URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
17. November 2022(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung – Richtlinie (EU) 2015/849 – Art. 18 Abs. 1 und 3 – Anhang III Nr. 3 Buchst. b – Risikobasierter Ansatz – Bewertung der Risiken durch die Verpflichteten – Risikoermittlung durch die Mitgliedstaaten und die Verpflichteten – Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden – Verstärkte Sorgfaltspflichten – Drittland mit hohem Korruptionsrisiko – Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d – Nachweis- und Dokumentationsanforderungen an die Verpflichteten – Art. 14 Abs. 5 – Den Verpflichteten obliegende kontinuierliche Überwachung in Bezug auf Kunden – Veröffentlichung von Entscheidungen, mit denen eine Sanktion verhängt wird“
In der Rechtssache C‑562/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2020, in dem Verfahren
SIA „Rodl & Partner“
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der SIA „Rodl & Partner“, vertreten durch Rechtsanwalt J.‑C. Pastille und L. Rasnačs, Advokāts,
– der lettischen Regierung, vertreten durch I. Hūna, K. Pommere und V. Soņeca als Bevollmächtigte,
– des Europäischen Parlaments, vertreten durch J. Etienne, O. Hrstková Šolcová, M. Menegatti und L. Ruppeka-Rupeika als Bevollmächtigte,
– des Rates der Europäischen Union, vertreten durch D. Ancāne, M. Chavrier, I. Gurov und K. Pleśniak als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Havas, A. Sauka und T. Scharf als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2022
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d, Art. 14 Abs. 5, Art. 18, Art. 60 Abs. 1 und 2 sowie von Anhang III Nr. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73) sowie die Gültigkeit von Art. 14 Abs. 5 und Art. 18 Abs. 1 und 3 dieser Richtlinie.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA „Rodl & Partner“ und dem Valsts ieņēmumu dienests (Nationale Steuerverwaltung, Lettland) (im Folgenden: VID) wegen einer gegen Rodl & Partner aufgrund von Verstößen gegen die nationalen Vorschriften über die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhängten finanziellen Sanktion.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 1, 22, 30, 43 und 66 der Richtlinie 2015/849 heißt es:
„(1) Ströme von illegalem Geld können die Integrität, Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors schädigen und eine Bedrohung für den Binnenmarkt der Union sowie die internationale Entwicklung darstellen. Geldwäsche, die Finanzierung des Terrorismus und organisierte Kriminalität sind nach wie vor bedeutende Probleme, die auf Ebene der Union angegangen werden sollten. Ergänzend zur Weiterentwicklung strafrechtlicher Maßnahmen auf Unionsebene sind zielgerichtete und verhältnismäßige Maßnahmen, die verhindern, dass das Finanzsystem zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung genutzt wird, unverzichtbar und können hier zu zusätzlichen Ergebnissen führen.
…
(22) Das Risiko der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist nicht in allen Fällen gleich hoch. Aus diesem Grund sollte nach einem ganzheitlichen, risikobasierten Ansatz verfahren werden. Dieser stellt nicht die Möglichkeit einer ungebührlich ausufernden Freistellung für Mitgliedstaaten und Verpflichtete dar. Er setzt eine faktengestützte Entscheidungsfindung voraus, die es ermöglicht, gezielter auf die für die Union und die dort tätigen natürlichen und juristischen Personen bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzugehen.
…
(30) Risiken sind naturgemäß veränderlich, und die Variablen können das potenzielle Risiko für sich genommen oder in Kombination mit anderen erhöhen oder verringern und damit den als angemessen anzusehenden Umfang der Präventivmaßnahmen, zum Beispiel der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, beeinflussen. Es gibt daher Umstände, unter denen verstärkte Sorgfaltspflichten gelten sollten, und andere, unter denen vereinfachte Sorgfaltspflichten ausreichen können.
