URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
8. Juli 2021(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 49 und 54 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Nationale Regelung, die vorsieht, dass Drittstaatsangehörige, die auf einem unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiff beschäftigt sind, über eine Arbeitserlaubnis in diesem Mitgliedstaat verfügen müssen – Ausnahme für Schiffe, die die Häfen des Mitgliedstaats nicht mehr als 25-mal innerhalb eines Jahres anlaufen – Beschränkung – Art. 79 Abs. 5 AEUV – Nationale Regelung, mit der festgelegt werden soll, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einreisen dürfen, um dort als Arbeitnehmer oder Selbstständige Arbeit zu suchen“
In der Rechtssache C‑71/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 10. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 2020, in dem Strafverfahren gegen
VAS Shipping ApS
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), der Richter N. Piçarra, D. Šváby, S. Rodin und der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzlerin: C. Strömholm,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der VAS Shipping ApS, vertreten durch M. Clemmensen, advokat,
– der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Jespersen und S. Wolff als Bevollmächtigte,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, S. L. Kalėda und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juni 2021
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.
2 Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die VAS Shipping ApS wegen der Beschäftigung drittstaatsangehöriger Seeleute auf einem unter dänischer Flagge fahrenden Schiff, die keine dänische Arbeitserlaubnis besitzen und vom Erfordernis einer Arbeitserlaubnis nicht befreit sind.
Rechtlicher Rahmen
3 § 13 Abs. 1 des Udlændingelov (Ausländergesetz) in der Fassung der Lovbekendtgørelse nr. 1061 (Gesetzesbekanntmachung Nr. 1061) vom 18. August 2010 (im Folgenden: Ausländergesetz) lautete:
„Ausländer benötigen eine Arbeitserlaubnis, um in Dänemark eine entlohnte oder nicht entlohnte Beschäftigung aufzunehmen, eine selbständige Tätigkeit auszuüben oder Dienstleistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen. Eine Arbeitserlaubnis ist außerdem für die Beschäftigung auf einem dänischen Schiff oder in einem dänischen Flugzeug erforderlich, das im Rahmen des Linienverkehrs oder anderweitig regelmäßig dänische Häfen anläuft bzw. dänische Flughäfen anfliegt. Es wird jedoch auf [die Ausnahmen in] § 14 hingewiesen.
…“
4 § 59 Abs. 4 und 5 des Ausländergesetzes lautete:
„(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen Ausländer ohne erforderliche Arbeitserlaubnis oder unter Verletzung der für eine Arbeitserlaubnis geltenden Vorschriften beschäftigt.
(5) Bei der Strafzumessung gemäß Abs. 4 ist es als erschwerender Umstand zu werten, dass die Zuwiderhandlung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte, dass durch die Zuwiderhandlung ein wirtschaftlicher Vorteil für den Betreffenden selbst oder für Dritte erlangt oder erstrebt wurde oder dass der Ausländer nicht berechtigt ist, sich im Inland aufzuhalten.“
5 Nach § 61 des Gesetzes kann eine juristische Person, u. a. eine Gesellschaft, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
6 § 33 Nr. 4 der Bekendtgørelse nr. 270 om udlændinges adgang her til landet (Verordnung Nr. 270 über den Zugang von Ausländern nach Dänemark) vom 22. März 2010 in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Ausländerverordnung) bestimmte:
„Folgende Ausländer sind vom Erfordernis einer Arbeitserlaubnis befreit:
…
4. Die Besatzungen dänischer Frachtschiffe, die im internationalen Schiffsverkehr eingesetzt werden [und] die dänische Häfen höchstens 25-mal anlaufen – jeweils über ein Jahr laufend zurückgerechnet unabhängig vom Kalenderjahr –, soweit hierfür eine Arbeitserlaubnis nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 erforderlich ist …
…“
7 § 103 des Sølov (Seegesetzbuch) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Seegesetzbuch) bestimmt:
„(1) Für ein Schiff, das im Eigentum von Mitreedern steht, ist ein Korrespondentreeder zu wählen.
