Language of document : ECLI:EU:C:2021:507

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

22. Juni 2021(*)

„Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela – Nichtigkeitsklage eines Drittstaats – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis – Voraussetzung, dass der Kläger von der Maßnahme, die Gegenstand seiner Klage ist, unmittelbar betroffen ist – Begriff ‚juristische Person‘ – Rechtsschutzinteresse – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht“

In der Rechtssache C‑872/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. November 2019,

Bolivarische Republik Venezuela, vertreten durch L. Giuliano und F. Di Gianni, avvocati,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch P. Mahnič und A. Antoniadis als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan, M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Kumin und N. Wahl, der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und T. von Danwitz, der Richterinnen C. Toader und L. S. Rossi sowie der Richter I. Jarukaitis und N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Januar 2021

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Bolivarische Republik Venezuela die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. September 2019, Venezuela/Rat (T‑65/18, EU:T:2019:649) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung erstens der Verordnung (EU) 2017/2063 des Rates vom 13. November 2017 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 21), zweitens der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1653 des Rates vom 6. November 2018 zur Durchführung der Verordnung 2017/2063 (ABl. 2018, L 276, S. 1) und drittens des Beschlusses (GASP) 2018/1656 des Rates vom 6. November 2018 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2018, L 276, S. 10), soweit deren Bestimmungen die Bolivarische Republik Venezuela betreffen, abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Am 13. November 2017 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss (GASP) 2017/2074 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 60).

3        Gemäß Art. 13 Abs. 2 des Beschlusses 2017/2074 wird dieser fortlaufend überprüft und gegebenenfalls verlängert oder geändert, wenn der Rat der Auffassung ist, dass seine Ziele nicht erreicht wurden. Ursprünglich sollte der Beschluss 2017/2074 nach seinem Art. 13 Abs. 1 bis zum 14. November 2018 gelten. Der Beschluss 2018/1656 verlängerte die restriktiven Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela, bestimmte, dass der Beschlusses 2017/2074 bis zum 14. November 2019 galt, und änderte den Eintrag 7 von Anhang I des Beschlusses 2017/2074, der eine der natürlichen Personen betrifft, gegen die sich die restriktiven Maßnahmen richteten.

4        Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV und des Beschlusses 2017/2074 auch die Verordnung 2017/2063.

5        Der erste Erwägungsgrund der Verordnung 2017/2063 lautet: „Angesichts der anhaltenden Beeinträchtigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Venezuela hat die [Europäische] Union wiederholt ihre tiefe Besorgnis zum Ausdruck gebracht und alle politischen Akteure und Institutionen Venezuelas aufgefordert, in konstruktiver Weise und unter uneingeschränkter Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, der demokratischen Institutionen und der Gewaltenteilung auf eine Lösung der Krise im Land hinzuarbeiten.“

6        Art. 2 der genannten Verordnung bestimmt:

„(1)      Es ist untersagt,

a)      natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit den in der Gemeinsamen Militärgüterliste der [Union] aufgeführten Gütern oder Technologien oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung von in der Gemeinsamen Militärgüterliste der [Union] aufgeführten Gütern oder Technologien zu leisten;

b)      für den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr der in der Gemeinsamen Militärgüterliste der [Union] aufgeführten Güter und Technologien oder für die Erbringung von damit verbundener technischer Hilfe natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela unmittelbar oder mittelbar Finanzmittel oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit diesen Gütern oder Technologien, insbesondere Zuschüsse, Darlehen und Ausfuhrkreditversicherungen sowie Versicherungen und Rückversicherungen, bereitzustellen.

(2)      Die Verbote gemäß Artikel 1 gelten nicht für die Erfüllung von vor dem 13. November 2017 geschlossenen Verträgen oder für Nebenverträge, die für die Erfüllung dieser Verträge erforderlich sind, wenn sie mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/CFSP [des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl. 2008, L 335, S. 99)] und insbesondere den in dessen Artikel 2 genannten Kriterien in Einklang stehen und wenn die natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die den Vertrag erfüllen wollen, den Vertrag der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung angezeigt haben.“

7        Art. 3 der Verordnung lautet:

„Es ist untersagt,

a)      die in Anhang I aufgeführten Ausrüstungen mit oder ohne Ursprung in der Union, die zur internen Repression verwendet werden können, unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen;

b)      technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit den unter Buchstabe a genannten Ausrüstungen unmittelbar oder mittelbar natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela bereitzustellen;

c)      Finanzmittel oder Finanzhilfen, insbesondere Zuschüsse, Darlehen und Ausfuhrkreditversicherungen sowie Versicherungen und Rückversicherungen, im Zusammenhang mit den unter Buchstabe a genannten Ausrüstungen unmittelbar oder mittelbar natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela bereitzustellen.“

8        Art. 4 der Verordnung sieht vor:

„(1)      Abweichend von den Artikeln 2 und 3 können die in Anhang III aufgeführten zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen Folgendes genehmigen:

a)      die Bereitstellung von Finanzmitteln und Finanzhilfen sowie von technischer Hilfe im Zusammenhang mit

i)      nichtletalem militärische[n] Gerät, das ausschließlich für humanitäre oder Schutzzwecke oder für Programme der Vereinten Nationen (VN) und der Union oder ihrer Mitgliedstaaten oder regionaler und subregionaler Organisationen zum Aufbau von Institutionen bestimmt ist,

ii)      Material, das für Krisenbewältigungsoperationen der [Vereinten Nationen] und der Union oder regionaler und subregionaler Organisationen bestimmt ist;

b)      den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr von Ausrüstungen, die zur internen Repression und damit verbundener Finanzmittel, Finanzhilfe sowie technischer Hilfe verwendet werden können, aber ausschließlich humanitären oder Schutzzwecken dienen oder für Programme der [Vereinten Nationen] oder der Union zum Aufbau von Institutionen oder für Krisenbewältigungsoperationen [der Vereinten Nationen] und der Union oder regionaler und subregionaler Organisationen bestimmt sind;

c)      den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr von Minenräumgeräten und Minenräummaterial für Minenräumaktionen und damit verbundener Finanzmittel, Finanzhilfe sowie technischer Hilfe.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Genehmigungen können nur im Vorfeld der Maßnahmen erteilt werden, für die sie beantragt werden.“

9        Art. 6 der Verordnung 2017/2063 lautet:

„(1)      Es ist untersagt, die in Anhang II aufgeführte Ausrüstung, Technologie oder Software mit oder ohne Ursprung in der Union ohne vorherige Genehmigung durch die auf den in Anhang III aufgeführten Websites angegebene zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar an Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen.

