Language of document : ECLI:EU:C:2018:583

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

25. Juli 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt – Mutagenese – Richtlinie 2001/18/EG – Art. 2 und 3 – Anhänge I A und I B – Begriff ‚genetisch veränderter Organismus‘ – Herkömmlich angewandte und als sicher geltende Verfahren/Methoden zur genetischen Veränderung – Neue Verfahren/Methoden der Mutagenese – Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt – Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie – Richtlinie 2002/53/EG – Gemeinsamer Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten – Herbizidtolerante Pflanzensorten – Art. 4 – Zulassung durch Mutagenese gewonnener genetisch veränderter Sorten zum gemeinsamen Sortenkatalog – Anforderung zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt – Befreiung“

In der Rechtssache C‑528/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 3. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2016, in dem Verfahren

Confédération paysanne,

Réseau Semences Paysannes,

Les Amis de la Terre France,

Collectif Vigilance OGM et Pesticides 16,

Vigilance OG2M,

CSFV 49,

OGM dangers,

Vigilance OGM 33,

Fédération Nature et Progrès

gegen

Premier ministre,

Ministère de l’Agriculture, de l’Agroalimentaire et de la Forêt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), T. von Danwitz, J. L. da Cruz Vilaça, E. Levits, C. G. Fernlund und C. Vajda, der Richter J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan, E. Jarašiūnas, S. Rodin und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Oktober 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Confédération paysanne, des Réseau Semences Paysannes, von Les Amis de la Terre France, des Collectif Vigilance OGM et Pesticides 16, der Vigilance OG2M, des CSFV 49, des OGM dangers, der Vigilance OGM 33 und der Fédération Nature et Progrès, vertreten durch G. Tumerelle, avocat,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, J. Traband und S. Horrenberger als Bevollmächtigte,

–        der hellenischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos und A. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und M. A. M. de Ree als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, L. Swedenborg und F. Bergius als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown, R. Fadoju und J. Kraehling als Bevollmächtigte im Beistand von C. Banner, Barrister,

–        des Europäischen Parlaments, vertreten durch A. Tamás, D. Warin und I. McDowell als Bevollmächtigte,

–        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Moore und M. Alver als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Valero, B. Eggers und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und die Gültigkeit der Art. 2 und 3 sowie der Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. 2001, L 106, S. 1) sowie die Auslegung von Art. 4 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. 2002, L 193, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 (ABl. 2003, L 268, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2002/53).

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Confédération paysanne, dem Réseau Semences Paysannes, Les Amis de la Terre France, dem Collectif Vigilance OGM et Pesticides 16, der Vigilance OG2M, dem CSFV 49, dem OGM dangers, der Vigilance OGM 33 und der Fédération Nature et Progrès einerseits und dem Premier ministre (Premierminister, Frankreich) sowie dem Ministre de l’Agriculture, de l’Agroalimentaire et de la Forêt (Minister für Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft, Frankreich) andererseits wegen der Weigerung, eine nationale Vorschrift aufzuheben, wonach bei Organismen, die durch Mutagenese gewonnen wurden, grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen, sowie den Anbau und die Vermarktung durch Mutagenese gewonnener herbizidtoleranter Rapssorten zu verbieten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2001/18

3        Die Erwägungsgründe 4 bis 6, 8, 17, 44 und 55 der Richtlinie 2001/18 lauten:

„(4)      Lebende Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, können sich in dieser fortpflanzen und sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten, wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Die Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein.

(5)      Der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfordert eine gebührende Kontrolle der Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt.

(6)      Nach dem Vertrag sollten Umweltmaßnahmen der Gemeinschaft auf dem Grundsatz der Vorbeugung beruhen.

(8)      Der Grundsatz der Vorsorge wurde bei der Ausarbeitung dieser Richtlinie berücksichtigt und muss bei ihrer Umsetzung berücksichtigt werden.

(17)      Diese Richtlinie sollte nicht für Organismen gelten, die mit Techniken zur genetischen Veränderung gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten.

(44)      Die Mitgliedstaaten sollten in Übereinstimmung mit dem Vertrag weitere Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle der GVO, die als Produkte oder in Produkten in den Verkehr gebracht worden sind – beispielsweise durch amtliche Stellen – erlassen können.

(55)      Die Entwicklung und Anwendung von GVO müssen eingehend überwacht werden.“

4        Art. 1 der Richtlinie lautet:

„Entsprechend dem Vorsorgeprinzip ist das Ziel dieser Richtlinie die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt

–        bei der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft;

–        beim Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen als Produkt oder in Produkten in der Gemeinschaft.“

5        Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

2.      ‚genetisch veränderter Organismus (GVO)‘: ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.

