5909, Randnrn. 75 und 76, vom 28. September 2006, Ahokainen und Leppik, C‑434/04, Slg. 2006, I‑9171, Randnr. 31, und Rosengren u. a., Randnr. 50).

39      Nach der in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zwar bei der Prüfung, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung beachtet worden ist, zu berücksichtigen, dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da dieses Niveau sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 51).

40      Zudem bedeutet die bloße Tatsache, dass ein Mitgliedstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen Mitgliedstaat geltenden, nicht, dass Letztere mit den Art. 28 EG und 30 EG unvereinbar sind (vgl. u. a. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 51).

41      Der Umstand, dass mehrere andere Mitgliedstaaten eine Erstattung der den Blutspendern entstandenen Aufwendungen vorsehen, kann jedoch bei der Beurteilung der für die österreichische Regelung vorgebrachten objektiven Rechtfertigung und insbesondere bei der Beurteilung ihrer Verhältnismäßigkeit relevant sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C‑333/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 105).

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich u. a. aus Art. 21 der Richtlinie 2002/98 ergibt, jede Blutspende, um die Qualität und die Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen sicherzustellen, gemäß den Anforderungen in Anhang IV der Richtlinie getestet werden muss, wobei es auf der Hand liegt, dass diese Anforderungen nach Maßgabe des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts der Weiterentwicklung bedürfen.

43      Daher ist die Vorgabe, dass die Blutspende ohne jede Erstattung der dem Spender entstandenen Aufwendungen erfolgt sein muss, für sich genommen jedenfalls nicht erforderlich, um die Qualität und die Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen zu gewährleisten.

44      Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, dass die Richtlinie 2002/98 und die Empfehlung R (95) 14, auf die diese Richtlinie Bezug nimmt, zwar den Schutz der Gesundheit der Spender und der Empfänger von Blut dadurch verbessern sollen, dass sie Normen und Grundsätze aufstellen, denen die freiwilligen und unbezahlten Blutspenden entsprechen müssen; sie schreiben jedoch nicht vor, dass die Spenden gänzlich unbezahlt sein müssen, sondern sehen vor, dass geringfügige Anerkennungen, Erfrischungen und die Erstattung der mit der Spende verbundenen An- und Abreisekosten mit der freiwilligen und unbezahlten Spende vereinbar sind, so dass diese Elemente nicht als geeignet anzusehen sind, die Qualität und die Sicherheit dieser Spenden sowie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen.

45      Aus diesen Erwägungen ist zu folgern, dass eine Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels, die Qualität und die Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen zu gewährleisten, erforderlich ist.

46      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 28 EG in Verbindung mit Art. 30 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einfuhr von Blut oder Blutbestandteilen aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter der auch für inländische Produkte geltenden Bedingung zulässig ist, dass die Spender des Blutes, aus dem diese Produkte gewonnen wurden, nicht nur keine Bezahlung, sondern auch keine Erstattung der Aufwendungen erhalten haben, die ihnen im Rahmen dieser Spenden entstanden sind.

 Kosten

47      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 28 EG in Verbindung mit Art. 30 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einfuhr von Blut oder Blutbestandteilen aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter der auch für inländische Produkte geltenden Bedingung zulässig ist, dass die Spender des Blutes, aus dem diese Produkte gewonnen wurden, nicht nur keine Bezahlung, sondern auch keine Erstattung der Aufwendungen erhalten haben, die ihnen im Rahmen dieser Spenden entstanden sind.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.