Language of document : ECLI:EU:C:2014:310

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 8. Mai 2014(1)

Verbundene Rechtssachen C‑401/12 P bis C‑403/12 P

Rat der Europäischen Union,

Europäisches Parlament,

Europäische Kommission

gegen

Vereniging Milieudefensie

und

Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht

„Rechtsmittel – Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g und Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 – Antrag auf interne Überprüfung – Unzulässigkeit – Einrede der Rechtswidrigkeit – Kontrolle der Gültigkeit des abgeleiteten Unionsrechts im Verhältnis zu einer internationalen Übereinkunft – Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat – Voraussetzungen für die Möglichkeit einer unmittelbaren Berufung auf die Übereinkommensbestimmungen“







Inhaltsverzeichnis


I – Einführung

II – Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtenes Urteil

III – Anträge der Verfahrensbeteiligten und Verfahren vor dem Gerichtshof

IV – Zur Grundlage der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Normen des abgeleiteten Unionsrechts im Hinblick auf das Völkervertragsrecht (erster Rechtsmittelgrund)

A – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

B – Zu den Auswirkungen des Völkerrechts auf das Unionsrecht

C – Zum angefochtenen Urteil

V – Zur Alternativlösung für die Rechtmäßigkeitskontrolle – Gründe für die Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

A – Zur Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf die Abkommensbestimmungen zum Zweck der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Unionsrechts

1. Zur unmittelbaren Wirkung als Kriterium der Rechtmäßigkeitskontrolle

2. Zur Anpassung der Voraussetzungen für die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung

B – Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus als Referenznorm für die Rechtmäßigkeitskontrolle

VI – Subsidiäre Prüfung im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle

A – Vorbemerkungen

B – Argumente der Kommission im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes

C – Zur Kontrolle umweltrechtlicher Verstöße im Rahmen des Übereinkommens von Århus

D – Zum Umfang der Kontrolle umweltrechtlicher Verstöße in der Århus-Verordnung

E – Ergänzende Überlegungen

VII – Zum Anschlussrechtsmittel

VIII – Ergebnis

I –    Einführung

1.        Die vorliegende Reihe von Rechtsmitteln wirft grundsätzliche Fragen für die Rechtsordnung der Europäischen Union auf. Sie hat verfassungsrechtliche Bedeutung und spiegelt ein Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, die Eigenständigkeit des Unionsrechts zu wahren, einerseits und dem Willen zur Einhaltung der sich aus den Verträgen, an denen die Union beteiligt ist, ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen andererseits wider.

2.        Die Besonderheit der vorliegenden Rechtssachen liegt darin, dass die fragliche internationale Übereinkunft, nämlich das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus), das mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005(2) genehmigt wurde, insbesondere darauf abzielt, zugunsten von Umweltschutzorganisationen besondere Verfahrensrechte zu schaffen, um die als gemeinsames Gut verstandene Umwelt im allgemeinen Interesse zu schützen. Dieser Fall hebt sich somit ab von der Zweiteilung in die öffentliche Hand und die Einzelnen, die traditionell als Gesichtspunkt für die Beurteilung der internen Wirkungen der Abkommensbestimmungen herangezogen wurde(3).

3.        Im besonderen Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Århus wird der Gerichtshof aufgefordert, die Voraussetzungen der Möglichkeit der unmittelbaren Berufung(4) auf die Bestimmungen des Völkergewohnheitsrechts vor den Unionsgerichten im Rahmen von Streitigkeiten über Nichtigkeitsklagen mit dem Ziel der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Unionsrechts zu überdenken.

4.        Die vorliegende Reihe von Rechtssachen hat ihren Ursprung im Nebeneinander von zwei Bestimmungen, eine aus dem Völkervertragsrecht, die andere aus dem abgeleiteten Unionsrecht, mit der das fragliche Übereinkommen umgesetzt werden soll.

5.        Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus sieht hinsichtlich des „Zugangs zu Gerichten“ nämlich vor: „Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“ Die Bedeutung dieser Bestimmung wird in Art. 9 Abs. 4 präzisiert, der insbesondere verlangt, dass die in Abs. 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicherstellen und diese Verfahren fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer sind.

6.        Die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft ist in der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006(5) (im Folgenden: Århus-Verordnung) geregelt. Nach Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung, der den Antrag auf „interne Überprüfung von Verwaltungsakten“ regelt, kann „jede Nichtregierungsorganisation, die die in Artikel 11 festgelegten Kriterien erfüllt[(6)], … bei dem Organ oder der Einrichtung der Gemeinschaft, die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat oder – im Falle einer behaupteten Unterlassung – einen solchen Akt hätte annehmen sollen, eine interne Überprüfung beantragen“. Der Begriff „Verwaltungsakt“ im Sinne dieser Vorschrift ist nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung definiert als „jede Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat“. Der Unionsgesetzgeber hat die Rechtsakte von allgemeiner Geltung somit vom Bereich der Kontrolle ausgenommen, die von den Umweltschutzorganisationen in die Wege geleitet werden kann.

7.        Im Urteil Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission (T‑396/09, EU:T:2012:301, im Folgenden: angefochtenes Urteil), hat das Gericht die Rechtmäßigkeit der Århus-Verordnung im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus geprüft und sich dabei auf die Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat zu den Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (im Folgenden: GATT) und des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO-Übereinkommen)(7) berufen.

8.        Obwohl mir das Urteil des Gerichts aus diesem Grund einen Rechtsfehler aufzuweisen scheint, der zu seiner Aufhebung führen muss, liegt der wesentliche Aspekt dieses Rechtsfehlers doch in den vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf die Abkommensbestimmungen, die scheinbar nicht ganz kohärent sind. Nach dieser Rechtsprechung muss eine Abkommensbestimmung, um ein Kriterium für die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts darstellen zu können, insbesondere inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein, d. h. unmittelbare Wirkung haben(8). Um aber, richtigerweise, zu einer Lösung zu gelangen, die es erlaubt, die Vereinbarkeit der Århus-Verordnung mit dem Übereinkommen von Århus zu prüfen, hat das Gericht offensichtlich versucht, diese Voraussetzung zu umgehen(9). Ich meine, dass dieses vom Gericht ausgesendete Signal aufmerksam gehört werden muss.

9.        Sollte der Gerichtshof sich meiner Beurteilung anschließen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, böte sich ihm somit die folgende Wahl. Falls er überhaupt keine Zweifel hat, käme in Betracht, der im Urteil Intertanko u. a.(10) herausgebildeten Rechtsprechung zu folgen, nach der die Möglichkeit einer Gültigkeitskontrolle vom Kriterium der unmittelbaren Wirkung abhängt, und die Möglichkeiten der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des internen Rechts zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus sowohl auf Unionsebene als auch in den Mitgliedstaaten endgültig zu versperren.

10.      Vorzugswürdig scheint es mir jedoch, aus den Gründen, die ich darlegen werde, dafür zu plädieren, dass der Gerichtshof eine Anpassung der Voraussetzungen für die Möglichkeit der Berufung vornimmt, ähnlich wie der Ansatz, den er im sogenannten Biotech-Urteil(11) gewählt hat, in dem ausdrücklich ausgeschlossen wurde, dass die unmittelbare Wirkung eine allgemeine Voraussetzung für die Möglichkeit der Berufung im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle ist.

11.      Eine Lockerung der Voraussetzungen für die Möglichkeit der Berufung würde, selbst wenn die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen werden sollte, diesem somit erlauben, auf einer geeigneten Grundlage zu entscheiden, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber den Einzelnen mit dem Erlass der Århus-Verordnung einen hinreichenden Rechtsschutz im Licht des Übereinkommens von Århus eingeräumt hat.

II – Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtenes Urteil

12.      Den Rechtssachen liegt eine Entscheidung der Europäischen Kommission vom 7. April 2009(12) zugrunde, mit der sie dem Königreich der Niederlande eine zeitlich begrenzte Ausnahme von den in der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa(13) vorgesehenen Verpflichtungen bewilligte (im Folgenden: Ausnahmeentscheidung).

13.      Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 stellten die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (im Folgenden: Umweltschutzorganisationen) nach Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung einen Antrag bei der Kommission auf interne Überprüfung der Ausnahmeentscheidung. Mit Entscheidung C(2009) 6121 vom 28. Juli 2009 (im Folgenden: Unzulässigkeitsentscheidung), wies die Kommission diesen Antrag als unzulässig ab, weil die Ausnahmeentscheidung keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls sei und deshalb nicht Gegenstand des internen Überprüfungsverfahrens nach der Århus-Verordnung sein könne. Daraufhin erhoben die Umweltschutzorganisationen beim Gericht Klage.

14.      In dem angefochtenen Urteil gab das Gericht, nachdem es den Klagegrund der Organisationen, der darauf gerichtet war, die Ausnahmeentscheidung als Einzelfallentscheidung einzustufen, zurückgewiesen hatte, einer von diesen Organisationen gegen Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit, die auf eine Unvereinbarkeit dieser Bestimmungen mit dem Übereinkommen von Århus gestützt war, statt. Demzufolge erklärte das Gericht die Unzulässigkeitsentscheidung auf Antrag der Umweltschutzorganisationen für nichtig.

15.      Für eine detaillierte Beschreibung der Tatsachen und des Verfahrens wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

III – Anträge der Verfahrensbeteiligten und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Mit seinem am 3. September 2012 eingelegten Rechtsmittel (Rechtssache C‑401/12 P) hat der Rat der Europäischen Union beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage der Klägerinnen in vollem Umfang abzuweisen und diese gesamtschuldnerisch und gemeinschaftlich zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

17.      Mit seinem am 24. August 2012 eingelegten Rechtsmittel (Rechtssache C‑402/12 P) hat das Europäische Parlament beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage im Grundsatz abzuweisen und die Klägerinnen im ersten Rechtszug zur Tragung der Kosten des vorliegenden Rechtsmittels zu verurteilen.

18.      Mit ihrem am 27. August 2012 (Rechtssache C‑403/12 P) eingelegten Rechtsmittel hat die Kommission beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden und die Klage auf Nichtigerklärung der Unzulässigkeitsentscheidung abzuweisen sowie die Klägerinnen im ersten Rechtszug zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die ihr im ersten Rechtszug und im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens entstanden sind.

19.      Die Rechtssachen C‑401/12 P, C‑402/12 P und C‑403/12 P sind für die Zwecke des schriftlichen und mündlichen Verfahrens sowie des Urteils mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. November 2012 verbunden worden.

20.      Am 25. Februar 2012 haben die Umweltschutzorganisationen eine Rechtsmittelbeantwortung eingereicht. Nach dem Berichtigungsantrag vom 1. März 2013 haben die genannten Parteien ein Anschlussrechtsmittel nach Art. 176 Abs. 2 der Verfahrensordnung eingelegt.

21.      Der Rat, das Parlament, die Kommission, die Umweltschutzorganisationen und die tschechische Regierung(14) sind in der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2013 angehört worden.

IV – Zur Grundlage der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Normen des abgeleiteten Unionsrechts im Hinblick auf das Völkervertragsrecht (erster Rechtsmittelgrund)

A –    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

22.      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen der Rat, das Parlament und die Kommission im Wesentlichen geltend, die Gültigkeit der Århus-Verordnung könne in der vorliegenden Rechtssache nicht geprüft werden, da Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus, wie der Gerichtshof im Urteil Lesoochranárske zoskupenie(15) entschieden habe, keine unmittelbare Wirkung entfalte, und die vom Gerichtshof zum Zweck der Anerkennung einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten des abgeleiteten Rechts entwickelten Voraussetzungen Ausnahmecharakter hätten. Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den im Urteil Lesoochranárske zoskupenie gewählten Ansatz außer Acht gelassen und sich auf die Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat(16) gestützt habe, nach der eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten des abgeleiteten Rechts in Ausnahmefällen möglich sei.

23.      Diesbezüglich vertreten die Rechtsmittelführer übereinstimmend die Ansicht, die Ausnahmefälle seien restriktiv auszulegen(17), und die Bestimmungen des Übereinkommens von Århus erfüllten jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat aufgestellten Voraussetzungen.

24.      Nach Ansicht des Rates betrifft das Urteil Fediol/Kommission den Fall, dass ein Unionsrechtsakt ausdrücklich auf bestimmte Vorschriften einer internationalen Übereinkunft verweist. Dies sei bei der Århus-Verordnung nicht der Fall, weil die einfache Verweisung eines Rechtsakts des abgeleiteten Rechts auf eine internationale Übereinkunft nicht genüge, um eine gerichtliche Überprüfung dieses Rechtsakts im Hinblick auf den völkerrechtlichen Vertrag zu rechtfertigen. Außerdem könne sich das Gericht nicht auf das Urteil Nakajima/Rat stützen, da dieses eine unterschiedliche Situation betreffe, in der der Unionsrechtsakt dazu diene, eine „besondere“ Verpflichtung aus dem völkerrechtlichen Vertrag auszuführen.

25.      Das Parlament teilt diese Bewertung des Urteils Fediol/Kommission. Hinsichtlich des Urteils Nakajima/Rat führt es aus, diese Rechtsprechung gelte für einen sehr begrenzten Bereich(18) und ziele auf den Fall ab, dass die Union eine „besondere Verpflichtung“ erfüllen solle. Somit gehe es der Union nicht darum, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen im Allgemeinen nachzukommen, da sie über einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise verfüge, wie sie den ihr obliegenden Verpflichtungen aus einem bestehenden völkerrechtlichen Vertrag nachkomme(19), sondern darum, ein Übereinkommen zu erfüllen, das die Union in einer bestimmten Weise zum Handeln verpflichtet und ihr keinen Ermessensspielraum lasse(20).

26.      Die Kommission fügt ihrerseits hinzu, das Urteil Nakajima/Rat gehe auf Rechtssachen im Bereich Antidumping zurück und sei in der Rechtsprechung des Gerichtshofs fast ausschließlich in Fällen der inzidenten Kontrolle der Vereinbarkeit der Antidumpingverordnungen der Union mit den GATT‑Antidumpingkodexen von 1979 und 1994 zur praktischen Anwendung gekommen. Ihrer Ansicht nach kann dieses Urteil nicht dahin ausgelegt werden, dass es alle Fälle erfasst, in denen die Union eine Maßnahme zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Rahmen internationaler Übereinkommen erlässt.

27.      Die Umweltschutzorganisationen beantragen in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, das angefochtene Urteil „für gültig zu erklären“, sei es mit einer abgeänderten oder der gleichen Begründung, und die von der Kommission, dem Rat und dem Parlament eingelegten Rechtsmittel vollständig abzuweisen. Sie sind der Ansicht, Art und Gegenstand des Übereinkommens von Århus stünden der Kontrolle der Gültigkeit nicht entgegen und die Voraussetzungen des Urteils Fediol/Kommission seien in der vorliegenden Rechtssache erfüllt, weil die Århus-Verordnung mehrere Bezugnahmen auf dieses Übereinkommen enthalte.