(2)      Die auf den in Anhang III aufgeführten Websites angegebenen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erteilen die Genehmigung nach Absatz 1 nicht, wenn sie hinreichende Gründe für die Feststellung haben, dass die betreffende Ausrüstung, Technologie oder Software für die interne Repression in Venezuela durch die Regierung Venezuelas, seine öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, verwendet würde.

(3)      Anhang II enthält Ausrüstung, Technologie oder Software, die in erster Linie für die Überwachung oder das Abhören des Internets oder des Telefonverkehrs bestimmt sind.

(4)      Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über nach diesem Artikel erteilte Genehmigungen innerhalb von vier Wochen nach deren Erteilung.“

10      Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Es ist untersagt, ohne eine nach Artikel 6 Absatz 2 erteilte vorherige Genehmigung durch die auf den in Anhang III aufgeführten Websites angegebene zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats,

a)      für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe oder Vermittlungsdienste im Zusammenhang mit der in Anhang II aufgeführten Ausrüstung, Technologie und Software, im Zusammenhang mit der Installierung, Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung der in Anhang II aufgeführten Ausrüstung und Technologie oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung, der Installierung, dem Betrieb oder der Aktualisierung von in Anhang II aufgeführter Software zu erbringen;

b)      für Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela unmittelbar oder mittelbar Finanzmittel oder Finanzhilfe in Zusammenhang mit der in Anhang II aufgeführten Ausrüstung, Technologie und Software bereitzustellen;

c)      für die Regierung Venezuelas, dessen öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen[, Einrichtungen] oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf deren Weisung handeln, zu ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen Dienstleistungen zur Überwachung oder zum Abhören des Telefonverkehrs oder des Internets zu erbringen.“

11      Art. 20 der Verordnung 2017/2063 lautet:

„Diese Verordnung gilt

a)      im Gebiet der Union, einschließlich ihres Luftraums,

b)      an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten unterstehen,

c)      für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union,

d)      für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union,

e)      für alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.“

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

12      Mit Klageschrift, die am 6. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Bolivarische Republik Venezuela eine Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung 2017/2063, soweit deren Bestimmungen sie betreffen.

13      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 3. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Rat gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit. Wie aus Rn. 23 des angefochtenen Urteils hervorgeht, machte der Rat im Rahmen dieser Einrede drei Unzulässigkeitsgründe geltend, nämlich erstens, dass die Bolivarische Republik Venezuela kein Rechtsschutzinteresse habe, zweitens, dass sie nicht unmittelbar von den Bestimmungen der Verordnung 2017/2063 betroffen sei, und drittens, dass sie keine „natürliche oder juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei. Das Gericht beschloss gemäß Art. 130 Abs. 6 seiner Verfahrensordnung, das mündliche Verfahren unter Beschränkung auf die Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu eröffnen.

14      Mit gesondertem Schriftsatz, der bei der Kanzlei des Gerichts am 17. Januar 2019 einging, passte die Bolivarische Republik Venezuela gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts ihre Klageschrift an, so dass sie sich auch auf den Beschluss 2018/1656 und die Durchführungsverordnung 2018/1653 bezog, soweit deren Bestimmungen sie betrafen.

15      In dem angefochtenen Urteil hat das Gericht zunächst festgestellt, dass die Klage, soweit sie sich gegen die Verordnung 2017/2063 richte, nur deren Art. 2, 3, 6 und 7 betreffe.

16      Sodann hat das Gericht entschieden, nur den zweiten vom Rat geltend gemachten Unzulässigkeitsgrund zu prüfen, wonach die Bolivarische Republik Venezuela durch die fraglichen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei. Es hat diesem Unzulässigkeitsgrund stattgegeben und somit die Klage, soweit sie sich gegen die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 richtete, als unzulässig abgewiesen.

17      Schließlich hat das Gericht die Klage auch insoweit als unzulässig abgewiesen, als sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses 2018/1656 und der Durchführungsverordnung 2018/1653 gerichtet war, und zur Begründung ausgeführt, dass zum einen, soweit die Art. Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 die Bolivarische Republik Venezuela nicht unmittelbar beträfen, das gleiche für die Durchführungsverordnung 2018/1653 gelte, und dass zum anderen aus Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts folge, dass der Kläger im Rahmen eines Anpassungsschriftsatzes die Nichtigerklärung eines Rechtsakts, der einen anderen Rechtsakt ersetze oder ändere, nur dann beantragen könne, wenn in der Klageschrift die Nichtigerklärung des ursprünglichen Rechtsakts begehrt worden sei. Das Gericht hat festgestellt, dass der Beschluss 2018/1656 den Beschluss 2017/2074 ändere, die Bolivarische Republik Venezuela dessen Nichtigerklärung in ihrer Klageschrift aber nicht beantragt habe.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

18      Die Bolivarische Republik Venezuela beantragt,

–      das angefochtene Urteil aufzuheben,

–      ihre beim Gericht erhobene Klage für zulässig zu erklären und die Rechtssache zur Sachentscheidung an das Gericht zurückzuverweisen, sowie

–      dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

19      Der Rat beantragt,

–      das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–      der Bolivarischen Republik Venezuela die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

 Vorbemerkungen

20      Vorab ist erstens festzustellen, dass die Bolivarische Republik Venezuela mit ihrem Rechtsmittel ausschließlich die Begründung beanstandet, mit der das Gericht ihre Klage für unzulässig erklärt hat, soweit sie gegen die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 gerichtet ist. Das Rechtsmittel betrifft hingegen nicht den Teil des angefochtenen Urteils, in dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2018/1653 und des Beschlusses 2018/1656 für unzulässig erklärt wurde, so dass festzustellen ist, dass das Gericht hierüber endgültig entschieden hat.