Im Sinne dieser Definition gilt Folgendes:

a)      Zu der genetischen Veränderung kommt es mindestens durch den Einsatz der in Anhang I A Teil 1 aufgeführten Verfahren;

b)      bei den in Anhang I A Teil 2 aufgeführten Verfahren ist nicht davon auszugehen, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen;

3.      ‚absichtliche Freisetzung‘: jede Art von absichtlichem Ausbringen eines GVO oder einer Kombination von GVO in die Umwelt, bei dem keine spezifischen Einschließungsmaßnahmen angewandt werden, um ihren Kontakt mit der Bevölkerung und der Umwelt zu begrenzen und ein hohes Sicherheitsniveau für die Bevölkerung und die Umwelt zu erreichen;

…“

6        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung durch den Einsatz der in Anhang I B aufgeführten Verfahren herbeigeführt wurde.“

7        Art. 4 der Richtlinie regelt die allgemeinen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten. Sein Abs. 1 lautet:

„Die Mitgliedstaaten tragen im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip dafür Sorge, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. GVO dürfen nur im Einklang mit Teil B bzw. Teil C absichtlich freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden.“

8        Art. 36 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Richtlinie 90/220/EWG [des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. 1990, L 117, S. 15)] wird zum 17. Oktober 2002 aufgehoben.

(2)      Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach der Übereinstimmungstabelle in Anhang VIII zu lesen.“

9        In Anhang I A („Verfahren im Sinne von Artikel 2, Nummer 2“) der Richtlinie 2001/18 heißt es:

„TEIL 1

Verfahren der genetischen Veränderung im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a) sind unter anderem:

1.      DNS-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Insertion von Nukleinsäuremolekülen … neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden …

2.      Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingeführt wird, das außerhalb des Organismus zubereitet wurde, …

3.      Zellfusion (einschließlich Protoplastenfusion) oder Hybridisierungsverfahren …

TEIL 2

Verfahren im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b), bei denen nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen, unter der Voraussetzung, dass sie nicht mit dem Einsatz von rekombinanten Nukleinsäuremolekülen oder genetisch veränderten Organismen verbunden sind, die aus anderen als den gemäß Anhang I B ausgeschlossenen Verfahren/Methoden hervorgegangen sind:

1.      In-vitro-Befruchtung,

2.      natürliche Prozesse wie Konjugation, Transduktion, Transformation,

3.      Polyploidie-Induktion.“

10      Anhang I B („Verfahren im Sinne von Artikel 3“) der Richtlinie sieht vor:

„Verfahren/Methoden der genetischen Veränderung, aus denen Organismen hervorgehen, die von der Richtlinie auszuschließen sind, vorausgesetzt, es werden nur solche rekombinanten Nukleinsäuremoleküle oder genetisch veränderten Organismen verwendet, die in einem oder mehreren der folgenden Verfahren bzw. nach einer oder mehreren der folgenden Methoden hervorgegangen sind:

1.      Mutagenese,

…“

 Richtlinie 2002/53

11      Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2002/53 bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für die Zulassung von Sorten von Betarüben, Futterpflanzen, Getreide, Kartoffeln sowie Öl- und Faserpflanzen zu einem gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten, deren Saat- oder Pflanzgut … gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden darf.

(2)      Der gemeinsame Sortenkatalog wird auf der Grundlage der nationalen Kataloge der Mitgliedstaaten aufgestellt.“

12      Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 bestimmt:

„Genetisch veränderte Sorten im Sinne des Artikels 2 [Nrn.] 1 und 2 der Richtlinie 90/220/EWG dürfen nur zugelassen werden, wenn alle entsprechenden Maßnahmen getroffen wurden, um nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden.“

13      Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2002/53 sieht vor:

„Genetisch veränderte Sorten im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 werden einer Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend der Richtlinie 90/220/EWG unterzogen.“

14      Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 2002/53 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass zugelassene genetisch veränderte Sorten im Sortenkatalog klar als solche gekennzeichnet werden und dass jeder Marktbeteiligte, der eine solche Sorte in Verkehr bringt, sie in seinem Verkaufskatalog ebenfalls klar als genetisch verändert kennzeichnet.“

 Französisches Recht

15      In Art. L. 531-1 des Code de l’environnement (Umweltgesetzbuch) wird ein genetisch veränderter Organismus definiert als ein „Organismus, dessen genetisches Material auf andere Weise als durch natürliches Kreuzen oder natürliche Rekombination verändert worden ist“.

