Language of document : ECLI:EU:C:2018:1026

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

19. Dezember 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 und 56 AEUV – Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr – Glücksspiel – Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote, die nur einem Konzessionsnehmer erteilt wird – Beschränkung – Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑375/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 11. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Juni 2017, in dem Verfahren

Stanley International Betting Ltd,

Stanleybet Malta ltd.

gegen

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Agenzia delle Dogane e dei Monopoli,

weitere Beteiligte:

Lottomatica SpA,

Lottoitalia Srl,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters A. Rosas,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Stanley International Betting Ltd, vertreten durch R. Jacchia, F. Ferraro, A. Terranova und D. Agnello, avvocati,

–        der Stanleybet Malta ltd., vertreten durch D. Agnello und M. Mura, avvocati,

–        der Lottoitalia Srl, vertreten durch F. Satta, R. Mastroianni, S. Fidanzia, A. Gigliola, R. Baratta und A. Romano, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino und P. G. Marrone, avvocati dello Stato,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, R. Verbeke und J. Van den Bon, advocaten,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo, A. Silva Coelho und P. de Sousa Inês als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, G. Gattinara und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. September 2018

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV, der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit sowie der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der im Vereinigten Königreich in das Gesellschaftsregister eingetragenen Stanley International Betting Ltd und deren maltesischer Tochtergesellschaft Stanleybet Malta ltd. (im Folgenden zusammen: Stanley) einerseits und dem Ministero dell’Economia e delle Finanze (Minister für Wirtschaft und Finanzen, Italien) und der Agenzia delle Dogane e dei Monopoli (Agentur für Zölle und Monopole, Italien) (im Folgenden: ADM) andererseits wegen der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Vergabe der Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote (im Folgenden: Lotterien).

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In der Richtlinie 2014/23 heißt es im ersten Erwägungsgrund:

„Das Fehlen klarer Bestimmungen zur Vergabe von Konzessionen auf Unionsebene führt zu Rechtsunsicherheit, Behinderungen des freien Dienstleistungsverkehrs und Verzerrungen des Binnenmarkts. … Ein angemessener, ausgewogener und flexibler Rechtsrahmen für die Konzessionsvergabe würde den tatsächlichen, diskriminierungsfreien Marktzugang aller Wirtschaftsteilnehmer in der Union und Rechtssicherheit gewährleisten und so öffentliche Investitionen in Infrastrukturen und strategische Dienstleistungen für die Bürger fördern. Ein solcher Rechtsrahmen würde auch zu größerer Rechtssicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer führen und könnte eine Grundlage und ein Mittel für die weitere Öffnung der internationalen Märkte für öffentliche Aufträge darstellen und den Welthandel ankurbeln. …“

4        In Art. 51 („Umsetzung“) der Richtlinie 2014/23 ist in Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 18. April 2016 nachzukommen.“

5        Art. 54 („Inkrafttreten“) der Richtlinie 2014/23 lautet:

„Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf vor dem 17. April 2014 ausgeschriebene oder vergebene Konzessionen.“

 Italienisches Recht

 Gesetz Nr. 528 vom 2. August 1982 – Regelung der Lotterien und Maßnahmen für die Beschäftigten dieser Branche

6        Nach Art. 1 der Legge n. 528 – Ordinamento del gioco del lotto e misure per il personale del lotto (Gesetz Nr. 528 – Regelung der Lotterien und Maßnahmen für die Beschäftigten dieser Branche) vom 2. August 1982 (GURI Nr. 222, vom 13. August 1982) ist die Veranstaltung von Lotterien dem Staat vorbehalten, der diese Aufgabe der ADM übertragen hat.

 Gesetz Nr. 190/2014

7        Art. 1 Abs. 653 der Legge n. 190 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge di stabilità 2015) (Gesetz Nr. 190 – Bestimmungen über die Feststellung des Haushaltsplans für ein oder mehrere Rechnungsjahre [Stabilitätsgesetz 2015]) vom 23. Dezember 2014 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 300, vom 29. Dezember 2014, im Folgenden: Gesetz Nr. 190/2014) lautet:

„Wegen des Auslaufens der bisherigen Konzession wird die Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote, was die Annahme der Spieleinsätze durch das Netz der Konzessionsnehmer oder online angeht, damit dabei die öffentlichen Interessen gewahrt werden, von der [ADM] unter Beachtung der Grundsätze und Vorschriften des europäischen und nationalen Rechts in einem offenen, auf dem Wettbewerb basierenden und nicht diskriminierenden Auswahlverfahren an ein qualifiziertes Unternehmen vergeben, das Erfahrung auf dem Gebiet der Veranstaltung von Glücksspielen oder der Annahme von Spieleinsätzen hat, im Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist und in sittlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Das Verfahren sieht folgende wesentlichen Bedingungen vor:

a)      die Laufzeit der Konzession beträgt neun Jahre, sie kann nicht verlängert werden;

b)      die Auswahl richtet sich nach dem wirtschaftlich günstigsten Angebot bei einem Richtwert von 700 Mio. Euro;

c)      die Zahlung des Preises, der im Angebot des an erster Stelle stehenden Bieters genannt wird, ist in Höhe von 350 Mio. Euro bei Erteilung des Zuschlags im Jahr 2015, in Höhe von 250 Mio. Euro bei der tatsächlichen Übernahme des Lottospielbetriebs durch den Zuschlagsempfänger im Jahr 2016 und bezüglich des verbleibenden Teilbetrags bis zum 30. April 2017 zu leisten;