21      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Bezug auf eine auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassenen Verordnung, mit der im Kontext der GASP getroffene Entscheidungen der Union umgesetzt werden, in keiner Weise eingeschränkt wird. Es handelt sich bei solchen Verordnungen nämlich um auf der Grundlage des AEU-Vertrags erlassene Unionsrechtsakte, bei denen die Unionsgerichte gemäß den ihnen durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit vorzunehmen haben (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 106).

22      Drittens kann der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung gegebenenfalls von Amts wegen über den Gesichtspunkt zwingenden Rechts einer Missachtung der in Art. 263 AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen entscheiden (vgl. u. a. Beschluss vom 15. April 2010, Makhteshim-Agan Holding u. a./Kommission, C‑517/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:190, Rn. 54, und Urteil vom 21. Januar 2021, Deutschland/Esso Raffinage, C‑471/18 P, EU:C:2021:48, Rn. 101).

23      Im vorliegenden Fall ist von Amts wegen die Frage zu prüfen, ob die Bolivarische Republik Venezuela eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. Diese Frage ist als Erstes zu prüfen, da ihre Beantwortung erforderlich ist, um den zweiten vom Rat im Rahmen des einzigen Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Unzulässigkeitsgrund zu prüfen, wonach die Bolivarische Republik Venezuela von den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 nicht unmittelbar betroffen sei.

24      Mit Beschluss des Gerichtshofs vom 7. Juli 2020 sind die Parteien des Rechtsmittelverfahrens aufgefordert worden, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob ein Drittstaat als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen sei. Ein entsprechendes Ersuchen hat der Gerichtshof gemäß Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union an die Europäische Kommission und an die Mitgliedstaaten gerichtet. Zu der genannten Frage haben die Parteien des Rechtsmittelverfahrens sowie das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Republik Litauen, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik, das Königreich Schweden und die Kommission Erklärungen eingereicht.

25      Die Bolivarische Republik Venezuela ist der Ansicht, dass weder der Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV noch sein Zweck oder Kontext einen auch nur mittelbaren Anhaltspunkt dafür böten, dass sie nicht unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne dieser Bestimmung falle.

26      Der Rat ist dagegen der Ansicht, dass ein Drittstaat nicht als „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen sei, es sei denn, ihm wurden aufgrund einer mit der Union abgeschlossenen Übereinkunft in der Unionsrechtsordnung besondere Rechte eingeräumt, wobei diese Ausnahme im vorliegenden Fall nicht greife.

27      Die Union entwickele ihre Beziehungen auf globaler Ebene zu souveränen Drittstaaten. Diese Beziehungen unterlägen dem Völkerrecht, das wiederum auf dem Konsensprinzip beruhe. Im Rahmen dieser Rechtsordnung seien Völkerrechtssubjekte nicht automatisch berechtigt, vor den Gerichten anderer Staaten eine Klage zu erheben. Sie hätten das Recht, sich nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates oder eines internationalen Gerichts zu unterwerfen, sofern sie dem nicht zugestimmt hätten.

28      Drittstaaten seien nicht Teil des von der Union geschaffenen Rechtssystems und könnten grundsätzlich keinen Zugang zu den Unionsgerichten haben. Wäre es einem Drittstaat, der allgemeinen restriktiven Maßnahmen unterliege, gestattet, diese Maßnahmen auf der Grundlage derjenigen Bedingungen anzufechten, die individuellen Maßnahmen unterliegenden Personen den Zugang zu den Unionsgerichten eröffneten, liefe dies zudem der in den Verträgen getroffenen Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuellen restriktiven Maßnahmen zuwider und würde zusätzlich bewirken, dass die Zuständigkeit, die den Unionsgerichten in Bezug auf die Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) oder die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsakte verliehen worden sei, unzulässig erweitert würde.

29      Die Union könnte letztlich, wenn einem Drittstaat unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls eine Klagebefugnis in Bezug auf Handlungen der Unionsorgane zuerkannt würde, gegenüber ihren internationalen Partnern benachteiligt werden, deren souveräne Entscheidungen über ihre internationalen Beziehungen oder ihre Handels- und Wirtschaftspolitik vor deren Gerichten nicht angefochten werden können, und wäre somit in unzulässiger Weise bei der Gestaltung ihrer Politik und ihrer internationalen Beziehungen eingeschränkt. Dies treffe umso mehr im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu, in dem ein Drittstaat Bestimmungen eines internen Rechtsakts der Union anfechte, mit dem eine politische Entscheidung des Rates zur Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem genannten Drittstaat umgesetzt werde. Drittstaaten dürfe es nicht gestattet sein, unter dem Vorwand, dass sie individuelle Kläger seien, die Unionsgerichte als ein Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten zwischen Völkerrechtssubjekten zweckzuentfremden.

30      Die hellenische, die polnische, die slowenische, die slowakische und die schwedische Regierung sind im Wesentlichen der Auffassung, dass ein Drittstaat grundsätzlich nicht unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV falle.

31      Dieser Begriff verweise im Wesentlichen auf Organisationen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats über Rechtspersönlichkeit verfügten, nicht aber auf diese Staaten selbst, in Bezug auf die die Union im Übrigen nicht über Rechtsetzungsbefugnisse verfüge. Die restriktiven Maßnahmen richteten sich gemäß Art. 215 Abs. 2 AEUV gegen natürliche oder juristische Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten, nicht aber gegen Drittstaaten.

32      Ginge man davon aus, dass Drittstaaten, ohne dass sie mit der Union überhaupt eine Übereinkunft abgeschlossen hätten, die die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Abkommens festlege, unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV fielen, wäre die Union in der Durchführung ihrer Politik und ihrer internationalen Beziehungen unangemessen eingeschränkt und in internationalen Beziehungen benachteiligt. Eines der Grundprinzipien des Völkerrechts sei nämlich die Reziprozität. Wäre es Drittstaaten gestattet, solche Klagen gegen Handlungen der Union vor den Unionsgerichten zu erheben, bestünde aber die Gefahr, die Reziprozität zwischen der Union und diesen Staaten zu beeinträchtigen. Drittstaaten hätten dann nämlich die Möglichkeit, die Handlungen der Union vor den Unionsgerichten anzufechten, ohne dass gewährleistet sei, dass die Union die nationalen Handlungen dieser Staaten anfechten könne, sei es individuell oder im Rahmen der verschiedenen Staatenverbände, deren Mitglieder sie seien.

