Language of document : ECLI:EU:C:2022:779

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY COLLINS

vom 13. Oktober 2022(1)

Rechtssache C349/21

HYA,

IP,

DD,

ZI,

SS,

Beteiligte:

Spetsializirana prokuratura

(Vorabentscheidungsersuchen des Spetsializiran nakazatelen sad [Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verarbeitung personenbezogener Daten und Schutz der Privatsphäre – Richtlinie 2002/58/EG – Art. 5 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 – Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation – Gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung der Telefonüberwachung bei Personen, die einer schweren Straftat verdächtigt werden – Muster oder Standardformular – Begründung – Rechtswidrige Überwachung – Zulässigkeit von rechtswidrig erlangten Beweisen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 7 und Art. 47“






I.      Einleitung

1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen möchte der Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien) in Erfahrung bringen, ob eine Praxis, nach der Genehmigungen für verdeckte Überwachungsmaßnahmen zum Abfangen, zur Aufzeichnung und zur Speicherung von Telefongesprächen zwischen Verdächtigen (im Folgenden: Telefonüberwachung) in Form einer allgemeinen Textvorlage erteilt werden, die keine individuelle Begründung enthält, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG(2) in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und 11. Erwägungsgrund vereinbar ist. Er möchte außerdem wissen, ob das Fehlen einer individuellen Begründung in solchen Genehmigungen durch eine nachträgliche erneute Beurteilung durch den Verfahrensrichter geheilt werden kann und, falls dies nicht der Fall ist, ob Beweise, die unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erlangt wurden, als Beweismittel zugelassen werden können.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

2.        Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58 lautet:

„Ziel dieser Richtlinie ist die Achtung der Grundrechte; sie steht insbesondere im Einklang mit den durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta] anerkannten Grundsätzen. Insbesondere soll mit dieser Richtlinie gewährleistet werden, dass die in den Artikeln 7 und 8 jener Charta niedergelegten Rechte uneingeschränkt geachtet werden."

3.        Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58 lautet:

„Wie die Richtlinie 95/46/EG[(3)] gilt auch die vorliegende Richtlinie nicht für Fragen des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten in Bereichen, die nicht unter das Gemeinschaftsrecht fallen. Deshalb hat sie keine Auswirkungen auf das bestehende Gleichgewicht zwischen dem Recht des Einzelnen auf Privatsphäre und der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Maßnahmen nach Artikel 15 Absatz 1 dieser Richtlinie zu ergreifen, die für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, für die Landesverteidigung, für die Sicherheit des Staates (einschließlich des wirtschaftlichen Wohls des Staates, soweit die Tätigkeiten die Sicherheit des Staates berühren) und für die Durchsetzung strafrechtlicher Bestimmungen erforderlich sind. Folglich betrifft diese Richtlinie nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zum rechtmäßigen Abfangen elektronischer Nachrichten oder zum Ergreifen anderer Maßnahmen, sofern dies erforderlich ist, um einen dieser Zwecke zu erreichen, und sofern dies im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [im Folgenden: EMRK] in ihrer Auslegung durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [im Folgenden: EGMR] erfolgt. Diese Maßnahmen müssen sowohl geeignet sein als auch in einem strikt angemessenen Verhältnis zum intendierten Zweck stehen und ferner innerhalb einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein sowie angemessenen Garantien gemäß der [EMRK] entsprechen.“

4.        Art. 5 der Richtlinie 2002/58 („Vertraulichkeit der Kommunikation“) Abs. 1 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen die Vertraulichkeit der mit öffentlichen Kommunikationsnetzen und öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten übertragenen Nachrichten und der damit verbundenen Verkehrsdaten durch innerstaatliche Vorschriften sicher. Insbesondere untersagen sie das Mithören, Abhören und Speichern sowie andere Arten des Abfangens oder Überwachens von Nachrichten und der damit verbundenen Verkehrsdaten durch andere Personen als die Nutzer, wenn keine Einwilligung der betroffenen Nutzer vorliegt, es sei denn, dass diese Personen gemäß Artikel 15 Absatz 1 gesetzlich dazu ermächtigt sind. Diese Bestimmung steht – unbeschadet des Grundsatzes der Vertraulichkeit – der für die Weiterleitung einer Nachricht erforderlichen technischen Speicherung nicht entgegen.“

5.        Art. 15 („Anwendung einzelner Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG“) Abs. 1 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können Rechtsvorschriften erlassen, die die Rechte und Pflichten gemäß Artikel 5, Artikel 6, Artikel 8 Absätze 1, 2, 3 und 4 sowie Artikel 9 dieser Richtlinie beschränken, sofern eine solche Beschränkung gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 95/46/EG für die nationale Sicherheit, (d. h. die Sicherheit des Staates), die Landesverteidigung, die öffentliche Sicherheit sowie die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten unter anderem durch Rechtsvorschriften vorsehen, dass Daten aus den in diesem Absatz aufgeführten Gründen während einer begrenzten Zeit aufbewahrt werden. Alle in diesem Absatz genannten Maßnahmen müssen den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts einschließlich den in Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Grundsätzen entsprechen.“

B.      Bulgarisches Recht

6.        Art. 121 Abs. 4 der bulgarischen Verfassung bestimmt, dass „gerichtliche Entscheidungen zu begründen sind“.

7.        Art. 34 des Nakazatelno-protsesualen kodeks (Strafprozessordnung; im Folgenden: NPK)(4) bestimmt, dass „jede Handlung des Gerichts … eine Begründung enthalten muss …“.