d)      das Recht des Zuschlagsempfängers und Konzessionsnehmers auf Nutzung des Telekommunikationsnetzes für die unmittelbare oder mittelbare Erbringung von anderen Diensten als der Annahme der Einsätze der Lotterien und der sonstigen Zahlenglücksspiele mit feststehender Quote, sofern sie nach Auffassung der [ADM] mit der Annahme der Spieleinsätze vereinbar sind;

e)      die Provision für den Konzessionsnehmer beläuft sich auf 6 % der Annahmen;

f)      Verpflichtung, das System des Netzes und die Spielterminals gemäß dem Investitionsplan, der Bestandteil des technischen Angebots ist, nach Qualitätsnormen, die ein Höchstmaß an Sicherheit und Zuverlässigkeit bieten, technisch auf dem neuesten Stand zu halten;

g)      Verpflichtung des Konzessionsnehmers, Gelder die nicht gemäß dem in Buchst. f genannten Investitionsplan investiert worden sind, jährlich an den Staat zu zahlen;

h)      Verpflichtung für jeden Bieter, bei der Teilnahme am Auswahlverfahren an die [ADM] einen Betrag zu zahlen, der den in Abs. 654 genannten Vergütungen entspricht, wobei lediglich die Bieter, die den Zuschlag nicht erhalten haben, einen Anspruch auf Erstattung haben.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8        Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, werden in Italien im Rahmen der vom Staat veranstalteten Lotterien zwei Arten von Konzessionen erteilt: die eine für die Annahme der Spieleinsätze, die an eine Vielzahl von Annahmestellen vergeben wird (System mehrerer Konzessionsnehmer), die andere für die Ziehung und die automatisierte Verwaltung des Netzes der Annahmestellen, die früher freihändig an die Lottomatica SpA vergeben wurde.

9        Kurz vor Auslaufen der an Lottomatica vergebenen Konzession (8. Juni 2016), wurde die ADM damit betraut, die Ausschreibung für die Vergabe einer neuen Konzession zu organisieren. Die wesentlichen allgemeinen Bedingungen der Ausschreibung waren in Art. 1 Abs. 653 des Gesetzes Nr. 190/2014 geregelt.

10      Die Ausschreibung wurde am 17. Dezember 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union und am 21. Dezember 2015 in der Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana veröffentlicht. In der Ausschreibung wurde als Frist für die Einreichung der Angebote der 16. März 2016 festgesetzt und der Wert der Konzession mit 6 600 000 000 Euro angegeben, was den im Jahr 2014 angenommenen Spieleinsätzen entspricht.

11      Außer den in der Ausschreibung festgelegten wesentlichen Bedingungen war im Lastenheft in Abschnitt 5.3 als Bedingung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit vorgesehen, dass die Bieter von 2012 bis 2014 oder von 2013 bis 2015 mit der Verwaltung oder der Annahme von Spieleinsätzen einen Gesamtumsatz von mindestens 100 Mio. Euro erzielt haben müssen.

12      Was die Voraussetzungen der technischen Leistungsfähigkeit angeht, verlangte Abschnitt 5.4 Buchst. a des Lastenhefts „in den letzten drei abgeschlossenen Abrechnungszeiträumen der Jahre 2012 bis 2014 oder 2013 bis 2015 die Annahme von Spieleinsätzen für Spiele, die über Spielterminals erfolgen, in Höhe von insgesamt mindestens [350 Mio. Euro]“, wobei „dieser Wert bei Bietern, die erst seit weniger als drei Jahren aber mehr als 18 Monaten in dem Sektor tätig sind, nach der Dauer der tatsächlichen Annahme von Spieleinsätzen anteilsmäßig herabgesetzt wird“.

13      Nach Abschnitt 11 des Lastenhefts hatte der Bieter einen Investitions-, einen Organisations- und einen Entwicklungsplan vorzulegen.

14      Das wirtschaftliche Angebot bestand nach Abschnitt 12.4 des Lastenhefts „in einem Mehrgebot gegenüber dem Richtwert von 700 Mio. Euro“, das mindestens 3 Mio. Euro betragen musste. Nach Abschnitt 15.3 des Lastenhefts war für den Zuschlag das Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots maßgeblich.

15      Im Muster eines Vertrags über die Konzession der Veranstaltung von Lotterien (im Folgenden: Musterkonzessionsvertrag) war in Art. 22 Abs. 1 bestimmt: „Nach Ablauf der Konzession überträgt der Konzessionsnehmer an die [ADM] auf Aufforderung kostenfrei sämtliche materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände zurück, aus denen das Netz der physischen Annahmestellen besteht. Ferner überträgt er an die [ADM] das Eigentum am gesamten automatisierten System mit Zugang zu den Räumlichkeiten sowie das Eigentum an den Geräten, zu denen auch die Spielterminals in sämtlichen Annahmestellen gehören, an den Anlagen, an den Strukturen, an den Programmen, an den Archiven und an allem, was sonst gemäß dem letzten von der [ADM] genehmigten Inventar für das vollständige Funktionieren, die umfassende Verwaltung und die volle Funktionsfähigkeit des Systems erforderlich ist.“