33      Dagegen vertreten die belgische, die bulgarische, die deutsche, die estnische, die lettische, die litauische und die niederländische Regierung im Wesentlichen die Auffassung, dass ein Drittstaat unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV falle.

34      Es sei unbestreitbar, dass ein Drittstaat Rechtspersönlichkeit besitze und eine juristische Person im Sinne des Völkerrechts sei. Könnte ein Drittstaat nicht als „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV eingestuft werden, wäre er nicht in der Lage, seine Interessen zu schützen, selbst wenn sicher sei, dass er in seinen Rechten verletzt worden sei und er rechtlich hinreichend nachweisen könne, dass alle Voraussetzungen für eine Klageerhebung erfüllt seien.

35      Es stehe aber auch fest, dass die Stellung eines Drittstaats wie die der Bolivarischen Republik Venezuela nicht mit der Stellung der Organe der Union oder der Mitgliedstaaten gleichzusetzen sei, bei denen es sich um Kläger im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV handele, so dass die Zulässigkeit der Klage eines Drittstaats anhand von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu beurteilen sei.

36      Einem Drittstaat das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine ihn beschwerende Handlung der Union zu verweigern, obwohl er alle in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfülle, komme im Übrigen einem restriktiven Verständnis der Rechtsstaatlichkeit gleich, eines Wertes, auf den sich die Union gemäß Art. 2 EUV gründe.

37      Die Kommission ist der Ansicht, dass der Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV auf verschiedene Arten verstanden werden könne. Zum einen führe eine Auslegung dieses Begriffs, die sich auf den Grundsatz der Gleichheit der Staaten stütze, dazu, dass Drittstaaten nur dann unter diesen Begriff fielen, wenn sie privatwirtschaftlich tätig würden (acta iure gestionis) oder aufgrund einer mit der Union geschlossenen internationalen Übereinkunft Zugang zu den Unionsgerichten hätten. Eine solche Auslegung stehe im Einklang mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, da sie dem Drittstaat nicht jeden Rechtsbehelf verwehre, sondern ihm den Zugang zu den Unionsgerichten je nach Art der von ihm erhobenen Klage gewähre. Die Bolivarische Republik Venezuela falle vorliegend nicht unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV, da die Regelung über restriktive Maßnahmen ebenso wie die Gründe, auf die sich die Bolivarische Republik Venezuela zur Nichtigerklärung dieser Maßnahmen berufe, sowie die Beziehungen zwischen ihr und der Union in diesem Zusammenhang in den Bereich derjenigen Handlungen fielen, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgten (acta iure imperii) und mithin völkerrechtlich zu beurteilen seien.

38      Zum anderen spräche nach Auffassung der Kommission bei einer teleologischen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV mit dem Ziel, einen breiteren Zugang zu den Unionsgerichten zu ermöglichen, nichts dagegen, diese Bestimmung so auszulegen, dass der Begriff „juristische Person“ Drittstaaten erfasse, sofern diese Staaten entschieden, sich der Zuständigkeit der Unionsgerichte zu unterwerfen. Wenn die Union einen einseitigen Rechtsakt erlasse, der die Interessen eines Drittstaats potenziell beeinträchtige, und dieser sich dafür entscheide, gegen diesen Rechtsakt bei den Unionsgerichten eine Klage zu erheben, statt einen völkerrechtlichen Streitbeilegungsmechanismus in Anspruch zu nehmen, sei es daher nicht zu rechtfertigen, dass die Unionsgerichte es grundsätzlich ablehnten, über eine solche Klage zu entscheiden, ohne zu prüfen, ob alle anwendbaren Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt seien.

39      Die Kommission bevorzugt den zweiten in der vorstehenden Randnummer genannten Ansatz, weil sich bei einer restriktiven Auslegung des Begriffs „juristische Person“ ergäbe, dass sich Drittstaaten in Ermangelung einer internationalen Übereinkunft zwischen ihnen und der Union nicht freiwillig der Zuständigkeit der Unionsgerichte unterwerfen könnten.

40      Gemäß Art. 19 Abs. 3 Buchst. a EUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nach Maßgabe der Verträge über Klagen eines Mitgliedstaats, eines Organs oder natürlicher oder juristischer Personen. Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.

41      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob ein Drittstaat wie die Bolivarische Republik Venezuela, der nicht nach Art. 263 Abs. 2 AEUV klagebefugt ist, als eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden kann.

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass für den Begriff „juristische Person“, da die genannte Bestimmung hinsichtlich der für ihn zugrunde zu legenden Bedeutung nicht auf die nationalen Rechtsordnungen verweist, davon auszugehen ist, dass es sich bei ihm um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der im gesamten Unionsgebiet einheitlich auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Engie Cartagena, C‑523/18, EU:C:2019:1129, Rn. 34). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind daher bei der Auslegung des Begriffs „juristische Person“ in Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht nur der Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen (vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C‑181/19, EU:C:2020:794, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Zum Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist festzustellen, dass weder aus dieser Bestimmung noch aus anderen Bestimmungen des Primärrechts der Union hervorgeht, dass bestimmte Kategorien von juristischen Personen vor den Unionsgerichten nicht befugt wären, die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu betreiben. Diese Feststellung deutet somit darauf hin, dass grundsätzlich keiner „juristische[n] Person“ die Möglichkeit verwehrt sein dürfte, eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu erheben.

44      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs weist insoweit darauf hin, dass der in Art. 263 Abs. 4 AEUV verwendete Begriff „juristische Person“ nicht restriktiv auszulegen ist.

45      Zwar kann die Klage einer regionalen oder lokalen Einheit nicht der Klage eines Mitgliedstaats gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV gleichgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 26. November 2009, Região autónoma dos Açores/Rat, C‑444/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:733, Rn. 31). Jedoch kann eine solche Einheit, soweit sie rechtsfähig ist, grundsätzlich nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine Nichtigkeitsklage erheben (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 1. Oktober 1997, Regione Toscana/Kommission, C‑180/97, EU:C:1997:451, Rn. 10 bis 12, sowie Urteil vom 22. November 2001, Nederlandse Antillen/Rat, C‑452/98, EU:C:2001:623, Rn. 51).