16      Art. L. 531-2 des Umweltgesetzbuchs sieht vor:

„Nicht den Bestimmungen des vorliegenden Titels und den Art. L. 125‑3 und L. 515‑13 unterliegen genetisch veränderte Organismen, die durch Verfahren gewonnen wurden, bei denen wegen ihres natürlichen Charakters nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen, oder durch herkömmlich verwendete Verfahren, die für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt erwiesenermaßen unbedenklich sind.

Das Verzeichnis dieser Verfahren wird durch Dekret nach Stellungnahme des Haut Conseil des biotechnologies [Hoher Rat für Biotechnologien] festgelegt.“

17      In Art. L. 531‑2‑1 des Umweltgesetzbuchs heißt es:

„Genetisch veränderte Organismen dürfen nur unter Achtung der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit, der Agrarstrukturen, der lokalen Ökosysteme und der Erzeugungs- und Vertriebsketten mit dem Label ‚ohne genetisch veränderte Organismen‘ und vollkommen transparent angebaut, vertrieben oder verwendet werden. …

Genehmigungen in Bezug auf genetisch veränderte Organismen dürfen nur nach einer vorherigen unabhängigen und transparenten Prüfung der Gefahren für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit erteilt werden. …“

18      Art. D. 531-2 dieses Gesetzbuchs bestimmt:

„Bei den in Art. L. 531‑2 genannten Verfahren, bei denen nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen, handelt es sich um folgende Verfahren:

2.      Sofern sie nicht mit der Verwendung genetisch veränderter Organismen als Empfänger- oder Elternorganismen verbunden sind,

a)      die Mutagenese;

…“

19      Art. D. 531‑3 des Umweltgesetzbuchs sieht vor:

„Die in den Art. D. 531‑1 und D. 531‑2 genannten Verfahren und Definitionen sind anhand der Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Gentechnik, Molekulargenetik und Zellbiologie auszulegen und durchzuführen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20      Mit Klageschrift vom 12. März 2015 beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens, ein französischer Landwirtschaftsverband sowie acht Vereinigungen, deren Ziel der Umweltschutz und die Verbreitung von Informationen über die Gefahren von GVO ist, beim vorlegenden Gericht, die stillschweigende Ablehnung ihres Antrags, der u. a. auf die Aufhebung des zur Umsetzung der Richtlinie 2001/18 ergangenen Art. D. 531‑2 des Umweltgesetzbuchs, wonach die Mutagenese von der Definition der Verfahren, die zu einer genetischen Veränderung im Sinne von Art. L. 531‑1 des Umweltgesetzbuchs führen, ausgenommen wird, und auf das Verbot, durch Mutagenese gewonnene herbizidtolerante Rapssorten anzubauen und zu vermarkten, gerichtet war, durch den Premierminister für nichtig zu erklären und dem Premierminister aufzugeben, alle zur Einführung eines Moratoriums für herbizidtolerante Pflanzensorten, die durch Mutagenese gewonnen wurden, erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

21      Die Kläger des Ausgangsverfahrens machten vor dem vorlegenden Gericht u. a. geltend, die Mutageneseverfahren hätten sich weiterentwickelt und erlaubten es nunmehr ebenso wie die Transgeneseverfahren, herbizidresistente Sorten herzustellen. Die in der Richtlinie 2001/18 vorgesehenen Verpflichtungen fänden aber auf diese Sorten keine Anwendung, obwohl sie mit Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit verbunden seien, die sich insbesondere aus der Freisetzung des genetischen Materials der genannten Sorten, das zur Entstehung von Unkraut mit einem gegen das verwendete Herbizid resistenten Gen führe, aus der daraus folgenden Notwendigkeit, eine größere Menge und verschiedene Arten von Herbiziden zu verwenden, und der damit verbundenen Umweltverschmutzung sowie aus unbeabsichtigten Wirkungen wie unerwünschten oder versehentlichen Mutationen in anderen Teilen des Genoms und der Akkumulation kanzerogener Moleküle oder endokriner Disruptoren in Pflanzen ergäben, die für Lebensmittel- und Futtermittelzwecke bestimmt seien.

22      Nach Ansicht des Premierministers sowie des Ministers für Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft ist die Klage abzuweisen, weil die von den Klägern des Ausgangsverfahrens zu ihrer Stützung vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig seien. Denn die angeblichen Gefahren ergäben sich nicht aus den Eigenschaften der durch genetische Veränderungen gewonnenen Pflanze, sondern aus den Anbaupraktiken der Landwirte. Zudem seien die durch die neuen Verfahren der gezielten Mutagenese hervorgerufenen Mutationen mit spontanen Mutationen oder induzierten Zufallsmutationen vergleichbar, und unbeabsichtigte Mutationen könnten durch Kreuzungsverfahren bei der Sortenauswahl eliminiert werden.