8.        Art. 172 NPK hat folgenden Wortlaut:

„(1) Die für das Ermittlungsverfahren zuständigen Behörden können sich besonderer Ermittlungsmethoden – elektronischer und technischer Mittel … – bedienen, die dazu dienen, die Tätigkeiten der überwachten Personen zu dokumentieren …

(2) Besondere Ermittlungsmethoden sind anzuwenden, wenn dies zur Aufklärung schwerer vorsätzlicher Straftaten … erforderlich ist, wenn die Feststellung des betreffenden Sachverhalts auf andere Weise nicht möglich ist oder mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist.“

9.        Art. 173 NPK bestimmt:

„(1) Um in der vorgerichtlichen Phase des Verfahrens auf besondere Ermittlungsmethoden zurückgreifen zu können, muss der leitende Staatsanwalt dem Gericht einen schriftlich begründeten Antrag vorlegen. …“

10.      Art. 173 NPK bestimmt:

„…

(3)      Eine Genehmigung für die Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden in Verfahren, die in die Zuständigkeit des Spetsializiran nakazatelen sad [(Spezialisiertes Strafgericht)] fallen, wird im Voraus von dessen Präsidenten erteilt …

(4)      Die in den Abs. 2 und 3 genannte Behörde entscheidet durch mit Gründen versehenen Beschluss …“

11.      Art. 3 Abs. 1 des Zakon za spetsialnite razuznavatelni sredstva (Gesetz über besondere Ermittlungsmethoden; im Folgenden: ZSRS)(5) bestimmt:

„Besondere Ermittlungsmethoden werden angewandt, wenn dies zur Verhütung und Aufdeckung schwerer vorsätzlicher Straftaten … erforderlich ist, wenn die Beschaffung der erforderlichen Informationen auf andere Weise nicht möglich ist oder mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist.“

12.      Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 ZSRS bestimmt:

„Besondere Ermittlungsmethoden werden bei Personen angewandt, bei denen Informationen und hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie eine der in Art. 3 Abs. 1 genannten schweren vorsätzlichen Straftaten vorbereiten, begehen oder begangen haben.“

13.      In Art. 13 Abs. 1 ZSRS ist festgelegt, welche Behörden und Stellen die Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden und die Verwertung der mit Hilfe dieser Methoden gewonnenen Informationen und Beweismittel beantragen können.

14.      Art. 14 Abs. 1 Nr. 7 ZSRS bestimmt:

„Der Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden erfordert einen begründeten schriftlichen Antrag des zuständigen Leiters der in Art. 13 Abs. 1 genannten Behörden oder des leitenden Staatsanwalts bzw. der in Art. 13 Abs. 3 genannten Behörde und im Fall der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 7 genannten Direktion ihres Leiters, der … die Gründe enthält, aus denen die erforderlichen Informationen auf andere Weise nicht eingeholt werden können, oder eine Beschreibung der außergewöhnlichen Schwierigkeiten, die mit der Einholung dieser Informationen verbunden sind.“

15.      Art. 15 Abs. 1 ZSRS bestimmt:

„Die Leiter der in Art. 13 Abs. 1 genannten Behörden oder der leitende Staatsanwalt und im Fall der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 7 genannten Direktion der Präsident der Kommission für die Bekämpfung der Korruption und die Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte übermitteln den Antrag an die Präsidenten des Sofiyski gradski sad [(Stadtgericht Sofia, Bulgarien)], der zuständigen Regional- oder Militärgerichte, des Spetsializiran nakazatelen sad [Spezialisiertes Strafgericht] oder einen von ihnen bevollmächtigten Vizepräsidenten, die innerhalb von 48 Stunden die Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden schriftlich genehmigen oder ablehnen und dabei die Gründe für ihre Entscheidungen angeben.“

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16.      Die Spetsializirana prokuratura (Spezialisierte Staatsanwaltschaft, Bulgarien) leitete Strafverfahren gegen fünf Personen wegen ihrer mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer organisierten kriminellen Vereinigung ein, die Drittstaatsangehörige bei der rechtswidrigen Einreise in das bulgarische Hoheitsgebiet unterstützte; denselben Personen wurde auch vorgeworfen, in diesem Zusammenhang Bestechungsgelder gezahlt oder angenommen zu haben. Diese Handlungen stellen nach bulgarischem Recht „schwere Straftaten“ dar.

17.      Am 10. April 2017 beantragte die Staatsanwaltschaft in der vorgerichtlichen Phase des Verfahrens den Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden, einschließlich der Telefonüberwachung, in Bezug auf einen der Beschuldigten, IP.

18.      Der Antrag erstreckt sich über acht Seiten. Die erste Seite und die Fußzeile der S. 2 bis 8 sind mit einem Aktenzeichen versehen. Der Antrag beginnt mit einer Beschreibung der geplanten operativen Maßnahmen. Er benennt den vorgesehenen Adressaten der Maßnahmen mit Namen, Identifikationsnummer, Anschrift, Funktion und Arbeitsort. Er enthält die Mobiltelefonnummer und weitere Angaben zur Prepaid-Karte, die von der zu überwachenden Person verwendet wird.

19.      Der Antrag enthält Gründe, die den Rückgriff auf die Überwachungsmaßnahmen rechtfertigen. Im ersten Absatz dieses Abschnitts werden das Ermittlungsverfahren und die untersuchte Straftat jeweils unter Bezugnahme auf die einschlägigen Artikel des NPK und die Art der Straftat genannt. Der zweite Absatz bezieht sich auf die von der Spetsializirana prokuratura (Spezialisierte Staatsanwaltschaft) eingeholten Zeugenaussagen über die kriminelle Tätigkeit, ihre Struktur und die Rolle der Beteiligten. Der dritte Absatz enthält weitere Zeugenaussagen, in denen die Funktionsweise der kriminellen Vereinigung und die Beteiligung des Betroffenen im Einzelnen beschrieben werden. Dieser Abschnitt enthält auch eine Beschreibung der Art und Weise, in der der Betroffene mit anderen Mitgliedern der kriminellen Vereinigung kommuniziert habe, sowie einen Hinweis auf die verwendete Mobiltelefonnummer, die mit der im ersten Abschnitt des Antrags aufgeführten übereinstimmt. Dieser Abschnitt schließt mit der Feststellung, dass die Zeugenaussagen den Schluss rechtfertigten, dass eine kriminelle Vereinigung in Bulgarien tätig sei.

20.      In dem Antrag wird erläutert, warum die beantragten Maßnahmen für notwendig erachtet werden, und es wird dargelegt, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden, um die an der kriminellen Vereinigung beteiligten Personen zu identifizieren. Darüber hinaus wird ausführlich erläutert, warum die Aktivitäten des Betroffenen gegen verschiedene Bestimmungen des nationalen und des Unionsrechts verstießen.