16      Art. 30 des Musterkonzessionsvertrags, in dem die Rücknahme und der Widerruf der Konzession geregelt sind, bestimmte in seinem Abs. 2:

„Zur Wahrung der Interessen des Staates und der Verbraucher widerruft die [ADM] die Konzession … auch

h)      … bei einer Straftat, wegen der das Hauptverfahren eröffnet worden ist und die nach Einschätzung der [ADM] wegen ihrer Art, ihrer Schwere, der Art ihrer Ausführung und ihres Zusammenhangs mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, die Zuverlässigkeit, Professionalität und sittliche Eignung des Konzessionsnehmers ausschließt …

k)      bei einem Verstoß des Konzessionsnehmers gegen die Vorschriften zur Bekämpfung des unerlaubten, illegalen und heimlichen Glücksspiels, insbesondere wenn er selbst oder über eine irgendwo auf der Welt ansässige Gesellschaft, die er kontrolliert oder mit der er verbunden ist, auf italienischem Staatsgebiet Glücksspiele anbietet, die mit automatisierten Lotterien und anderen Zahlenglücksspielen mit feststehender Quote vergleichbar sind und für die er keine Genehmigung hat oder die mit anderen Glücksspielen vergleichbar sind, die nach italienischem Recht verboten sind;

…“

17      Mit Entscheidung vom 16. Mai 2016 wurde die Konzession der Lottoitalia Srl erteilt, die als Mitglied eines Konsortiums bestehend aus Lottomatica und drei weiteren Gesellschaften an dem Vergabeverfahren teilgenommen hatte.

18      Stanley ist in Italien im Sektor der Wetten mit fester Quote mit sogenannten „Datenübertragungszentren“ (im Folgenden: DÜZ) vertreten, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sportwetten erbringen.

19      Stanley vertrat die Auffassung, dass sie daran gehindert worden sei, an dem Verfahren über die Vergabe der Konzession für die Veranstaltung von Lotterien teilzunehmen. Die Gesellschaft erhob deshalb beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) Klage auf Aufhebung der im Vergabeverfahren ergangenen Rechtsakte. Sie machte geltend, Art. 1 Abs. 653 des Gesetzes Nr. 190/2014 und bestimmte der Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Vergabeverfahren, die im Lastenheft und im Musterkonzessionsvertrag festgelegt worden seien, seien unionsrechtswidrig.

20      Die Klage von Stanley wurde vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) mit Urteil vom 21. April 2016 abgewiesen.

21      Das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) nahm an, dass sich Lotterien erheblich von anderen Glücksspielen unterschieden. Lotterien seien das einzige Glücksspiel, bei dem der Staat das unternehmerische Risiko trage. Außerdem werde bei ihnen zwischen der Phase der Annahme der Spieleinsätze und der Phase der Veranstaltung des Spiels unterschieden. Wegen dieser Unterschiede sei es gerechtfertigt, für die Veranstaltung der Lotterien nur eine Konzession zu vergeben. Dadurch würden die Kosten, die durch die Koordination der Tätigkeiten einer Vielzahl von Konzessionsnehmern entstünden, eingespart und bestehe auf dem Markt weniger Konkurrenz, was gut für eine verantwortliche Veranstaltung der Lotterien sei.

22      Die Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Vergabeverfahren seien in Bezug auf den Gegenstand der zu vergebenden Konzession angemessen und verhältnismäßig gewesen. Nach den vorliegenden Zahlen seien in den letzten fünf Abrechnungszeiträumen bei Zahlenglücksspielen mit fester Quote Spieleinsätze von mehr als 6 Mrd. Euro jährlich angenommen worden, was einem Umsatz des Konzessionsnehmers von etwa 400 Mio. Euro entspreche. Im Übrigen hätten mindestens 15 Wirtschaftsteilnehmer des Sektors die Bedingungen für die Teilnahme an dem Vergabeverfahren erfüllt.

23      Stanley legte beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) ein, das auf dessen Aufhebung gerichtet ist.

24      Stanley macht geltend, bei Lotterien anders als bei den übrigen Glücksspielen, Prognosewettbewerben und Wetten nur eine Konzession zu vergeben, sei unionsrechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Vergabeverfahren, insbesondere der Richtwert und die Gründe für den Widerruf der Konzession seien unverhältnismäßig. Sie werde dadurch davon abgehalten, an dem Verfahren teilzunehmen. Die unentgeltliche Rückgabe des Netzes an die ADM nach Ablauf der Konzession sei nicht mit dem Urteil vom 28. Januar 2016, Laezza (C‑375/14, EU:C:2016:60), vereinbar.

25      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts stellt sich im Ausgangsverfahren eine Frage betreffend die Auslegung des Unionsrechts, die sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung nicht beantworten lässt. Das vorlegende Gericht hält es deshalb für erforderlich, den Gerichtshof anzurufen.

26      Der Consiglio di Stato (Staatsrat) hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere das Niederlassungsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, des freien Wettbewerbs, der Verhältnismäßigkeit und der Kohärenz – dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der des Art. 1 Abs. 653 des Gesetzes Nr. 190/2014 und der betreffenden Durchführungsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass für die Veranstaltung von Lotterien anders als bei anderen Glücksspielen, Prognosewettbewerben oder Wetten nur eine exklusive Konzession vergeben wird?