B –    Zu den Auswirkungen des Völkerrechts auf das Unionsrecht

28.      Es ist gesagt worden, dass man bis zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staates vordringen müsse, um die Haltung der nationalen Richter gegenüber den internationalen Übereinkünften zu verstehen und zu beurteilen(21). Diese Anforderung stellt sich in den vorliegenden Rechtssachen umso mehr, als der Gerichtshof die Richtwerte für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Auswirkungen des Übereinkommens von Århus auf die Rechtsordnung der Union präzisieren muss und die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten Grundsätze zum Verhältnis zwischen dem Völkerrecht und dem Unionsrecht entwickelt hat, deren Anwendung zuweilen Fragen aufwirft.

29.      Wie ich bereits ausgeführt habe, bin ich der Ansicht, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es in der vorliegenden Rechtssache die Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat angewandt hat, weil diese Urteile eine eng gefasste, im Rahmen der Rechtsprechung zum GATT und zum WTO-Übereinkommen entwickelte Ausnahme betreffen, und nicht allgemein die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Unionsrechts behandeln. Zur Verdeutlichung dieser Auffassung ist es jedoch notwendig, die Entwicklung der Rechtsprechung zu den internen Auswirkungen der völkerrechtlichen Verpflichtungen im Unionsrecht zu analysieren. Daraus wird sich ergeben, dass sich die Rechtsprechung im Laufe der Jahre ähnlich wie ein Baum entwickelt hat und mehreren Verzweigungen gefolgt ist, die aber nach dem Prinzip des Monismus von einem „gemeinsamen Stamm“ zusammengehalten werden.

1.      Der monistische gemeinsame Stamm

30.      Ganz allgemein ist seit dem Urteil Haegeman von 1974(22) davon auszugehen, dass Art. 216 AEUV (ex-Art. 300 Abs. 7 EG) auf einem monistischen Ansatz basiert, da dieser bestimmt, dass „[d]ie von der Union geschlossenen Übereinkünfte … die Organe der Union und die Mitgliedstaaten [binden]“(23), was eine „automatische Übernahme“(24) dergestalt voraussetzt, dass die internationalen Übereinkünfte als solche zu den Rechtsquellen der Union gehören.

31.      Mit dem Urteil Kupferberg von 1982(25) hat der Gerichtshof die Einbeziehung der internationalen Übereinkünfte in die Gemeinschaftsrechtsordnung bestätigt und zugleich hervorgehoben, dass „bei der Entscheidung darüber, welche Wirkungen die Bestimmungen eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und einem dritten Land innerhalb der Gemeinschaft entfalten, der völkerrechtliche Ursprung der fraglichen Bestimmungen nicht außer Acht gelassen werden darf“ und „nach den Grundsätzen des Völkerrechts die Vertragsparteien vereinbaren können, welche Wirkungen die Bestimmungen des Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen“. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass es den Organen, die für das Aushandeln und den Abschluss eines Abkommens mit einem dritten Land zuständig sind, unbenommen bleibt, zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen des Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen. Nur wenn diese Frage durch das Abkommen nicht geregelt worden ist, hat der Gerichtshof über diese Frage zu entscheiden(26).

32.      Nach dem monistischen Ansatz entfalten die Abkommensbestimmungen somit selbst dann Wirkungen in der Unionsrechtsordnung, wenn kein Legislativ- oder Durchführungsakt zu ihrer Umsetzung erlassen wurde(27). Wie Generalanwältin Rozès in der Rechtssache Polydor ausgeführt hat, hat die Verordnung, die das internationale Abkommen billigt, nur instrumentale Bedeutung(28). Zahlreiche spätere Entscheidungen bestätigen, dass die Bestimmungen der internationalen Übereinkünfte Bestandteil des Unionsrechts sind, auch wenn ihre Bestimmungen keine Richtwerte für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Unionsrechts darstellen(29).

33.      Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass gerade der Grundsatz des Monismus zum Entstehen des Problems der Möglichkeit der Berufung auf das Völkerrecht geführt hat, ganz besonders angesichts des unionsrechtlichen Grundsatzes, nach dem internationale Übereinkünfte Vorrang gegenüber allen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts haben(30). In der Rechtsprechung wird nämlich anerkannt, dass Art. 216 Abs. 2 AEUV Rechtsgrundlage für die Ungültigkeit einer mit dem Völkerrecht unvereinbaren Bestimmung des abgeleiteten Rechts sein kann. Im Unionsrecht erstreckt sich dieser Vorrang nicht auf das Primärrecht und insbesondere nicht auf die allgemeinen Grundsätze sowie die Grundrechte(31).

34.      Hinsichtlich der Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts im Hinblick auf eine völkerrechtliche Bestimmung hat der Gerichtshof im Urteil International Fruit Company u. a. von 1972 ausgeführt, dass seine Zuständigkeit zur Gültigkeitskontrolle im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens sich auf sämtliche Gründe für eine Ungültigkeit der Rechtsakte des abgeleiteten Rechts erstrecke und der Gerichtshof zu prüfen habe, ob die Gültigkeit dieser Rechtsakte dadurch beeinträchtigt werden könne, dass sie einer Regel des Völkerrechts widersprächen(32), und hat gleichzeitig verlangt, dass die Voraussetzung der unmittelbaren Wirkung vor dem nationalen Richter erfüllt sein müsse.

35.      Schließlich verlangt der Vorrang der von der Union abgeschlossenen internationalen Übereinkünfte gegenüber den Rechtsakten des abgeleiteten Rechts, diese nach Möglichkeit so auszulegen, dass sie mit den Vorschriften der genannten Übereinkommen vereinbar sind(33).

36.      In Bezug auf die vorliegende Rechtssache ist hervorzuheben, dass der monistische Ansatz mit seiner automatischen Einbeziehung der völkerrechtlichen Bestimmungen die Grundregel darstellt, mit deren Hilfe das Verhältnis zwischen dem Unionsrecht und dem Völkerrecht eingeschätzt werden kann(34). Im Namen der Autonomie des Unionsrechts erfordert dieses enge Verhältnis jedoch eine vorsichtige Haltung, wie dies besonders signifikant die Weigerung des Gerichtshofs zeigt, den Bestimmungen des GATT und des WTO-Übereinkommens unmittelbare Wirkung zuzuerkennen(35), wodurch es möglich gewesen wäre, sich auf sie zu berufen.

2.      Erster dualistischer Ansatz (Rechtsprechung GATT/WTO)

37.      Die Unterscheidung zwischen Monismus und Dualismus stellt natürlich eine Vereinfachung dar, hinter der sich signifikante Unterschiede zwischen den Systemen der beiden Lager verbergen(36), doch liegt ein Merkmal des Dualismus darin, dass die Bestimmungen des Völkerrechts auf der nationalen Ebene nicht direkt anwendbar sind, weil ihre rechtlichen Wirkungen in der innerstaatlichen Rechtsordnung von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften abhängt, die die Umsetzung dieser Bestimmungen sicherstellen sollen (Transformation). Allerdings ist die Auslegung der fraglichen innerstaatlichen Bestimmungen, gerade weil eine internationale Rechtsquelle vorliegt, vom Grundsatz der „treaty friendly interpretation“ geprägt, um mögliche Konflikte zwischen der nationalen Bestimmung und einer völkerrechtlichen Verpflichtung im Rahmen des Möglichen zu vermeiden. Diesen Ansatz hat der Gerichtshof im Wesentlichen in seiner Rechtsprechung zum GATT und zum WTO-Übereinkommen(37) angewandt, ohne jedoch seine Abkehr vom Monismus als Grundprinzip einzugestehen.

38.      Entsprechend der Aufforderung des Generalanwalts Mayras, der sich für eine Kohärenz zwischen den internationalen Übereinkünften und den Handlungen der Organe ausgesprochen hatte, hat der Gerichtshof in der Rechtssache International Fruit Company u. a. entschieden, dass die Gültigkeit der Handlungen der Organe „an einer Bestimmung des Völkerrechts gemessen werden [können], wenn diese Bestimmung die Gemeinschaft bindet und ein Recht der Gemeinschaftsangehörigen begründet, sich vor Gericht auf sie zu berufen“(38). Allerdings hat der Gerichtshof in dieser Rechtssache entschieden, dass Art. XI des GATT eine solche Wirkung nicht entfaltet.

39.      Diese Rechtsprechung bestätigt den besonderen Charakter des GATT und des WTO-Übereinkommens(39), der darin besteht, dass sie einerseits „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen“ ausgehandelt wurden und andererseits der Haltung der Gemeinschaft zur Zeit ihrer Abschlüsse entsprechen(40).

40.      Es steht nämlich fest, dass die WTO-Übereinkünfte keinen Hinweis darauf enthalten, welchen Status sie in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Unterzeichnerstaaten haben. Im Unterschied zur Unionsrechtslage nach dem im Urteil Van Gend en Loos zum Ausdruck gebrachten Grundsatz haben das GATT und das WTO-Übereinkommen keine neue Rechtsordnung geschaffen, die die Vertragspartner, die Mitgliedstaaten oder deren Bürger mit einbezögen(41). Demzufolge verleiht das System der WTO-Abkommen den Einzelnen nur durch die von den WTO-Mitgliedern getroffenen Entscheidungen Rechte und verpflichtet die nationalen Gerichte nicht, eine den WTO-Regelungen zuwiderlaufende Bestimmung nicht anzuwenden(42).

41.      Hinsichtlich des GATT hat der Gerichtshof klargestellt, dass ein Einzelner sich vor den Gerichten der Gemeinschaft nicht auf dieses Abkommen berufen kann, um die Gültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft in Frage zu stellen(43). Das GATT sei in Anbetracht der unverbindlichen Regelung von Meinungsverschiedenheiten sowie der Möglichkeit, sich den Verpflichtungen des Abkommens zu entziehen, wenn durch die Anwendung der im Rahmen des GATT eingegangenen Verpflichtungen ein Schaden entstehe oder zu entstehen drohe, durch die Geschmeidigkeit seiner Bestimmungen gekennzeichnet.

42.      Hinsichtlich der WTO-Übereinkünfte hat der Gerichtshof zunächst klargestellt, dass in diesen nicht festgelegt ist, mit welchen rechtlichen Maßnahmen die WTO-Mitglieder diese Übereinkünfte nach Treu und Glauben in ihre interne Rechtsordnung umzusetzen haben(44). Er hat betont, dass das System des Streitbeilegungsmechanismus der Verhandlung zwischen den Parteien einen hohen Stellenwert einräume. Somit dürfe ein Mitglied, das mit den WTO-Regelungen unvereinbare Maßnahmen getroffen habe, auf eine einvernehmliche Entschädigung zurückgreifen, statt die fraglichen Maßnahmen zurückzuziehen. Die Aufhebung einer den Verpflichtungen der WTO-Übereinkünfte zuwiderlaufenden Maßnahme würde den Legislativ- oder Exekutivorganen der Vertragsparteien letztlich die Möglichkeit nehmen, Verhandlungslösungen zu finden. Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Ablehnung der Handelspartner der Gemeinschaft, sich auf der Grundlage der WTO-Übereinkünfte einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer internen Rechtsvorschriften zu unterwerfen, auch auf Erwägungen der Gegenseitigkeit abgestellt(45).

43.      Der Gerichtshof hat seinen Ansatz strikt beibehalten, indem er einem Einzelnen die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs auf die WTO-Regelungen zu berufen, selbst dann verweigert hat, wenn die angefochtene Handlung vom Streitbeilegungsgremium der WTO gerügt worden ist(46). Aus dieser Rechtsprechung folgt auch, dass selbst die privilegiert Klageberechtigten keine Rechtmäßigkeitskontrolle verlangen dürfen(47). Dieser Ansatz hat den Gerichtshof jedoch nicht davon abgehalten, in der Nichtbeachtung der Bestimmungen des GATT eine Pflichtverletzung zu sehen(48).

44.      Dies stellt jedoch nicht die grundsätzliche Regel in Frage, nach der das GATT und die WTO-Übereinkünfte Teil des Gemeinschaftsrechts und für die Gemeinschaft somit grundsätzlich verbindlich sind(49). Nach dem Gerichtshof sind die Normen der WTO (in diesem Fall die TRIPS-Übereinkommen), da sie integraler Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, Richtwerte für die Auslegung der Unionsrechtsakte(50).

3.      Verzweigung des ersten Ansatzes (Rechtsprechung in den Urteilen Fediol/Kommission und Nakajima/Rat)

45.      Angesichts der restriktiven allgemeinen Rechtsprechung zu den Auswirkungen des GATT und der WTO-Übereinkünfte hat der Gerichtshof eine Ausnahme eingeführt(51), die auch unter dem Begriff „Implementierungsgrundsatz“(52) bekannt ist und nach der die Gemeinschaftsgerichte die Rechtmäßigkeit eines Aktes des abgeleiteten Rechts im Licht der WTO-Regelungen, zu denen das GATT gehört, kontrollieren können, „wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung umsetzt oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist“(53).

46.      In der Rechtssache Fediol/Kommission stellte die Klägerin die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission, mit der ihr Antrag auf Eröffnung eines Prüfverfahrens gegen Handelspraktiken Argentiniens abgelehnt worden war, in Frage. Hierfür berief sie sich auf die Verordnung (EWG) Nr. 2641/84 des Rates vom 17. September 1984 zur Stärkung der gemeinsamen Handelspolitik und insbesondere des Schutzes gegen unerlaubte Handelspraktiken(54) und fügte hinzu, die genannten Handelspraktiken liefen auch mehreren Bestimmungen des GATT zuwider(55). In der Rechtssache Nakajima/Rat berief sich die Klägerin nach Art. 184 EWG auf die Unanwendbarkeit der Bestimmungen einer Antidumping-Verordnung und machte dabei insbesondere geltend, diese Verordnung verstoße gegen bestimmte Vorschriften des GATT‑Antidumpingkodex.

47.      Wie sich aus dem Urteil Van Parys(56) ergibt, sind die genannten Urteile die beiden einzigen Ausnahmen von der allgemeinen Regel und betreffen den Bereich des GATT und der WTO-Übereinkünfte, weil diese ihrer Natur und ihrem Gegenstand nach auf den Grundsätzen der Verhandlung und Gegenseitigkeit sowie auf der Notwendigkeit basieren, den Organen der Union einen Handlungsspielraum zu belassen.

48.      Der erste Rechtsmittelgrund ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

C –    Zum angefochtenen Urteil

49.      Zunächst sei angemerkt, dass sich die Urteilsbegründung des Gerichts in den Rn. 55 bis 57 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen auf die eine der im Rahmen des GATT und der WTO-Übereinkünfte entwickelten Ausnahmen, nämlich die im Urteil Nakajima/Rat, stützt, während auf das Urteil Fediol/Kommission nur hilfsweise, ja sogar nur redaktionell verwiesen wird(57). Ich meine, dass Rn. 58 des angefochtenen Urteils eine Begründung der dort im ersten Satz getroffenen Feststellung darstellt, nach der die Århus-Verordnung zur Erfüllung der sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ergebenden Verpflichtungen der Union erlassen worden ist.

50.      Folglich hat sich das Gericht angesichts der Weigerung des Gerichtshofs im Urteil Lesoochranárske zoskupenie (EU:C:2011:125), eine unmittelbare Wirkung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus anzuerkennen, und weil diese Weigerung jede Möglichkeit einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Rechts anhand einer Übereinkommensbestimmung auszuschließen schien, hinsichtlich der „Umsetzung“ einer internationalen Übereinkunft für die Anwendung einer Ausnahme auf der Grundlage des Urteils Nakajima/Rat entschieden.