21.      Im nächsten Absatz des Antrags werden die Gründe dargelegt, warum zur Verurteilung führende Beweise nicht auf andere Weise erlangt werden könnten. Es heißt dort insbesondere, dass die beteiligten Personen eine geschlossene Gruppe bildeten und dass es schwierig sei, Beweise für ihre Treffen zu erlangen. Im letzten Absatz des Antrags wird der bevollmächtigte Beamte genannt, der über die Ergebnisse der vorgeschlagenen Überwachung informiert werden soll.

22.      Am selben Tag genehmigte der Präsident des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) das Abhören von Telefongesprächen, deren Aufzeichnung und die Speicherung der Aufzeichnungen für die Zwecke des Strafverfahrens. Der Beschluss enthält den Namen und die Funktion der Person, die die Maßnahmen genehmigt hat. Es wird festgestellt, dass die antragstellende Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehandelt habe und dass hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine Straftat nach Art. 172 Abs. 2 NPK oder Art. 3 Abs. 1 ZSRS, die in die Zuständigkeit des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) falle, begangen worden sei. Die Anforderungen der Art. 4, 12 und 21 ZSRS bzw. von Art. 175 Abs. 2 NPK seien erfüllt. Er genehmigt die aufgeführten Überwachungsmethoden in Bezug auf die im Antrag genannte Person unter einem Aktenzeichen, das dem auf der ersten Seite und in der Fußzeile der S. 2 bis 8 des Antrags angegebenen entspricht. Die Genehmigung ist mit Unterschrift, Siegel und Datum vom 10. April 2017 versehen. Die erste Seite des Genehmigungsantrags trägt dieselbe Unterschrift, dasselbe Siegel und dasselbe Datum.

23.      Gleichartige Anträge wurden in Bezug auf andere Personen gestellt, gegen die im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an derselben kriminellen Vereinigung ermittelt wurde. Die Begründungen des Präsidenten des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) sind offenbar identisch, abgesehen davon, dass sich die Genehmigung in jedem Fall auf einen anderen Antrag bezieht.

24.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts deckt die allgemeine Textvorlage der Genehmigungen die verschiedenen Fälle ab, in denen eine verdeckte Überwachung rechtmäßig genehmigt werden kann. Es ist gängige Praxis, dass die Genehmigung keine individualisierte Begründung für ihre Erteilung enthält. Das vorlegende Gericht hatte daher Zweifel daran, dass die Genehmigungen ordnungsgemäß begründet waren.

25.      Infolge der genehmigten Überwachungsmaßnahmen wurden bestimmte Telefongespräche der Verdächtigen aufgezeichnet und gespeichert. Das vorlegende Gericht räumt ein, dass diese Gespräche für den Nachweis der gegen die Angeklagten erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe relevant sind, fragt sich jedoch, ob sie zugelassen werden können, falls die Genehmigungen als rechtswidrig angesehen würden. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist eine Praxis der nationalen Gerichte in Strafverfahren, wonach das Gericht die Überwachung, Aufzeichnung und Speicherung von Telefongesprächen von Verdächtigen mit einer vorgefertigten allgemeinen Textvorlage genehmigt, in der ohne jegliche Individualisierung lediglich behauptet wird, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten worden seien, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und 11. Erwägungsgrund vereinbar?

2.      Falls nein: Verstößt es gegen das Unionsrecht, wenn das nationale Gesetz dahin ausgelegt wird, dass die infolge einer solchen Genehmigung erlangten Informationen zum Nachweis des Anklagevorwurfs verwendet werden?

26.      IP, DD, die Tschechische Republik, Irland und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 6. Juli 2022 haben Irland und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

27.      Was die erste Frage betrifft, so sind IP und DD der Ansicht, dass die Genehmigungen rechtswidrig seien, weil sie keine individuelle Begründung enthielten. Infolgedessen sei ihr Recht auf Privatsphäre unzureichend vor willkürlichen Eingriffen geschützt. Außerdem seien sie nicht in der Lage, die Genehmigungen wirksam anzufechten, was ihre Rechte nach Art. 47 der Charta verletze. Nach Ansicht der Tschechischen Republik, Irlands und der Kommission kann die Lektüre des Antrags und der Genehmigung nebeneinander ausreichen, um den Angeklagten eine wirksame Anfechtung der Genehmigungen mit dem Ziel zu ermöglichen, dass die auf ihrer Grundlage erlangten Beweise ausgeschlossen werden.

28.      Zur zweiten Frage sind IP und DD der Ansicht, dass die rechtswidrig erlangten Beweise unzulässig seien. DD vertritt außerdem den Standpunkt, dass es dem Richter nicht möglich sei, die Rechtmäßigkeit der Genehmigungen im Nachhinein zu beurteilen. Irland hält die Zulässigkeit von Beweisen für eine verfahrensrechtliche Frage, die nicht durch Unionsrecht geregelt sei und in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle. Die Kommission stimmt Irland unter dem Vorbehalt zu, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Beweismittel, die aus einem technischen Bereich stammten, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfüge, und geeignet seien, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen, unter allen Umständen ausgeschlossen werden müssten.

IV.    Würdigung der Vorlagefragen

A.      Erste Frage

29.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine richterliche Genehmigung zur Überwachung von Telefongesprächen in Form einer allgemeinen Textvorlage, in der die Einhaltung der gesetzlichen Überwachungsvorschriften festgestellt wird, die aber keine individualisierte Begründung enthält, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und 11. Erwägungsgrund vereinbar ist.

1.      Anwendung der Richtlinie 2002/58

30.      Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 in der Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen alle Verarbeitungen personenbezogener Daten, die von den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste vorgenommen werden, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, einschließlich der Verarbeitungen, die sich aus den Verpflichtungen ergeben, die die Behörden diesen Betreibern auferlegen. Nur wenn die Mitgliedstaaten unmittelbar Maßnahmen durchführen, die von der Regel der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation abweichen, ohne den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste Verpflichtungen aufzuerlegen, fällt der Datenschutz nicht unter die Richtlinie 2002/58, sondern unter das nationale Recht, vorbehaltlich der Anwendung der Richtlinie (EU) 2016/680(6), mit der Folge, dass diese nationalen Maßnahmen u. a. mit dem nationalen Verfassungsrecht und der EMRK vereinbar sein müssen(7).