2.      Sind die Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere das Niederlassungsrecht, der freie Dienstleistungsverkehr und die Richtlinie 2014/23 sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, des freien Wettbewerbs, der Verhältnismäßigkeit und der Kohärenz – dahin auszulegen, dass sie einer Ausschreibung entgegenstehen, die einen Richtwert vorsieht, der im Hinblick auf Anforderungen an die wirtschaftlich-finanzielle und technisch-organisatorische Leistungsfähigkeit, die denen entsprechen, die in den Abschnitten 5.3, 5.4, 11, 12.4 und 15.3 des Lastenhefts für die Vergabe der Konzession für Lotterien vorgesehen sind, weit überhöht und ungerechtfertigt ist?

3.      Sind die Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere das Niederlassungsrecht, der freie Dienstleistungsverkehr und die Richtlinie 2014/23 sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, des freien Wettbewerbs, der Verhältnismäßigkeit und der Kohärenz – dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die den Wirtschaftsteilnehmer, wie hier durch Art. 30 des Musterkonzessionsvertrags, faktisch vor die Alternative stellt, entweder eine neue Konzession zu erwerben oder weiter von der Freiheit der Erbringung der verschiedenen grenzüberschreitenden Wettdienstleistungen Gebrauch zu machen, so dass die Entscheidung für eine Teilnahme an dem Verfahren zur Vergabe der neuen Konzession den Verzicht auf die grenzüberschreitende Tätigkeit erfordern würde, obwohl die Rechtmäßigkeit der letztgenannten Tätigkeit vom Gerichtshof bereits mehrfach bestätigt wurde?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

27      Lottoitalia und die italienische Regierung halten das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig. In der Vorlageentscheidung würden lediglich die von Stanley vorgeschlagenen Fragen wiedergegeben. Es werde aber nicht dargelegt, warum der Gerichtshof angerufen werde und inwieweit die Fragen erforderlich seien.

28      Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts stellt. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 8. September 2016, Politanò, C‑225/15, EU:C:2016:645, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung ist eine Auslegung des Unionsrechts, die für das nationale Gericht von Nutzen ist, nur dann möglich, wenn das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen, auf denen diese beruhen, erläutert. Außerdem muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage an den Gerichtshof erforderlich erscheint (Urteil vom 22. Januar 2015, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑463/13, EU:C:2015:25, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im vorliegenden Fall wird der tatsächliche und rechtliche Kontext des Ausgangsrechtsstreits in der Vorlageentscheidung hinreichend dargelegt. Auch lässt sich anhand der Ausführungen, die das vorlegende Gericht zur Erheblichkeit der Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gemacht hat, die Tragweite der Vorlagefragen bestimmen. Und die Vorlagefragen lassen sich auf der Grundlage dieser Ausführungen auch so beantworten, dass das vorlegende Gericht daraus einen Nutzen ziehen kann. Die schriftlichen Erklärungen der belgischen und der portugiesischen Regierung bestätigen diese Einschätzung.

31      Nach Nr. 3 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2018, C 257, S. 1) übt der Gerichtshof seine Befugnis, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung oder die Gültigkeit des Unionsrechts zu entscheiden, ausschließlich auf Initiative der nationalen Gerichte aus, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien des Ausgangsrechtsstreits eine Anrufung des Gerichtshofs angeregt haben. Da das mit einem Rechtsstreit befasste nationale Gericht die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu tragen hat, ist es nämlich Sache dieses Gerichts – und allein dieses Gerichts –, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl zu beurteilen, ob ein Vorabentscheidungsersuchen für den Erlass seiner Entscheidung erforderlich ist, als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt.

32      Demnach ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Beantwortung der Vorlagefragen

33      Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts betreffen im Wesentlichen die Frage, ob die nationale Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, und bestimmte Bestimmungen von Rechtsakten zur Durchführung dieser Regelung mit den Art. 49 und 56 AEUV, mit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit sowie mit der Richtlinie 2014/23 vereinbar sind.

 Zur zeitlichen Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/23

34      Nach einer ständigen Rechtsprechung zu öffentlichen Aufträgen, die auf Dienstleistungskonzessionen übertragbar ist, ist grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 7. April 2016, Partner Apelski Dariusz, C‑324/14, EU:C:2016:214, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Die Ausschreibung, um die es hier geht, wurde am 17. Dezember 2015, also vor dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2014/23 (18. April 2016), im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Wie die Generalanwältin in Nr. 30 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist nicht ersichtlich, dass die Richtlinie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ausschreibung bereits in nationales Recht umgesetzt gewesen wäre.

36      Die Richtlinie 2014/23 ist im Ausgangsverfahren daher zeitlich nicht anwendbar.

 Zur ersten Frage

37      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen, nach der die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien im Gegensatz zu anderen Glücksspielen, Prognosewettbewerben oder Wetten, bei denen die Konzession mehreren Konzessionsnehmern erteilt wird, nur einem Konzessionsnehmer erteilt wird.

38      Wie der Gerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, stellt eine mitgliedstaatliche Regelung wie die des Ausgangsverfahrens, die die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit vom Erhalt einer Konzession abhängig macht und mehrere Gründe für den Widerruf der Konzession vorsieht, eine Beschränkung der in den Art. 49 und 56 AEUV garantierten Freiheiten dar (Urteile vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 70, und vom 22. Januar 2015, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑463/13, EU:C:2015:25, Rn. 46).