51.      Hierdurch hat das Gericht meiner Ansicht nach einen Rechtsfehler begangen, der auf zwei Ebenen deutlich wird.

52.      Auf der ersten Ebene besteht dieser Fehler darin, der Rechtsprechung zum GATT und zu den WTO-Übereinkünfte allgemeine Gültigkeit zuzumessen. Der Fehler liegt somit in der Übertragung einer Rechtsprechung zu spezifischen Übereinkünften, die – wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt – durch die Logik und das Rechtssystem eines grundlegend unterschiedlichen Bereichs gekennzeichnet sind, auf das Übereinkommen von Århus zur Vornahme einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Rechts im Hinblick auf dieses Übereinkommen. Meines Erachtens ist es daher ausgeschlossen, die Argumente, die zu dieser Rechtsprechung geführt haben, auf andere Rechtsbereiche anzuwenden(58).

53.      Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, den besonderen Charakter der Vorschriften des GATT und der WTO-Übereinkünfte gegenüber den Vorschriften anderer völkerrechtlicher Verträge, wie dem Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe(59) und dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt(60), herauszustellen, um daraus abzuleiten, dass die genannten Vorschriften nicht auf Bereiche außerhalb ihres Rahmens übertragen werden können. Er hat klargestellt, dass der Ausschluss der Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsakts im Hinblick auf die GATT/TRIPS/TBT‑Übereinkünfte nicht auf ein Übereinkommen anwendbar sein kann, das im Gegensatz zum WTO-Übereinkommen nicht strikt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen beruht(61).

54.      Dementsprechend hat sich das Gericht, auf einer zweiten Ebene, zu Unrecht bemüht, die Rechtmäßigkeitskontrolle mittels der durch das Urteil Nakajima/Rat eingeführten Ausnahme zu begründen, da dieses Urteil eine Verzweigung innerhalb der Rechtsprechung zum GATT und zum WTO-Übereinkommen darstellt und zu diesem Rechtsgebiet gehört.

55.      Wie das Gericht im Urteil Chiquita Brands u. a./Kommission ausgeführt hat, soll die im Urteil Nakajima/Rat formulierte Regel es dem Einzelnen ausnahmsweise ermöglichen, sich inzident auf eine Verletzung der Vorschriften des GATT oder der WTO-Übereinkünfte durch die Gemeinschaft oder ihre Organe zu berufen. Als Ausnahme von dem Grundsatz, wonach der Einzelne Bestimmungen der WTO-Übereinkommen vor dem Gemeinschaftsrichter nicht unmittelbar geltend machen kann, wird diese Regel restriktiv ausgelegt(62). Meiner Ansicht nach schließt eine solche Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Regel es aus, sich außerhalb des Regelungsbereichs des GATT und der WTO-Übereinkommen auf sie zu berufen. Somit ist nicht einmal zu prüfen, ob die fraglichen Ausnahmen im vorliegenden Fall richtig angewandt worden sind.

56.      Folglich schlage ich vor, dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als dem zweiten Klagegrund in der ersten Instanz stattgegeben und die Rechtmäßigkeitskontrolle auf der Grundlage der Urteile Fediol/Kommission und Nakajima/Rat durchgeführt wurde.

57.      Meines Erachtens ist die Rechtssache aus den folgenden Gründen, die von den Parteien nicht erörtert werden konnten, nicht im Sinne von Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs entscheidungsreif und müsste an das Gericht zurückverwiesen werden. Falls der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache jedoch auf der Grundlage des Urteils Intertanko u. a. (EU:C:2008:312), auf das sich die Rechtsmittel stützen, entscheiden will, wäre es nicht mehr notwendig, die Rechtssache zurückzuverweisen.

V –    Zur Alternativlösung für die Rechtmäßigkeitskontrolle – Gründe für die Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

A –    Zur Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf die Abkommensbestimmungen zum Zweck der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Unionsrechts

1.      Zur unmittelbaren Wirkung als Kriterium der Rechtmäßigkeitskontrolle

58.      Nach ständiger Rechtsprechung kann die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt werden(63). In seiner klassischen Rechtsprechung geht der Gerichtshof bei der Ermittlung einer solchen Unvereinbarkeit schrittweise vor. Zunächst muss die Union an die fraglichen Regeln gebunden sein(64). Sodann kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts an einem völkerrechtlichen Vertrag nur dann messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen(65). Schließlich müssen, wenn Art und Struktur(66) des fraglichen Vertrags die Vornahme einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Unionsrechtsakts im Hinblick auf diesen Vertrag erlauben, seine zur Prüfung der Gültigkeit des Unionsrechtsakts geltend gemachten Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen, d. h. unmittelbare Wirkung haben(67).

59.      Die Voraussetzung der unmittelbaren Wirkung ist erfüllt, wenn die geltend gemachte Bestimmung eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen(68).

60.      Nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts lässt sich jedoch kaum die Auffassung vertreten, dass es nur einen einheitlichen Ansatz zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Rechts anhand völkerrechtlicher Regeln gebe. Die hiermit zusammenhängende Rechtsprechung stellt nämlich keinen feststehenden Block mehr dar, sondern scheint, im Gegenteil, von einer gewissen Vielfalt geprägt, die manchmal an Widersprüchlichkeit grenzt.

61.      Was zunächst die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Bestimmungen eines internationalen Abkommens selbst betrifft, gehen die Unionsrichter offensichtlich flexibel mit der unmittelbaren Berufung auf Abkommen mit Drittstaaten, insbesondere Assoziierungsabkommen(69), um. Nach diesem Ansatz können Einzelne sich vor Gericht auf die fraglichen Bestimmungen berufen, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag geeignet ist, sie in ihrer Situation unmittelbar zu beeinträchtigen(70). Demgegenüber gehören im besonderen Bereich der WTO-Übereinkünfte oder der TRIPS/TBT‑Übereinkünfte die Bestimmungen dieser Übereinkommen, worauf ich bereits hingewiesen habe, wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst(71).

62.      Dieser klassische Ansatz muss mit der Realität konfrontiert werden, die eine zunehmende Vielfalt an Übereinkünften, an denen die Union beteiligt ist, aufweist, womit einhergeht, dass diese Übereinkünfte vielfältige Auswirkungen auf das Unionsrecht entfalten. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Handelskooperationsabkommen keine Wirkungen auf innerstaatliches Recht entfalten, die denen einer multilateralen Übereinkunft vergleichbar sind, die eine allgemeine Regelung mit hohen politischen Zielvorgaben schafft, was insbesondere im Umweltschutzbereich und im Transportrecht oft der Fall ist(72). Außerdem weisen die Assoziierungs- und Partnerschaftsabkommen eine wichtige Besonderheit auf, da sie die Angleichung zwischen den Prinzipien der Grundfreiheiten festlegen(73).

63.      Was die Rechtmäßigkeitskontrolle angeht, hat der Gerichtshof zwar in bestimmten Fällen eine Kontrolle anhand völkerrechtlicher Vorschriften durchgeführt, ohne dies jedoch, wie zum Beispiel in dem in der Rechtssache IATA und ELFAA(74) ergangenen Urteil, sorgfältig zu begründen, in anderen Fällen jedoch eine restriktivere Haltung eingenommen, wie zum Beispiel bei dem in der Rechtssache Intertanko u. a. gewählten Ansatz.

64.      In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Intertanko u. a. hat Generalanwältin Kokott die Ansicht vertreten, das Seerechtsübereinkommen könne ein „Maßstab“ für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen des abgeleiteten Rechts sein(75). Der Gerichtshof ist den Argumenten der Generalanwältin jedoch nicht gefolgt und hat auf das Fehlen von Vorschriften abgestellt, die dazu bestimmt sind, direkt und unmittelbar auf Einzelne Anwendung zu finden und diesen Rechte oder Freiheiten zu verleihen, die den Staaten gegenüber geltend gemacht werden können(76).

65.      Die in der Rechtssache Intertanko u. a. gefundene Lösung hat Fragen aufgeworfen, da sie einen Bruch im Verhältnis zu einem früheren Urteil, in der Rechtssache Poulsen und Diva Navigation(77), darstellt, in dem der Gerichtshof den Einzelnen das Recht eingeräumt hat, sich auf eben dieses Seerechtsübereinkommen als Ausdruck des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts zu berufen(78).

66.      Zur Möglichkeit der Berufung auf Völkergewohnheitsrecht hat der Gerichtshof im Urteil ATA u. a. (EU:C:2011:864, Rn. 107) einige Klarstellungen getroffen, indem er dort entschieden hat, dass „[e]in Bürger die … Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts insoweit im Hinblick auf die Prüfung der Gültigkeit eines Rechtsakts der Union durch den Gerichtshof geltend machen [kann], als die Zuständigkeit der Union für den Erlass des Rechtsakts durch diese Grundsätze in Frage gestellt werden kann[(79)] und durch den in Rede stehenden Rechtsakt Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können“(80).

67.      Die Rechtssache schließlich, die sich am deutlichsten vom oben erwähnten „klassischen“ Ansatz entfernt, ist diejenige, in der das sogenannte Urteil „Biotech“ (EU:C:2001:523)(81) ergangen ist. Wie der Gerichtshof dort nämlich festgestellt hat, hindert die Tatsache, dass Bestimmungen eines Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung haben, also keine Rechte schaffen, auf die sich der Einzelne vor den Gerichten berufen kann, den Richter nicht daran, die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen(82).

68.      Meines Erachtens ist eine solche Auffassung für die vorliegenden Rechtssachen entscheidend.

69.      Darüber hinaus ist zwischen der Ablehnung der Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus, die sich dadurch rechtfertigt, dass Umsetzungsmaßnahmen erforderlich sind, und der angestrebten Gewährleistung eines den Anforderungen des Übereinkommens entsprechenden effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein Spannungsverhältnis festzustellen, wie es im Urteil Lesoochranárske zoskupenie(83) zum Ausdruck gebracht worden ist. Der Gerichtshof hat dort festgestellt, dass mit den Bestimmungen dieses Übereinkommens, „auch wenn sie allgemein formuliert sind, darauf abgezielt [wird], die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen“. Er hat daher den einzelstaatlichen Gerichten aufgegeben, das nationale Recht „so auszulegen …, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus festgelegten Zielen steht“(84). Somit steht außer Frage, dass auch der Gerichtshof als Organ an das Übereinkommen von Århus gebunden ist(85).

2.      Zur Anpassung der Voraussetzungen für die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung

70.      Nach ständiger Rechtsprechung(86) ist die Gemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft der Art, dass weder ihre Mitgliedstaaten noch ihre Organe der Kontrolle darüber entzogen sind, ob ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag, stehen. Der Begriff der Rechtsgemeinschaft hat zwei Dimensionen: erstens eine normative Dimension mit der Verpflichtung, den Vertrag einzuhalten, und zweitens eine gerichtliche Dimension, die einen gerichtlichen Rechtsschutz der Einzelnen gegen rechtswidrige Akte des abgeleiteten Rechts voraussetzt(87).

71.      Außerdem scheint es für den Gerichtshof immer schwieriger zu werden, die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Union unter gleichzeitiger Wahrung des Unionsrechts, insbesondere im internationalen Umweltrecht(88), zu gewährleisten. Das Umweltrecht ist in der Tat ein Beispiel für eine Zunahme der Orte, an denen das Recht entwickelt und an denen es angewandt wird, was zwangsläufig zu Wechselwirkungen und Internationalisierungen, ja sogar Globalisierungen dieses Rechts führt(89). Dieser vielschichtige rechtliche Kontext verlangt meines Erachtens einen differenzierten Ansatz.

72.      Zwar stellt die unmittelbare Wirkung einen Grundsatz dar, der es einem einzelstaatlichen Richter erlaubt, eine Bestimmung des Völkerrechts als Grundlage seiner autonomen Entscheidung heranzuziehen, wenn diese Bestimmung nicht oder nicht ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist(90). Im Unionsrecht ist die Theorie der unmittelbaren Wirkung, wie sie auf das Verhältnis zwischen dem Unionsrecht und der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten angewandt wird, auf Vorschriften beschränkt, die dem Erfordernis der Vollständigkeit(91) genügen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der unmittelbaren Wirkung somit spezifisch für die Position eines Einzelnen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts, der sich auf das Unionsrecht einschließlich der internationalen Übereinkommen, an die die Union gebunden ist, berufen möchte. Nach dem derzeitigen Entwicklungsstand des Unionsrechts kann die Theorie der unmittelbaren Wirkung, die als „Kinderkrankheit“ des Unionsrechts(92) bezeichnet werden konnte, in internationaler Hinsicht jedoch keine Autonomie mehr beanspruchen.

73.      Darüber hinaus ist die Theorie der unmittelbaren Wirkung in Anbetracht der oben angeführten Rechtsprechung kein allgemeiner und zwingender Grundsatz im Rahmen der Überprüfung von Handlungen der Unionsorgane durch den Unionsrichter.

74.      Im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittel ist zu beachten, dass der Gerichtshof bei der automatischen und vorbehaltlosen Anwendung der sich aus dem Urteil Intertanko u. a. in Verbindung mit dem Urteil Lesoochranárske zoskupenie ergebenden Rechtsprechung dazu veranlasst wäre, jede gerichtliche Nachprüfung der Einhaltung der sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ergebenden Verpflichtungen, gleich ob durch ein nationales Gericht oder den Unionsrichter, auszuschließen. Dadurch wäre das Konzept des gerichtlichen Rechtsschutzes in der Unionsrechtsordnung in seinem weitesten Sinn, d. h. unter Einbeziehung sowohl der Direktklagen als auch des Vorabentscheidungsverfahrens, möglicherweise wesentlich beeinträchtigt.

75.      In Anbetracht aller vorstehender Erwägungen erscheint es legitim, sich die Frage zu stellen, wie die unmittelbare Wirkung als Voraussetzung für die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf völkerrechtliche Bestimmungen weiterentwickelt werden kann.

76.      Im Licht der Begründung des Gerichtshofs in der Rechtssache Air Transport Association of America u. a. (EU:C:2011:864) setzt die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung auf einen völkerrechtlichen Rechtsakt zunächst voraus, diesen Rechtsakt, sofern die Union an ihn gebunden ist, anhand seiner Beschaffenheit, seiner Systematik und seiner Ziele zu prüfen. Was sodann die Frage einer besonderen Übereinkommensbestimmung angeht, die als Referenzkriterium für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des abgeleiteten Unionsrechts dienen kann, ist auf deren Merkmale abzustellen.

77.      Meiner Ansicht nach ist in begrifflicher Hinsicht klar zwischen dem Fall, dass ein Einzelner sich unmittelbar auf einen völkerrechtlichen Rechtsakt berufen möchte, indem er ein dort verankertes, ihn begünstigendes Recht geltend macht, und dem Fall der Kontrolle des Wertungsspielraums der Unionsorgane beim Prozess der Angleichung(93) eines Unionsrechtsakts an einen völkerrechtlichen Rechtsakt zu unterscheiden. Für gewöhnlich ist es Sache der privilegierten Akteure, eine solche Kontrolle vor den Unionsgerichten zu veranlassen, doch im Rahmen des Übereinkommens von Århus wurde diese Möglichkeit auch den Umweltschutzorganisationen eröffnet, die die hierfür vorgesehenen Kriterien erfüllen.