31.      Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, und die Beteiligten, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, konnten nicht bestätigen, ob die hier in Rede stehenden Überwachungsmaßnahmen von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste durchgeführt wurden. Die Identität der Stelle, die die Überwachungsmaßnahmen durchgeführt hat, ist vom vorlegenden Gericht zu ermitteln.

32.      Für die Beantwortung der Fragen gehe ich davon aus, dass sie von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste durchgeführt wurden und dass die Maßnahmen daher in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/58 fallen(8).

33.      Ein zweites Problem ergibt sich daraus, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 den Mitgliedstaaten erlaubt, „Rechtsvorschriften [zu] erlassen, die die Rechte und Pflichten gemäß Artikel 5 … beschränken …“. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts beziehen sich nicht so sehr auf die nationalen Rechtsvorschriften, mit denen Art. 15 Abs. 1 umgesetzt wird, sondern vielmehr auf die Art und Weise, wie die Justiz ihnen Wirkung verleiht. Führen diese Zweifel dazu, dass die erste Frage nicht in den Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fällt? Ich glaube nicht, dass sie das tun. Die nationale Regelung sieht vor, dass Genehmigungen in Form eines mit Gründen versehenen Beschlusses erteilt werden müssen. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass die Genehmigungen eine Erklärung enthalten, wonach die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Es stellt sich die Frage, ob diese Begründung vor dem Hintergrund ausreicht, dass die Anordnungen die Form einer Textvorlage haben, die keine individualisierte Begründung enthält. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts beziehen sich also auf die Auslegung des Unionsrechts im Licht der geltenden nationalen Vorschriften und der Rechtspraxis.

2.      Bewertung

34.      Art. 5 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 verpflichten die Mitgliedstaaten im Wesentlichen dazu, das Mithören, Abhören, Speichern oder andere Arten des Abfangens oder Überwachens von Gesprächen, in die die betroffenen Nutzer nicht eingewilligt haben, zu verbieten, es sei denn, dies ist zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten erforderlich, angemessen und verhältnismäßig. Solche Maßnahmen müssen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der in Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV genannten Grundsätze, in Einklang stehen.

35.      Nach Art. 6 Abs. 1 EUV erkennt die Union die in der Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze an. Nach Art. 51 Abs. 1 der Charta sind deren Bestimmungen an die Mitgliedstaaten gerichtet, wenn sie Unionsrecht umsetzen.

36.      Genehmigungen zur Telefonüberwachung stellen einen Eingriff in die durch Art. 7 der Charta garantierten Rechte der beschuldigten Personen dar(9). Ein solcher Eingriff kann gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta nur zulässig sein, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und wenn er unter Wahrung des Wesens dieser Rechte und vorbehaltlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig ist und tatsächlich von der Union anerkannten Zielen von allgemeinem Interesse entspricht.

37.      Der Effektivitätsgrundsatz ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, wonach die Anwendung des Unionsrechts nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf(10). Er umfasst das Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle(11). Im Übrigen hat nach Art. 47 Abs. 1 der Charta jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte und Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, unter den in diesem Artikel genannten Voraussetzungen einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht einzulegen. Wenn die Erteilung der Genehmigung keine Anhörung der von den Überwachungsmaßnahmen betroffenen Person umfasste, wie im vorliegenden Fall, ist Art. 47 Abs. 1 der Charta, der sich auf die wirksame gerichtliche Kontrolle bezieht, relevant und nicht dessen Abs. 2 über das Recht auf ein faires Verfahren.

38.      Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Wirksamkeit des in Art. 47 der Charta garantierten Rechts auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle voraus, dass der Betroffene die Gründe für eine ihn betreffende Entscheidung entweder durch Lesen dieser Entscheidung oder durch Beantragung und Mitteilung dieser Gründe erfahren kann, damit er seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden kann, ob er eine gerichtliche Kontrolle bei einem für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zuständigen Gericht beantragt(12).

39.      Der Umfang der Begründungspflicht kann je nach der Art der angefochtenen Entscheidung unterschiedlich sein. Diese Verpflichtung ist unter Berücksichtigung des gesamten Verfahrens und aller relevanten Umstände zu prüfen, um festzustellen, ob die Betroffenen einen angemessenen und wirksamen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen können(13).

40.      Im vorliegenden Fall bestehen die Genehmigungen aus einer allgemeinen Textvorlage, in der nur bestimmte Elemente wie Aktenzeichen, Datum sowie Gegenstand, Umfang und Dauer der Überwachungsmaßnahmen individualisiert sind. Für die Angeklagten ist es daher nicht möglich, anhand dieses Dokuments festzustellen, warum der Richter, der die Genehmigung erteilt hat, der Ansicht war, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Telefonüberwachung erfüllt gewesen seien. Diese Personen können daher ihre Rechte nicht unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in voller Kenntnis der relevanten Tatsachen entscheiden, ob es sinnvoll ist, ein Gericht anzurufen, das für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Genehmigungen zuständig ist, um letztlich die Feststellung zu erwirken, dass diese Beweise unzulässig sind.

41.      Das Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle verlangt jedoch nicht notwendigerweise, dass der Richter, der die Genehmigung erteilt hat, in diesem Schriftstück mit eigenen Worten darlegt, warum er der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung erfüllt seien. Es reicht aus, dass die Gründe für die Erteilung der Genehmigung zuverlässig ermittelt werden können. Enthält der Genehmigungsantrag eine eindeutige Erklärung, warum die ersuchende Behörde oder der Beamte der Auffassung war, dass die Überwachungsmaßnahmen genehmigt werden sollten, kann davon ausgegangen werden, dass die in dem Antrag genannten Gründe den Richter dazu bewogen haben, die Genehmigung zu erteilen(14). Dies gilt umso mehr, als bei dieser Art von Verfahren der Antrag und die dazugehörigen Unterlagen die einzige Grundlage für die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung sind.