…
(43) Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Angleichung dieser Richtlinie an die überarbeiteten FATF‑Empfehlungen [(FATF = Financial Action Task Force)] in vollem Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union durchgeführt wird, insbesondere hinsichtlich des Datenschutzrechts der Union und des Schutzes der in der Charta [der Grundrechte der Europäischen Union] verankerten Grundrechte. Bestimmte Aspekte der Umsetzung der vorliegenden Richtlinie umfassen die Erhebung, Analyse und Speicherung sowie den Austausch von Daten. Diese Verarbeitung personenbezogener Daten sollte unter vollständiger Wahrung der Grundrechte nur zu den in dieser Richtlinie festgelegten Zwecken und für die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Tätigkeiten wie die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, die laufende Überwachung, die Untersuchung und Meldung außergewöhnlicher und verdächtiger Transaktionen, die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers einer juristischen Person oder Rechtsvereinbarung, die Identifizierung einer politisch exponierten Person sowie den Informationsaustausch durch zuständige Behörden und Informationsaustausch durch Kreditinstitute und Finanzinstitute und andere Verpflichtete zulässig sein. Personenbezogene Daten sollten von den Verpflichteten nur in dem Umfang erhoben und weiterverarbeitet werden, wie dies zur Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie notwendig ist, und personenbezogene Daten sollten nicht in einer Weise weiterverarbeitet werden, die nicht mit diesem Zweck vereinbar ist. Insbesondere die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu gewerblichen Zwecken sollte streng untersagt sein.
…
(66) Im Einklang mit dem in Artikel 21 der Charta [der Grundrechte] niedergelegten Verbot jeglicher Diskriminierung müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass bei der Umsetzung dieser Richtlinie in Bezug auf die Risikobewertungen im Rahmen der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden jede Diskriminierung ausgeschlossen ist.“
4 Art. 1 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Ziel dieser Richtlinie ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.
(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden.“
5 Art. 5 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten können zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in den Grenzen des Unionsrechts strengere Vorschriften auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen oder beibehalten.“
6 Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2015/849 lautet:
„Jeder Mitgliedstaat unternimmt angemessene Schritte, um die für ihn bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie alle Datenschutzprobleme in diesem Zusammenhang zu ermitteln, zu bewerten, zu verstehen und zu mindern. Der Mitgliedstaat hält die Risikobewertung auf aktuellem Stand.“
7 Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:
„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verpflichteten angemessene Schritte unternehmen, um die für sie bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unter Berücksichtigung von Risikofaktoren, einschließlich in Bezug auf ihre Kunden, Länder oder geografische Gebiete, Produkte, Dienstleistungen, Transaktionen oder Vertriebskanäle zu ermitteln und zu bewerten. Diese Schritte stehen in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Größe der Verpflichteten.
(2) Die in Absatz 1 genannten Risikobewertungen werden aufgezeichnet, auf aktuellem Stand gehalten und den jeweiligen zuständigen Behörden und den betroffenen Selbstverwaltungseinrichtungen zur Verfügung gestellt. Die zuständigen Behörden können beschließen, dass einzelne aufgezeichnete Risikobewertungen nicht erforderlich sind, wenn die in dem Sektor bestehenden konkreten Risiken klar erkennbar sind und sie verstanden werden.“
8 Art. 11 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verpflichteten unter den folgenden Umständen Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden anwenden:
a) bei Begründung einer Geschäftsbeziehung,
b) bei Ausführung gelegentlicher Transaktionen,
i) die sich auf 15 000 [Euro] oder mehr belaufen, und zwar unabhängig davon, ob diese Transaktion in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung zu bestehen scheint, ausgeführt wird, oder
ii) bei denen es sich um Geldtransfers im Sinne des Artikels 3 Nummer 9 der Verordnung (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 20. Mai 2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1781/2006 (ABl. 2015, L 141, S. 1)] von mehr als 1 000 [Euro] handelt;
…
e) bei Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, ungeachtet etwaiger Ausnahmeregelungen, Befreiungen oder Schwellenwerte,
…“
9 In Art. 13 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2015/849 heißt es:
„(1) Die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden umfassen:
…
c) Bewertung und gegebenenfalls Einholung von Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung;
d) kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung, einschließlich einer Überprüfung der im Verlauf der Geschäftsbeziehung ausgeführten Transaktionen, um sicherzustellen, dass diese mit den Kenntnissen der Verpflichteten über den Kunden, seine Geschäftstätigkeit und sein Risikoprofil, einschließlich erforderlichenfalls der Herkunft der Mittel, übereinstimmen, und Gewährleistung, dass die betreffenden Dokumente, Daten oder Informationen auf aktuellem Stand gehalten werden.