78.      Um keinen Bereich zu schaffen, der jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, lässt sich durchaus vertreten, dass die fehlende unmittelbare Wirkung einer Bestimmung, die sich als vollständige und rechtsbegründende Norm versteht, im Rahmen der Kontrolle der Vereinbarkeit des Unionsrechtsakts mit dem Völkerrecht kein Hindernis für eine Prüfung der Rechtmäßigkeit darstellen sollte, soweit die Merkmale des fraglichen Übereinkommens dem nicht entgegenstehen.

79.      Allerdings muss die völkerrechtliche Bestimmung, die als Referenzkriterium für die Rechtmäßigkeitskontrolle dienen kann, notwendigerweise hinreichend klare, allgemein verständliche und genaue Elemente enthalten. Eine solche Bestimmung kann jedoch auch gemischten Charakter haben. Sofern sich aus ihrem Inhalt Teile heraustrennen lassen, die der genannten Anforderung entsprechen, muss es möglich sein, die genannte Rechtmäßigkeitskontrolle durchzuführen.

80.      Eine völkerrechtliche Bestimmung kann nämlich den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum hinsichtlich bestimmter Aspekte überlassen und gleichzeitig genaue und unbedingte Regelungen enthalten(94). Solche gemischten Bestimmungen kommen im Umweltrecht häufig vor.

81.      Die von mir vorgeschlagene Anpassung der Voraussetzungen für die Möglichkeit der Berufung steht im Übrigen nicht im Widerspruch zum Standpunkt des Gerichtshofs, nach dem die privilegierten Kläger bei Normen ohne unmittelbare Wirkung, wie den WTO-Übereinkünften, ebenfalls keine Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV verlangen können. Ich vertrete, im Gegenteil, die Auffassung, dass der im Urteil Deutschland/Rat(95) gewählte und im Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574) bestätigte Ansatz gerade den Gedanken zum Ausdruck bringt, dass es vor allem die Besonderheiten des fraglichen internationalen Übereinkommens sind, die die Möglichkeit der unmittelbaren Berufung durch einen Einzelnen und somit die Durchführung einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof rechtfertigen, oder aber, im Gegenteil, diesen entgegenstehen(96).

82.      Im Übrigen ist das Erfordernis, in der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Differenzierung zu schaffen zwischen der Problematik der Möglichkeit, sich unmittelbar auf eine Übereinkommensbestimmung zu berufen, und der Möglichkeit, die Gültigkeit einer Norm des abgeleiteten Rechts im Hinblick auf das Völkerrecht zu prüfen, in der Lehre vielfach aufgeworfen(97) und auch von Generalanwälten vertreten worden(98). So ist zutreffend geltend gemacht worden, dass die Theorie der Möglichkeit der unmittelbaren Berufung autonom rekonstruiert werden müsste(99).

83.      Insbesondere haben einige Autoren die Auffassung vertreten, die Frage, ob ein internationales Abkommen den Einzelnen Rechte verleihe, sei für die Beurteilung, ob eine in Frage stehende Bestimmung zu den Vorschriften gehöre, auf die sich der Gerichtshof zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Unionsrechtsakte bezieht, unbeachtlich(100).

84.      Somit ist zu prüfen, ob Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus die Voraussetzungen für die Möglichkeit, sich auf ihn berufen, erfüllt.

B –    Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus als Referenznorm für die Rechtmäßigkeitskontrolle

85.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass das Übereinkommen von Århus, das als ein „Pfeiler der ökologischen Demokratie“(101) betrachtet wird, von der Gemeinschaft unterzeichnet und sodann mit dem Beschluss 2005/370 genehmigt worden ist. Als gemischtes Abkommen, das sowohl von der Union als auch ihren Mitgliedstaaten abgeschlossen wurde, ist das Übereinkommen fortan integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung(102). Die Union ist somit an dieses Übereinkommen ebenso gebunden wie alle ihre Legislativ-, Exekutiv- und Justizorgane.

86.      Der Gerichtshof hat seine Zuständigkeit für die Auslegung der Vorschriften des Übereinkommens von Århus bereits bejaht(103) und sich hierzu in vielen Urteilen bei der Auslegung von Vorabentscheidungsfragen sowie im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren geäußert(104).

87.      Das Übereinkommen von Århus räumt den Bürgern zwar drei Verfahrensrechte im Umweltbereich ein(105), stellt jedoch zugleich Anforderungen. So sieht es vor, dass jede Einzelperson die Pflicht hat, „die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern“. Da es Rechte anerkennt, die Umweltschutzzielen dienen, hat das Übereinkommen prozeduralen Rechtscharakter. Tatsächlich kann der Umweltschutz nur gelingen, wenn die Betroffenen in dem sehr breiten Anwendungsbereich des Übereinkommens über echte Handlungsinstrumente verfügen. Das Übereinkommen von Århus ist somit eine Quelle von „Bürgerbeteiligungsrechten“ in der Form einer Kodifizierung von Verfahrensrechten im Umweltbereich.

88.      Im Gegensatz beispielsweise zum WTO-Übereinkommen beruht das Übereinkommen von Århus nicht strikt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen der Vertragsparteien(106).

89.      Das Übereinkommen von Århus hat vielmehr das Ziel, die Bürger zu befähigen, ihrer individuellen und kollektiven Verantwortung zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt für das Wohlergehen jetziger und künftiger Generationen gerecht zu werden(107). Es ist kein technisches Beispiel einer Vereinbarung im Umweltbereich, sondern bringt vielmehr ein Menschenrecht auf Umwelt in seiner vornehmsten Form zum Ausdruck. Somit besteht kaum ein Zweifel daran, dass einige seiner Bestimmungen nicht unmittelbar anwendbar („self-executing“) sind. Dies erklärt die Bedeutung der nationalen Bestimmungen für die Gewährleistung der Effizienz dieser internationalen Vorschriften im innerstaatlichen Recht und folglich das Erfordernis, die Rechtmäßigkeit solcher Normen zu kontrollieren.

90.      Insbesondere sieht Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus die Möglichkeit der Anfechtung eines Verstoßes gegen nationale Umweltrechtsvorschriften vor.

91.      Zwar hat der Gerichtshof im Urteil Lesoochranárske zoskupenie entschieden, dass die Bestimmungen dieses Artikels „keine klare und präzise Verpflichtung enthalten, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte“(108). So betrachtet hängt diese Bestimmung offensichtlich von einem noch zu erlassenden Rechtsakt ab, und Einzelne können sich nicht unmittelbar auf sie berufen. Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus gibt nämlich den Vertragsparteien die Möglichkeit, Kriterien für die Mitglieder der Öffentlichkeit festzulegen, die Klagebefugnis erhalten sollen.

92.      Trotzdem erscheint mir Art. 9 Abs. 3 als gemischte Bestimmung, da er auch eine für die Vertragsparteien klar identifizierbare Ergebnispflicht vorsieht.

93.      Der Gerichtshof hat selbst darauf hingewiesen, dass „mit diesen Bestimmungen, auch wenn sie allgemein formuliert sind, darauf abgezielt [wird], die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes zu ermöglichen“(109). Dieser Schutz äußert sich in Art. 9 des Übereinkommens von Århus durch die Einführung von Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der aus dem Übereinkommen selbst erwachsenden „Bürgerbeteiligungsrechte“ gewährleisten sollen. Außerdem ist Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus in Verbindung mit Art. 1 dieses Übereinkommens zu lesen, der jeder Vertragspartei eine Verpflichtung auferlegt, das Recht auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten.

94.      Jedenfalls zeigt sich der gemischte Charakter von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus daran, dass dem Gesetzgeber auf der nationalen Ebene ein Wertungsspielraum zur Bestimmung der Kriterien eingeräumt wird, die eine Organisation erfüllen muss, um einen Verstoß gegen das Umweltrecht anzufechten. Es scheint mir jedoch unbestreitbar, dass die Verpflichtung, Zugang zu den Gerichten zu gewähren, hinreichend klar ist, um einer Vorschrift entgegenzustehen, deren Gegenstand oder Wirkung darin besteht, bestimmte nicht legislative Entscheidungen der öffentlichen Behörden dem Bereich der durch die nationalen Gerichte auszuübenden Kontrolle zu entziehen.

95.      Meiner Ansicht nach ist Art. 9 Abs. 3 in Anbetracht seines Zwecks und seiner Systematik eine hinreichend klare Vorschrift, um die Grundlage für eine Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten durch die nach nationalem Recht oder nach Unionsrecht klagebefugten Organisationen bilden zu können. Demzufolge kann Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus als Referenzkriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane dienen.

VI – Subsidiäre Prüfung im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle

A –    Vorbemerkungen

96.      Sowohl für den Fall der Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht als auch für den Fall, dass der Gerichtshof den Rechtsstreit für entscheidungsreif hält, erscheint es mir unerlässlich, hilfsweise, einige Bemerkungen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Århus-Verordnung im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus zu machen.

97.      Diesbezüglich ist festzustellen, dass es in der vorliegenden Reihe von Rechtssachen nicht um die allgemeinen Voraussetzungen des Zugangs zu den Gerichten nach Art. 263 AEUV im Bereich des Umweltrechts, sondern darum geht, zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber die Rechtsschutzmöglichkeiten gemäß den Anforderungen des Übereinkommens von Århus ordnungsgemäß vervollständigt hat, indem er den Begriff „Handlung“ eingeschränkt hat, und in diesem Zusammenhang vor allem, ob er den Zugang zu den Gerichten hinsichtlich der nicht legislativen allgemeingültigen Handlungen der Unionsorgane verwehren durfte. Wie sich aus den vorbereitenden Arbeiten zum Übereinkommen von Århus ergibt, hat sich die Europäische Gemeinschaft mit der Unterzeichnung des Abkommens verpflichtet, ihre Vorschriften den Anforderungen des Übereinkommens in Bezug auf den Zugang zu Gerichten anzupassen.

B –    Argumente der Kommission im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes

98.      In ihrem zweiten Rechtsmittelgrund beruft sich die Kommission darauf, dass das Gericht bei der Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus einen Rechtsfehler begangen habe. Sie macht geltend, diese Bestimmung biete den Vertragsparteien eine Alternative an, indem sie sie dazu verpflichte, verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe zu gewährleisten. Somit hätte das Gericht wenigstens prüfen müssen, ob die klagenden Parteien gegen die fragliche Einzelmaßnahme ein gerichtliches Verfahren hätten einleiten können, gleichgültig ob in den Niederlanden oder im Rahmen der Union, bevor es Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung für mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens unvereinbar erklärte. Gemäß Art. 33 der Richtlinie 2008/50 habe das Königreich der Niederlande die vorübergehende Aussetzung der Anforderungen der Richtlinie mit Beschluss vom 19. August 2009(110) umgesetzt. Die Umweltschutzorganisationen hätten somit die Möglichkeit gehabt, gegen die Umsetzungsmaßnahmen vor einem nationalen Gericht Klage zu erheben. Die Prüfung der Gültigkeit der Ausnahmeentscheidung hätte Gegenstand einer Vorabentscheidungsfrage sein können.

99.      Nach Ansicht der Kommission ergibt sich jedenfalls nicht, dass Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung die einzige Bestimmung zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ist: Die Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 das Verfahren der Überprüfung auf Handlungen mit individueller Geltung beschränke, zeige, dass der Unionsgesetzgeber für Handlungen mit allgemeiner Geltung die gerichtlichen Rechtsmittel für ausreichend erachtet habe, um die Anforderungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus zu erfüllen.

C –    Zur Kontrolle umweltrechtlicher Verstöße im Rahmen des Übereinkommens von Århus

100. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach seinem Wortlaut und im Licht seiner Ziele auszulegen. Die Art. 31 der Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge und vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, die Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht sind, bestimmen insoweit, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Ziels und Zwecks auszulegen ist(111).

101. Aus der Präambel des Übereinkommens von Århus geht hervor, dass die Vertragsparteien im Hinblick auf die Notwendigkeit, den Zustand der Umwelt zu schützen, zu erhalten und zu verbessern, die Bedeutung für die Bürger anerkannt haben, Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu haben, wobei diese gegebenenfalls Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können. Ebenfalls geht aus der Präambel das gemeinsame Anliegen der Vertragsparteien hervor, dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden(112). Die Bedeutung, die die Verfasser des Übereinkommens von Århus Art. 9 Abs. 3 zumessen wollten, ist somit unter Berücksichtigung dieser Ziele zu beurteilen.

102. Der Zugang zu Gerichten bestimmt sich nach Art. 9 für die drei genannten Fälle nach Abs. 1 (Überprüfungsverfahren in Verbindung mit dem Zugang zu Informationen), Abs. 2 (Überprüfungsverfahren gegen Entscheidungen betreffend bestimmte Handlungen in Bezug auf die Umwelt) und Abs. 3 (Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, um die von Privatpersonen oder Behörden vorgenommenen Handlungen oder begangenen Unterlassungen(113) anzufechten, die gegen umweltrechtliche Bestimmungen verstoßen). Allgemeiner gesehen weise ich auf die besondere Bedeutung von Art. 9 des Übereinkommens von Århus hin, der einerseits Informations- und Beteiligungsrechte an dem im Übereinkommen und im nationalen Recht vorgesehenen Entscheidungsprozess gewährt und andererseits einen objektiven Rechtsschutz in einer Rechtsordnung garantiert(114).

103. Hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ist festzustellen, dass diese Vorschrift es erlaubt, im innerstaatlichen Recht spezifische Kriterien aufzustellen, die die zur Anfechtung von Umweltrechtsverstößen berechtigten Mitglieder der Öffentlichkeit erfüllen müssen. Dies zeigt, dass die Parteien des Übereinkommens den ihnen eingeräumten Wertungsspielraum im Hinblick auf die Qualifikation der Betreffenden ausüben können. Folglich erscheint es gerechtfertigt, zu sagen, dass Art. 9 Abs. 3 nicht den Zweck hat, eine Popularklage im Umweltrecht einzuführen(115).

104. Dagegen möchte ich zum sachlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens hervorheben, dass diese Bestimmung im Lichte der vorgenannten Ziele auszulegen ist, mit denen wirkungsvolle Mechanismen gewährleistet werden sollen, um die Interessen der Öffentlichkeit zu schützen(116).

105. Darüber hinaus sollte Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 4 und 5 gelesen werden. Nach diesen Absätzen müssen die genannten Verfahren nämlich angemessenen und effektiven Rechtsschutz sicherstellen; sie müssen fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer sein. Die Publizitätsanforderungen ergeben sich klar aus Art. 9 Abs. 5 des Übereinkommens.

106. Folglich sind die Vertragsparteien gehalten, einen vor allem wirksamen Mechanismus zu erlassen und nicht nur eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Verfahrensarten zu schaffen. Die Unterzeichner des Übereinkommens verfügen über einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der einzuführenden Verfahren, aber die Verpflichtung, verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Verfahren einzuführen, muss in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Übereinkommens erfüllt werden, um sicherzustellen, dass umweltrechtliche Verstöße nach Art. 9 Abs. 3 angefochten werden können. Daraus folgt, dass die Erfüllung der genannten Verpflichtung anhand der Anforderung des wirkungsvollen Zugangs zu Gerichten zu messen ist. Diese Auslegung wird auch durch die Überschrift von Art. 9 des Übereinkommens von Århus, „Zugang zu Gerichten“, bestätigt.