42.      Den Nrn. 18 bis 22 der vorliegenden Schlussanträge ist zu entnehmen, dass die Aktenzeichen und Identifikationsnummern auf der Vorderseite der Genehmigungen darauf hinweisen, dass sich jede Genehmigung auf einen individuellen Antrag in Bezug auf eine bestimmte Person und Telefonnummer bezieht. Die Anträge sind strukturiert und detailliert. Die rechtlichen Kriterien, die der Richter für die Erteilung einer Genehmigung anwenden muss, sind relativ einfach. Sofern ein Beschuldigter in der Lage ist, rechtzeitig eine Kopie des Antrags, der zur Erteilung der Genehmigung geführt hat, zu erhalten(15), ist er wahrscheinlich in der Lage, die Gründe für die Erteilung der Genehmigung zu erfahren und in Kenntnis der Sachlage zu entscheiden, ob er sie anfechten will. Es ist dann Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob das Beschuldigten nach Art. 47 Abs. 1 der Charta zustehende Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewahrt worden ist.

43.      Art. 52 Abs. 3 der Charta zielt darauf ab, die Kohärenz zwischen den in diesem Dokument enthaltenen Rechten und den entsprechenden in der EMRK garantierten Rechten zu gewährleisten, ohne die Autonomie des Unionsrechts zu beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang wurde in der mündlichen Verhandlung die Frage erörtert, ob der in der vorstehenden Nummer dieser Schlussanträge beschriebene Ansatz im Widerspruch zum jüngsten Urteil des EGMR in der Rechtssache Ekimdzhiev steht(16), in der der EGMR die rechtlichen Garantien gegen Willkür und Missbrauch in Bezug auf die verdeckte Überwachung, die Vorratsspeicherung von und den Zugriff auf Kommunikationsdaten im Zusammenhang mit der Praxis des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) in den Jahren 2015 bis 2019 bewertet hat.

44.      Der EGMR befand, dass die überwältigende Mehrheit der erteilten Überwachungsgenehmigungen keine angemessene Begründung enthalten habe. Er stellte jedoch fest, dass das Fehlen einer Begründung allein nicht automatisch zu dem Schluss führte, dass die Richter die Anträge auf Überwachungsgenehmigungen nicht ordnungsgemäß geprüft hatten, obwohl eine Reihe von Faktoren ihn in dieser Hinsicht zu ernsten Bedenken veranlasste(17).

45.      Zum gegenwärtigen Zeitpunkt genügt die Feststellung, dass das Urteil des EGMR in der Rechtssache Ekimdzhiev zwar erhebliche Bedenken hinsichtlich bestimmter Aspekte der gerichtlichen Genehmigung verdeckter Überwachungen in Bulgarien geäußert, jedoch die Möglichkeit offengelassen hat, dass eine solche Überwachung unter Umständen genehmigt wurde, unter denen der Richter, der sie genehmigt hat, zu Recht der Auffassung war, dass sie wirklich notwendig, angemessen und verhältnismäßig war. In jedem Fall muss ein Beschuldigter, der aufgrund einer Genehmigung überwacht wird, in der Lage sein, die Gründe für die Erteilung dieser Genehmigung zu erfahren und in Kenntnis der Sachlage zu entscheiden, ob er sie anfechten will. Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall zu beurteilen, ob eine solche Anfechtung begründet ist.

46.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 47 der Charta und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und 11. Erwägungsgrund stehen einer Praxis nicht entgegen, nach der die Überwachung, Aufzeichnung und Speicherung von Telefongesprächen von Verdächtigen mit Hilfe einer allgemeinen Textvorlage genehmigt wird, in der zwar behauptet wird, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten worden seien, die aber keine individualisierten Gründe dafür enthält, vorausgesetzt, dass die Gründe für die Genehmigung verlässlich festgestellt und von der beschuldigten Person, die Gegenstand der Überwachung war, wirksam angefochten werden können, indem sie die Genehmigung und den Antrag auf Erteilung dieser Genehmigung nebeneinander liest.

B.      Zweite Frage

47.      Da die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung Sache des vorlegenden Gerichts ist, ist die zweite Frage zu beantworten.

48.      Die zweite Frage beruht auf zwei Annahmen. Erstens, dass belastendes Beweismaterial durch eine verdeckte Überwachung erlangt wurde, die auf der Grundlage einer Genehmigung durchgeführt wurde, die rechtswidrig war, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet wurde. Zweitens, dass der Beschuldigte, der dieser Überwachung unterworfen war, die Rechtsgrundlage, auf der sie genehmigt wurde, nicht wirksam anfechten kann.

49.      In der Vorlageentscheidung wird gefragt, ob der Verfahrensrichter eine Rechtswidrigkeit der Genehmigung aufgrund eines Begründungsmangels heilen kann. Obwohl die Modalitäten und Folgen einer solchen rückwirkenden Beurteilung nicht ganz klar sind und Zweifel bestehen, ob der Verfahrensrichter befugt ist, eine solche Rechtswidrigkeit zu berichtigen, ist es angebracht, diese Frage zu prüfen, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben.

50.      Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass bei der zweiten Frage zu prüfen sei, wie sich unrechtmäßig erlangte Beweise auf die Fairness des Strafverfahrens insgesamt auswirken könnten. Die Vorlageentscheidung geht auf diese Frage nicht ein. Auch gibt das vorlegende Gericht keine Auskunft über die anwendbaren nationalen Verfahrensvorschriften, insbesondere nicht darüber, wie solche Beweise im Verfahren vor ihm behandelt würden. Die von der Kommission aufgeworfene Frage ist daher rein hypothetisch, weshalb der Gerichtshof sie im Rahmen dieser Vorlage nicht prüfen sollte.

1.      Kann eine Regelwidrigkeit in der Begründung einer Genehmigung durch eine rückwirkende Neubewertung geheilt werden?