…
(4) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verpflichteten gegenüber zuständigen Behörden oder Selbstverwaltungseinrichtungen nachweisen können, dass die Maßnahmen angesichts der ermittelten Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angemessen sind.“
10 Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die Verpflichteten ihre Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden nicht nur auf alle neuen Kunden, sondern zu geeigneter Zeit auch auf die bestehende Kundschaft auf risikobasierter Grundlage erfüllen, so auch dann, wenn sich bei einem Kunden maßgebliche Umstände ändern.“
11 In Art. 18 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie heißt es:
„(1) In den in den Artikeln 19 bis 24 genannten Fällen und bei natürlichen oder juristischen Personen, die in von der Kommission ermittelten Drittländern mit hohem Risiko niedergelassen sind, sowie in anderen Fällen mit höheren Risiken, die Mitgliedstaaten oder Verpflichtete ermittelt haben, schreiben die Mitgliedstaaten vor, dass die Verpflichteten verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden anwenden müssen, um diese Risiken angemessen zu beherrschen und zu mindern.
…
(2) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die Verpflichteten Hintergrund und Zweck aller komplexen und ungewöhnlich großen Transaktionen und aller ungewöhnlichen Muster von Transaktionen ohne offensichtlichen wirtschaftlichen oder rechtmäßigen Zweck untersuchen, soweit dies im angemessenen Rahmen möglich ist. Um zu bestimmen, ob diese Transaktionen oder Tätigkeiten verdächtig sind, verstärken die Verpflichteten insbesondere den Umfang und die Art der Überwachung der Geschäftsbeziehung.
(3) Wenn Mitgliedstaaten und Verpflichtete die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bewerten, berücksichtigen sie zumindest die in Anhang III dargelegten Faktoren für ein potenziell höheres Risiko.“
12 Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2015/849 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die Verpflichteten die nachstehenden Dokumente und Informationen im Einklang mit dem nationalen Recht für die Zwecke der Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung möglicher Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung durch die zentrale Meldestelle oder andere zuständige Behörden aufbewahren:
a) bei Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden eine Kopie der erhaltenen Dokumente und Informationen, die für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden gemäß Kapitel II erforderlich sind, für die Dauer von fünf Jahren nach Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden oder nach dem Zeitpunkt einer gelegentlichen Transaktion;
b) die Transaktionsbelege und ‑aufzeichnungen – als Originale oder als Kopien, die nach dem nationalen Recht in Gerichtsverfahren anerkannt werden –, die für die Ermittlung von Transaktionen erforderlich sind, für die Dauer von fünf Jahren nach Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden oder nach dem Zeitpunkt einer gelegentlichen Transaktion.“
13 In Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass unanfechtbare Entscheidungen, mit denen eine verwaltungsrechtliche Sanktion oder Maßnahme wegen des Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie verhängt wird, von den zuständigen Behörden unverzüglich, nachdem die von der Sanktion betroffene Person über diese Entscheidung unterrichtet wurde, auf ihrer offiziellen Website veröffentlicht werden. Dabei werden mindestens Art und Wesen des Verstoßes und die Identität der verantwortlichen Personen bekanntgemacht. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, diesen Unterabsatz auf Entscheidungen anzuwenden, mit denen Maßnahmen mit Ermittlungscharakter verhängt werden.
…
(2) Gestatten die Mitgliedstaaten die Veröffentlichung von Entscheidungen, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können, so machen die zuständigen Behörden auch diesen Sachverhalt und alle weiteren Informationen über das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens unverzüglich auf ihrer offiziellen Website bekannt. Ferner wird jede Entscheidung, mit der eine frühere Entscheidung über die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion oder Maßnahme für ungültig erklärt wird, ebenfalls bekanntgemacht.“
14 Anhang III der Richtlinie enthält eine „nicht erschöpfende Aufzählung von Faktoren und möglichen Anzeichen für ein potenziell höheres Risiko nach Artikel 18 Absatz 3“; diese Aufzählung umfasst drei Kategorien, nämlich „Faktoren bezüglich des Kundenrisikos“ (Nr. 1), „Faktoren bezüglich des Produkt‑, Dienstleistungs‑, Transaktions- oder Vertriebskanalrisikos“ (Nr. 2) und „Faktoren bezüglich des geografischen Risikos“ (Nr. 3). Zu den letztgenannten Risikofaktoren gehören nach Nr. 3 Buchst. b dieses Anhangs „Drittländer, in denen Korruption oder andere kriminelle Tätigkeiten laut glaubwürdigen Quellen signifikant stark ausgeprägt sind“.
Lettisches Recht
15 Das Noziedzīgi iegūtu līdzekļu legalizācijas un terorisma un proliferācijas finansēšanas novēršanas likums (Gesetz zur Verhinderung der Geldwäsche sowie der Finanzierung von Terrorismus und Proliferation) vom 17. Juli 2008 (Latvijas Vēstnesis, 2008, Nr. 116) wurde u. a. geändert, um die Richtlinie 2015/849 in lettisches Recht umzusetzen.
