Language of document : ECLI:EU:T:2018:910

Rechtssache T677/14

Biogaran

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird – Vereinbarungen mit dem Ziel, den Markteintritt von Perindopril-Generika hinauszuzögern oder zu verhindern – Beteiligung einer Tochtergesellschaft an der von der Muttergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung – Zurechnung der Zuwiderhandlung – Gesamtschuldnerische Haftung – Obergrenze der Geldbuße“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 12. Dezember 2018

1.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Pauschale Verweisung auf andere, der Klageschrift nicht als Anlage beigefügte Schriftstücke – Verweisung auf die von einem anderen Kläger in einer Wettbewerbssache gegen denselben Beschluss erhobenen Klage – Unzulässigkeit

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1)

2.      Handlungen der Organe – Begründung – Verpflichtung – Umfang – Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Heilung eines Begründungsmangels im gerichtlichen Verfahren – Unzulässigkeit – Weitere Indizien zur Ergänzung einer für sich bereits ausreichenden Begründung und zur Erwiderung auf das Vorbringen des Klägers – Zulässigkeit

(Art. 102 und 263 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

3.      Gerichtliches Verfahren – Sprachenregelung – Vorlage von Schriftsätzen oder Unterlagen in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache – Heilung von Mängeln

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 35 § 3; Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts, Art. 7 Abs. 5 Unterabs. 2; Praktische Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht, Nrn. 64 und 68)

4.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vergleiche im Patentrechtsbereich – Vereinbarung zwischen einem Hersteller von Originalpräparaten und einem Generikahersteller – Vereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel (Patente) und einem Vermarktungsverbot – Umgekehrte Zahlung an den Generikahersteller mit Anreizwirkung – Bezweckte Beschränkung

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

5.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vergleiche im Patentrechtsbereich – Vereinbarung zwischen einem Hersteller von Originalpräparaten und einem Generikahersteller – Vereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel (Patente) und einem Vermarktungsverbot – Akzessorische Vereinbarung, die einen Werttransfer zum Generikahersteller vorsieht – Einstufung als umgekehrte Zahlung mit Anreizwirkung – Voraussetzungen

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

6.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vereinbarung mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung – Gleichzeitige Verfolgung zulässiger Zwecke – Keine Auswirkung

(Art. 101 AEUV)

7.      Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Absicht der Parteien einer Vereinbarung, den Wettbewerb einzuschränken – Kein notwendiges Kriterium

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

8.      Wettbewerb – Unternehmen – Begriff – Wirtschaftliche Einheit – Zurechnung der Zuwiderhandlungen – Muttergesellschaft und Tochterunternehmen – 100%ige Tochtergesellschaft – Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung der Muttergesellschaft – Gesamtschuldnerische Haftung der Tochtergesellschaft – Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit – Fehlen

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

9.      Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Verantwortlichmachung eines Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung – Voraussetzungen – Rechtswidrige Praktiken und Verhaltensweisen, die sich in einen Gesamtplan einfügen – Beurteilung – Kriterien – Beitrag zum einheitlichen Ziel der Zuwiderhandlung – Kenntnis oder Vorhersehbarkeit des Gesamtplans des Kartells und seiner wesentlichen Elemente

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

10.    Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Bedeutung – Vorhersehbarkeit der Rechtswidrigkeit des geahndeten Verhaltens – Vergleich zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten zwischen dem Hersteller des Originalpräparats und einem Generikahersteller – Lizenz- und Liefervereinbarung zwischen einer Tochtergesellschaft des Herstellers des Originalpräparats und dem Generikahersteller – Vereinbarungen wettbewerbsrechtswidrig – Tochtergesellschaft hätte wissen müssen, dass ihr Verhalten und das ihrer Muttergesellschaft wettbewerbsrechtswidrig sind

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49 Abs. 1)

11.    Wettbewerb – Unternehmen – Begriff – Wirtschaftliche Einheit – Zurechnung der Zuwiderhandlungen – Muttergesellschaft und Tochterunternehmen – Gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Geldbuße – Gesamtschuldnerische Haftung der Tochtergesellschaft – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Höchstbetrag – Berechnung – Zu berücksichtigender Umsatz – Gesamtumsatz aller Gesellschaften, aus denen die als Unternehmen handelnde wirtschaftliche Einheit besteht

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 47-51)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 57-61)

3.      Nach Art. 35 § 3 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die Verfahrenssprache insbesondere bei den mündlichen Ausführungen und in den Schriftsätzen der Parteien einschließlich aller Anlagen anzuwenden und ist Urkunden, die in einer anderen Sprache abgefasst sind, eine Übersetzung in der Verfahrenssprache beizugeben. Nach Art. 7 Abs. 5 Unterabs. 2 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts fordert der Kanzler, wenn Anlagen zu einem Schriftsatz keine Übersetzung in die Verfahrenssprache beiliegt, die betreffende Partei auf, diesen Mangel zu beheben, wenn diese Übersetzung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich erscheint. Nach den Nrn. 64 und 68 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht wird, wenn die Klagebeantwortung nicht den Formvorschriften hinsichtlich der Übersetzung eines vorgelegten, in einer anderen Sprache abgefassten Schriftstücks in die Verfahrenssprache entspricht, eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels gesetzt.