51.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur allgemeinen Vorratsspeicherung von Daten und zum Zugang zu diesen Daten gibt eine Antwort auf diese Frage. Das nationale Recht muss die Bedingungen festlegen, unter denen die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste den zuständigen nationalen Behörden Zugang zu den Daten gewähren müssen. Es muss klare und präzise Regeln für den Umfang und die Anwendung der zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen enthalten und Mindestgarantien vorsehen, damit die Personen, deren personenbezogene Daten betroffen sind, über ausreichende Garantien für einen wirksamen Schutz dieser Daten gegen die Gefahr des Missbrauchs verfügen. Die Eingriffe müssen auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden. Zum Zweck der Verbrechensbekämpfung darf nur auf die Daten von Personen zugegriffen werden, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat zu planen, zu begehen oder begangen zu haben oder auf die eine oder andere Weise an einer solchen Straftat beteiligt zu sein. Um sicherzustellen, dass diese Bedingungen in vollem Umfang eingehalten werden, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass dieser Zugang einer vorherigen Prüfung eines begründeten Antrags unterliegt, der von den zuständigen Behörden im Rahmen der einzelstaatlichen Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wurde, und zwar durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle. Diese Prüfung muss stets im Voraus erfolgen, es sei denn, es liegt ein hinreichend begründeter dringender Fall vor, in dem sie innerhalb einer kurzen Zeitspanne erfolgen muss(18). Andernfalls wäre bis zur nachträglichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahmen ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Beschuldigten und der Nebenbetroffenen gegeben. Das Fehlen einer Beurteilung durch eine unabhängige Behörde kann daher nicht durch eine nachträgliche Neubewertung geheilt werden.

52.      Daraus folgt, dass nur durch eine vorherige Prüfung sichergestellt werden kann, dass den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste nicht unnötig Verpflichtungen auferlegt werden, dass der Eingriff in die in der Charta verankerten Grundrechte nicht willkürlich ist und dass die in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies steht im Einklang mit dem Ansatz des EGMR im Urteil Dragojević(19), in dem er eine Praxis ablehnte, bei der die kroatischen Gerichte rückwirkend prüften, ob Überwachungsanordnungen zum Zeitpunkt ihrer Erteilung rechtmäßig gewesen waren.

2.      Zulässigkeit rechtswidrig erlangter Beweise

53.      Art. 6 EMRK garantiert zwar das Recht auf ein faires Verfahren, enthält aber keine Vorschriften über die Zulässigkeit von Beweisen als solche, die in erster Linie Sache des nationalen Rechts ist. Der EGMR ist auch nicht der Ansicht, dass es seine Aufgabe sei, über die Zulässigkeit unrechtmäßig erlangter Beweise zu entscheiden(20).

54.      Nach ständiger Rechtsprechung ist es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Einzelheiten der Verfahrensvorschriften für Klagen zu regeln, mit denen die Rechte gewahrt werden sollen, die dem Einzelnen unmittelbar aus dem Unionsrecht erwachsen, sofern diese Vorschriften nicht ungünstiger sind als die für vergleichbare innerstaatliche Klagen geltenden Vorschriften (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(21). Diese Regeln müssen auch die Grundrechte sowie den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Rechtsstaatlichkeit achten, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören(22).

55.      Nach dem Äquivalenzgrundsatz ist es Sache des nationalen Gerichts, das mit einem Strafverfahren befasst ist, das auf Informationen oder Beweisen beruht, die unter Verstoß gegen die sich aus der Richtlinie 2002/58 ergebenden Anforderungen erlangt wurden, zu prüfen, ob das nationale Recht oder die nationale Praxis für die Zulässigkeit und die Verwertung dieses Materials weniger günstige Regeln vorsieht als für die Zulässigkeit und die Verwertung von Informationen und Beweisen, die unter Verstoß gegen das innerstaatliche Recht erlangt wurden.

56.      Was den Effektivitätsgrundsatz anbelangt, so zielen die nationalen Vorschriften über die Zulässigkeit und die Verwendung von Informationen und Beweisen darauf ab, entsprechend den in diesen Vorschriften getroffenen Entscheidungen zu verhindern, dass rechtswidrig erlangte Informationen und Beweise sich in unzulässiger Weise nachteilig auf das Verfahren gegen eine Person, die einer Straftat verdächtigt wird, auswirken. Dieses Ziel kann nach nationalem Recht nicht nur dadurch erreicht werden, dass die Verwendung solcher Informationen und Beweise in der Hauptverhandlung untersagt wird, sondern auch durch nationale Vorschriften und Praktiken, die die Bewertung und Gewichtung solchen Materials regeln, oder dadurch, dass bei der Strafzumessung berücksichtigt wird, ob dieses Material rechtswidrig erlangt wurde(23). Der Effektivitätsgrundsatz hat den Gerichtshof jedoch dazu veranlasst, eine Regel aufzustellen, die den zwingenden Ausschluss von Beweisen unter bestimmten Umständen vorschreibt. Ist eine Partei nicht in der Lage, sich wirksam zu einem Beweismittel zu äußern, das aus einem technischen Bereich stammt, in dem die mit dem Rechtsstreit befassten Richter nicht über Sachkenntnis verfügen, und geeignet ist, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen, muss dieses Beweismittel ausgeschlossen werden(24).

57.      Mit seiner zweiten Frage stellt das vorlegende Gericht diesen Ansatz offenbar in Frage. Es ist daher sinnvoll, die einschlägige Rechtsprechung zu prüfen.

58.      In der Rechtssache Mantovanelli bestanden die angefochtenen Beweise aus einem medizinischen Sachverständigenbericht, der sich auf Laboranalysen, die Befragung von Zeugen durch den Sachverständigen und bestimmte Dokumente stützte. Herrn und Frau Mantovanelli war es weder gestattet worden, den Befragungen beizuwohnen, noch Einsicht in die Dokumente zu nehmen, aber sie durften das Gutachten anfechten, nachdem es dem Gericht vorgelegt worden war. Der EGMR war nicht davon überzeugt, dass dieses Verfahren den Eheleuten Mantovanelli eine wirkliche Gelegenheit bot, sich wirksam zu dem Gutachten zu äußern. Die Frage, die der Sachverständige zu beantworten hatte, war genau die, die das Gericht zu entscheiden hatte, nämlich ob der Sachverhalt eine Fahrlässigkeit des medizinischen Personals eines Krankenhauses bei der Verabreichung eines bestimmten Arzneimittels an einen Patienten erkennen ließ. Das Beweismittel stammte also aus einem technischen Gebiet, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügte. Obwohl das Gericht rechtlich nicht an die Feststellungen des Sachverständigen gebunden war, waren diese Feststellungen geeignet, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen. Da die Gerichte den Antrag der Eheleute Mantovanelli auf Vorlage eines neuen Sachverständigengutachtens sowohl in der ersten Instanz als auch in der Berufung abgelehnt hatten, hätten sich die Eheleute vor der Einreichung des Gutachtens nur dadurch wirksam äußern können, dass sie an den Befragungen des medizinischen Personals teilnahmen und sich zu den einschlägigen Unterlagen äußerten. Der EGMR stellte daher fest, dass das Gerichtsverfahren insgesamt unfair war(25).