46      Im Übrigen ergibt sich noch allgemeiner aus der Rechtsprechung, dass nicht nur juristischen Personen des Privatrechts, sondern auch öffentliche Stellen gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt sind (vgl. zum Beispiel Urteile vom 1. Februar 2018, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑264/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:60, Rn. 2, und vom 4. Februar 2020, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA, C‑515/17 P sowie C‑561/17 P, EU:C:2020:73, Rn. 69).

47      Der Gerichtshof hat im Übrigen anerkannt, dass eine Organisation ohne Rechtspersönlichkeit befugt sein musste, die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen anzufechten, und hat dies damit begründet, dass es, wenn nach Auffassung des Unionsgesetzgebers eine Organisation in ausreichendem Maß Bestand hat, um restriktiven Maßnahmen unterworfen zu werden, die Kohärenz und die Gerechtigkeit gebieten, einzuräumen, dass dies für sie auch zur Anfechtung der betreffenden Maßnahme hinreichend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 112).

48      In Bezug auf die systematische und teleologische Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist festzustellen, dass das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, H/Rat u. a., C‑455/14 P, EU:C:2016:569, Rn. 41). Aus Art. 2 EUV geht nämlich hervor, dass sich die Union auf Werte wie die Rechtsstaatlichkeit gründet, die allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft, die sich u. a. durch Gerechtigkeit auszeichnet, gemeinsam sind (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 62).

49      Des Weiteren geht der Grundsatz, wonach sich die Union namentlich auf den Wert des Rechtsstaats gründet, sowohl aus Art. 2 EUV, der zu den gemeinsamen Bestimmungen des EU-Vertrags gehört, als auch aus dem das auswärtige Handeln der Union betreffenden Art. 21 EUV hervor, auf den der die GASP betreffende Art. 23 EUV Bezug nimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat, C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Unter diesen Umständen spricht eine Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Licht der Grundsätze der effektiven gerichtlichen Kontrolle und der Rechtsstaatlichkeit für die Auffassung, dass ein Drittstaat als „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt sein sollte, wenn die weiteren in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Eine solche juristische Person des Völkerrechts kann nämlich ebenso wie eine andere Person oder Organisation durch einen Rechtsakt der Union in ihren Rechten oder Interessen beeinträchtigt werden und muss daher in der Lage sein, unter Beachtung dieser Voraussetzungen die Nichtigerklärung eines solchen Rechtsakts zu begehren.

51      Diese Auslegung des Begriffs „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV wird durch das Vorbringen des Rates und einiger Regierungen, die Erklärungen zum etwaigen fehlenden Zugang der Union zu den Gerichten von Drittstaaten eingereicht haben, nicht in Frage gestellt, wonach diese Drittstatten nicht gestatteten, vor jenen Gerichten die Entscheidungen über ihre eigenen internationalen Beziehungen anzufechten, unabhängig davon, ob diese kommerzieller Art seien oder nicht.

52      Die Verpflichtung der Union, dafür Sorge zu tragen, dass der Wert der Rechtsstaatlichkeit beachtet wird, darf nämlich keineswegs davon abhängig gemacht werden, dass in den Beziehungen der Union zu Drittstaaten eine Gegenseitigkeit besteht.

53      Daraus folgt, dass die Bolivarische Republik Venezuela als über völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit verfügender Staat als „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen ist.

 Zum einzigen Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

54      Die Bolivarische Republik Venezuela stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem sie geltend macht, das Gericht habe die Voraussetzung gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV unzutreffend ausgelegt, wonach der Kläger von der Maßnahme, die Gegenstand seiner Klage sei, unmittelbar betroffen sein müsse.

55      Der vom Gericht in den Rn. 35 und 36 des angefochtenen Urteils festgestellte Umstand, dass sie nicht als solche in Anhang IV oder V der Verordnung 2017/2063 in einer Art und Weise aufgeführt sei, die mit der Klägerin in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. September 2018, Almez-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), ergangen sei, vergleichbar sei, sei nicht maßgeblich, da sie in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 spezifisch aufgeführt werde. Auch sei es entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 40 des angefochtenen Urteils unerheblich, ob sie auf den betreffenden Märkten als aktive Wirtschaftsbeteiligte gehandelt habe, da diese Artikel sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht unmittelbar beträfen.

56      Der Rat trägt vor, dass das Gericht die Frage, ob die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 die Stellung der Bolivarischen Republik Venezuela unmittelbar beträfen, im angefochtenen Urteil im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung entschieden habe, deren integraler Bestandteil das Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), sei. In diesem Rahmen sei das Gericht nicht verpflichtet gewesen, das Ziel der fraglichen restriktiven Maßnahmen zu berücksichtigen, das darin bestehe, eine Verhaltensänderung der venezolanischen Regierung herbeizuführen. Würde es berücksichtigt, widerspräche dies nämlich nicht nur der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte, sondern führte auch dazu, den Kreis möglicher Kläger dahin gehend zu erweitern, dass er jeden Drittstaat umfasse, gegenüber dem die Union im Rahmen ihrer Außenpolitik beschließe, die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen teilweise oder vollständig auszusetzen oder einzuschränken.

57      Das Gericht habe nicht entschieden, dass die Bolivarische Republik Venezuela nur deshalb nicht unmittelbar betroffen sei, weil sie in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 nicht hinreichend genannt sei. Zu dieser Schlussfolgerung sei das Gericht vielmehr auf der Grundlage einer Gesamtheit maßgeblicher Gesichtspunkte gelangt, die ordnungsgemäß begründet und durch die einschlägige Rechtsprechung in den Rn. 35 bis 48 des angefochtenen Urteils untermauert worden seien. Was zudem spezifisch die Benennung der Bolivarischen Republik Venezuela in diesen Artikeln angehe, sei festzustellen, dass diese sich nicht unmittelbar an sie richteten. Es handele sich lediglich um ein an Wirtschaftsbeteiligte aus der Union gerichtetes Verbot, Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen mit Sitz oder Geschäftstätigkeit im Hoheitsgebiet Venezuelas zu unterhalten.