Demnach hat der Kanzler, wenn von einer Partei Dokumente in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache ohne Übersetzung vorgelegt worden sind und die gegnerische Partei die Möglichkeit hatte, die Behebung dieses Mangels zu beantragen, einen solchen Antrag aber nicht ausdrücklich gestellt hat, sondern lediglich eingewendet hat, dass die Dokumente unzulässig seien, weil sie nicht in der Verfahrenssprache abgefasst seien, die Partei, die die Dokumente vorgelegt hat, nur dann zur Behebung des Mangels aufzufordern, wenn die Übersetzung in die Verfahrenssprache für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich erscheint.

(vgl. Rn. 63-65)

4.      Die Einstufung eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über Arzneimittelpatente, den der Hersteller des Originalpräparats und Inhaber der Patente mit einem Generikahersteller geschlossen hat, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung setzt voraus, dass der Vergleich sowohl einen Anreiz für den Generikahersteller enthält als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Wettbewerbstätigkeit gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist wegen des Grades der Schädlichkeit des geschlossenen Vergleichs für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV festzustellen.

Deshalb lässt sich allein daraus, dass ein solcher Vergleich eine Nichtangriffsklausel und ein Vermarktungsverbot enthält, deren Geltungsbereich auf den des betreffenden Patents beschränkt ist, auch wenn die Klauseln als solche beschränkend sind, nicht schließen, dass eine Beschränkung des Wettbewerbs vorliegt, die so schädlich ist, dass sie als bezweckte Beschränkung anzusehen ist, wenn die Vergleiche darauf beruhen, dass die Parteien die Gültigkeit des Patents anerkennen. Solche Klauseln sind allerdings problematisch, wenn der Generikahersteller sie nicht hinnimmt, weil er die Gültigkeit des Patents anerkennt. Erfolgt im Rahmen des Abschlusses des Vergleichs eine Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller, die nicht gerechtfertigt ist, ist deshalb davon auszugehen, dass der Generikahersteller durch die Zahlung dazu bestimmt wurde, eine Nichtangriffsklausel und ein Vermarktungsverbot hinzunehmen, so dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliegt.

Wird eine Bestimmungshandlung festgestellt, können sich die Parteien nicht mehr darauf berufen, dass sie im Vergleich die Gültigkeit des Patents anerkannt haben. Die Bestätigung der Gültigkeit des Patents durch ein Gericht oder eine Behörde ist insoweit nicht von Belang. Der wahre Grund der Wettbewerbsbeschränkungen, die durch ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel eingeführt werden, ist also die Bestimmung zum Abschluss des Vergleichs, und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien in dem Vergleich. Da es für solche Klauseln keine Rechtfertigung gibt, sind sie für das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs derart schädlich, dass sie als bezweckte Beschränkung einzustufen sind.

(vgl. Rn. 112-114, 116, 120, 121, 123)

5.      Die Einstufung eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über Arzneimittelpatente, den der Hersteller des Originalpräparats und Inhaber der Patente mit einem Generikahersteller geschlossen hat, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung setzt voraus, dass der Vergleich sowohl einen Anreiz für den Generikahersteller enthält als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Wettbewerbstätigkeit gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats.

Eine gewöhnliche geschäftliche Vereinbarung, die mit einem Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, der Bestimmungen enthält, die als solche beschränkend sind, „verbunden“ ist, kann ein gewichtiges Indiz für die Schaffung eines Anreizes und damit eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sein, wenn die akzessorische geschäftliche Vereinbarung einen Werttransfer vom Hersteller des Originalpräparats zum Generikahersteller vorsieht. Dieses Indiz reicht allein jedoch nicht aus. Die Kommission muss es bestätigen, indem sie weitere Nachweise für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung beibringt. Im speziellen Kontext akzessorischer Vereinbarungen entspricht die umgekehrte Zahlung dem Teil der vom Hersteller des Originalpräparats geleisteten Zahlung, der über den „normalen“ Wert des Gegenstands der Transaktion hinausgeht.