59.      In der Rechtssache Steffensen waren Proben eines Lebensmittels entnommen und in einem Labor untersucht worden. Das Ergebnis dieser Analyse bildete die Grundlage für die Entscheidung der Verwaltungsbehörden, dass das Erzeugnis nicht der geforderten gesetzlichen Norm entspreche. Nach der einschlägigen Richtlinie hätte der Hersteller die Möglichkeit haben müssen, ein zweites Gutachten einzuholen, um diese erste Analyse anzufechten. Der Hersteller sei nicht über die Entnahme von Proben informiert worden und habe daher keine Möglichkeit gehabt, Proben desselben Produkts zu entnehmen. Der Gerichtshof stellte unter Berufung auf das Urteil Mantovanelli fest, dass sich die Überprüfung der Fairness eines Verfahrens durch den EGMR gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK auf das Verfahren in seiner Gesamtheit beziehe, einschließlich der Art und Weise, wie die Beweise erhoben wurden. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die in diesem Verfahren streitigen Beweismittel aus einem technischen Bereich stammten, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfüge, und geeignet seien, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen. Würden diese beiden Elemente festgestellt, habe das vorlegende Gericht zu prüfen, ob Herr Steffensen tatsächlich die Möglichkeit hatte, sich zu diesen Beweismitteln wirksam zu äußern. War dies nicht der Fall, hatte das nationale Gericht die Beweismittel auszuschließen, um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und das Recht auf ein faires Verfahren nicht zu verletzen(26).

60.      Die Möglichkeit für die Verteidigung, sich wirksam zu den Beweisen zu äußern, ist Teil des kontradiktorischen Prinzips, das ein Schlüsselaspekt des durch Art. 47 Abs. 2 der Charta(27) und Art. 6 Abs. 1 EMRK(28) geschützten Rechts auf ein faires Verfahren ist. In den Urteilen Mantovanelli und Steffensen ging es beiden Gerichten darum, Situationen zu vermeiden, in denen Fälle auf der Grundlage von Beweismitteln entschieden werden, die aus einem technischen Bereich stammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und die die Verteidigung nicht beanstanden konnte. Ein solches Verfahren würde der Partei, die sich auf diese Beweise beruft, einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen und damit das Recht der gegnerischen Partei auf ein faires Verfahren verletzen.

61.      Die Beweise, um die es im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht geht, unterscheiden sich von denen, die in den Rechtssachen Mantovanelli und Steffensen geprüft wurden. Es handelt sich um Aufzeichnungen von Telefongesprächen der Beschuldigten, die sich auf die untersuchten Handlungen beziehen. Selbst wenn diese Beweismittel geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen durch die Richter maßgeblich zu beeinflussen, ist schwer vorstellbar, wie sie aus einem technischen Bereich stammen könnten, in dem diese keine Sachkenntnis haben. In jedem Fall sind die Sachverhalte in den Rechtssachen Mantovanelli und Steffensen nur nützliche Beispiele für die Anwendung von Grundsätzen, die die nationalen Gerichte bei der Entscheidung in Strafverfahren berücksichtigen können.

62.      Im Interesse der Rechtspflege wäre es in der Rechtssache Mantovanelli angemessen gewesen, den Eheleuten Mantovanelli die Möglichkeit zu geben, sich an dem Verfahren zur Erstellung des Sachverständigengutachtens zu beteiligen, oder ihnen zu gestatten, das von ihnen selbst in Auftrag gegebene Gutachten einzureichen. In ähnlicher Weise wäre es für Personen in der Situation von Herrn Steffensen eine angemessene Lösung gewesen, ihnen die Möglichkeit zu geben, ein zweites Gutachten beizubringen. Der Ausschluss von Beweismitteln wurde nur deshalb relevant, weil andere geeignetere Verfahrensmechanismen – fälschlicherweise – nicht zur Verfügung standen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob den Angeklagten in ihrem Verfahren eventuell solche Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

63.      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 47 der Charta und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und 11. Erwägungsgrund sind dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht,

–        das feststellt, dass ein Beweis auf der Grundlage einer nicht ordnungsgemäß begründeten Genehmigung rechtswidrig erlangt worden ist, diese Regelwidrigkeit nicht dadurch heilen kann, dass es eine nachträgliche Begründung dieser Genehmigung zulässt, es sei denn, es liegt ein hinreichend begründeter dringender Fall vor;

–        die Zulässigkeit von Beweisen, die unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erlangt wurden, im Einklang mit seinem innerstaatlichen Recht so bestimmen muss, dass i) die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Äquivalenz und der Effektivität, und ii) das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich der Wahrung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, das in Art. 47 der Charta und Art. 6 Abs. 1 EMRK verankert ist, gewahrt bleiben;

–        unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erlangte Beweismittel ausschließen muss, wenn ein Verfahrensbeteiligter nicht in der Lage ist, sich zu diesen Beweismitteln wirksam zu äußern, die Beweismittel aus einem technischen Gebiet stammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und sie geeignet sind, die Tatsachenfeststellungen in dem betreffenden Strafverfahren maßgeblich zu beeinflussen.

V.      Ergebnis

64.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die Fragen des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien) wie folgt zu beantworten.

1.      Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass

–        sie einer Praxis nicht entgegenstehen, nach der die Überwachung, Aufzeichnung und Speicherung von Telefongesprächen von Verdächtigen mit Hilfe einer allgemeinen Textvorlage genehmigt wird, in der behauptet wird, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten worden seien, die aber keine individualisierten Gründe dafür enthält, sofern die Gründe für die Genehmigung verlässlich festgestellt und von dem Beschuldigten, der Gegenstand der Überwachung war, wirksam angefochten werden können, indem er die Genehmigung und den Antrag auf Erteilung dieser Genehmigung nebeneinander liest.