39      Das gilt unabhängig davon, ob eine oder mehrere Konzessionen vergeben werden. Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Entscheidung, die betreffende Tätigkeit von der Erlangung einer Konzession abhängig zu machen und in dem Verfahren über die Vergabe des entsprechenden öffentlichen Auftrags nur eine Konzession zu vergeben, deshalb nach den Art. 49 und 56 AEUV zu prüfen.

40      Dabei ist zu beachten, dass es den Mitgliedstaaten, solange der Bereich der Glücksspiele auf der Ebene der Union nicht harmonisiert ist, zwar freisteht, die Ziele ihrer Politik auf diesem Gebiet festzulegen, und dass sie bei der Bestimmung des ihnen am geeignetsten erscheinenden Niveaus des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung über ein weites Ermessen verfügen. Die von ihnen vorgesehenen Beschränkungen müssen jedoch den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen – insbesondere an ihre Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses und ihre Verhältnismäßigkeit – genügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Politanò, C‑225/15, EU:C:2016:645, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Demnach ist zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den nach Art. 62 AEUV auch auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs anwendbaren Art. 51 und 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom 22. Januar 2015, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑463/13, EU:C:2015:25, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Was die Ziele angeht, die mit der Regelung, um die es hier geht, verfolgt werden, hat die italienische Regierung erläutert, dass man sich u. a. deshalb für die Vergabe nur einer Konzession entschieden habe, weil es erforderlich sei, das Glücksspiel in geordnete Bahnen zu lenken, und weil durch die Reduzierung des Wettbewerbs auf diesem besonderen Markt eine verantwortungsvolle Veranstaltung des Glücksspiels ermöglicht werde. Auch aus technischen Gründen sei es geboten gewesen, nur eine Konzession zu vergeben. Bei Vergabe mehrerer Konzessionen hätte durch eine Einrichtung, die die Tätigkeiten der verschiedenen Konzessionsnehmer hätte koordinieren und vereinheitlichen müssen, eine Kontrolle auf zwei Ebenen stattfinden müssen, was zu einer Vervielfachung der Kosten geführt hätte.

43      Insoweit hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Glücksspielen jüngst darauf hingewiesen, dass der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben zwingende Gründe des Allgemeininteresses sein können, die Beschränkungen der Grundfreiheiten gemäß den Art. 49 und 56 AEUV rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2015, Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑463/13, EU:C:2015:25, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich aber auch, dass verwaltungstechnische Nachteile und wirtschaftliche Gründe die Beeinträchtigung einer durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundfreiheit nicht rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2011, Zeturf, C‑212/08, EU:C:2011:437, Rn. 48 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Für die Feststellung, welche Ziele mit der nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, ist bei einem Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV jedoch das vorlegende Gericht zuständig (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Außerdem hat das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs zu prüfen, ob die durch den betreffenden Mitgliedstaat auferlegten Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass, wenn eines der Ziele der Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, tatsächlich darin besteht, auf dem besonderen Markt der Veranstaltung von Lotterien den Wettbewerb zu reduzieren, wie die italienische Regierung erläutert hat, die Vergabe nur einer Konzession geeignet sein dürfte, dieses Ziel zu erreichen.

48      Denn im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt könnte die Betreibung eines derartigen Wettbewerbs auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele, d. h. zwischen mehreren Veranstaltern, die die gleichen Glücksspiele betreiben dürfen, nach der Rechtsprechung insofern nachteilige Folgen haben, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Auswahl der Modalitäten der Organisation und der Kontrolle der Tätigkeiten der Veranstaltung und praktischen Durchführung von Glücksspielen ist Sache der nationalen Behörden, die insoweit über einen Gestaltungsspielraum verfügen. Dass ein Mitgliedstaat sich dafür entschieden hat, für die Veranstaltung von Lotterien lediglich eine Konzession zu vergeben, obwohl in demselben Mitgliedstaat für die Organisation des Markts der übrigen Glücksspiele etwas anderes gilt, hat daher für sich genommen keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Regelung des Ausgangsverfahrens, die ausschließlich im Hinblick auf die mit der Regelung verfolgten Ziele zu erfolgen hat.

50      Derart divergierende rechtliche Regelungen ändern nämlich als solche nichts an der Eignung eines solchen Systems der Vergabe nur einer Konzession zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Ein solches duales System zur Organisation des Glücksspielmarkts würde jedoch gegen Art. 56 AEUV verstoßen, wenn sich herausstellen sollte, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele als die, bei denen nur eine Konzession vergeben wird, eine Politik verfolgen, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, was zur Folge hat, dass das der Vergabe nur einer Konzession zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Sofern das vorlegende Gericht feststellt, dass die den freien Dienstleistungsverkehr einschränkende Regelung tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die vom betreffenden Mitgliedstaat angegebenen Ziele verfolgt, ist ein solches duales System aber mit Art. 56 AEUV vereinbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, Sporting Odds, C‑3/17, EU:C:2018:130, Rn. 33).

53      Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens, nach der die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien im Gegensatz zu anderen Glücksspielen, Prognosewettbewerben oder Wetten, bei denen die Konzession mehreren Konzessionsnehmern erteilt wird, nur einem Konzessionsnehmer erteilt wird, nicht entgegenstehen, sofern das vorlegende Gericht feststellt, dass die Regelung tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die vom betreffenden Mitgliedstaat angegebenen Ziele verfolgt.