16 In Art. 6 Abs. 1 und 1.2 dieses Gesetzes in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Präventionsgesetz) heißt es:
„(1) Der Verpflichtete erstellt und dokumentiert je nach Art seiner Tätigkeit eine Bewertung der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, um diese Risiken, die mit ihren Tätigkeiten und ihren Kunden verbunden sind, zu ermitteln, zu bewerten, nachzuvollziehen und zu beherrschen, und führt auf der Grundlage dieser Bewertung ein internes Kontrollsystem zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ein, einschließlich durch Entwicklung und Dokumentation einschlägiger Politiken und Verfahren, die von seinem Vorstand, sofern ein solcher bestellt worden ist, oder gegebenenfalls von einem anderen Leitungsorgan des Verpflichteten genehmigt werden.
…
(12) Bei der Bewertung der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie bei der Entwicklung des internen Kontrollsystems berücksichtigt der Verpflichtete zumindest die folgenden risikobeeinflussenden Umstände:
1. das mit der Rechtsform, der Eigentumsstruktur [und] den wirtschaftlichen oder persönlichen Tätigkeiten des Kunden oder des wirtschaftlichen Eigentümers des Kunden verbundene Risiko;
2. das Länder- und geografische Risiko, d. h. das Risiko, dass der Kunde oder der wirtschaftliche Eigentümer des Kunden mit einem Land oder Gebiet in Verbindung steht, dessen wirtschaftliche, soziale, rechtliche oder politische Umstände auf ein dem Land inhärentes hohes Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung hindeuten können …“
17 Art. 8 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt:
„Der Verpflichtete bewertet regelmäßig, mindestens jedoch alle 18 Monate, die Wirksamkeit der Funktionsweise des internen Kontrollsystems, indem er u. a. das mit dem Kunden, dem Land von dessen Wohnsitz (Niederlassung), der wirtschaftlichen oder persönlichen Tätigkeit des Kunden, der genutzten Dienstleistungen und Waren und deren Lieferketten sowie der getätigten Transaktionen verbundene Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung prüft und aktualisiert, und führt, falls erforderlich, Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems durch, einschließlich [derjenigen zur] Überprüfung und Präzisierung der Politiken und Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
18 Rodl & Partner ist eine in Lettland ansässige Handelsgesellschaft, deren Tätigkeit in der Erbringung von Dienstleistungen der Buchhaltung, der Buchführung und der Wirtschaftsprüfung sowie der Steuerberatung besteht. Sie ist „Verpflichtete“ im Sinne des Präventionsgesetzes.
19 Im Zeitraum zwischen dem 3. April und dem 6. Juni 2019 wurde Rodl & Partner vom VID im Rahmen der Geldwäscheprävention einer Prüfung unterzogen, die am 3. April 2019 zur Erstellung eines Erstberichts und am 6. Juni 2019 zur Erstellung eines endgültigen Berichts führte. Im Bericht vom 3. April 2019 wurde zum einen festgestellt, dass das von Rodl & Partner zur Erfüllung der im Präventionsgesetz festgelegten Anforderungen eingerichtete interne Kontrollsystem einige Unregelmäßigkeiten aufweise, und zum anderen, dass Rodl & Partner es als Verpflichtete unter Verkennung der in Art. 6 Abs. 1 dieses Gesetzes festgelegten Anforderungen unterlassen habe, eine Bewertung der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in Bezug auf zwei ihrer Kundinnen, nämlich die Stiftung IT izglītības fonds und die RBA Consulting SIA, durchzuführen und zu dokumentieren. Der VID war nämlich der Ansicht, dass diese beiden Kundinnen ein hohes Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung aufwiesen und Rodl & Partner daher verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesen Kundinnen hätte anwenden müssen.
20 So stellte der VID in Bezug auf die Stiftung IT izglītības fonds erstens fest, dass es sich bei dieser um eine Nichtregierungsorganisation (NRO) handle, die als solche besonders anfällig sei, für Zwecke der Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden, wie aus einem vom Noziedzīgi iegūtu līdzekļu legalizācijas novēršanas dienests (Behörde zur Verhinderung der Geldwäsche, Lettland) veröffentlichten Bericht hervorgehe, zweitens, dass der angestellte Leiter dieser Stiftung, der am 7. März 2017 für diese das Datenblatt zur Feststellung der Identität unterzeichnet habe, Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei, eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko, und drittens, dass die Stiftung die lettische Gesellschaft als Ganzes als wirtschaftlichen Eigentümer benannt habe, was gegen die geltenden nationalen Vorschriften verstoße.