23      Das vorlegende Gericht führt aus, die herkömmlichen In-vivo-Mutagenesemethoden würden seit Jahrzehnten angewandt, ohne dass Umwelt- oder Gesundheitsrisiken aufgetreten seien. Seit dem Erlass der Richtlinie 2001/18 seien hingegen durch Verfahren der Zufallsmutagenese, die in vitro auf Pflanzenzellen angewandt würden, sowie durch Verfahren/Methoden der gezielten Mutagenese, bei denen neue gentechnische Verfahren wie die Mutagenese mit Hilfe von Oligonukleotiden oder die Mutagenese mit Hilfe zielgerichteter Nukleasen zur Anwendung kämen, neue, insbesondere herbizidresistente Sorten gewonnen worden. Es sei unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, ob und in welchem Umfang die neuen herbizidresistenten Sorten Risiken für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier darstellten, da die bislang einzigen Risikobewertungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel stattgefunden hätten, gegen die diese Sorten resistent gemacht worden seien.

24      Diese Risiken seien teilweise mit denen vergleichbar, die bei transgenem Saatgut auftreten könnten. Denn insbesondere bei den mit den neuen Verfahren der gezielten Mutagenese erzielten Mutationen habe die damit verbundene unmittelbare Veränderung des Genoms die gleichen Wirkungen wie die der Transgenese eigene Einführung eines fremden Gens. Da die Entwicklung neuer Mutageneseverfahren eine Beschleunigung von Veränderungen des Erbguts ermögliche, die außer Verhältnis zu den Veränderungen stehe, die auf natürlichem Weg oder zufällig auftreten könnten, vervielfache sich im Übrigen die Möglichkeit schädlicher Auswirkungen aufgrund unbeabsichtigter Genomveränderungen oder Eigenschaften der so gewonnenen Pflanze.

25      Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind durch Mutagenese gewonnene Organismen GVO im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/18, obwohl sie nach Art. 3 und Anhang I B dieser Richtlinie von den Verpflichtungen bezüglich der Freisetzung und des Inverkehrbringens von GVO ausgenommen sind? Können insbesondere Mutageneseverfahren, vor allem die neuen Verfahren der gezielten Mutagenese unter Einsatz gentechnischer Verfahren, als Verfahren angesehen werden, die in Anhang I A aufgeführt sind, auf den Art. 2 verweist? Sind die Art. 2 und 3 sowie die Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 demzufolge dahin auszulegen, dass sie von den Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit alle durch Mutagenese gewonnenen genetisch veränderten Organismen und ebensolches Saatgut ausnehmen oder nur diejenigen Organismen, die mit den schon vor Erlass der Richtlinie bestehenden konventionellen Methoden der Zufallsmutagenese durch ionisierende Strahlung oder chemische Mutagene erzeugt wurden?

2.      Stellen durch Mutagenese gewonnene Sorten genetisch veränderte Sorten im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2002/53 dar, die nicht von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausgenommen wären? Oder stimmt der Anwendungsbereich dieser Richtlinie vielmehr mit dem sich aus den Art. 2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 ergebenden überein, und sind durch Mutagenese gewonnene Sorten auch von den Verpflichtungen ausgenommen, die die Richtlinie 2002/53 in Bezug auf die Eintragung genetisch veränderter Sorten in den gemeinsamen Katalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten vorsieht?

3.      Stellen die Art. 2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 über die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt insoweit, als sie die Mutagenese vom Anwendungsbereich der in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausnehmen, eine Maßnahme der vollständigen Harmonisierung dar, die es den Mitgliedstaaten untersagt, durch Mutagenese gewonnene Organismen ganz oder teilweise den in der Richtlinie vorgesehenen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen, oder verfügten die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung über ein Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Regelung für durch Mutagenese gewonnene Organismen?

4.      Kann die Gültigkeit der Art. 2 und 3 sowie der Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 insoweit, als diese Bestimmungen für die durch Mutagenese gewonnenen GVO keine Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit vorsehen, im Hinblick auf das in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip in Frage gestellt werden, wenn man die Entwicklung der gentechnischen Verfahren, die Entstehung neuer Pflanzensorten, die durch diese Verfahren gewonnen werden, und die derzeitigen wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen dieser Verfahren und der damit verbundenen potenziellen Risiken für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier bedenkt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

26      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, ob Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 dahin auszulegen ist, dass mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen GVO im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Sodann möchte es wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen ist, dass solche Organismen nur dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind, wenn sie mit Mutageneseverfahren gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten.