(2) Zum Korrespondentreeder können eine natürliche Person, eine Aktiengesellschaft oder eine haftende Gesellschaft bestimmt werden, die die in § 1 Abs. 2 bzw. Nrn. 1 und 3 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.“
8 § 104 des Seegesetzbuchs bestimmt:
„Im Verhältnis zu Dritten ist der Korrespondentreeder kraft seiner Stellung befugt, alle Rechtsgeschäfte abzuschließen, die regelmäßig mit dem Betrieb einer Reederei verbunden sind. Er kann somit Schiffsführer einstellen und entlassen sowie dem Schiffsführer Weisungen erteilen, die gewöhnlichen Versicherungen abschließen und an die Reederei gezahlte Gelder in Empfang nehmen. Der geschäftsführende Reeder kann das Schiff nicht ohne besondere Ermächtigung veräußern oder mit einer Hypothek belasten oder für länger als ein Jahr verfrachten.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
9 Vier in Schweden ansässige Partenreedereien, die aus verschiedenen Aktiengesellschaften schwedischen Rechts bestehen, ließen vier Schiffe in das Dansk Internationalt Skibsregister (dänisches internationales Schiffsregister) eintragen, um ihre Seeverkehrstätigkeit in Dänemark auszuüben. Gemäß § 103 des Seegesetzbuchs bestimmten sie VAS Shipping, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dänischen Rechts, als Korrespondentreeder, um nach § 104 des Seegesetzbuchs alle Rechtsgeschäfte abzuschließen, die regelmäßig mit dem Betrieb einer Reederei verbunden sind. VAS Shipping gehört zu 100 % der Sirius Rederi AB, einer Gesellschaft schwedischen Rechts.
10 VAS Shipping wird vor den dänischen Gerichten wegen Verstoßes gegen § 59 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 des Ausländergesetzes, § 61 dieses Gesetzes und § 33 Nr. 4 der Ausländerverordnung strafrechtlich verfolgt. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat VAS Shipping als Korrespondentreeder in der Zeit vom 22. August 2010 bis zum 22. August 2011 die vier im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schiffe mehr als 25-mal dänische Häfen anlaufen lassen, obwohl sich drittstaatsangehörige Arbeitnehmer an Bord befunden hätten, die in Dänemark keine Arbeitserlaubnis besessen hätten und nicht nach dem Ausländergesetz vom Erfordernis einer Arbeitserlaubnis befreit gewesen seien.
11 Mit Urteil vom 4. Mai 2018 verurteilte das Ret i Odense (Bezirksgericht Odense, Dänemark) VAS Shipping wegen dieses Verstoßes zu einer Geldstrafe von 1 500 000 dänischen Kronen (DKK) (etwa 201 407 Euro). Zur Begründung führte es aus, dass die dänische Regelung, soweit sie eine hinsichtlich der Staatsangehörigkeit unterschiedslos anwendbare Verpflichtung, im Besitz einer Arbeitserlaubnis zu sein, vorsehe, eine Beschränkung der in Art. 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit in Verbindung mit Art. 54 AEUV darstelle. Diese Beschränkung sei jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, die mit der Stabilität des dänischen Arbeitsmarkts zusammenhingen, und gehe nicht über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sei. Das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis sei nämlich angesichts der unterschiedlichen Lohnniveaus von drittstaatsangehörigen Besatzungsmitgliedern eines Schiffes und dänischen Arbeitnehmern eine wirksame und geeignete Maßnahme, um Beeinträchtigungen des nationalen Arbeitsmarkts zu vermeiden.
12 Gegen das Urteil des Ret i Odense (Bezirksgericht Odense) legte VAS Shipping Berufung beim vorlegenden Gericht, dem Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark), ein.
13 Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis nach § 13 Abs. 1 des Ausländergesetzes in Verbindung mit § 33 Nr. 4 der Ausländerverordnung beschränke die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist diese Beschränkung mit dem Unionsrecht vereinbar; VAS Shipping hingegen bringt vor, dass die nationale Regelung Reedereien aus anderen Ländern der Europäischen Union dazu zwinge, ihre Einstellungspolitik zu ändern, obwohl dies zum Erreichen des angestrebten im Allgemeininteresse liegenden Ziels nicht erforderlich sei.
14 Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der Gerichtshof sich zu den Kriterien, die in eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Beschränkungen der freien Arbeitnehmerauswahl durch Arbeitgeber einfließen müssten, bereits geäußert habe. Diese Rechtsprechung betreffe aber die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr. Es sei daher nicht sicher, ob sie auf die Prüfung der Vereinbarkeit der dänischen Regelung – mit der Arbeitgeber aus anderen Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen verpflichtet würden, Arbeitnehmer zu beschäftigen, die über eine dänische Arbeitserlaubnis verfügten – mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der in Art. 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit, übertragen werden könne.