 Zur zweiten Frage

54      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 und 56 AEUV sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung und den betreffenden Durchführungsvorschriften entgegenstehen, die wie im Ausgangsverfahren für die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien einen Richtwert festlegen, der gemessen an den übrigen Anforderungen an die wirtschaftliche, finanzielle und technisch-organisatorische Leistungsfähigkeit hoch ist.

55      Hierzu ist festzustellen, dass sowohl das Erfordernis einer Konzession als auch die in der betreffenden Ausschreibung festgelegten Teilnahmevoraussetzungen, u. a. der Richtwert, geeignet sind, die Ausübung der in den Art. 49 und 56 AEUV garantierten Freiheiten weniger attraktiv zu machen. Sie müssen deshalb gerechtfertigt sein und den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügen.

56      Nach ständiger Rechtsprechung muss die konzessionserteilende Stelle bei der Vergabe einer Konzession wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, das Transparenzgebot beachten, das u. a. dazu verpflichtet, zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Konzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Der aus dem Gleichheitssatz folgende Grundsatz der Transparenz soll in diesem Zusammenhang im Wesentlichen gewährleisten, dass alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen an Ausschreibungen teilnehmen können, und die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen der Vergabestelle ausschließen. Er verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert sind, so dass zum einen alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen dem Ermessen der konzessionserteilenden Stelle Grenzen gesetzt werden und diese tatsächlich überprüfen kann, ob die Gebote der Bieter die für das Verfahren geltenden Kriterien erfüllen (Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Der Wert des Auftrags ist eine wesentliche Information, die nach dem Grundsatz der Transparenz in der Ausschreibung zumindest schätzungsweise anzugeben ist. Wie die Generalanwältin in Nr. 59 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, muss der geschätzte Wert des Auftrags auf objektiven Kriterien beruhen.

59      Wie Stanley geltend macht, beträgt der Richtwert des Auftrags, um den es im Ausgangsverfahren geht, nach Art. 1 Abs. 653 Buchst. b des Gesetzes Nr. 190/2014 700 Mio. Euro. Das ist etwa das Doppelte der Voraussetzung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit gemäß Abschnitt 5.3 des Lastenhefts. Bei der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit wurde aber lediglich auf die von dem Wirtschaftsteilnehmer in der Vergangenheit angenommenen Spieleinsätze abgestellt. Sie kann keine Auswirkungen auf die Objektivität des geschätzten Werts des Auftrags haben.

60      Wie die Generalanwältin in den Nrn. 61 und 62 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sind bei der Beurteilung des geschätzten Werts des Auftrags auch der sehr hohe Betrag der Konzession (6 600 Mio. Euro jährlich), die jährliche Vergütung des Konzessionsnehmers in Höhe von 6 % der angenommenen Spieleinsätze (etwa 400 Mio. Euro), und die Möglichkeit etwaiger Bieter, an dem Verfahren als Konsortium teilzunehmen, zu berücksichtigen. Was diesen letzten Punkt angeht, ergibt sich aus dem Urteil vom 21. April 2016 des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium), dass zumindest 15 Wirtschaftsteilnehmer des Sektors diese Teilnahmevoraussetzung erfüllt haben.

61      Außerdem sah Art. 1 Abs. 653 Buchst. c des Gesetzes Nr. 190/2014 vor, dass der im Angebot des an erster Stelle stehenden Bieters genannte Preis von 2015 bis 2017 in drei Teilen gezahlt wird.

62      Somit ist festzustellen, dass der Richtwert des Auftrags, um den es im Auftragsverfahren geht, klar, genau und eindeutig formuliert wurde und objektiv gerechtfertigt sein dürfte.

63      Nach der oben in Rn. 46 dargestellten Rechtsprechung ist die endgültige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, aber Sache des nationalen Gerichts. Dasselbe gilt für die Vereinbarkeit der Regelung mit dem Grundsatz der Transparenz.

64      Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Art. 49 und 56 AEUV sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung und den betreffenden Durchführungsvorschriften, die wie im Ausgangsverfahren für die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien einen hohen Richtwert festlegen, nicht entgegenstehen, sofern der Richtwert klar, genau und eindeutig formuliert und objektiv gerechtfertigt ist, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

 Zur dritten Frage

65      Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts beruht offenbar auf der Annahme, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hätte, dass die Veranstaltung von Glücksspielen durch DÜZ als Dienstleistung im freien Dienstleistungsverkehr rechtmäßig ist.

66      Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Glücksspielsektor den Rückgriff auf ein Konzessionssystem gebilligt hat, weil ein solches System ein wirksamer Mechanismus sein kann, um die in diesem Sektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2013, Biasci u. a., C‑660/11 und C‑8/12, EU:C:2013:550, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass bestimmte Bestimmungen von Ausschreibungen für die Vergabe von Verträgen über Konzessionen für die Veranstaltung von Glücksspielen unionsrechtswidrig sind. Er hat sich aber nicht zu der Rechtmäßigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen durch DÜZ als Dienstleistung im freien Dienstleistungsverkehr geäußert.