 Zur Einstufung durch Mutagenese gewonnener Organismen als „GVO“

27      Nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 ist ein GVO ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.

28      In Anbetracht der Angaben des vorlegenden Gerichts ist zum einen davon auszugehen, dass Mutationen, die durch Verfahren/Methoden der Mutagenese wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden hervorgerufen werden, deren Anwendung der Erzeugung herbizidresistenter Pflanzensorten dienen soll, am genetischen Material eines Organismus vorgenommene Veränderungen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie darstellen.

29      Zum anderen wird, da nach den Angaben in der Vorlageentscheidung einige der genannten Verfahren/Methoden mit dem Einsatz chemischer oder physikalischer Mutagene und andere von ihnen mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sind, durch diese Verfahren/Methoden eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen.

30      Folglich sind mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen als GVO im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 anzusehen.

31      Diese Auslegung wird durch die Systematik der Richtlinie bestätigt, die zu den Gesichtspunkten gehört, die bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen sind.

32      Die in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie enthaltene Definition eines GVO wird nämlich dadurch erläutert, dass zwischen Verfahren, die zu einer genetischen Veränderung führen, und Verfahren, bei denen nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer solchen Veränderung führen, unterschieden wird.

33      Insoweit wird in Art. 2 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/18 klargestellt, dass es zu der genetischen Veränderung im Sinne der Definition des GVO mindestens durch den Einsatz der in Anhang I A Teil 1 aufgeführten Verfahren kommt.

34      In Teil 1 von Anhang I A der Richtlinie 2001/18 werden zwar die Verfahren/Methoden der Mutagenese nicht ausdrücklich erwähnt, doch vermag dies nicht auszuschließen, dass mit diesen Verfahren/Methoden gewonnene Organismen unter die Definition des GVO in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie fallen.

35      Zum einen ist nämlich festzustellen, dass – wie sich aus dem Ausdruck „unter anderem“ im Einleitungssatz von Teil 1 des Anhangs I A ergibt – die dortige Aufzählung von Verfahren der genetischen Veränderung nicht abschließend ist. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Aufzählung andere als die dort ausdrücklich genannten Verfahren der genetischen Veränderung ausschließt.

36      Zum anderen hat der Unionsgesetzgeber die Mutagenese nicht in die abschließende Aufzählung der nicht zu einer genetischen Veränderung führenden Verfahren aufgenommen, die von Art. 2 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Teil 2 ihres Anhangs I A erfasst werden.

37      Die Mutagenese wird vielmehr in Anhang I B der Richtlinie ausdrücklich bei den Verfahren/Methoden der „genetischen Veränderung“ genannt, auf die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Bezug nimmt, der die Organismen betrifft, für die sie nicht gelten soll.

38      In Anbetracht dessen ist Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 dahin auszulegen, dass mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen GVO im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

 Zum Ausschluss bestimmter Verfahren/Methoden der Mutagenese vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18

39      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18, der eine Ausnahmeregelung betrifft, gilt diese Richtlinie nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung mit den in ihrem Anhang I B aufgeführten Verfahren herbeigeführt wurde.

40      In Anhang I B der Richtlinie 2001/18 sind die Verfahren/Methoden der genetischen Veränderung aufgeführt, aus denen Organismen hervorgehen, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen sind, sofern nur solche rekombinanten Nukleinsäuremoleküle oder GVO verwendet werden, die aus einem oder mehreren der in diesem Anhang aufgeführten Verfahren bzw. einer oder mehreren der dort aufgeführten Methoden hervorgegangen sind. Zu diesen Verfahren/Methoden gehört nach Nr. 1 des Anhangs die Mutagenese.

41      Zunächst ist hervorzuheben, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B als Ausnahme von dem Erfordernis, GVO den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen zu unterwerfen, eng auszulegen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 189 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im Übrigen sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle, C‑535/15, EU:C:2017:315, Rn. 31).

43      Zunächst ist zum Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B festzustellen, dass er durch die allgemeine Bezugnahme auf die Mutagenese für sich allein keinen entscheidenden Hinweis darauf liefert, welche Arten von Verfahren/Methoden der Unionsgesetzgeber genau vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen wollte.

44      Sodann ist zum Zusammenhang, in dem dieser Ausschluss steht, festzustellen, dass sich der Unionsgesetzgeber im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 zu den Voraussetzungen geäußert hat, unter denen bestimmte GVO von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden sollten.