21 In Bezug auf RBA Consulting stellte der VID fest, dass sie Finanztransaktionen mit einer Gesellschaft getätigt habe, die mehrheitlich im Eigentum einer in der Russischen Föderation ansässigen Gesellschaft stehe. Außerdem habe der VID Rodl & Partner zwar aufgefordert, ihm die Kopie des diesen Transaktionen zugrunde liegenden Vertrags vorzulegen, jedoch sei die Verpflichtete dieser Aufforderung nicht nachgekommen und habe lediglich erklärt, dass sie vom Original des Vertrags in den Räumlichkeiten von RBA Consulting Kenntnis genommen habe.
22 Mit Bescheid vom 11. Juli 2019 verhängte der Direktor des VID gegen Rodl & Partner wegen Verstößen gegen das Präventionsgesetz in ihren Beziehungen zur Stiftung IT izglītības fonds und zu RBA Consulting eine Geldbuße in Höhe von 3 000 Euro. Da im abschließenden Untersuchungsbericht vom 6. Juni 2019 festgestellt worden war, dass die Unregelmäßigkeiten, die das interne Kontrollsystem beeinträchtigt hätten, behoben worden seien, wurde insoweit hingegen kein Verstoß festgestellt. Am 11. August 2019 veröffentlichte der VID auf seiner Website Informationen zu den von Rodl & Partner begangenen Verstößen, wie sie in diesem Bescheid festgestellt worden waren.
23 Dieser Bescheid wurde nach einem dagegen eingelegten Einspruch mit Bescheid des Generaldirektors des VID vom 13. November 2019 bestätigt.
24 Am 13. Dezember 2019 reichte Rodl & Partner bei der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland), dem vorlegenden Gericht, eine Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 13. November 2019 ein und beantragte, den VID zu verpflichten, die auf seiner Website veröffentlichten Informationen über die verhängte Sanktion zu entfernen.
25 Das vorlegende Gericht weist erstens darauf hin, dass weder das Präventionsgesetz noch die Richtlinie 2015/849 vorsähen, dass eine NRO aufgrund ihrer Rechtsform einen Fall eines erhöhten Risikos in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung darstelle, der allein aus diesem Grund einer verstärkten Sorgfalt seitens der Verpflichteten bedürfte. Auch von den Kriterien, die ein höheres geografisches Risiko kennzeichnen könnten und die in den von der FATF veröffentlichten Leitlinien zum risikobasierten Ansatz für Angehörige der wirtschaftsprüfenden Berufe (Guidance for a Risk-based Approach for the Accounting Profession) aufgeführt seien, betreffe keines die Staatsangehörigkeit des Angestellten eines Kunden. Nach Ansicht dieses Gerichts würde sich daher in dem Fall, dass der VID als nationale Kontrollbehörde der Auffassung ist, dass ein Verpflichteter in allen Fällen, in denen der Kunde eine NRO sei oder einer seiner Angestellten, ohne der wirtschaftliche Eigentümer des Kunden im Sinne der Richtlinie zu sein, Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko sei, eine verstärkte Sorgfalt anwenden müsse, die Frage stellen, ob eine solche gesetzlich nicht vorgesehene Anforderung nicht übermäßig und unverhältnismäßig und somit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 EUV unvereinbar ist.
26 In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Russische Föderation kein Land mit hohem Risiko sei, da sie weder in der von der FATF veröffentlichten Liste der Länder mit hohem Risiko noch in der von der Europäischen Kommission angenommenen Liste der Drittländer, deren Systeme zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung unzureichend sind, aufgeführt sei. Allerdings könne die Russische Föderation auf der Grundlage von Anhang III Nr. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/849 als Land oder Gebiet mit hohem Korruptionsrisiko angesehen werden, was im Übrigen auch von der NRO Transparency International befürwortet werde.
27 Zweitens ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 5 der Richtlinie 2015/849 in der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos (C‑235/14, EU:C:2016:154), strengere Vorschriften zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erlassen könne, wenn nach Ansicht dieses Mitgliedstaats ein solches Risiko besteht. Gleichwohl fragt sich dieses Gericht, ob der VID im vorliegenden Fall mit der Annahme, dass der Umstand, dass RBA Consulting Geschäftspartner einer Tochtergesellschaft sei, die mehrheitlich im Eigentum einer in der Russischen Föderation ansässigen Gesellschaft stehe, einen Hochrisikofaktor darstelle, das Präventionsgesetz in unverhältnismäßiger Weise angewandt hat, da weder dieses Gesetz noch die Richtlinie 2015/849 einen solchen Risikofaktor vorsähen.