58      Zu der Frage, ob das Gericht die Bolivarische Republik Venezuela mit einem Wirtschaftsteilnehmer hätte gleichsetzen müssen, wie es das Gericht in Bezug auf die Klägerin in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. September 2018, Almaz Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), ergangen sei, getan habe, weist der Rat außerdem darauf hin, dass das Gericht die besondere Situation der Bolivarischen Republik Venezuela umfassend berücksichtigt und geprüft habe, ob sie im Sinne der Rechtsprechung mit einem Wirtschaftsbeteiligten, der auf einem bestimmten Markt agiere, vergleichbar sei. Das Gericht habe dies rechtsfehlerfrei verneint, da ein Staat, der in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt handele, nicht mit einer privaten oder öffentlichen Organisation vergleichbar sei, deren Existenz ihrem Zweck nach begrenzt sei.

59      Schließlich bringt Rat vor, die Bolivarische Republik Venezuela verlange in Wirklichkeit, dass der Gerichtshof eine neue Regel aufstelle, wonach denjenigen Drittstaaten, die wirtschaftliche Maßnahmen, die die Union im Rahmen ihrer Außenpolitik getroffen habe, anfechten möchten, automatisch eine Klagebefugnis zuzuerkennen sei, so dass es ihnen ermöglicht werde, Handlungen anzufechten, mit denen Entscheidungen durchgeführt würden, die legitime Ziele des auswärtigen Handelns der Union, wie in Art. 21 EUV definiert, verfolgten, einschließlich der Aussetzung, Einschränkung oder vollständigen Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittstaaten gemäß Art. 215 Abs. 1 AEUV.

60      Ein solches Begehren stehe jedoch im Widerspruch zu dem durch die Verträge geschaffenen Rechtsschutzsystem, das den Schutz der durch das Unionsrecht garantierten Rechte gewährleisten solle. Die Verträge gewährten Drittstaaten kein spezifisches Recht, das es ihnen ermögliche, gleichberechtigt mit den Mitgliedstaaten behandelt zu werden oder frei und losgelöst von Bedingungen mit Wirtschaftsteilnehmern aus der Union Handel zu treiben. Folglich könnten Drittstaaten nicht geltend machen, dass sich ein Unionsrechtsakt, der geeignet sei, sie einer Ungleichbehandlung zu unterwerfen, unmittelbar auf ihre Rechtsstellung ausgewirkt habe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

61      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss, wie sie in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegt ist, dass zwei kumulative Kriterien erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteile vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 103, sowie vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 58).

62      In dem angefochtenen Urteil hat das Gericht entschieden, dass die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 die Bolivarische Republik Venezuela nicht unmittelbar beträfen, und zwar im Wesentlichen aus drei Gründen, die sich auf das erste in Rn. 61 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Kriterium beziehen.

63      Erstens hat das Gericht in Rn. 32 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Art. 20 der Verordnung 2017/2063 die Anwendung der Verbote gemäß den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung auf das Gebiet der Union, natürliche Personen aus einem Mitgliedstaat und auf juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichtet worden seien, sowie auf alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte begrenze, die ganz oder teilweise in der Union getätigt würden.

64      Zweitens hat das Gericht in Rn. 33 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, dass die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 keine an die Bolivarische Republik Venezuela gerichteten Verbote vorsähen. Diese Artikel könnten allenfalls mittelbare Auswirkungen auf sie haben, soweit die den natürlichen Personen aus einem Mitgliedstaat und den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichteten juristischen Personen auferlegten Verbote zur Folge haben könnten, dass die Quellen, aus denen sich die Bolivarische Republik Venezuela mit den in Rede stehenden Waren und Diensten versorgen könne, begrenzt würden.

65      Drittens hat das Gericht in den Rn. 34 bis 41 des angefochtenen Urteils zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache unterschieden, in der das Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545), ergangen ist. Das Gericht hat dargelegt, dass sich in der letztgenannten Rechtssache der angefochtene Rechtsakt insofern ausdrücklich an die Klägerin gerichtet habe, als diese im Anhang des angefochtenen Beschlusses namentlich als Unternehmen aufgeführt worden sei, an das die fraglichen Waren und Dienstleistungen weder verkauft noch erbracht werden dürften. Dagegen werde in der vorliegenden Rechtssache die Bolivarische Republik Venezuela als Staat in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 nicht in einer mit der Klägerin in der Rechtssache, in der das angeführte Urteil ergangen sei, vergleichbaren Art und Weise ausdrücklich und spezifisch benannt.

66      Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht sich in Rn. 30 des angefochtenen Urteils zu Recht auf seine eigene Rechtsprechung bezogen hat, nach der für die Feststellung, ob ein Rechtsakt Rechtswirkungen erzeugt, insbesondere auf seinen Gegenstand, seinen Inhalt, seine Tragweite, seinen Sachgehalt sowie auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem er erlassen wurde, abzustellen ist.

67      Vorliegend bezeugen der Titel der Verordnung 2017/2063, ihr erster Erwägungsgrund und der Wortlaut ihrer Art. 2, 3, 6 und 7, dass sich die fraglichen restriktiven Maßnahmen gegen die Bolivarische Republik Venezuela richten.

68      Das Gericht hat insoweit in Rn. 34 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass das an Wirtschaftsbeteiligte der Union gerichtete Verbot, bestimmte Geschäfte zu tätigen, was der Gegenstand der Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 sei, darauf hinauslaufe, dass es der Bolivarischen Republik Venezuela untersagt sei, die in Rede stehenden Geschäfte mit diesen Wirtschaftsbeteiligten zu tätigen.

69      Das Inkrafttreten der Verordnung 2017/2063 hatte zur Folge, dass die in ihren Art. 2, 3, 6 und 7 festgelegten Verbote unmittelbar und automatisch wirksam geworden sind. Da diese Verbote die Bolivarische Republik Venezuela daran hindern, zahlreiche Waren und Dienstleistungen zu erlangen, wirken sich diese Bestimmungen unmittelbar auf ihre Rechtsstellung aus. Des Weiteren ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 110 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, insbesondere aus den Art. 6 und 7 der Verordnung 2017/2063, dass die in den genannten Verboten enthaltene Formulierung „an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela“ die Regierung Venezuelas, ihre öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, mit einschließt.