107. Dies führt mich zum Schlüsselbegriff im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus: dem Begriff der überprüfbaren Handlung.

108. Richtig ist, dass dieser Begriff im Übereinkommen von Århus nicht definiert ist. Auch eine wörtliche Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens lässt nicht den Schluss zu, dass der genannte Begriff im Ermessen der Vertragsparteien liegt. Außerdem verlangt Art. 9 Abs. 3 nicht einmal, dass die aufgeführten Handlungen rechtsverbindlichen Charakter haben. In der Lehre besteht somit Einigkeit, dass diese Bestimmung alle Fälle der Verletzung des nationalen(117) Umweltrechts(118) abdeckt.

109. Der auf den ersten Blick extrem breite Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus, vor allem im Verhältnis zu Art. 9 Abs. 1 und 2, kann jedoch eingeschränkt werden. Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens ist nämlich durch Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 des Übereinkommens eingeschränkt, der bestimmt, dass dieses nicht auf gesetzgebende Handlungen anzuwenden ist. Nach dieser Bestimmung schließt der Begriff der „Behörde“, deren umweltrechtswidrige Handlungen angefochten werden können, die Einrichtungen aus, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln.

110. Somit zeigt sich klar, dass die Vertragsparteien des Übereinkommens von Århus ausschließlich nicht legislative Maßnahmen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens einbeziehen wollten.

111. Anders ausgedrückt fallen mit Ausnahme der gesetzgebenden Handlungen alle anderen von Einzelnen oder Behörden vorgenommenen Handlungen mit allgemeiner oder individueller Geltung unter den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus.

112. Weitere Punkte bestätigen diese Einschätzung.

113. Zunächst darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Gerichtshof den Begriff des „Gesetzgebungsakts“ im Rahmen der Durchführung des Übereinkommens von Århus eher so auslegt, dass die praktische Wirksamkeit von Art. 9 dieses Übereinkommens erhalten bleibt(119). Er legt die Bestimmungen des Unionsrechts unter Berücksichtigung der Ziele des Übereinkommens von Århus aus, an das die Rechtsvorschriften der Union „ordnungsgemäß angeglichen“ werden müssen(120). Dieser Ansatz ist für die Auslegung der Århus-Verordnung im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus maßgebend.

114. Hinzuweisen ist auch auf die Auffassung des Ausschusses für die Überprüfung der Einhaltung des Übereinkommens von Århus, nach der die Vertragsparteien des Übereinkommens keine Kriterien einführen oder beibehalten dürfen, die so streng sind, dass Nichtregierungsorganisationen daran gehindert werden, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, die gegen nationales Umweltrecht verstoßen(121). Dies deckt sich mit der Position des Gerichtshofs in der oben erwähnten Rechtsprechung(122). Der Ausschuss hat übrigens Zweifel geäußert, ob die Union die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens einhält(123).

115. Schließlich kann der Leitfaden zur Anwendung des Übereinkommens von Århus, obwohl er der Rechtsprechung zufolge keine bindende Wirkung hat(124), als Bezugspunkt im Rahmen der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens hilfreich sein(125). In einem kürzlich in der Rechtssache Fish Legal und Shirley(126) ergangenen Urteil hat sich der Gerichtshof im Zuge der Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates(127) im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus sogar systematisch auf diesen Leitfaden berufen. Der Leitfaden spricht sich gemäß Sinn und Wortlaut des Übereinkommens von Århus für eine weite Auslegung der Voraussetzungen des Zugangs zu den Gerichten aus. Hinsichtlich der überprüfbaren Handlungen geht aus dem Leitfaden hervor, dass die Mitglieder der Öffentlichkeit sogar „unabhängig davon, ob sie eine Verbindung zur Information der Öffentlichkeit und zu den im Übereinkommen gewährleisteten Beteiligungsrechten aufweisen“(128), das Recht haben, Verstöße gegen nationales Umweltrecht anzufechten. Außerdem beruhe die Kontrolle gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus(129) direkt oder indirekt auf der Idee des „citizen enforcement“ (Anwendung des Rechts durch die Bürger)(130).

D –    Zum Umfang der Kontrolle umweltrechtlicher Verstöße in der Århus-Verordnung

116. Bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts sind nicht nur deren Wortlaut und die mit ihr verfolgten Ziele, sondern auch ihr Kontext sowie das gesamte Unionsrecht zu berücksichtigen(131).

117. Für die Beurteilung, ob die aus dem Übereinkommen von Århus erwachsenden besonderen Verpflichtungen erfüllt sind, muss zunächst bedacht werden, dass die Auswirkungen des Übereinkommens, das ein gemischtes Übereinkommen ist, durch die Erklärung der Europäischen Gemeinschaft im Anhang der Entscheidung 2005/370 klargestellt worden sind. Daraus folgt eindeutig, dass die zur Zeit der Unterzeichnung des Übereinkommens vorhandenen Rechtsinstrumente nicht ausreichten, um die Erfüllung der aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus erwachsenden Verpflichtungen in ihrer Gesamtheit zu gewährleisten, da sie Anfechtungsverfahren gegen Handlungen oder Unterlassungen Einzelner oder öffentlicher Behörden betrafen, die nicht zu den in Art. 2 Abs. 2 genannten Einrichtungen gehören. Demzufolge waren die Mitgliedstaaten für die Erfüllung der genannten Verpflichtungen verantwortlich, bis die Gemeinschaft Bestimmungen erließ, die die Erfüllung dieser Verpflichtungen sicherstellten.

118. Wie bereits ausgeführt, geht aus den Gesetzgebungsarbeiten vor dem Erlass der Århus-Verordnung hervor, dass mit dieser Verordnung das Gemeinschaftsrecht an die Bestimmungen des Übereinkommens angeglichen werden soll(132). Sicherlich zog die Anwendung des Übereinkommens den Erlass weiterer Sekundärrechtsakte nach sich(133). Mit ihrem Beitrag zur Erreichung politischer Umweltschutzziele widmete sich die Århus-Verordnung jedoch in erster Linie der Vervollständigung besonderer Aspekte in Bezug auf den Zugang zu Gerichten in einem durch die Art. 9 bis 13 der Århus-Verordnung vorbestimmten Gemeinschaftssystem(134). Dies scheint umso wichtiger, als das Vorhaben einer Richtlinie über den Zugang zu Gerichten im Unionsrecht noch nicht realisiert worden ist(135).

119. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Århus-Verordnung anhand des gleichnamigen Übereinkommens ist somit nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts umso mehr geboten, als die Union ihren Verpflichtungen vollständig nachzukommen hat, indem sie die aus dem Übereinkommen von Århus erwachsenden Verpflichtungen umsetzt.

120. In diesem Zusammenhang schlage ich vor, die Argumentation der Kommission zurückzuweisen, dass eine Gesamtbewertung des Systems für einen effizienten gerichtlichen Rechtsschutz im Unionsrecht erforderlich sei. Nach ständiger Rechtsprechung wird der gerichtliche Rechtsschutz Einzelner im Rechtsbehelfssystem der Union nicht nur durch die verschiedenen unmittelbaren Klagen, sondern auch durch das Vorabentscheidungsverfahren sichergestellt. Das Vorabentscheidungsverfahren kann jedoch nicht die Lücken beseitigen oder füllen, die durch eine restriktive Herangehensweise des Unionsgesetzgebers bei der Umsetzung einer Bestimmung eines Übereinkommens, an dem die Union beteiligt ist, entstanden sind.

121. Im Unterschied zur Kommission bin ich der Ansicht, dass, wenn die Rechtsbehelfe gegen „umweltrechtswidrige“ Maßnahmen überwiegend auf der nationalen Ebene eingeführt würden, dies einer abermaligen Übertragung der Zuständigkeit der Union auf die Mitgliedstaaten gleichkäme. Die Union kann von den Mitgliedstaaten nicht verlangen, ein bestimmtes Kontrollniveau sicherzustellen, um die Lücken im abgeleiteten Recht zu schließen. Durch den Erlass der Århus-Verordnung ist die Union de facto uneingeschränkt für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Århus zuständig.

122. Dagegen gebe ich gern zu, dass die Vereinbarkeit der Erfüllung der aus dem Übereinkommen von Århus erwachsenden Verpflichtungen anders zu beurteilen wäre, wenn diese Erfüllung durch Richtlinien erfolgte, da sie dann zwei Stadien durchlaufen würde, nämlich den Erlass der Richtlinien und deren Umsetzung im Recht der Mitgliedstaaten(136).

123. Hinsichtlich des Umfangs des Zugangs zu Gerichten in der Århus-Verordnung ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung dieses Ziel umsetzt, indem er den qualifizierten Einrichtungen, nämlich den repräsentativen Verbänden der Öffentlichkeit, die Möglichkeit gewährt, einen Antrag auf interne Überprüfung einer umweltrechtswidrigen Handlung zu stellen. Aus den vorbereitenden Gesetzgebungsarbeiten geht klar hervor, dass die Überprüfung eingeführt wurde, um die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Gerichten gemäß dem Vertrag, nach dem eine Person beim Gerichtshof Verfahren gegen Entscheidungen anstrengen kann, wenn sie als Individuum und direkt betroffen ist(137), nicht zu behindern.

124. Im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich hat Art. 10 der Århus-Verordnung durch die Schaffung eines Überprüfungsverfahrens den Zugang zu Gerichten für Nichtregierungsorganisationen erleichtert, da diese nicht verpflichtet sind, ein ausreichendes Interesse oder einen Verstoß gegen ein Recht nachzuweisen, um dieses Recht nach Art. 263 AEUV auszuüben. Die Verordnung verleiht diesen Gruppen somit die Adressateneigenschaft(138).

125. Dagegen ist, was den sachlichen Anwendungsbereich angeht, der Anwendungsbereich der Beanstandungen, die im Wege der sogenannten Überprüfung möglich sind, im Licht des Art. 10 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung so definiert, dass er auf Rechtsakte des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls anwendbar ist, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wurden, rechtsverbindlich sind und Außenwirkung haben. Darüber hinaus ist die im Rahmen einer solchen „Überprüfung“ anfechtbare Maßnahme nach Art. 2 Abs. 2 der Århus-Verordnung so definiert, dass Verwaltungsakte eines Organs oder einer Einrichtung der Union ausgenommen sind, „wenn diese in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde handeln“.

126. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Verordnungsentwurf in seiner ursprünglichen Fassung den Begriff des „Verwaltungsakts“ definierte als „jede Verwaltungsmaßnahme, die von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft im Rahmen des Umweltrechts getroffen wird und rechtsverbindliche sowie externe Wirkung hat“(139). Der Begriff „Verwaltungsakte zur Regelung eines Einzelfalls“ ist erst im Stadium des Gemeinsamen Standpunkts des Rates(140) aufgetaucht und vom Parlament in zweiter Lesung(141) ohne jede Begründung übernommen worden.

127. Da der Begriff des Verwaltungsakts in anderen Rechtsquellen der Union nirgendwo definiert ist, handelt es sich um eine Ad-hoc-Definition in der Århus-Verordnung, deren Ausmaß nicht leicht eingrenzbar ist(142). Jedoch scheint mir auf der Hand zu liegen, dass der Gesetzgeber den Umfang des Überprüfungsverfahrens einschränken wollte.

128. Gewiss ist der Verwaltungsakt nach Art. 2 Buchst. g der Århus-Verordnung als Maßnahme „des Umweltrechts“ definiert. Diese letzte Voraussetzung ist im Verhältnis zu den Zielen des Art. 191 AEUV weit auszulegen(143). Zutreffend ist auch, dass der allgemeine(144) oder individuelle Charakter einer Entscheidung anhand ihres Inhalts zu prüfen ist, damit festgestellt werden kann, ob ihre Vorschriften geeignet sind, in individueller und unmittelbarer Weise auf die Lage der Betroffenen einzuwirken(145). Im Rahmen der Århus-Verordnung hängt diese Unterscheidung grundlegend vom Begriff „Gesetzgebung“ im Sinne des Übereinkommens von Århus ab, der in der Århus-Verordnung übernommen wurde und dessen Auslegung Gegenstand meiner parallelen Schlussanträge in den Rechtssachen Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P)(146) ist.

129. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Überprüfungsverfahren(147) indessen nur auf individuelle Entscheidungen anwendbar, deren Rechtswirkungen die Interessen ihrer Adressaten beeinträchtigen können. Die Kommission hat den sehr begrenzten Umfang der Anfechtungen von Umweltrechtsverstößen nach Art. 10 der Århus-Verordnung in der mündlichen Verhandlung bestätigt und konnte – nicht ohne Schwierigkeiten – ein einziges konkretes Anwendungsbeispiel für das Überprüfungsverfahren nennen, nämlich die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines GVO. Außerdem scheinen der Bereich der GVO sowie das Inverkehrbringen chemischer Produkte nach der REACH-Verordnung(148) der Hauptbereich zu sein, in dem das Überprüfungsverfahren tatsächlich Anwendung findet(149). Die Praxis der Kommission bestätigt somit die restriktive Auslegung der Århus-Verordnung(150).

130. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Klage vor dem Gerichtshof nach Art. 12 der Århus-Verordnung sich nicht gegen den streitigen Verwaltungsakt, sondern gegen die Antwort der Einrichtung oder des Organs richtet, die über den Antrag auf interne Überprüfung entscheidet. Eine Nichtregierungsorganisation kann somit nur über die Einrede der Rechtswidrigkeit, wie z. B. in den vorliegenden Rechtssachen, eine Sachprüfung verlangen.

131. Daraus folgt, dass Art. 10 der Århus-Verordnung die aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus erwachsenden Verpflichtungen nicht vollständig umsetzt(151).

132. Diese Feststellung wird aus den zuvor hinsichtlich der Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus dargelegten Gründen nicht dadurch entkräftet, dass den Unterzeichnern des Übereinkommens von Århus ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Obwohl der Gerichtshof einen solchen Spielraum bei der Durchführung von Art. 9 des Übereinkommens von Århus (und zum Beispiel von Art. 15a der Richtlinie 96/61/EG(152)) anerkannt hat(153), hat er sich hinsichtlich der den Mitgliedstaaten obliegenden Durchführungspflichten für einen Ansatz zum Schutz der praktischen Wirksamkeit und der Ziele des Übereinkommens ausgesprochen(154). Daher erscheint es mir nicht sinnvoll, in Bezug auf die Union selbst einen anderen Ansatz zu wählen(155).

133. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass das Gericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, der gegen Art. 10 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung gerichteten Einrede der Rechtswidrigkeit stattzugeben. Falls der Gerichtshof entscheidet, die vorliegende Problematik zu prüfen, schlage ich vor, den zweiten Rechtsmittelgrund der Kommission zurückzuweisen.

E –    Ergänzende Überlegungen

134. Für den Fall, dass einem internationalen Übereinkommen, das als Rechtsquelle für Einzelpersonen gilt, die unmittelbare Wirkung fehlt, kann der Grundsatz der konformen Auslegung ein geeignetes Instrument sein, einem solchen Übereinkommen Wirkung zu verleihen.