68      Die dritte Frage ist daher umzuformulieren. Das vorlegende Gericht möchte mit dieser Frage wissen, ob die Art. 49 und 56 AEUV sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung eines zu einer Ausschreibung gehörenden Musterkonzessionsvertrags wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen, nach der die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien widerrufen wird

–        bei einer Straftat, wegen der das Hauptverfahren eröffnet worden ist und die nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers wegen ihrer Art, ihrer Schwere, der Art ihrer Ausführung und ihres Zusammenhangs mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, die Zuverlässigkeit, Professionalität und sittliche Eignung des Konzessionsnehmers ausschließt,

–        oder bei einem Verstoß des Konzessionsnehmers gegen die Vorschriften zur Bekämpfung des unerlaubten, illegalen und heimlichen Glückspiels, insbesondere wenn er selbst oder über eine irgendwo auf der Welt ansässige Gesellschaft, die er kontrolliert oder mit der er verbunden ist, ohne entsprechende Genehmigung mit Lotterien vergleichbare Glücksspiele anbietet.

69      Wie oben in den Rn. 38 bis 40 ausgeführt, stellt eine mitgliedstaatliche Regelung, die die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit vom Erhalt einer Konzession abhängig macht und verschiedene Gründe für den Widerruf der Konzession vorsieht, eine Beschränkung der in den Art. 49 und 56 AEUV garantierten Freiheiten dar. Die Bestimmungen über den Widerruf der Konzession müssen, wenn sie mit den Art. 49 und 56 AEUV vereinbar sein sollen, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Außerdem müssen sie dem Grundsatz der Transparenz (siehe oben, Rn. 56 und 57) genügen.

70      Die dritte Vorlagefrage ist nach Maßgabe dieser Erwägungen zu beantworten.

71      Was als Erstes den Widerrufsgrund der Eröffnung des Hauptverfahrens (Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags) angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass in dem besonderen Bereich der Glücksspiele der Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers wegen der Begehung einer Straftat, die mit dem Gegenstand der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt wurde, in Zusammenhang steht, grundsätzlich als eine Maßnahme angesehen werden kann, die durch das Ziel der Bekämpfung der Kriminalität gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Da der Widerruf der Konzession für den Konzessionsnehmer eine besonders einschneidende Maßnahme darstellt, muss er das Risiko, dass ihn eine solche Sanktion trifft, allerdings sicher abschätzen können. Es muss daher klar, genau und eindeutig bestimmt sein, unter welchen Umständen die Sanktion zur Anwendung kommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 77 und 78).

73      Unter dem Vorbehalt der Überprüfungen, die durchzuführen Sache des vorlegenden Gerichts ist, dürfte die Bestimmung des Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags diesen Anforderungen genügen.

74      Wie die Generalanwältin in Nr. 73 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, werden die Voraussetzungen für den Widerruf der Konzession durch die ADM in Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags knapp, aber klar beschrieben, so dass ein Bieter bei verständiger Würdigung und Anwendung der üblichen Sorgfalt keine Schwierigkeiten haben dürfte, den Anwendungsbereich und die Tragweite dieser Bestimmung zu erkennen.

75      Zum anderen sind die Voraussetzungen der Eröffnung des Hauptverfahrens, die im italienischen Recht in der Strafprozessordnung geregelt sind, für alle Wirtschaftsteilnehmer zugänglich und vorhersehbar.

76      Was die Frage angeht, ob Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt, ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass die durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Beschränkungen nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C‑243/01, EU:C:2003:597, Rn. 72). Auch wenn der öffentliche Auftraggeber im Prinzip die Möglichkeit haben muss, die Konzession bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Konzessionsnehmers, insbesondere wegen der Begehung einer Straftat, die mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt ist, in Zusammenhang steht, zu widerrufen. Diese Möglichkeit muss aber genau geregelt sein, damit sie in Bezug auf das Ziel der Bekämpfung der Kriminalität verhältnismäßig ist.

77      Im vorliegenden Fall hängt das Ermessen, über das die ADM beim Widerruf der Konzession gemäß Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags verfügt, von zwei Voraussetzungen ab. Ein Widerruf der Konzession setzt erstens voraus, dass eine vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige Justizbehörde vorher tätig geworden ist und auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift verfasst, die auf einem Bündel von Indizien beruht, die im Ermittlungsverfahren zusammengetragen worden sind, und zweitens, dass die begangene Straftat mit dem Gegenstand der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, in Zusammenhang steht.

78      Somit ist festzustellen, dass eine Bestimmung wie die des Art. 30 Abs. 2 Buchst. h des Musterkonzessionsvertrags nicht über das hinausgehen dürfte, was erforderlich ist, um das verfolgte Ziel der Bekämpfung der Kriminalität zu erreichen, was zu überprüfen aber Sache des vorlegenden Gerichts ist.

79      Dieses Ergebnis wird nicht durch Rn. 81 des Urteils vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone (C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80), in Frage gestellt, wonach ein Ausschluss vom Markt durch Widerruf der Konzession nur dann als dem Ziel der Bekämpfung der Kriminalität angemessen betrachtet werden kann, wenn er auf einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer hinreichend schweren Straftat beruht.

80      Denn auch wenn die Konzession bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat im Zusammenhang mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, automatisch widerrufen wird, bedeutet dies nicht, dass dem öffentlichen Auftraggeber nicht die Befugnis erteilt werden dürfte, die Konzession unter genau geregelten gesetzlichen Voraussetzungen auch ohne rechtskräftige Verurteilung zu widerrufen.