28 Desgleichen fragt sich dieses Gericht, ob der VID nicht seine Befugnisse überschritten hat, als er von Rodl & Partner verlangte, ihm eine Kopie des zwischen RBA Consulting und dieser Tochtergesellschaft geschlossenen Vertrags vorzulegen, da weder das Präventionsgesetz noch die Richtlinie 2015/849 verlangten, dass der Verpflichtete eine Kopie solcher Transaktionsdokumente einhole.
29 Drittens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der VID der Ansicht gewesen sei, dass Rodl & Partner gegen Art. 8 Abs. 2 des Präventionsgesetzes verstoßen habe, wonach der Verpflichtete regelmäßig, mindestens einmal alle 18 Monate, u. a. eine Bewertung des mit dem Kunden verbundenen Risikos der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung vorzunehmen habe. Als der VID eine Bewertung der Situation von Rodl & Partner vorgenommen habe, sei RBA Consulting aber noch nicht 18 Monate lang Kunde gewesen. Daher stelle sich die Frage, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2015/849, insbesondere Art. 14 Abs. 5, dem Verpflichteten auferlege, die Sorgfaltspflichten gegenüber der bestehenden Kundschaft auch dann anzuwenden, wenn bei ihnen keine Änderung maßgeblicher Umstände festgestellt werden könne, und ob solche Sorgfaltspflichten gegebenenfalls angemessen und verhältnismäßig seien, oder ob diese Sorgfaltspflichten nur für Kunden gälten, bei denen ein hohes Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung bestehe.
30 Viertens und letztens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die vom VID auf seiner Internetseite veröffentlichten Informationen über die von Rodl & Partner begangenen Verstöße Ungenauigkeiten enthielten. Daher fragt sich dieses Gericht, wie Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 auszulegen ist.
31 Unter diesen Umständen hat die Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen i) automatisch verlangen, dass ein externer Buchhaltungsdienstleister verstärkte Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden ergreift, wenn es sich bei dem betreffenden Kunden um eine Nichtregierungsorganisation handelt und die von diesem Kunden bevollmächtigte und angestellte Person Staatsangehörige eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko, in diesem Fall der Russischen Föderation, mit einer Aufenthaltserlaubnis in Lettland ist, und ii) automatisch verlangen, diesem Kunden ein höheres Risiko zuzuschreiben?
2. Falls die vorhergehende Frage bejaht wird: Kann die erwähnte Auslegung von Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 als verhältnismäßig und daher als mit Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 EUV vereinbar angesehen werden?
3. Ist Art. 18 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er eine automatische Verpflichtung festlegt, in allen Fällen verstärkte Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden zu ergreifen, in denen ein Geschäftspartner des Kunden, jedoch nicht der Kunde selbst, in irgendeiner Weise mit einem Drittland mit hohem Korruptionsrisiko, in diesem Fall der Russischen Föderation, in Verbindung steht?
4. Ist Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen, dass er die Verpflichtung des Verpflichteten vorsieht, im Rahmen der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, vom Kunden eine Kopie des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Vertrags einzuholen, und dass folglich die Prüfung dieses Vertrags vor Ort als unzureichend anzusehen ist?
5. Ist Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen, dass der Verpflichtete Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber der bestehenden Kundschaft selbst dann ergreifen muss, wenn keine wesentlichen Änderungen der maßgeblichen Umstände des Kunden festgestellt werden können und die von der zuständigen Behörde der Mitgliedstaaten gesetzte Frist für weitere Kontrollmaßnahmen noch nicht abgelaufen ist, und dass diese Verpflichtung nur gegenüber Kunden gilt, denen ein hohes Risiko zugeschrieben wurde?
6. Ist Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde bei der Veröffentlichung von Informationen über eine Entscheidung, mit der eine verwaltungsrechtliche Sanktion oder Maßnahme wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie verhängt wird, verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die veröffentlichten Informationen genau mit den in der Entscheidung festgestellten Informationen übereinstimmen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur dritten Frage
32 Mit seiner ersten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Verpflichteten auferlegt, einem Kunden automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, wenn es sich bei diesem Kunden um eine NRO handelt, wenn einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko ist oder wenn der Geschäftspartner dieses Kunden, nicht aber der Kunde selbst, mit einem solchen Drittland verbunden ist.