Auf der Grundlage sämtlicher Informationen, über die sie verfügt, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vertragsparteien keine oder keine plausiblen Gründe für den Vertragsschluss angegeben haben, kann die Kommission nach einer Gesamtwürdigung mithin zu dem Schluss gelangen, dass der akzessorische Vertrag nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen worden ist, d. h., dass die Zahlung des Herstellers des Originalpräparats den Wert des Gegenstands der Transaktion übersteigt bzw. der Wert des an den Generikahersteller übertragenen Gegenstands die Zahlung des Generikaherstellers übersteigt. Die Kommission kann dann feststellen, dass eine umgekehrte Zahlung vorliegt. Sofern eine umgekehrte Zahlung nicht dazu dient, Kosten, die durch den Vergleich entstehen, auszugleichen, stellt sie einen Vorteil dar, mit dem der Empfänger zu einem bestimmten Verhalten bestimmt werden soll. Die Vertragsparteien können jedoch einwenden, dass der gewährte Vorteil unerheblich sei, weil er nicht hoch genug sei, um den Empfänger maßgeblich dazu zu bestimmen, die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln des Vergleichs zu akzeptieren.

(vgl. Rn. 123, 135, 137, 139, 141, 145-147)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 175)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 178)

8.      Der Begriff des Unternehmens bezeichnet jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Demnach ist unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird. Eine solche wirtschaftliche Einheit hat, wenn sie gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einzustehen.

Dass die Kommission unter Rückgriff auf den Begriff des Unternehmens annimmt, dass eine Muttergesellschaft und ihre 100%ige Tochtergesellschaft gemeinschaftlich für eine ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verantwortlich sind, so dass bei den jeweiligen Handlungen dieser Gesellschaften davon auszugehen ist, dass sie von ein und demselben Unternehmen begangen worden sind, ist daher nicht zu beanstanden.

Daran ändert auch nichts, dass sich die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV zu einem Teil aus dem Verhalten der Muttergesellschaft und zu einem anderen Teil aus dem Verhalten der Tochtergesellschaft ergibt, obwohl sich die Zuwiderhandlung in Fällen einer gemeinschaftlichen Haftung der Mutter- und der Tochtergesellschaft, mit denen sich die Unionsgerichte zu befassen haben, meistens aus dem Verhalten der Tochtergesellschaft allein ergibt.

Denn wenn es möglich ist, einer Muttergesellschaft eine von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung zuzurechnen und somit die beiden Gesellschaften gemeinschaftlich für die Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen, die von dem Unternehmen, das sie bilden, begangen worden ist, ohne gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit zu verstoßen, muss dies erst recht gelten, wenn sich die von der wirtschaftlichen Einheit, die eine Mutter- und ihre Tochtergesellschaft bilden, begangene Zuwiderhandlung aus dem Zusammenwirken des Verhaltens der beiden Gesellschaften ergibt.

(vgl. Rn. 212, 216-218)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 230-233)

10.    Die wirksame Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln kann nicht so weit gehen, dass der in Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen missachtet wird. Dieser Grundsatz darf aber nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt, vorausgesetzt, dass das Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zur fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, hinreichend vorhersehbar ist.

Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen.

Ein Generikahersteller kann davon ausgehen, dass die Tatsache, dass seine Muttergesellschaft, die Originalpräparate herstellt, andere Generikahersteller dazu bestimmt, im Rahmen eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel hinzunehmen, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, der Aufnahme solcher Klauseln in den Vergleich jegliche Legitimität nimmt. Die Aufnahme solcher Klauseln in den Vergleich beruht nämlich nicht mehr auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien und lässt eine anormale Verwendung des Patents ohne Bezug zu dessen spezifischen Zweck erkennen. Die Tochtergesellschaft kann ferner davon ausgehen, dass der zusätzliche Anreiz, den sie für einen Generikahersteller durch eine mit ihm geschlossene Lizenz- und Liefervereinbarung geschaffen hat, geeignet ist, die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des von der Muttergesellschaft geschlossenen Vergleichs zu verstärken. Die Tochtergesellschaft kann unter solchen Umständen bei verständiger Würdigung vorhersehen, dass ihr Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt.

Die Rechtswidrigkeit der betreffenden Vereinbarungen mag, wenn diese in Form von Vergleichen zur gütlichen Beilegung von Patenrechtsstreitigkeiten geschlossen werden, für Außenstehende wie die Kommission oder auf das betreffende Gebiet spezialisierte Juristen nicht offenkundig sein. Für die Vertragsparteien gilt dies nicht.

(vgl. Rn. 251, 252, 255, 260)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 274-280)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 283, 284)