81      Was als Zweites den Widerrufsgrund des Art. 30 Abs. 2 Buchst. k des Musterkonzessionsvertrags angeht, stellt das darin enthaltene Verbot, im italienischen Hoheitsgebiet andere, mit Lotterien vergleichbare Glücksspiele ohne entsprechende Genehmigung oder andere, mit nach italienischem Recht verbotenen Glücksspielen vergleichbare Glücksspiele in Verkehr zu bringen ebenfalls eine Maßnahme zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels dar, was gewiss ein legitimes Ziel darstellt.

82      Unter dem Vorbehalt der Überprüfungen, die vorzunehmen Sache des vorlegenden Gerichts ist, dürfte diese Bestimmung hinreichend klar formuliert sein. Sie dürfte auch geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen, ohne über das zu hinauszugehen, was hierzu erforderlich ist.

83      Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmungen wird das vorlegende Gericht aber auch zu berücksichtigen haben, dass der Widerruf der Konzession eines Wirtschaftsteilnehmers nicht als verhältnismäßig angesehen werden kann, wenn die nationale Regelung kein wirksames gerichtliches Verfahren und keinen Ersatz für den entstandenen Schaden, falls sich der Widerruf später als ungerechtfertigt erweisen sollte, vorsieht (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 81).

84      Sofern der Wirtschaftsteilnehmer, der tatsächlich ein Angebot eingereicht hat und wegen der streitigen Bestimmungen über den Widerruf der Konzession bei deren Vergabe nicht berücksichtigt wird bzw. der Bieter, bei dem die Konzession gemäß den streitigen Bestimmungen widerrufen worden ist, ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der Konzession bzw. den Widerruf der Konzession und Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens hat, falls sich herausstellen sollte, dass die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der Konzession bzw. der Widerruf der Konzession nicht gerechtfertigt waren, u. a. auch wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht, ist davon auszugehen, dass solche Bestimmungen den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügen.

85      Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung eines zu einer Ausschreibung gehörenden Musterkonzessionsvertrags wie der des Ausgangsverfahrens, nach der die Konzession für die Veranstaltung von Lotterien widerrufen wird

–        bei einer Straftat, wegen der das Hauptverfahren eröffnet worden ist und die nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers wegen ihrer Art, ihrer Schwere, der Art ihrer Ausführung und ihres Zusammenhangs mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, die Zuverlässigkeit, Professionalität und sittliche Eignung des Konzessionsnehmers ausschließt,

–        oder bei einem Verstoß des Konzessionsnehmers gegen die Vorschriften zur Bekämpfung des unerlaubten, illegalen und heimlichen Glücksspiels, insbesondere wenn er selbst oder über eine irgendwo auf der Welt ansässige Gesellschaft, die er kontrolliert oder mit der er verbunden ist, ohne entsprechende Genehmigung mit Lotterien vergleichbare Glücksspiele anbietet,

nicht entgegenstehen, sofern die Bestimmung gerechtfertigt ist, in Bezug auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig ist und dem Grundsatz der Transparenz entspricht, was das nationale Gericht unter Berücksichtigung der in diesem Urteil enthaltenen Hinweise zu prüfen haben wird.

 Kosten

86      Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens, nach der die Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote im Gegensatz zu anderen Glücksspielen, Prognosewettbewerben oder Wetten, bei denen die Konzession mehreren Konzessionsnehmern erteilt wird, nur einem Konzessionsnehmer erteilt wird, nicht entgegenstehen, sofern das vorlegende Gericht feststellt, dass die Regelung tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die vom betreffenden Mitgliedstaat angegebenen Ziele verfolgt.

2.      Die Art. 49 und 56 AEUV sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung und den betreffenden Durchführungsvorschriften, die wie im Ausgangsverfahren für die Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote einen hohen Richtwert festlegen, nicht entgegenstehen, sofern der Richtwert klar, genau und eindeutig formuliert und objektiv gerechtfertigt ist, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

3.      Die Art. 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung eines zu einer Ausschreibung gehörenden Musterkonzessionsvertrags wie der des Ausgangsverfahrens, nach der die Konzession für die Veranstaltung automatisierter Lotterien und anderer Zahlenglücksspiele mit fester Quote widerrufen wird

–        bei einer Straftat, wegen der das Hauptverfahren eröffnet worden ist und die nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers wegen ihrer Art, ihrer Schwere, der Art ihrer Ausführung und ihres Zusammenhangs mit der Tätigkeit, für die die Konzession erteilt worden ist, die Zuverlässigkeit, Professionalität und sittliche Eignung des Konzessionsnehmers ausschließt,

–        oder bei einem Verstoß des Konzessionsnehmers gegen die Vorschriften zur Bekämpfung des unerlaubten, illegalen und heimlichen Glücksspiels, insbesondere wenn er selbst oder über eine irgendwo auf der Welt ansässige Gesellschaft, die er kontrolliert oder mit der er verbunden ist, ohne entsprechende Genehmigung mit automatisierten Lotterien und anderen Zahlenglücksspielen mit fester Quote vergleichbare Glücksspiele anbietet,

nicht entgegenstehen, sofern die Bestimmung gerechtfertigt ist, in Bezug auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig ist und dem Grundsatz der Transparenz entspricht, was das nationale Gericht unter Berücksichtigung der in diesem Urteil enthaltenen Hinweise zu prüfen haben wird.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.