135. Die Auslegung des abgeleiteten Rechts im Einklang mit den internationalen Übereinkommen, an die die Gemeinschaft gebunden ist, obliegt nämlich dem Unionsrichter selbst(156). Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen des Möglichen unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der völkerrechtlichen Verträge, an denen die Union beteiligt ist, ausgelegt werden(157). Im Rahmen des Völkerrechts findet eine solche „vermittelnde Auslegung“(158) ihre Grenze darin, dass der genannte Grundsatz „nur dann zur Anwendung [kommt], wenn der fragliche völkerrechtliche Vertrag Vorrang vor den Bestimmungen des einschlägigen Gemeinschaftsrechts hat“(159). Eine solche Auslegung wäre im vorliegenden Rechtsstreit also im Prinzip zulässig.

136. Die Methode der konformen Auslegung kann jedoch nur angewandt werden, wenn die streitige Bestimmung unzureichend klar ist oder im Hinblick auf den Zusammenhang, die Art oder die Systematik der Bestimmung oder des Basisrechtsakts, zu dem sie gehört, mehrere Auslegungen zulässt. Dies ist in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bei Art. 10 der Århus-Verordnung nicht der Fall, da aus dieser Vorschrift eindeutig der Wille hervorgeht, Rechtsakte von allgemeiner Geltung von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen.

137. Darüber hinaus findet die konforme Auslegung, ebenso wie es die für die Auslegung des nationalen Rechts anwendbaren Vorschriften vorsehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken und darf nicht contra legem ausgelegt werden(160). Da der Anwendungsbereich der Århus-Verordnung den Zugang zu Gerichten meines Erachtens dadurch einschränkt, dass der Rechtsakt, der unter das Überprüfungsverfahren fällt, im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Übereinkommens von Århus äußerst restriktiv definiert wird, scheint mir eine konforme Auslegung in der vorliegenden Rechtssache ausgeschlossen.

VII – Zum Anschlussrechtsmittel

138. Die Umweltschutzorganisationen haben in den Rechtssachen C‑401/12 P bis C‑403/12 P ein als „bedingt“ bezeichnetes Anschlussrechtsmittel eingelegt, das nur „für den Fall eingereicht werden soll, dass der Gerichtshof den in der Rechtsmittelbeantwortung gestellten Anträgen nicht stattgibt“. In diesem Rahmen machen sie einen einzigen Klagegrund geltend, den sie darauf stützen, dass das Gericht es rechtsfehlerhaft unterlassen habe, dem Begriff der „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus unmittelbare Wirkung zuzuerkennen.

139. Der Rat, die Kommission und das Parlament sind sich darin einig, dass ein solches „bedingtes“ Anschlussrechtsmittel(161) unzulässig ist. Inhaltlich beantragen sie, die Argumente dieser Organisationen als unbegründet zurückzuweisen. Außerdem weisen sie darauf hin, dass die Organisationen nicht auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Urteils abzielten, sondern in Wirklichkeit ein neues Urteil begehrten, mit dem das angefochtene Urteil, jedoch auf der Grundlage einer anderen Begründung, bestätigt würde.

140. Zunächst ist festzustellen, dass die Organisationen mit ihren Anträgen begehren, „das angefochtene Urteil sowie die Entscheidung der Kommission über die Unzulässigkeit für nichtig zu erklären“. Indem die Umweltschutzorganisationen den Gerichtshof um die Feststellung ersuchen, dass dem Begriff der Handlung unmittelbare Wirkung zukomme, wodurch die Gültigkeit der Århus-Verordnung geprüft werden könnte, zielen sie nicht auf eine „Ergänzung“ des angefochtenen Urteils ab. Die Rüge der fehlenden Feststellung der unmittelbaren Wirkung würde, falls ihr stattgegeben würde, dazu führen, dass die gesamte Begründung des Gerichts, in der es seine Rechtmäßigkeitsprüfung auf die Urteile Fediol/Kommission und Nakajima/Rat stützt, hinfällig wäre. Die Organisationen stellen somit das Urteil Lesoochranárske zoskupenie in Frage, ohne jedoch rechtliche Argumente zu liefern, die diesen Antrag stützen. Aus den Schriftstücken geht nämlich nicht hervor, auf welcher Grundlage die unmittelbare Wirkung festgestellt werden könnte, um die Rechtmäßigkeit der Århus-Verordnung zu kontrollieren.

141. Ein Rechtsmittel, das keine spezifische Argumentation zur Identifizierung des Rechtsfehlers enthält, mit dem das Urteil des Gerichts behaftet sein soll(162), muss als unzulässig betrachtet werden. Das ist beim vorliegenden Anschlussrechtsmittel der Fall, mit dem die Parteien dem Gericht im Wesentlichen vorhalten, sich zu einem Aspekt nicht geäußert zu haben, ohne einen hieraus folgenden Rechtsfehler zu benennen. Ein solches Rechtsmittel ist, auch wenn es sich um ein Anschlussrechtsmittel handelt, keiner juristischen Beurteilung zugänglich, die es dem Gerichtshof ermöglicht, seine Aufgabe in dem betreffenden Bereich zu erfüllen und somit seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben(163).

142. Deshalb schlage ich vor, das Anschlussrechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

VIII – Ergebnis

143. Ich schlage dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission (T‑396/09, EU:T:2012:301) insoweit aufzuheben, als es dem zweiten Klagegrund in der ersten Instanz stattgegeben und die Rechtmäßigkeitskontrolle auf der Grundlage der Urteile Fediol/Kommission (70/87, EU:C:1989:254) und Nakajima/Rat (C‑69/89, EU:C:1991:186) durchgeführt hat;

–        den Rechtsstreit an das Gericht zurückzuverweisen;

–        das Anschlussrechtsmittel in den verbundenen Rechtssachen C‑401/12 P bis C‑403/12 P zurückzuweisen;

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 124, S. 1.


3 – Die vorliegenden Rechtsmittel stehen in engem Zusammenhang mit einer zweiten Reihe von Rechtsmitteln in den Rechtssachen Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P), in denen ich meine Schlussanträge ebenfalls heute vorlegen werde.


4 – Terminologisch ist, wie Generalanwalt Maduro es in seinen Schlussanträgen in der mit Urteil vom 9. September 2008 entschiedenen Rechtssache FIAMM u. a./Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476) vorgeschlagen hat, die unmittelbare Wirkung im Rahmen der Umsetzung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten und die „unmittelbare Berufung“ im Rahmen der internationalen Abkommensbestimmungen zu erörtern. Vgl. auch Dutheil de la Rochère, J., „L’effet direct des accords internationaux“, in: Court of Justice and the Construction of Europe, 2013.


5 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13). Nach Art. 1 ist Gegenstand dieser Verordnung, durch Festlegung von Vorschriften zur Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen, insbesondere indem in Umweltangelegenheiten der Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene zu den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen gewährt wird.


6 – Es ist unstreitig, dass die Rechtsmittelgegnerinnen diese Kriterien erfüllen.


7 – Urteile Fediol/Kommission (70/87, EU:C:1989:254) und Nakajima/Rat (C‑69/89, EU:C:1991:186).


8 – Vgl. Urteile Pabst & Richarz (17/81, EU:C:1982:129, Rn. 27), Demirel (12/86, EU:C:1987:400, Rn. 14) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in dieser Rechtssache (EU:C:1987:232, Rn. 18). Vgl. auch Urteile Racke (C‑162/96, EU:C:1998:293, Rn. 31), IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 39), Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 54) sowie Z (C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 84 bis 86).


9 – Vgl. Urteil Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus keine unmittelbare Wirkung hat.


10 – Dieses Urteil (C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 42 bis 45) hat folgenden Wortlaut: „Nach Art. 300 Abs. 7 EG sind die von der Gemeinschaft geschlossenen Abkommen für ihre Organe verbindlich und haben daher Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts. Daraus folgt, dass die Gültigkeit eines Rechtsakts des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt wird. … [D]er Gerichtshof [prüft] daher gemäß Art. 234 EG die Gültigkeit des betreffenden Gemeinschaftsakts im Hinblick auf alle völkerrechtlichen Regeln, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss die Gemeinschaft an diese Regeln gebunden sein. Zweitens kann der Gerichtshof die Gültigkeit einer Regelung nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen und seine Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen.“


11 – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (C‑377/98, EU:C:2001:523, Rn. 52 bis 54): „Die Rechtmäßigkeit einer Handlung der Gemeinschaft hängt grundsätzlich nicht von ihrer Vereinbarkeit mit einem internationalen Übereinkommen ab, an dem die Gemeinschaft nicht beteiligt ist … Ihre Rechtmäßigkeit kann auch nicht anhand völkerrechtlicher Instrumente beurteilt werden, die, wie das WTO-Übereinkommen und das dazu gehörende TRIPS-Übereinkommen und das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse … Dies kann jedoch nicht für das am 5. Juni 1992 in Rio de Janeiro unterzeichnete Übereinkommen über die biologische Vielfalt gelten, das im Gegensatz zum WTO-Übereinkommen nicht strikt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen beruht. Auch wenn die Bestimmungen dieses Übereinkommens, wie der Rat vorträgt, keine unmittelbare Wirkung haben, also keine Rechte schaffen sollten, auf die sich der Einzelne vor den Gerichten berufen kann, so hindert das den Richter doch nicht daran, die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen.“


12 – Entscheidung C(2009) 2560 endgültig.


13 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 (ABl. L 152, S. 1).


14 – Der Antrag der tschechischen Regierung, der Kommission als Streithelferin beizutreten, war erst nach Ablauf der vorgesehenen Frist eingereicht worden. Die Streithilfe ist nur für die Zwecke der mündlichen Verhandlung zugelassen worden.


15 – EU:C:2011:125.


16 – EU:C:1989:254 und EU:C:1991:186.


17 –      Vgl. in diesem Sinne Urteil Chiquita Brands u. a./Kommission (T‑19/01, EU:T:2005:31, Rn. 117).


18 – Den der Antidumping-Verordnung mit Ausnahme des vom Urteil Italien/Rat (C‑352/96, EU:C:1998:531) betroffenen Bereichs über die GATT‑Regelungen.


19 – Urteile Deutschland/Rat (C‑280/93, EU:C:1994:367, Rn. 111), Portugal/Rat (C‑149/96, EU:C:1999:574, Rn. 51) und Van Parys (C‑377/02, EU:C:2005:121, Rn. 39 bis 42).


20 – Urteil Chiquita Brands u. a./Kommission (EU:T:2005:31, Rn. 125 bis 169).


21 – Pescatore, P., „L’application judiciaire des traités internationaux dans la Communauté européenne et dans ses États membres“, in: Études de droit des Communautés européennes, Mélanges Teitgen, 1984, S. 356.


22 – Das Urteil Haegeman (181/73, EU:C:1974:41) betraf das Assoziierungsabkommen mit der Hellenischen Republik.


23 – Diese Analyse ist in der Lehre umstritten. Während einige Autoren das monistische Konzept unterstützen (Pescatore, P., Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur innergemeinschaftlichen Wirkung Völkerrechtlicher Abkommen, 1986, sowie „L’application judiciaire des traités internationaux …“, a. a. O., S. 395), verfechten andere einen dualistischen Ansatz (Hartley, T. C., International Agreements and the Community Legal System, 8 ELR, 1983, S. 383 und 390). Daneben gibt es noch eine differenzierte Betrachtung, die es für wenig sinnvoll hält, der einen oder anderen Lösung zu folgen (Everling, U., „The Law of the External Economic Relations of the EC“, in: Hilf, M., Jacobs, G., und Petersmann, E.-U., The European Community and GATT, Kluwer, 1986, S. 85 und 95).


24 – Vgl. de Burca, G., „The ECJ and the international legal order“, in: The Worlds of European Constitutionalism, S. 105.


25 – 104/81, EU:C:1982:362.


26 – Ebd., Rn. 17. Vgl. auch Urteil Demirel (EU:C:1987:400).


27 – Vgl. Rosas, A.: „As far as treaties are concerned, the EU approach is basically a monist one: the treaties concluded by the Council become ipso facto part of EU law, without any need for further measures of transposition or incorporation. The decision by the Council to conclude the agreement thus makes it directly applicable“ (zitiert von Mardsen, S., „Invoking direct application and effect of international treaties by the European Court of Justice“, International and Comparative Law Quarterly, Bd. 60, Nr. 30, S. 737 bis 757).


28 – 270/80, EU:C:1981:286, S. 353.


29 – Urteile Demirel (EU:C:1987:400), Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307) sowie Jacob Meijer und Eagle International Freight (C‑304/04 und C‑305/04, EU:C:2005:441). Vgl. auch Urteil Griechenland/Kommission (30/88, EU:C:1989:422, Rn. 13). Zur Vergemeinschaftung der gemischten Abkommen vgl. Urteile Kommission/Deutschland (C‑61/94, EU:C:1996:313) und Kommission/Frankreich (C‑239/03, EU:C:2004:598). Vgl. auch Urteil Opel Austria/Rat (T‑115/94, EU:T:1997:3).


30 – Urteil International Fruit Company u. a. (21/72 bis 24/72, EU:C:1972:115) und ebenso Schlussanträge des Generalanwalts Mayras. Vgl. auch Urteil Air Transport Association of America u. a. (EU:C:2011:864, Rn. 50 und dort angeführte Rechtsprechung). Vgl auch Urteil HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 28).


31 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 308).


32 – EU:C:1972:115 (Rn. 6 und 7).


33 – Diese Auslegungsregel wurde erstmals im Urteil Interfood (92/71, EU:C:1972:30) aufgestellt und im Urteil Kommission/Deutschland (EU:C:1996:313, Rn. 52) bestätigt. Vgl. zuletzt Urteil HK Danmark (EU:C:2013:222).


34 – Vgl. de Burca, G., a. a. O., S. 106. Manche Kommentatoren haben darauf hingewiesen, dass die Union, die selbst aus internationalen Verträgen hervorgegangen sei, nach dem Grundsatz der „völkerrechtsfreundlichen Integration“ nur eine offene Haltung gegenüber dem Völkerrecht einnehmen könne. Vgl. z. B. Timmermans, C., „The EU and Public International Law“, European Foreign Affairs Review, 1999, S. 181 bis 194.


35 – Vgl. Urteile International Fruit Company u. a. (EU:C:1972:115) sowie Portugal/Rat (EU:C:1999:574). Hingegen wird eine solche Wirkung oft für die Bestimmungen der Assoziationsabkommen anerkannt, bei denen die Union in einer Position der Stärke auftritt: vgl. Klabbers, J., „International Law in Community Law, The Law and Politics of Direct Effect“, Yearbook of European Law, 2001, 21 (1), S. 263 bis 298. Klabbers weist bezüglich der im Rahmen des Europarats abgeschlossenen Übereinkünfte auch auf die Anwendung einer so genannten „Trennungsklausel“ („disconnection clause“) hin, nach der die vertragschließenden Staaten verpflichtet sind, in ihrem Verhältnis zur Union dem Unionsrecht den Vorrang einzuräumen, ohne den völkerrechtlichen Vertrag gleichzeitig außer Acht zu lassen. Vgl. Economides, C., „La clause de déconnexion en faveur du droit communautaire, une pratique critiquable“, Revue générale de droit international public, 2006, S. 273 bis 302.