70      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es für die Feststellung, dass die Bolivarische Republik Venezuela von den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 unmittelbar betroffen ist, nicht erforderlich ist, danach zu unterscheiden, ob solche Geschäfte iure gestionis oder iure imperii durchgeführt werden, da eine solche Unterscheidung weder aus Art. 263 Abs. 4 AEUV noch aus irgendeiner anderen Bestimmung des Unionsrechts hergeleitet werden kann.

71      Ferner stellt die Tatsache, dass die fraglichen restriktiven Maßnahmen kein absolutes Hindernis für die Bolivarische Republik Venezuela sind, die in diesen Artikeln genannten Güter und Dienstleistungen zu beziehen, da sie weiterhin fähig ist, sie außerhalb des Unionsgebiets von Personen zu beziehen, die diesen Maßnahmen nicht unterliegen, nicht die Schlussfolgerung in Frage, dass die in diesen Artikeln vorgesehenen Verbote die Bolivarische Republik Venezuela unmittelbar betreffen. In Bezug auf Verbote wie die in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 vorgesehenen bedeutet nämlich die Voraussetzung, dass eine juristische Person von solchen Maßnahmen unmittelbar betroffen ist, nicht, dass es ihr absolut unmöglich ist, sich die fraglichen Waren und Dienstleistungen zu beschaffen.

72      Für die Prüfung, ob die Bolivarische Republik Venezuela von den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 unmittelbar betroffen ist, ist es auch unerheblich, dass sich die Tätigkeit dieses Drittstaats nicht auf diejenige eines Wirtschaftsteilnehmers beschränkt, der auf bestimmten Märkten tätig ist.

73      Daraus folgt, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es die Auffassung vertreten hat, dass sich die fraglichen restriktiven Maßnahmen nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Bolivarischen Republik Venezuela auswirkten, und auf dieser Grundlage dem zweiten Unzulässigkeitsgrund des Rates stattgegeben hat.

74      Unter diesen Umständen ist dem einzigen von der Bolivarischen Republik Venezuela geltend gemachten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit diesem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung 2017/2063 als unzulässig abgewiesen wird.

 Zur Klage beim Gericht

75      Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder, wenn dies nicht der Fall ist, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

76      Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof über die erforderlichen Angaben, um endgültig über die Zulässigkeit der Klage der Bolivarischen Republik Venezuela zu entscheiden.

77      Vor dem Gericht hat der Rat im Rahmen seiner Unzulässigkeitseinrede drei Gründe für die Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht, von denen nur der zweite teilweise vom Gericht geprüft worden ist. Die Frage, ob die Bolivarische Republik Venezuela eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist, wie sie durch den dritten Unzulässigkeitsgrund, den der Rat vor dem Gericht geltend gemacht hat, aufgeworfen wurde, ist von Amts wegen in den Rn. 40 bis 53 des vorliegenden Urteils geprüft worden. Daher bleibt zum einen der erste Unzulässigkeitsgrund zu prüfen, den der Rat geltend gemacht hat und mit dem das Fehlen eines Rechtsschutzinteresses gerügt wird, und zum anderen der Teil des zweiten Unzulässigkeitsgrundes, über den das Gericht nicht entschieden hat, nämlich ob das Kriterium, wonach die fraglichen restriktiven Maßnahmen den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinen Ermessensspielraum im Sinne von Art. 263 Abs. 4 lassen dürfen, vorliegend erfüllt ist.

 Zum ersten Unzulässigkeitsgrund des Rates: Fehlendes Rechtsschutzinteresse

 Vorbringen der Parteien

78      Mit dem ersten Unzulässigkeitsgrund macht der Rat geltend, der Bolivarischen Republik Venezuela fehle das Rechtsschutzinteresse für die Beantragung der Nichtigerklärung der fraglichen restriktiven Maßnahmen vor den Unionsgerichten. Diese Maßnahmen veränderten die Rechtsstellung der Bolivarischen Republik Venezuela nicht in qualifizierter Weise, da sie weder für diesen Staat als solchen noch auf seinem Hoheitsgebiet verbindliche Rechtswirkungen erzeugten.

79      Wie sich eindeutig aus Art. 20 der Verordnung 2017/2063 ergebe, sei deren Anwendungsbereich auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und auf Personen, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterlägen, beschränkt. Zudem seien die Gründe, aus denen der Gerichtshof im Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973, Rn. 131 bis 133), entschieden habe, dass der Front populaire pour la libération de la saguia-el-hamra et du rio de oro (Front Polisario) in der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt habe, nicht befugt gewesen sei, eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zu erheben, im Rahmen der vorliegenden Rechtssache entsprechend anwendbar.

80      Nach Ansicht der Bolivarischen Republik Venezuela ist dieser Unzulässigkeitsgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

81      Soweit der Rat geltend macht, dass die Verordnung 2017/2063 keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge, die die Interessen der Bolivarischen Republik Venezuela beeinträchtigen könnten, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Nichtigkeitsklage gegen alle von den Unionsorganen erlassenen Bestimmungen – vorausgesetzt, sie sollen Rechtswirkungen entfalten – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder ihrer Form gegeben sein muss (Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Rat, C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Ein Rechtsschutzinteresse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung der natürlichen oder juristischen Person, die die Klage erhoben hat, als solche einen Vorteil verschaffen kann (Urteil vom 21. Januar 2021, Deutschland/Esso Raffinage, C‑471/18 P, EU:C:2021:48, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Da aus den in den Rn. 63 bis 73 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen die in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 vorgesehenen Verbote geeignet sind, insbesondere die wirtschaftlichen Interessen der Bolivarischen Republik Venezuela zu beeinträchtigen, kann ihre Nichtigerklärung als solche ihr einen Vorteil verschaffen.