45      Im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 heißt es, dass sie nicht für Organismen gelten sollte, die mit Techniken zur genetischen Veränderung gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten.

46      Folglich ist der Umfang der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B vorgesehenen Ausnahme im Licht der vom Unionsgesetzgeber damit vorgenommenen Klarstellungen zu bestimmen.

47      Insoweit ist hervorzuheben, dass das vorlegende Gericht insbesondere über Verfahren/Methoden der gezielten Mutagenese befinden muss, die mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sind, die seit dem Erlass der Richtlinie 2001/18 entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben und deren Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit bislang noch nicht mit Sicherheit bestimmt werden können.

48      Wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen hervorhebt, könnten sich die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese verbundenen Risiken aber als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken erweisen. Aus den Angaben, über die der Gerichtshof verfügt, ergibt sich somit zum einen, dass mit der unmittelbaren Veränderung des genetischen Materials eines Organismus durch Mutagenese die gleichen Wirkungen erzielt werden können wie mit der Einführung eines fremden Gens in diesen Organismus, und zum anderen, dass die Entwicklung dieser neuen Verfahren/Methoden die Erzeugung genetisch veränderter Sorten in einem ungleich größeren Tempo und Ausmaß als bei der Anwendung herkömmlicher Methoden der Zufallsmutagenese ermöglicht.

49      Zudem können sich, wie im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 ausgeführt wird, lebende Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, in dieser fortpflanzen und sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten, wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Die Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein. Desgleichen heißt es im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit eine gebührende Kontrolle der Risiken infolge einer solchen Freisetzung erfordert.

50      Ferner wird im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 hervorgehoben, dass der Grundsatz der Vorsorge bei ihrer Ausarbeitung berücksichtigt wurde und bei ihrer Umsetzung berücksichtigt werden muss. Außerdem wird im 55. Erwägungsgrund der Richtlinie betont, dass die Entwicklung und die Anwendung von GVO eingehend überwacht werden müssen.

51      Unter diesen Umständen kann Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B nicht dahin ausgelegt werden, dass er mit neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese, die seit dem Erlass der Richtlinie entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben, gewonnene Organismen von ihrem Anwendungsbereich ausschließt. Denn eine solche Auslegung würde der im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie zum Ausdruck kommenden Absicht des Unionsgesetzgebers zuwiderlaufen, von ihrem Anwendungsbereich nur Organismen auszunehmen, die mit herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandten und seit langem als sicher geltenden Verfahren/Methoden gewonnen werden.

52      Diese Schlussfolgerung wird durch das Ziel der Richtlinie 2001/18 bestätigt, das nach ihrem Art. 1 darin besteht, entsprechend dem Vorsorgeprinzip bei der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt zu anderen Zwecken als dem Inverkehrbringen in der Union sowie bei ihrem Inverkehrbringen als Produkt oder in Produkten in der Union die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen.

53      Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 obliegt es nämlich den Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip dafür Sorge zu tragen, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. Das bedeutet insbesondere, dass eine solche absichtliche Freisetzung oder ein solches Inverkehrbringen erst nach der Verträglichkeitsprüfung im Sinne von Teil B oder Teil C der Richtlinie erfolgen darf. Wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt, könnten sich die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese, auf die das vorlegende Gericht Bezug nimmt, verbundenen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit aber als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken erweisen. Folglich würde eine Auslegung der Ausnahme in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B, wonach die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Organismen unterschiedslos vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen wären, den mit ihr verfolgten Schutzzweck beeinträchtigen und dem Vorsorgeprinzip zuwiderlaufen, zu dessen Umsetzung die Richtlinie dient.

54      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die erste Frage wie folgt zu beantworten:

–        Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 ist dahin auszulegen, dass die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Organismen GVO im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

–        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 ist in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen, dass nur die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind.

 Zur zweiten Frage

55      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 dahin auszulegen ist, dass von den in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Sorten ausgenommen sind.

56      Wie aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2002/53 hervorgeht, gilt sie für die Zulassung bestimmter landwirtschaftlicher Arten zu einem gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten, deren Saat- oder Pflanzgut gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden darf. Nach Art. 1 Abs. 2 wird dieser gemeinsame Katalog auf der Grundlage der nationalen Kataloge der Mitgliedstaaten aufgestellt.

57      Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 dürfen genetisch veränderte Sorten im Sinne des Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 90/220 nur zugelassen werden, wenn alle entsprechenden Maßnahmen getroffen wurden, um nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden.