2.      Art. 47 der Charta und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 und dem elften Erwägungsgrund sind dahin auszulegen, dass

–        ein nationales Gericht, das feststellt, dass auf der Grundlage einer nicht ordnungsgemäß begründeten Genehmigung rechtswidrig Beweise erlangt worden sind, diese Regelwidrigkeit nicht dadurch heilen kann, dass es eine nachträgliche Begründung dieser Genehmigung zulässt, es sei denn, es liegt ein hinreichend begründeter dringender Fall vor;

–        ein nationales Gericht die Zulässigkeit von Beweisen, die unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erlangt wurden, nach seinem innerstaatlichen Recht so beurteilen muss, dass i) die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Äquivalenz und der Effektivität, und ii) das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich der Wahrung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, das in Art. 47 der Charta der Grundrechte und in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, beachtet werden;

–        ein nationales Gericht unter Verstoß gegen diese Bestimmungen erlangte Beweismittel ausschließen muss, wenn ein Verfahrensbeteiligter nicht in der Lage ist, sich wirksam zu diesen Beweismitteln zu äußern, wenn diese Beweismittel aus einem technischen Bereich stammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und wenn sie geeignet sind, die Tatsachenfeststellungen in dem betreffenden Strafverfahren maßgeblich zu beeinflussen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. 2002, L 201, S. 37).


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31), aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1) in geänderter Fassung.


4      DV Nr. 86 vom 28. Oktober 2005 (neueste Fassung DV Nr. 16 vom 23. Februar 2021)


5      DV Nr. 95 vom 21. Oktober 1997 (neueste Fassung Nr. 69 vom 4. August 2020).


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. 216, L 119, S. 89).


7      Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 103).


8      Vgl. z. B. Urteile vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a. (C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970), vom 2. Oktober 2018, Ministerio Fiscal (C‑207/16, EU:C:2018:788), vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791), sowie vom 2. März 2021, Prokuratuur (Bedingungen für den Zugang zu Daten über die elektronische Kommunikation) (C‑746/18, EU:C:2021:152).


9      Urteil vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a. (C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Urteil vom 14. Dezember 1995, van Schijndel und van Veen (C‑430/93 und C‑431/93, EU:C:1995:441, Rn. 19).


11      Für eine Erörterung des Zusammenspiels zwischen dem Effektivitätsgrundsatz und Art. 47 der Charta siehe z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Banger (C‑89/17, EU:C:2018:225, Nrn. 99 bis 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12      Vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 6. September 2012, Trade Agency (C‑619/10, EU:C:2012:531, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 4. Juni 2013, ZZ (C‑300/11, EU:C:2013:363, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 24. November 2020, Minister van Buitenlandse Zaken (C‑225/19 und C‑226/19, EU:C:2020:951, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13      Vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 6. September 2012, Trade Agency (C‑619/10, EU:C:2012:531, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 51 bis 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Trade Agency (C‑619/10, EU:C:2012:247, Nr. 89).


15      Vorbehaltlich der Schwärzung von z. B. Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen oder sensiblen Daten.


16      EGMR, 11. Januar 2022, Ekimdzhiev u. a./Bulgarien (CE:ECHR:2022:0111JUD007007812).


17      EGMR, 11. Januar 2022, Ekimdzhiev u. a./Bulgarien (CE:ECHR:2022:0111JUD007007812, §§ 313 bis 321).


18      Urteile vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a. (C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 189 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 2. März 2021, Prokuratuur (Bedingungen für den Zugang zu Daten über elektronische Kommunikation) (C‑746/18, EU:C:2021:152, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 5. April 2022, Commissioner of the Garda Síochána u. a. (C‑140/20, EU:C:2022:258, Rn. 110 und 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19      EGMR, 15. Januar 2015, Dragojević/Kroatien, (CE:ECHR:2015:0115JUD006895511, §§ 127 und 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20      EGMR, 12. Mai 2000, Khan/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2000:0512JUD003539497, § 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie EGMR, 10. März 2009, Bykov/Russland (CE:ECHR:2009:0310JUD000437802, §§ 88 und 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21      Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 24. September 2002, Grundig Italiana (C‑255/00, EU:C:2002:525, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 223 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Urteile vom 10. April 2003, Steffensen (C‑276/01, EU:C:2003:228, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a. (C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 34).


23      Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 225), und vom 2. März 2021, Prokuratuur (Bedingungen für den Zugang zu Daten über die elektronische Kommunikation) (C‑746/18, EU:C:2021:152, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Die Regel hat ihren Ursprung in der Rechtsprechung des EGMR zum Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, insbesondere zum Schutz des kontradiktorischen Prinzips, siehe EGMR, 18. März 1997, Mantovanelli/Frankreich (CE:ECHR:1997:0318JUD002149793) (im Folgenden: Urteil Mantovanelli), auf das das Urteil vom 10. April 2003, Steffensen (C‑276/01, EU:C:2003:228, Rn. 78), Bezug nimmt, sowie die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur allgemeinen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten (Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 226 und 227), sowie vom 2. März 2021, Prokuratuur (Bedingungen für den Zugang zu Daten über elektronische Kommunikation) (C‑746/18, EU:C:2021:152, Rn. 44).


25      EGMR, 18. März 1997, Mantovanelli/Frankreich (CE:ECHR:1997:0318JUD002149793, § 36).


26      Urteil vom 10. April 2003, Steffensen (C‑276/01, EU:C:2003:228, Rn. 76, 78 und 79) (im Folgenden: Urteil Steffensen). Zur Klarstellung: Diese Regel umfasst drei kumulative Bedingungen. Sind alle drei Voraussetzungen erfüllt, müssen die Beweismittel ausgeschlossen werden. Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Gericht Beweismittel zulassen muss, wenn nicht alle drei Voraussetzungen erfüllt sind. Schließlich gilt die Regel unabhängig davon, ob das betreffende Beweismittel rechtmäßig oder unrechtmäßig erlangt wurde.


27      Urteile vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, EU:C:2008:91, Rn. 47), vom 4. Juni 2013, ZZ (C‑300/11, EU:C:2013:363, Rn. 55), und vom 2. März 2021, Prokuratuur (Bedingungen für den Zugang zu Daten der elektronischen Kommunikation) (C‑746/18, EU:C:2021:152, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28      Erklärungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17).