36 – Waelbroeck, M., „Enforceability of the EEC‑EFTA Free Trade Agreements: A Reply“, European Law Review, 1978, S. 27 und 28.


37 – Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Merck Genericos – Produtos Farmacêuticos (C‑431/05, EU:C:2007:48, Rn. 76 bis 79) zum Dualismus.


38 – EU:C:1972:115.


39 – Zum Fehlen einer unmittelbaren Wirkung dieser Abkommen vgl. Kokott, J., „International law – a neglected ‚integral‘ part“, in: De Rome à Lisbonne: les juridictions de l’Union européenne à la croisée des chemins, Bruylant, 2013.


40 – Urteil International Fruit Company u. a. (EU:C:1972:115, Rn. 21). In diesem Urteil hat der Gerichtshof außerdem festgestellt, dass die Gemeinschaft in die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten des GATT sehr weitgehend eingetreten ist.


41 – Vgl. Positionierung des WTO-Panel: Sections US-301-310 of the Trade Act of 1974 WT/DS 152/R, 1999, § 7.72.


42 – Vgl. hierzu Slotboom, M., „A comparison of WTO and EC law“, Cameron, Mai 2006, S. 65.


43 – Urteil International Fruit Company u. a. (EU:C:1972:115).


44 – Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574, Rn. 41).


45 – Ebd., Rn. 44 und 45.


46 – Urteile Biret International/Rat (C‑93/02 P, EU:C:2003:517) und FIAMM u. a./Rat und Kommission (EU:C:2008:476). Zur Unmöglichkeit, sich auf das Recht der WTO zu berufen, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro in der Rechtssache FIAMM u. a./Rat und Kommission (EU:C:2008:98).


47 – Urteil Deutschland/Rat (EU:C:1994:367, Rn. 109), bestätigt durch das Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574) (der Gerichtshof hat entschieden: „Diese Besonderheiten des GATT, auf die der Gerichtshof für die Feststellung hingewiesen hat, dass sich ein Gemeinschaftsangehöriger vor Gericht nicht auf dieses Abkommen berufen kann, um die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung zu bestreiten, schließen es auch aus, dass der Gerichtshof die Bestimmungen des GATT für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung im Rahmen einer von einem Mitgliedstaat nach Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag erhobenen Klage berücksichtigt.“).


48 – Vgl. Urteil Kommission/Deutschland (EU:C:1996:313).


49 –      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Intertanko u. a. (EU:C:2007:689, Rn. 73 und 74). Sie bezieht sich auf die Urteile Fediol/Kommission (EU:C:1989:254, Rn. 19 ff.), Nakajima/Rat (EU:C:1991:186, Rn. 31), Portugal/Rat (EU:C:1999:574, Rn. 49), Biret International/Rat (EU:C:2003:517, Rn. 53) und Van Parys (EU:C:2005:121, Rn. 40).


50 – Urteile Hermès (C‑53/96, EU:C:1998:292, Rn. 35) sowie Dior u. a. (C‑300/98 und C‑392/98, EU:C:2000:688).


51 – Bourgeois, J., „The European Court of Justice and the WTO“, in: Towards a Common Law of International Trade, Weiler, OUP, 2000, S. 103.


52 – Eeckhout, P., External Relations of the European Union, OUP, 2004, S. 316.


53 – Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574, Rn. 49), vgl. auch Urteile Italien/Rat (EU:C:1998:531, Rn. 19) und Deutschland/Rat (EU:C:1994:367, Rn. 111).


54 – ABl. L 252, S. 1.


55 – Klarzustellen ist, dass im Rahmen des Urteils Fediol/Kommission keine Berufung auf das Abkommen als solches erfolgte, sondern auf den Gemeinschaftsrechtsakt, der als Bindeglied zwischen dem Unionsrecht und dem Völkerrecht dient.


56 – EU:C:2005:121, Rn. 39 und 40.


57 – Rn. 54 des angefochtenen Urteils enthält einen allgemeinen Verweis auf das Urteil Fediol/Kommission; in Rn. 58 des angefochtenen Urteils erwähnt das Gericht nur einen in Rn. 18 der Århus-Verordnung enthaltenen ausdrücklichen Verweis auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus.


58 – Vgl. Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574).


59 – Vgl. Urteil Intertanko u. a. (EU:C:2008:312, Rn. 48).


60 – Vgl. Urteil „Biotech“ (EU:C:2001:523, Rn. 53).


61 – Ebd. (Rn. 53).


62 – EU:T:2005:31, Rn. 117.


63 – Vgl. Urteil Air Transport Association of America u. a. (EU:C:2011:864, Rn. 51).


64 – Ebd. (Rn. 7) und Urteil Intertanko u. a. (EU:C:2008:312, Rn. 44).


65 – Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission (EU:C:2008:476, Rn. 110).


66 – Im Urteil Demirel (EU:C:1987:400) bezieht sich der Gerichtshof auf den „Sinn und Zweck des Abkommens“ (Rn. 14).


67 – Vgl. insbesondere Urteile Kupferberg (EU:C:1982:362, Rn. 22), IATA und ELFAA (EU:C:2006:10, Rn. 39) sowie Intertanko u. a. (EU:C:2008:312, Rn. 45).


68 – Vgl. Urteil Demirel (EU:C:1987:400, Rn. 14) und Schlussanträge des Generalanwalts Damon in derselben Rechtssache (EU:C:1987:232, Rn. 18), vgl. auch Urteil Pêcheurs de l’étang de Berre (C‑213/03, EU:C:2004:464, Rn. 39).


69 – Vgl. Urteil Demirel (EU:C:1987:400, Rn. 14). Zu den Assoziierungsabkommen vgl. Urteile Pokrzeptowicz-Meyer (C‑162/00, EU:C:2002:57), Deutscher Handballbund (C‑438/00, EU:C:2003:255) sowie Simutenkov (C‑265/03, EU:C:2005:213), in denen der Gerichtshof auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung Bezug genommen hat, um die Möglichkeit der Berufung auf die Übereinkommensbestimmung zu begründen. Vgl. auch den Kommentar von Jacobs, F., „The Internal Legal Effects of EU’s agreements“, in: A constitutional order of States? Essays in EU Law in honour of A. Dashwood, S. 535. Vgl. auch Urteil Toprak und Oguz (C‑300/09 und C‑301/09, EU:C:2010:756).


70 – Vgl., a contrario, Urteil Ioannis Katsivardas – Nikolaos Tsitsikas (C‑160/09, EU:C:2010:293, Rn. 45).


71 – Urteil Portugal/Rat (EU:C:1999:574, Rn. 47), Urteil „Biotech“ (EU:C:2001:523, Rn. 52) sowie Urteil Dior u. a. (EU:C:2000:688, Rn. 43). Vgl. auch Beschluss OGT Fruchthandelsgesellschaft (C‑307/99, EU:C:2001:228, Rn. 24) und Urteil Van Parys (EU:C:2005:121, Rn. 39).


72 – Zum Beispiel das WTO-Übereinkommen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 und das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten („Open sky“).


73 – Vgl. Abkommen EWG–Türkei (z. B. Urteil Cetinkaya, C‑467/02, EU:C:2004:708), Assoziierungsabkommen EWG–Marokko (Urteil Kziber, C‑18/90, EU:C:1991:36), europäische Heranführungsabkommen (z. B. die mit der Republik Polen und der Tschechischen Republik abgeschlossenen, vgl. Urteil Jany u. a., C‑268/99, EU:C:2001:616). Hinsichtlich der zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedern und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen Abkommen vgl. Urteil Ettwein (C‑425/11, EU:C:2013:121).


74 – EU:C:2006:10, Rn. 39.


75 – Intertanko u. a. (EU:C:2007:689, Rn. 59).


76 – Urteil Intertanko u. a. (EU:C:2008:312, Rn. 64). Darüber hinaus ist anzumerken, dass es den Einzelnen in dieser Rechtssache nicht um die Geltendmachung eigener Rechte, sondern vielmehr um die Prüfung der Vereinbarkeit des Unionsrechts mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union ging.


77 – C‑286/90, EU:C:1992:453.


78 – Wenneras, P., „Towards an Ever Greener Union“, CMLR 45, 2008, 1679. Während der Gerichtshof es im Urteil Intertanko u. a. unter Berufung auf das Seerechtsübereinkommen abgelehnt hat, eine Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen, hat er in einem Vertragsverletzungsurteil die Prüfung der Vereinbarkeit des Rechts eines Mitgliedstaats mit eben diesem Übereinkommen anerkannt (Urteil Kommission/Irland, „MOX Plant“, C‑459/03, EU:C:2006:345, Rn. 121).


79 – Der Gerichtshof verweist hier auf die Urteile Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission (89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, EU:C:1988:447, Rn. 14 bis 18) sowie Mondiet (C‑405/92, EU:C:1993:906, Rn. 11 bis 16).


80 – Der Gerichtshof fügt außerdem hinzu: „Da ein Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts … nicht dieselbe Bestimmtheit aufweist wie eine Bestimmung einer internationalen Übereinkunft, muss sich die gerichtliche Kontrolle zwangsläufig auf die Frage beschränken, ob den Organen der Union beim Erlass des betreffenden Rechtsakts offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Grundsätze unterlaufen sind“.


81 –      Eeckhout, P., sieht in diesem Urteil indessen „enigmatic statements“, CMLR 46, 2009, S. 2052.


82 – Urteil „Biotech“ (EU:C:2001:523, Rn. 54). Anzumerken ist, dass der Gerichtshof für den Bereich des Völkergewohnheitsrechts jedoch auf das Urteil Racke (EU:C:1998:293, Rn. 45, 47 und 51) verwiesen hat. 


83 –      EU:C:2011:125, Rn. 46.


84 –      Ebd. (Rn. 51).


85 – Es gibt jedoch die Betrachtung, dieser Ansatz könne dadurch gerechtfertigt sein, dass das genannte Übereinkommen von der Gemeinschaft und allen ihren Mitgliedstaaten in geteilter Zuständigkeit abgeschlossen worden ist und das Übereinkommen von Århus ein gemischtes Übereinkommen ist. Vgl. insbesondere Neframi, E., Mixed Agreements as a source of European Union Law, S. 335.


86 – Urteil Les Verts/Parlament (294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23).


87 – Vgl. Simon, D., „La Communauté de droit“, in: Sudre, F., und Labayle, H., Réalité et perspectives du droit communautaire, 2000, S. 85.


88 – Vgl. zu diesem Bereich Urteile Pêcheurs de l’étang de Berre (EU:C:2004:464, Rn. 42 bis 52), Kommission/Frankreich (EU:C:2004:598, Rn. 29); Kommission/Irland (EU:C:2006:345), Intertanko u. a. (EU:C:2008:312) sowie Lesoochranárske zoskupenie (EU:C:2011:125).


89 – Ich bestreite nicht, dass auch andere Bereiche von einem entsprechenden Phänomen der Rechtsentwicklung auf verschiedenen Ebenen geprägt sind, wie die Vorschriften über den Kampf gegen die Geldwäsche, die Handelspolitik, der Luftverkehr usw.


90 – Betlem, G., und Nollkaemper, A., „Giving Effect to Public International Law and European Community Law before Domestic Courts“, EJIL 2003, Bd. 14, Nr. 3, S. 569 bis 589.


91 – Vgl. diesbezüglich Schlussanträge des Generalanwalts Trabucchi in der Rechtssache Defrenne, genannt „Defrenne II“ (43/75, EU:C:1976:39).


92 – Pescatore, P., „The Doctrine of ‚Direct Effect‘; An Infant Disease of Community Law“, ELR 1983, 8, S. 155.


93 – Der Begriff stammt aus dem Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 41): „wie dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35 zu entnehmen ist, [soll] das Unionsrecht ordnungsgemäß [an das Übereinkommen von Århus] angeglichen werden“.


94 –      Vgl. exemplarisch die Analyse einer solchen Bestimmung im Unionsrecht im Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz, Landesverband Nordrhein-Westfalen (EU:C:2011:289, Rn. 55 bis 59).


95 – EU:C:1994:367, Rn. 109.


96 –      Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle ist bemerkenswert, welche Bedeutung das Gericht der Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit zuerkannt hat. Der Gerichtshof ist mit der vorliegenden Rechtssache infolge einer gegen das Übereinkommen von Århus erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit befasst worden. Nach der Rechtsprechung ist Art. 277 AEUV der Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung die Gültigkeit derjenigen früheren Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane zu bestreiten, welche die Rechtsgrundlage für die angegriffene Entscheidung bilden, falls die Partei nicht das Recht hatte, unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (vgl. Urteil Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53). Die Erhebung der Einrede der Rechtswidrigkeit setzt daher die Zulässigkeit der Klage voraus, bei deren Gelegenheit sie vorgebracht wird (Urteil Ripa di Meana u. a./Parlament, T‑83/99 bis T‑85/99, EU:T:2000:244, Rn. 35). Daraus folgt, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit den Parteien gegen Handlungen zur Verfügung stehen muss, deren Gültigkeit sie nicht unmittelbar angreifen können (Urteil Kik/HABM, T‑120/99, EU:T:2001:189).


97 – Vgl., ex multis, Manin, P., „À propos de l’accord instituant l’OMC“, RTDE 1997; Klabbers, J., a. a. O.; Lenaerts, K., und Corthauts, T. „On birds and hedges“, EL Rev. 2006, 31(3), S. 287 bis 315, Rn. 298; Pavoni, R., „Controversial aspects of the interaction between international and EU law in environmental matters: direct effects and Members State’s unilateral measures“, in: The EU external Environmental Policy of the European Union, Cambridge University Press, 2012, S. 347 bis 377. Im Übrigen ist vorgeschlagen worden, die Reihenfolge der Prüfung durch den Gerichtshof umzukehren, nach der zuerst die Bestimmung geprüft wird, um festzustellen, ob sie das Kriterium der unmittelbaren Wirkung erfüllt (klar, genau und unbedingt), um anschließend das Übereinkommen selbst zu würdigen. Vgl. Jacobs, F. „The Internal Legal Effects of EU’s agreements“, a. a. O., S. 532.


98 – Generalanwalt Gulmann hat diese Unterscheidung geschaffen, indem er angeführt hat, dass der monistische Ansatz, nach dem die internationalen Abkommen Bestandteil des Unionsrechts seien, nicht zur Folge habe, dass diese Abkommen ein Parameter für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Unionsrechts sein könnten. Ihm zufolge „ist [es] möglich, dass sich die Betroffenen in einem Verfahren nach Artikel 173 auf ein Abkommen berufen können, auch wenn dies keine unmittelbare Wirkung hat. Es kann jedoch auch so sein, dass die Gründe, die zur Verneinung der unmittelbaren Wirkung des Abkommens führen, so geartet sind, dass sie zugleich zu der Auffassung führen müssen, dass das Abkommen kein Teil der Grundlage der Rechtmäßigkeitsprüfung des Gerichtshofes sein kann“. Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge in der Rechtssache Deutschland/Rat (EU:C:1994:235, Rn. 137).


99 – Vgl. Manin, P., a. a. O.


100 –      Lenaerts, K., und Corthauts, T., „On birds and hedges“; a. a. O., Rn. 299: „the invoked articles need to be unconditional and sufficiently precise, but only to the extent that they must be apt to serve as yardstick for review, not in the sense that they confer rights on individuals as required in cases involving direct effect“.