15 Unter diesen Umständen hat das Østre Landsret (Landgericht der Region Ost) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 49 AEUV den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen Besatzungsmitglieder aus Drittstaaten auf einem Schiff, das unter der Flagge dieses Mitgliedstaats fährt und im Eigentum eines Schiffsreeders steht, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, eine Arbeitserlaubnis haben müssen, es sei denn, das Schiff läuft die Häfen des Mitgliedstaats – vom jeweiligen Zeitpunkt aus betrachtet in einjähriger Rückschau berechnet – höchstens 25-mal im Jahr an?
Zur Vorlagefrage
16 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines ersten Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines Schiffes, das unter der Flagge dieses Mitgliedstaats fährt und unmittelbar oder mittelbar im Eigentum einer Gesellschaft mit Sitz in einem zweiten Mitgliedstaat steht, über eine Arbeitserlaubnis im ersten Mitgliedstaat verfügen müssen, es sei denn, das betreffende Schiff hat dessen Häfen nicht mehr als 25-mal innerhalb eines Jahres angelaufen.
17 Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörigen festgelegten umfasst, gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, das Recht verbunden ist, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
18 Daher unterfällt u. a. der Sachverhalt, dass eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gründet, der Niederlassungsfreiheit. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch, wenn eine solche Gesellschaft oder ein Angehöriger eines Mitgliedstaats eine Beteiligung am Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft erwirbt, die es ihr oder ihm ermöglicht, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Zum anderen geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass der Begriff der „Niederlassung“ im Sinne der Art. 49 und 54 AEUV die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit umfasst und dass die Registrierung eines Schiffes nicht von der Ausübung der Niederlassungsfreiheit losgelöst werden kann, wenn dieses Schiff ein Mittel zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist, die mit einer festen Einrichtung im Mitgliedstaat der Registrierung einhergeht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 1991, Factortame u. a., C‑221/89, EU:C:1991:320, Rn. 20 bis 22, sowie vom 11. Dezember 2007, International Transport Workers’ Federation und Finnish Seamen’s Union, C‑438/05, EU:C:2007:772, Rn. 70).
20 Daraus folgt, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass die Art. 49 und 54 AEUV in einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens anwendbar sind, da vier schwedische Partenreedereien vier Schiffe in das dänische internationale Schiffsregister eintragen ließen, eine vollständig im Eigentum einer schwedischen Gesellschaft stehende Gesellschaft mit Sitz in Dänemark als Korrespondentreeder wählten und die betreffenden Schiffe zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit einsetzten.
21 Vor diesem Hintergrund ist zu klären, ob eine mitgliedstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine „Beschränkung“ im Sinne von Art. 49 Abs. 1 AEUV darstellt.
22 Nach ständiger Rechtsprechung betrifft der Begriff „Beschränkung“ im Sinne von Art. 49 AEUV u. a. die Maßnahmen, die, selbst wenn sie hinsichtlich der Staatsangehörigkeit unterschiedslos angewandt werden, geeignet sind, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
23 Die tatsächliche Ausübung der Niederlassungsfreiheit gewährleistet als ihre notwendige Ergänzung insbesondere, dass die von einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person gegründete Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur gegebenenfalls, wenn die Tätigkeit, die sie in dem Aufnahmemitgliedstaat ausüben will, es verlangt, Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat beschäftigen kann (Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 In der Vorlagefrage geht es indes um die Regelung eines Mitgliedstaats, die die Beschäftigungsbedingungen von Drittstaatsangehörigen an Bord von unter der Flagge dieses Mitgliedstaats fahrenden Schiffen und, genauer gesagt, die Verpflichtung dieser Personen betrifft, über eine Arbeitserlaubnis zu verfügen.
25 Aus Art. 79 Abs. 5 AEUV geht hervor, dass die Mitgliedstaaten das Recht behalten, festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort als Arbeitnehmer oder Selbstständige Arbeit zu suchen. Für die Anwendung dieser Vorschrift ist der Flaggenstaat des Schiffes als der Staat zu betrachten, in dem der an Bord des Schiffes angestellte Drittstaatsangehörige angestellt ist (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Februar 2004, DFDS Torline, C‑18/02, EU:C:2004:74, Rn. 44).