33 Zunächst ist festzustellen, dass der Hauptzweck der Richtlinie 2015/849, wie aus ihrem Titel und aus ihrem Art. 1 Abs. 1 und 2 hervorgeht, in der Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht (vgl. entsprechend zur Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung [ABl. 2005, L 309, S. 15] Urteil vom 2. September 2021, LG und MH [Selbstgeldwäsche], C‑790/19, EU:C:2021:661, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, ECOTEX BULGARIA, C‑544/19, EU:C:2021:803, Rn. 44).
34 Die Bestimmungen der Richtlinie 2015/849, die einen präventiven Charakter aufweisen, zielen gemäß einem risikobasierten Ansatz darauf ab, eine Gesamtheit von Vorbeugungs- und Abschreckungsmaßnahmen vorzusehen, die es ermöglichen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizient zu bekämpfen (vgl. entsprechend Urteil vom 2. September 2021, LG und MH [Selbstgeldwäsche], C‑790/19, EU:C:2021:661, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung), um, wie aus dem ersten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, zu verhindern, dass Ströme von illegalem Geld die Integrität, Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors der Union schädigen und eine Bedrohung für deren Binnenmarkt sowie die internationale Entwicklung darstellen können.
35 Wie der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und wie sich aus den Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2015/849 ergibt, setzt der risikobasierte Ansatz eine Bewertung dieses Risikos voraus, die im Rahmen des durch diese Richtlinie geschaffenen Systems auf drei Ebenen vorgenommen wird, nämlich in erster Linie auf Unionsebene durch die Kommission, sodann auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten und schließlich auf der Ebene der Verpflichteten. Wie aus dem 30. Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, ist diese Risikobewertung u. a. Voraussetzung dafür, dass die Verpflichteten angemessene Sorgfaltspflichten gegenüber dem betreffenden Kunden anwenden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es nämlich, wenn es an einer solchen Bewertung fehlt, weder dem betreffenden Mitgliedstaat noch gegebenenfalls den Verpflichteten möglich, im Einzelfall zu entscheiden, welche Sorgfaltspflichten anzuwenden sind (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 107).
36 Insoweit sieht die Richtlinie 2015/849 in den Abschnitten 1 bis 3 des Kapitels II („Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden“) drei Arten von Sorgfaltspflichten vor, nämlich Standard‑, vereinfachte und verstärkte Sorgfaltspflichten. Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, sollen diese Sorgfaltspflichten so weit wie möglich die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern oder zumindest einschränken, indem zu diesem Zweck in allen Stadien, die diese Tätigkeiten umfassen können, Schranken gegen Geldwäscher und Geldgeber des Terrorismus errichtet werden (vgl. entsprechend Urteil vom 2. September 2021, LG und MH [Selbstgeldwäsche], C‑790/19, EU:C:2021:661, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Was die verstärkten Sorgfaltspflichten anbelangt, um die allein es im Rahmen der ersten und der dritten Vorlagefrage geht, ist festzustellen, dass Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2015/849 bestimmte Fälle mit einem erhöhten Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung nennt, in denen die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die Verpflichteten solche Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden anwenden müssen, um dieses Risiko angemessen zu beherrschen und zu mindern. So müssen solche verstärkten Sorgfaltspflichten von den Verpflichteten erstens in den in den Art. 19 bis 24 dieser Richtlinie genannten Fällen angewendet werden, zweitens bei natürlichen oder juristischen Personen, die in von der Kommission ermittelten Drittländern mit hohem Risiko niedergelassen sind, und drittens in anderen Fällen mit höheren Risiken, die Mitgliedstaaten oder Verpflichtete ermittelt haben.
38 Daraus folgt, dass abgesehen von den spezifischen Fällen nach den Art. 19 bis 24 der Richtlinie 2015/849 und den in Art. 18 dieser Richtlinie genannten Fällen, die die Beziehungen zu natürlichen oder juristischen Personen betreffen, die in von der Kommission ermittelten Drittländern mit hohem Risiko niedergelassen sind, die Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten gemäß dem risikobasierten Ansatz voraussetzt, dass der Mitgliedstaat oder der Verpflichtete zuvor ein höheres Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ermittelt hat. Abgesehen von diesen spezifischen Fällen wird einem Kunden somit nicht automatisch ein höheres Risikoniveau mit der Folge zugeschrieben, dass verstärkte Sorgfaltsmaßnahmen ihm gegenüber anzuwenden wären.