101 – Prieur, M., „La convention d’Aarhus, instrument universel de la démocratie environnementale“, RJE, 1999, S. 9, zitiert von Guiorguieff, J., „Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus“, R.A.E, 2012/3, S. 629.


102 – Urteile Lesoochranárske zoskupenie (EU:C:2011:125, Rn. 31) und Haegeman (EU:C:1974:41). Vgl. entsprechend insbesondere Urteile IATA und ELFAA (EU:C:2006:10, Rn. 36) sowie Kommission/Irland (EU:C:2006:345, Rn. 82).


103 – Urteil Lesoochranárske zoskupenie (EU:C:2011:125, Rn. 30) (der Gerichtshof bezieht sich insbesondere auf die Urteile Haegeman, EU:C:1974:41, Rn. 4 bis 6, und Demirel, EU:C:1987:400, Rn. 7).


104 – Vgl. Urteile Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667), Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8), Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (EU:C:2011:289), Lesoochranárske zoskupenie (EU:C:2011:125), sowie Schlussanträge vom 12. September 2013 in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑530/11, zur Zeit noch beim Gerichtshof anhängig).


105 – Commission économique pour l’Europe, The Aarhus Convention: An Implementation Guide, 2. Aufl. 2013, S. 6; Beyerlin, U., und Grote Stoutenburg, J., „Environment, International Protection“ unter der Leitung von Wolfrum, R., Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Rn. 73.


106 – Vgl. für eine Anwendung dieses Kriteriums Urteil „Biotech“ (EU:C:2001:523, Rn. 51 bis 53).


107 – Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Strategie der Europäischen Union für die Konferenz über das Århus-Übereinkommen in Almaty, P6_TA(2005)0176.


108 –      EU:C:2011:125, Rn. 45.


109 – Ebd. (Rn. 46).


110 –      „Besluit derogatie (luchtkwaliteitseisen)“, veröffentlicht im Staatsblad 2009, Nr. 366.


111 – Vgl. Urteil IATA und ELFAA (EU:C:2006:10, Rn. 40 und dort angeführte Rechtsprechung).


112 – Vgl. Erwägungsgründe 8 und 18 des Übereinkommens von Århus.


113 – Vgl. mit Ausnahme von Handlungen im Rahmen legislativer oder gerichtlicher Tätigkeiten meine parallelen Schlussanträge in den Rechtssachen Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P).


114 – Stec, S., und Casey-Lefkowitz, S., The Aarhus Convention, An Implementation Guide, S. 23 bis 25.


115 – Vgl. Andrusevyvh, K., Case Law of the Aarhus Convention, 2004–2011, S. 80.


116 – Art. 9 Abs. 3 ist im Licht der Präambel und anderer Bestimmungen wie der Art. 1 und 3 des Übereinkommens zu lesen. Nach dem Willen der Parteien soll die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden (vgl. 18. Erwägungsgrund der Präambel).


117 – In dieser Hinsicht steht das Unionsrecht dem nationalen Recht gleich: vgl. Århus Convention Compliance Committee, Mitteilung ACCC/C/2008/32, Rn. 76.


118 – Larssen, C., und Jadot, B., „La convention d’Aarhus“, S. 219, in: L’accès à la justice en matière d’environnement, Bruylant, 2005.


119 – Urteil Boxus u. a. (EU:C:2011:667, Rn. 53).


120 – Vgl. zum 5. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang (ABl. L 156, S. 17) Urteile Edwards und Pallikaropoulos (EU:C:2013:221, Rn. 26) sowie Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (EU:C:2011:289, Rn. 41). Zur Übertragung der Auslegung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) auf die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens vgl. Urteil Solvay u. a. (C‑182/10, EU:C:2012:82, Rn. 42).


121 – Århus Convention Compliance Committee, 14. Juni 2005, Mitteilung ACCC/C/2005/11 (Belgien).


122 – Vgl. Urteil Boxus u. a. (EU:C:2011:667).


123 – Mitteilung ACCC/C/2008/32 (EU), (http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2008-32/DRF/C32Findings27April2011.pdf, Rn. 88).


124 – Urteil Solvay u. a. (EU:C:2012:82, Rn. 28).


125 – Vgl. Urteil Edwards und Pallikaropoulos (EU:C:2013:221, Rn. 34): „Auch wenn schließlich das im Jahr 2000 von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa veröffentlichte Dokument ‚Das Übereinkommen von Aarhus: Ein Leitfaden zur Umsetzung‘ dieses Übereinkommen nicht verbindlich auszulegen vermag, stellt dieses Dokument doch klar, dass die Kosten eines Überprüfungsverfahrens im Sinne des Übereinkommens oder für die Durchsetzung des nationalen Umweltrechts nicht so hoch sein dürfen, dass Mitglieder der Öffentlichkeit daran gehindert werden, eine Überprüfung zu beantragen, wenn sie dies für erforderlich halten.“


126 – C‑279/12, EU:C:2013:853.


127 –      ABl. L 41, S. 26.


128 – http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/acig.pdf, S. 131: „The provision potentially covers a wide range of administrative and judicial procedures, including the ‚citizen enforcement‘ concept, in which members of the public are given standing to directly enforce environmental law in court. The obligation can also be met, for example, by providing for the opportunity to initiate an administrative procedure. Regardless of the particular mechanism, the Convention makes it abundantly clear that it is not only the province of environmental authorities and public prosecutors to enforce environmental law, but that the public also has a role to play.“


129 – http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/acig.pdf, S. 125: „Provides review procedures for public review of acts and omissions of private persons or public authorities concerning national law relating to the environment.“


130 – http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/acig.pdf, S. 130.


131 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335, Rn. 20). Auch die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann relevante Gesichtspunkte für ihre Auslegung aufweisen (Urteil Pringle, C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 135).


132 – KOM(2003) 622 endgültig, 2003/0242 COD, S. 17.


133 – Aus dem 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/35 geht hervor, dass diese Richtlinie erlassen wurde, um die „vollständige Übereinstimmung“ des Unionsrechts „mit den Bestimmungen des Århus-Übereinkommens, insbesondere mit … Artikel 9 [Absatz] 2 … sicherzustellen“. (Vgl. außerdem Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑530/11, EU:C:2013:554, und Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache, in der das Urteil Gemeinde Altrip u. a., C‑72/12, EU:C:2013:712, ergangen ist). Der 5. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4 stellt ebenfalls klar, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Richtlinie die Vereinbarkeit des Unionsrechts mit dem Übereinkommen von Århus hinsichtlich des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen sicherstellen wollte (vgl. hierzu Urteil Flachglas Torgau, C‑204/09, EU:C:2012:71, Rn. 31).


134 – Was den Zugang zu Gerichten betrifft, waren früher nämlich die Art. 230 EG und 232 EG anwendbar, die den Zugang zu den Unionsgerichten gewährleisteten. Diese Rechtsvorschriften versetzten die Gemeinschaft jedoch nicht in die Lage, das Übereinkommen zu ratifizieren, da die Bestimmungen des Übereinkommens zum Teil ausführlicher oder weitreichender sind als die bestehenden Gemeinschaftsbestimmungen. Vgl. KOM(2003) 622 endgültig, 2003/0242 COD, S. 3.


135 – Das Vorhaben einer Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zielt darauf ab, Mindestbedingungen für den Zugang zu Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Umweltangelegenheiten festzulegen und dadurch die dritte Säule des Übereinkommens von Århus im Unionsrecht und im Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen. Vgl. KOM(2003) 624 endgültig.


136 – Report by the Compliance Committee on the Compliance by the European Community with its obligation under the Convention presented to the Third meeting of the Parties to the Convention (Kazokiskes Report) http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/documents/2008/pp/mop3/ece_mp_pp_2008_5_add_10_e.pdf.


137 – KOM(2003) 622 endgültig, 2003/0242 COD.


138 – Aus den Gesetzgebungsarbeiten vor dem Erlass der Århus-Verordnung geht hervor, dass „es nicht als sinnvolle Option erachtet [wurde], ein Recht auf Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten für jede natürliche und juristische Person einzuführen. Dies würde eine Änderung der Artikel 230 und 232 des EG-Vertrags implizieren, was nicht durch sekundäre Rechtsvorschriften erfolgen kann. Der jetzige Vorschlag sieht eine Begrenzung der Klagebefugnis auf die ‚qualifizierten Einrichtungen‘ [vor]“. Vgl. Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endgültig, S. 17.


139 – KOM(2003) 622 endgültig, S. 28. Das Problem des Ausschlusses von Verwaltungsakten, die in gesetzgebender oder gerichtlicher Eigenschaft erlassen wurden, wurde von vornherein unterschieden vom Ausschluss von Verwaltungsakten, die von einem Organ in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde (staatliche Beihilfen, Vertragsverletzungsverfahren, Verfahren vor dem Bürgerbeauftragten, OLAF, usw.) (ebd., S. 11).


140 – Gemeinsamer Standpunkt vom 20. April 2005, 6273/05 (ENV 57, JUSTCIV 24 INF 38 ONU 10 CODEC 81 OC 80).


141 – Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (6273/2/2005 – C6-0297/2005 – 2003/0242[COD]). Im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Standpunkt hat das Königreich Belgien die Unvereinbarkeit dieser Bestimmungen mit dem Übereinkommen von Århus geltend gemacht, da sie zur Folge hätten, dass der Zugang von Mitgliedern der Öffentlichkeit zu Einspruchsmöglichkeiten, den die Organe nach dem Übereinkommen zu gewährleisten hätten, ungerechtfertigterweise eingeschränkt werde. Vgl. hierzu die Erklärung des Königreichs Belgien: http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=DE&f=ST%2010896%202005%20ADD%201.


142 – Für eine umfassendere Bewertung der Ziele des Überprüfungsverfahrens vgl. Pallemaerts, M., „Acces to Environmental Justice at EU level“, in: The Aarhus Convention at Ten, Interactions and Tensions between Conventional International Law and EU Environmental Law, Europa Law Publishing, 2001.


143 – Somit würde es sich nicht nur um nach Art. 191 AEUV erlassene Rechtsakte, sondern zugleich um Rechtsakte mit einer doppelten Rechtsgrundlage handeln (vgl. insbesondere Urteile Kommission/Rat, C‑94/03, EU:C:2006:2, sowie Kommission/Parlament und Rat, C‑411/06, EU:C:2009:518).


144 – Im Gegensatz zu den Handlungen mit allgemeiner Geltung, die auf objektiv bestimmte Sachverhalte anwendbar sind und Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen zeitigen (vgl. Urteil Calpak und Società Emiliana Lavorazione Frutta/Kommission, 789/79 und 790/79, EU:C:1980:159, Rn. 9).


145 – Urteil vom 9. Juni 1964, Acciaierie Fonderie Ferriere di Modena/Hohe Behörde (55/63 bis 59/63 und 61/63 bis 63/63, EU:C:1964:37).


146 –      Am 8. Mai 2014 gemeinsam vorgelegte Schlussanträge.


147 – Vgl. zu den prozessualen Aspekten Beschluss 2008/50EG der Kommission vom 13. Dezember 2007 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Übereinkommen von Århus hinsichtlich der Anträge auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten (ABl. 2008, L 13, S. 24).


148 – Art. 64 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396, S. 1).


149 – Vgl. das Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1) – Antwort der Kommission vom 26. Mai 2008, veröffentlicht auf der Website http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/title_iv/Reply%20to%20J_E.pdf.


150 – Die Kommission hat die Ansicht vertreten, dass der Antrag auf Überprüfung der Entscheidung über die Genehmigung eines Unterstützungsprogramms zum Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, obwohl er rechtsverbindlich ist, keine externe Wirkung hat, weil der begünstigte Mitgliedstaat die förderfähigen Vorhaben bestimmen könnte (vgl. die Antwort der Kommission an den Ekologicky Pravni Servis vom 6. August 2008, veröffentlicht auf der Internetseite der Kommission: http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/title_iv/Reply%20to%20EPS.pdf). Aus denselben Gründen hat die Kommission einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung über die Errichtung einer „Short-list“ von Kandidaten für die Stelle des Verwaltungsdirektors der Agentur REACH als unzulässig zurückgewiesen (Antwort der Kommission an den Ekologicky Pravni Servis vom 6. August 2008, veröffentlicht auf der Internetseite der Kommission: http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/title_iv/Reply%20to%20EPS.pdf).


151 – Wie ich bereits ausgeführt habe, hat der Ausschuss (Århus Convention Compliance Committee) die Århus-Verordnung als extrem restriktiv, ja sogar mit dem Übereinkommen unvereinbar erachtet: „The scope of the Århus Regulation is far more restrictive than that of the Århus Convention, and so the Regulation fails to fully implement the Convention. This causes three specific problems. First, it appears to make it impossible to challenge a whole range of EC institutions and bodies’ decisions. Second, it fails to transpose of article 9(2) of the Convention. Third, it incorrectly transposes article 9(3) of the Convention.“ http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2008-32/communication/Communication.pdf, S. 20.


152 – Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 257, S. 26).


153 – Urteil Križan u. a. (EU:C:2013:8, Rn. 106).


154 – Urteile Boxus u. a. (EU:C:2011:667, Rn. 53), und Deutsche Umwelthilfe (C‑515/11, EU:C:2013:523).


155 – Vgl. die Erklärungen anlässlich der Verabschiedung des Übereinkommens von Århus: „Fully supporting the objectives pursued by the Convention and considering that the EC itself is being actively involved in the protection of the environment through a comprehensive and evolving set of legislation, it was felt important not only to sign up to the Convention at the Community level but also to cover its own institutions, alongside national public authorities“, aufgegriffen von Pallemaerts, M., „Access to Environmental Justice at EU level“, a. a. O., S. 273. Vgl. auch Beschluss 2005/370.


156 – Der Grundsatz der konformen Auslegung wurde im Urteil Interfood geschaffen (EU:C:1972:30). Vgl. Urteil Kupferberg (EU:C:1982:362, Rn. 14).


157 – Urteile Hermès (EU:C:1998:292, Rn. 28), Safety Hi-Tech (C‑284/95, EU:C:1998:352, Rn. 22) sowie Bellio F.lli (C‑286/02, EU:C:2004:212, Rn. 33).


158 – Simon, D., „La panacée de l’interprétation conforme“, in: De Rome à Lisbonne: les juridictions de l’Union européenne à la croisée des chemins, Bruylant, 2013, S. 284.


159 – Urteil Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 798).


160 – Diese Regel wurde im Hinblick auf die Auslegung des nationalen Rechts, z. B. im Urteil Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 25), aufgestellt.


161 – Hinsichtlich des bedingten Charakters des Anschlussrechtsmittels bezweifle ich, ob allein dieser Aspekt ein Grund für die Unzulässigkeit sein kann. Das Anschlussrechtsmittel scheint mir von Natur aus bedingt zu sein, da es vom Erfolg der Klagegründe im Rahmen des Hauptsacheverfahrens abhängt.


162 – Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. Februar 2014, Thesing und Bloomberg Finance/EZB (C‑28/13 P, EU:C:2014:96, Rn. 25).


163 – Urteil Wam Industriale/Kommission (C‑60/12 P, EU:C:2013:726, Rn. 44).