58      Erstens ist zur Tragweite des Begriffs „genetisch veränderte Sorten“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 festzustellen, dass diese Bestimmung, ohne ausdrücklich auf die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Sorten Bezug zu nehmen, auf die Definitionen in Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 90/220 verweist.

59      Art. 36 der Richtlinie 2001/18 bestimmt, dass Verweisungen auf die Richtlinie 90/220 nach deren Aufhebung als Verweisungen auf die Richtlinie 2001/18 gelten. Folglich ist die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 enthaltene Verweisung gemäß der Übereinstimmungstabelle in Anhang VIII der Richtlinie 2001/18 als Verweisung auf deren Art. 2 Nrn. 1 und 2 zu verstehen.

60      Wie in Rn. 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist davon auszugehen, dass Organismen, die aus Verfahren/Methoden der Mutagenese wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden hervorgegangen sind, unter den in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 enthaltenen Begriff des GVO fallen. Infolgedessen ist auch davon auszugehen, dass Sorten, die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese wie die vom vorlegenden Gericht angesprochenen gewonnen werden, unter den Begriff „genetisch veränderte Sorte“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 fallen.

61      Zweitens ist zu der Frage, ob bestimmte genetisch veränderte Sorten nicht in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 fallen, zwar festzustellen, dass diese Bestimmung nicht ausdrücklich auf die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B vorgesehene Ausnahme verweist.

62      Festzustellen ist aber auch, dass nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2002/53 genetisch veränderte Sorten im Sinne von Art. 4 Abs. 4 einer Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend der Richtlinie 90/220 unterzogen werden, wobei diese Verweisung – wie in Rn. 59 des vorliegenden Urteils angegeben – als Verweisung auf die Richtlinie 2001/18 zu verstehen ist.

63      Der Gerichtshof hat hierzu im Übrigen in Rn. 63 des Urteils vom 16. Juli 2009, Kommission/Polen (C‑165/08, EU:C:2009:473), entschieden, dass bei einer Sorte, die nach den Vorschriften der Richtlinie 2001/18 zugelassen wurde, davon auszugehen ist, dass alle angemessenen Maßnahmen ergriffen wurden, um nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 zu vermeiden.

64      Wie der Generalanwalt in Nr. 161 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre es aber widersprüchlich, für genetisch veränderte Sorten im Sinne der Richtlinie 2002/53 Verpflichtungen im Bereich der Bewertung der Gesundheits- und Umweltrisiken vorzuschreiben, von denen sie nach der Richtlinie 2001/18 ausdrücklich ausgenommen sind.

65      Folglich ist die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 zur Klärung der Frage, ob eine Sorte genetisch verändert ist, enthaltene Verweisung auf den Begriff des GVO im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 dahin auszulegen, dass sie sich auf die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B vorgesehene Ausnahme für durch Mutagenese gewonnene Organismen erstreckt.

66      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellung die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 enthaltene Ausnahme nur die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen betrifft.

67      In den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 und der dort hinsichtlich der Zulassung von Sorten zum gemeinsamen Katalog aufgestellten Verpflichtungen im Bereich des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt fallen demzufolge genetisch veränderte Sorten, die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gewonnen werden, mit Ausnahme der mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Sorten.

68      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53 dahin auszulegen ist, dass von den in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Sorten ausgenommen sind.

 Zur dritten Frage

69      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B dahin auszulegen ist, dass den Mitgliedstaaten durch ihn die Befugnis genommen wird, die vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommenen Organismen, die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnen werden, den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

 Zur Zulässigkeit

70      Die Europäische Kommission zweifelt zunächst die Zulässigkeit der dritten Frage an, weil die Kläger des Ausgangsverfahrens im Rahmen des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens die Rechtmäßigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschrift – Art. D. 531‑2 des Umweltgesetzbuchs – nicht deshalb in Frage stellten, weil diese Vorschrift durch Mutagenese gewonnene Organismen Verpflichtungen unterwerfe, die in der Richtlinie 2001/18 nicht vorgesehen seien, sondern deshalb, weil sie diese Organismen von dem in den nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie vorgesehenen Regelungsrahmen ausnehme.

71      Sie trägt vor, soweit die Richtlinie 2001/18 durch Mutagenese gewonnene Organismen von ihrem Anwendungsbereich ausschließe, verbiete sie den Mitgliedstaaten nicht, für diese Organismen geltende Maßnahmen zu erlassen, sofern andere Regeln des Unionsrechts, wie insbesondere die über den freien Warenverkehr, beachtet würden. Folglich habe die Frage, ob die Mitgliedstaaten für diese Organismen geltende Maßnahmen erlassen dürften, hypothetischen Charakter.