84      Was das Vorbringen des Rates angeht, das auf das Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), gestützt ist, trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden hat, dass der Front Polisario nicht befugt war, Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Rates zu erheben, mit dem im Namen der Union der Abschluss des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko mit Maßnahmen zur gegenseitigen Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen, Fisch und Fischereierzeugnissen, zur Ersetzung der Protokolle Nrn. 1, 2 und 3 und ihrer Anhänge sowie zur Änderung des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits, das in Brüssel am 13. Dezember 2010 unterzeichnet worden ist, genehmigt werden sollte (ABl. 2012, L 241, S. 4). Das Vorbringen, mit dem der Front Polisario seine Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss zu begründen suchte, beruhte jedoch auf der Behauptung, dass dieses Abkommen in der Praxis in bestimmten Fällen in der Westsahara Anwendung gefunden habe, obwohl diese nicht zum Hoheitsgebiet des Königreichs Marokko gehöre, und wurde vom Gerichtshof als unbegründet zurückgewiesen. Der Gerichtshof hat das Abkommen dahin gehend ausgelegt, dass es auf das Gebiet der Westsahara keine Anwendung findet. Wie in den Rn. 67 und 69 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wurden hingegen die in den Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 vorgesehenen restriktiven Maßnahmen gegen die Bolivarische Republik Venezuela ergriffen, und diese Bestimmungen hindern sie an der Vornahme bestimmter Geschäfte.

85      Der erste Unzulässigkeitsgrund des Rates ist daher zurückzuweisen.

 Zu dem Kriterium gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV, dass die angefochtene Maßnahme keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, und zu den übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage

86      Das Gericht hat das zweite der beiden kumulativen Kriterien, die erfüllt sein müssen, um festzustellen, dass die Bolivarische Republik Venezuela von den fraglichen restriktiven Maßnahmen unmittelbar betroffen ist, nicht geprüft, d. h., wie in Rn. 61 des vorliegenden Urteils ausgeführt, das Kriterium, wonach diese Maßnahmen den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen dürfen, sondern ihre Umsetzung rein automatisch erfolgen und sich ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften allein aus der Unionsregelung ergeben muss.

87      Sollte dieses zweite Kriterium erfüllt sein, bliebe zu bestimmen, ob die weiteren Voraussetzungen gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV, die vorliegen müssen, damit einer juristischen Person die Befugnis zuerkannt werden kann, gegen einen nicht an sie adressierten Rechtsakt zu klagen, ebenfalls erfüllt sind, nämlich dass sie entweder individuell betroffen ist oder dass ein solcher Rechtsakt einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

 Vorbringen der Parteien

88      Nach Ansicht des Rates erfordert die Anwendung der Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 notwendigerweise den Erlass von Durchführungsvorschriften, da diese Artikel ein System der vorherigen Genehmigung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorsähen. Überdies stelle eine vorherige Genehmigung als solche eine Durchführungsmaßnahme dar, und die Mitgliedstaaten verfügten hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen solche Genehmigungen erteilt werden könnten, über ein weites Ermessen. Folglich brauche nicht geprüft zu werden, ob die Bolivarische Republik Venezuela individuell betroffen sei oder ob es um Rechtsakte mit Verordnungscharakter gehe, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zögen, wobei der Rat sich auf den Hinweis beschränkt, dass er beides verneine.

89      Die Bolivarische Republik Venezuela meint, dass der zweite Unzulässigkeitsgrund ebenfalls zurückzuweisen sei, soweit er das Kriterium betreffe, wonach die fraglichen restriktiven Maßnahmen den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut seien, keinerlei Ermessen lassen dürften. In ihrer Klageschrift hat sie geltend gemacht, dass sie die in der zweiten und dritten Alternative von Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellten Voraussetzungen erfülle, da die Verordnung 2017/2063 ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei, der sie unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, und da sie, hilfsweise, von diesem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

90      Schon aus dem Wortlaut der Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 ergibt sich, dass die in diesen Bestimmungen festgelegten Verbote unbeschadet der darin vorgesehenen Ausnahme- oder Genehmigungsmaßnahmen, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht in Rede stehen, Anwendung finden, ohne den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, ein Ermessen zu belassen. Diese Verbote sind außerdem anwendbar, ohne dass dies den Erlass von Durchführungsmaßnahmen erforderlich macht, und zwar weder seitens der Union noch durch die Mitgliedstaaten. Hierzu ist festzustellen, dass die Durchführungsverordnung 2018/1653 keine andere Funktion hatte als diejenige, den Anhang IV der Verordnung 2017/2063 zu ändern, der lediglich die Liste der vom Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen betroffenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen enthält und auf den von keiner der vorgenannten Bestimmungen Bezug genommen wird.

91      Daraus folgt, dass die Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 die Bolivarische Republik Venezuela unmittelbar betreffen und dass der vom Rat vorgetragene Unzulässigkeitsgrund, mit dem er geltend macht, dass diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt sei, zurückzuweisen ist.

92      Im Übrigen stellt diese Verordnung, die allgemeine Geltung hat, da sie Bestimmungen wie die ihrer Art. 2, 3, 6 und 7 enthält, die es allgemeinen und abstrakten Kategorien von Adressaten verbieten, bestimmte Geschäfte mit Organisationen zu tätigen, die ebenfalls allgemein und abstrakt bezeichnet werden, und die, da sie auf der Grundlage von Art. 215 AEUV und folglich gemäß dem in dieser Bestimmung vorgesehenen nichtlegislativen Verfahren erlassen wurde, nicht als Gesetzgebungsakt eingestuft werden kann, einen „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 58 bis 60). Da die von der Bolivarischen Republik Venezuela beanstandeten Bestimmungen dieser Verordnung zudem, wie in Rn. 90 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, ist festzustellen, dass die Bolivarische Republik Venezuela durchaus in Bezug auf diese Bestimmungen klagebefugt ist, ohne dass sie nachweisen muss, dass die genannten Bestimmungen sie individuell betreffen.

93      Daraus folgt, dass die Voraussetzungen der dritten Alternative von Art. 263 Abs. 4 AEUV erfüllt sind.

94      Nach alledem ist die von der Bolivarischen Republik Venezuela beim Gericht erhobene Klage zulässig, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung 2017/2063 gerichtet ist.

95      Da jedoch der Rechtsstreit in der Sache nicht zur Entscheidung reif ist, ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.

 Kosten

96      Da die Sache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Kostenentscheidung vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 20. September 2019, Venezuela/Rat (T65/18, EU:T:2019:649), wird aufgehoben, soweit mit ihm die Klage der Bolivarischen Republik Venezuela auf Nichtigerklärung der Art. 2, 3, 6 und 7 der Verordnung (EU) 2017/2063 des Rates vom 13. November 2017 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela abgewiesen wurde.

2.      Die Rechtssache wird zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.