26 Wie die dänische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, stellt die Verpflichtung von Drittstaatsangehörigen, für die Ausübung einer Beschäftigung in einem Mitgliedstaat über eine Arbeitserlaubnis zu verfügen, eine Maßnahme zur Regulierung der Zugangsbedingungen zu Arbeit und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Inland dar. Durch diese Verpflichtung können die Mitgliedstaaten festlegen, wie viele Drittstaatsangehörige in ihr Hoheitsgebiet einreisen, um dort Arbeit zu suchen.
27 Daher ist ein Mitgliedstaat berechtigt, vorzusehen, dass in seinem Hoheitsgebiet, einschließlich auf einem in diesem Mitgliedstaat registrierten Schiff, beschäftigte Drittstaatsangehörige über eine Arbeitserlaubnis verfügen, und dabei gegebenenfalls auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung vorzusehen.
28 Zwar müssen die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts (Urteil vom 25. Juli 1991, Factortame u. a., C‑221/89, EU:C:1991:320, Rn. 14, sowie vom 19. Juni 2014, Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C‑53/13 und C‑80/13, EU:C:2014:2011, Rn. 23) und insbesondere unter Beachtung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten, darunter der Niederlassungsfreiheit, (Urteil vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a., C‑168/14, EU:C:2015:685, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung) ausüben.
29 Gleichwohl ist die Regelung eines Mitgliedstaats, die unterschiedslos für alle unter seiner Flagge fahrenden Schiffe gilt und die im Einklang mit Art. 79 Abs. 5 AEUV für alle als Besatzungsmitglieder dieser Schiffe angestellten Drittstaatsangehörigen die Verpflichtung vorsieht, über eine Arbeitserlaubnis zu verfügen, wobei die Besatzungsmitglieder von Schiffen, die innerhalb eines Jahres die Häfen dieses Mitgliedstaats nicht mehr als 25-mal anlaufen, von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, keine „Beschränkung der Niederlassungsfreiheit“ im Sinne von Art. 49 Abs. 1 AEUV und verstößt somit auch nicht gegen diese Bestimmung.
30 Eine solche Vorschrift kann zwar eine in einem ersten Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die sich in einem zweiten Mitgliedstaat niederlässt, um dort ein unter der Flagge des zweiten Mitgliedstaats fahrendes Schiff zu betreiben, in eine ungünstigere Lage versetzen als Gesellschaften, die im zweiten Mitgliedstaat Schiffe betreiben, die unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaats fahren, dessen Regeln keine entsprechende Verpflichtung vorsehen.
31 Diese nachteiligen Folgen beruhen jedoch darauf, dass jeder Mitgliedstaat das ihm nach Art. 79 Abs. 5 AEUV ausdrücklich zustehende Recht, festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige in sein Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort Arbeit zu suchen, gegebenenfalls unterschiedlich umsetzt (vgl. entsprechend Urteil vom 14. April 2016, Sparkasse Allgäu, C‑522/14, EU:C:2016:253, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 AEUV im Licht von Art. 79 Abs. 5 AEUV dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines ersten Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die vorsieht, dass drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines Schiffes, das unter der Flagge dieses Mitgliedstaats fährt und unmittelbar oder mittelbar im Eigentum einer Gesellschaft mit Sitz in einem zweiten Mitgliedstaat steht, über eine Arbeitserlaubnis im ersten Mitgliedstaat verfügen müssen, es sei denn, das betreffende Schiff hat dessen Häfen nicht mehr als 25-mal innerhalb eines Jahres angelaufen.
Kosten
33 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 49 AEUV ist im Licht von Art. 79 Abs. 5 AEUV dahin auszulegen, dass er der Regelung eines ersten Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die vorsieht, dass drittstaatsangehörige Besatzungsmitglieder eines Schiffes, das unter der Flagge dieses Mitgliedstaats fährt und unmittelbar oder mittelbar im Eigentum einer Gesellschaft mit Sitz in einem zweiten Mitgliedstaatsteht, über eine Arbeitserlaubnis im ersten Mitgliedstaat verfügen müssen, es sei denn, das betreffende Schiff hat dessen Häfen nicht mehr als 25-mal innerhalb eines Jahres angelaufen.
Unterschriften