72      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV allein das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen hat, die es dem Gerichtshof vorlegt. Sofern die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof somit grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 22. Februar 2018, Kubota [UK] und EP Barrus, C‑545/16, EU:C:2018:101, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im Rahmen des in Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten spricht nämlich eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit von Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über eine von einem nationalen Gericht gemäß diesem Artikel zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nur dann ablehnen, wenn etwa die in Art. 94 seiner Verfahrensordnung aufgeführten Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens nicht erfüllt sind oder wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 22. Februar 2018, Kubota [UK] und EP Barrus, C‑545/16, EU:C:2018:101, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Im vorliegenden Fall setzt, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Prüfung der von den Klägern des Ausgangsverfahrens erhobenen Klage voraus, dass der Ermessensspielraum bestimmt wird, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/18 verfügen, und zwar um festzustellen, ob die französischen Behörden im vorliegenden Fall befugt waren, die vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommenen Organismen, die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnen werden, den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

75      Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass die Klage im Wesentlichen darauf abzielt, den französischen Behörden aufzugeben, Pflanzensorten, die durch Mutagenese herbizidresistent gemacht wurden, unabhängig davon, welches Verfahren oder welche Methode der Mutagenese angewandt wurde, den Bestimmungen des Umweltgesetzbuchs über GVO zu unterwerfen.

76      Folglich ist die dritte Vorlagefrage nicht hypothetischer Natur und ist daher als zulässig anzusehen.

 Zur Beantwortung der Frage

77      In Rn. 54 des vorliegenden Urteils ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die nicht herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und nicht seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 fallen und daher den Verpflichtungen unterliegen, die sich daraus ergeben.

78      Hingegen fallen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen nicht in ihren Anwendungsbereich.

79      Da der Unionsgesetzgeber für die letztgenannten Organismen keine Regelung getroffen hat, sind die Mitgliedstaaten befugt, für sie eine rechtliche Regelung zu erlassen und sie – unter Beachtung des Unionsrechts, insbesondere der in den Art. 34 bis 36 AEUV aufgestellten Regeln über den freien Warenverkehr – den in der Richtlinie 2001/18 vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

80      Der Unionsgesetzgeber hat diese Organismen nämlich vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 ausgeschlossen, ohne irgendwelche Angaben dazu zu machen, welcher rechtlichen Regelung sie unterworfen werden dürfen. Insbesondere ergibt sich aus der Richtlinie nicht, dass der Ausschluss der mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen von ihrem Anwendungsbereich bedeutet, dass interessierte Personen solche Organismen nach Belieben absichtlich in die Umwelt freisetzen oder in der Union als Produkte oder in Produkten in den Verkehr bringen dürfen.

81      Die Ausnahme in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten daran hindert, in diesem Bereich Rechtsvorschriften zu erlassen.

82      Unter diesen Umständen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B, da er die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließt, dahin auszulegen ist, dass den Mitgliedstaaten durch ihn nicht die Befugnis genommen wird, solche Organismen unter Beachtung des Unionsrechts, insbesondere der in den Art. 34 bis 36 AEUV aufgestellten Regeln über den freien Warenverkehr, den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

 Zur vierten Frage

83      Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Gültigkeit von Art. 2 der Richtlinie 2001/18 und von deren Art. 3 in Verbindung mit ihrem Anhang I B im Hinblick auf das in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip.

84      Insoweit ist festzustellen, dass diese Frage – wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht – nur beantwortet zu werden braucht, falls der Gerichtshof Art. 2 der Richtlinie 2001/18 und deren Art. 3 in Verbindung mit ihrem Anhang I B dahin auslegen sollte, dass alle mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Organismen, unabhängig von der angewandten Technik, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall, da nach der Antwort auf die erste Frage die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die nicht herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und nicht seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen ebenso wie andere in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende GVO den darin vorgesehenen Verpflichtungen unterworfen sind.

85      Unter diesen Umständen ist die vierte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

86      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnenen Organismen genetisch veränderte Organismen im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 ist in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen, dass nur die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind.

2.      Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass von den in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Sorten ausgenommen sind.

3.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 ist in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B, da er die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließt, dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten durch ihn nicht die Befugnis genommen wird, solche Organismen unter Beachtung des Unionsrechts, insbesondere der in den Art. 34 bis 36 AEUV aufgestellten Regeln über den freien Warenverkehr, den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.