39 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen hervor, dass die Geschäftsbeziehungen, die Rodl & Partner mit der Stiftung IT izglītības fonds bzw. mit RBA Consulting eingegangen ist, nicht unter die Art. 19 bis 24 der Richtlinie 2015/849 fallen. Außerdem gehört die Russische Föderation nicht zu den in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1675 der Kommission vom 14. Juli 2016 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko, die strategische Mängel aufweisen (ABl. 2016, L 254, S. 1) aufgeführten Drittländern mit hohem Risiko.
40 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Verpflichteten nicht auferlegt, einem Kunden allein deshalb automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, weil es sich bei diesem Kunden um eine NRO handelt, einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko ist oder ein Geschäftspartner dieses Kunden, nicht aber der Kunde selbst, mit einem solchen Drittland verbunden ist.
41 Allerdings weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 5 der Richtlinie 2015/849 strengere Vorschriften zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erlassen kann, wenn er der Ansicht ist, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Risikofaktoren bestehen. Gleichwohl fragt sich dieses Gericht, ob diese Möglichkeit die Entscheidung rechtfertigen kann, die der VID im vorliegenden Fall in Bezug auf Rodl & Partner getroffen hat.
42 Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 dem entgegenstehen, dass das Recht eines Mitgliedstaats dem Verpflichteten auferlegt, bei der Beurteilung der Notwendigkeit, verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber einem Kunden anzuwenden, derartige Risikofaktoren zu berücksichtigen.
43 Insoweit ist davon auszugehen, dass Geschäftsbeziehungen wie diejenigen, die Rodl & Partner mit der Stiftung IT izglītības fonds und mit RBA Consulting eingegangen ist, unter die „anderen Fälle mit höheren Risiken, die Mitgliedstaaten oder Verpflichtete ermittelt haben“, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2015/849 fallen können.
44 Was die Ermittlung solcher „anderen Fälle mit höheren Risiken“ anbelangt, ergibt sich aus einer Gesamtschau der Abs. 1 und 3 dieses Art. 18, dass die Mitgliedstaaten und die Verpflichteten bei der von ihnen vorzunehmenden Risikobewertung zumindest die Faktoren und möglichen Anzeichen für ein potenziell höheres Risiko berücksichtigen müssen, die in Anhang III der Richtlinie aufgeführt sind. Die in diesem Anhang enthaltene nicht erschöpfende Liste von Faktoren und möglichen Anzeichen für ein solches Risiko umfasst u. a. Faktoren bezüglich des Kundenrisikos, Faktoren bezüglich des Transaktionsrisikos und Faktoren bezüglich des geografischen Risikos.
45 Somit geht sowohl aus dem Wortlaut von Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 als auch aus dem nicht erschöpfenden Charakter der Aufzählung in ihrem Anhang III hervor, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie über ein weites Ermessen hinsichtlich der angemessenen Art und Weise verfügen, um die Verpflichtung zu erfüllen, verstärkte Sorgfaltspflichten vorzuschreiben und sowohl die Fälle, in denen ein solches erhöhtes Risiko besteht, als auch die Sorgfaltspflichten selbst festzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 73).
46 In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2015/849 nur eine Mindestharmonisierung vornimmt, da ihr Art. 5 den Mitgliedstaaten gestattet, in den Grenzen des Unionsrechts strengere Vorschriften zu erlassen oder beizubehalten, wenn diese der Verstärkung der Bekämpfung der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung dienen.
47 Insoweit hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass der Begriff „strengere Vorschriften“ in diesem Art. 5 sich nicht nur auf Fälle beziehen kann, für die die Richtlinie 2015/849 Sorgfaltspflichten bestimmter Art gegenüber Kunden vorsieht, sondern auch auf sonstige Fälle, in denen die Mitgliedstaaten vom Bestehen eines erhöhten Risikos ausgehen (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 77). Da der genannte Art. 5 in Abschnitt 1 („Gegenstand, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen“) des Kapitels I („Allgemeine Bestimmungen“) der Richtlinie 2015/849 enthalten ist, gilt er nämlich für alle Bestimmungen, die zu dem von dieser Richtlinie geregelten Bereich gehören, einschließlich der Bestimmungen in Abschnitt 3 („Verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden“) des Kapitels II der Richtlinie.
48 Aus Art. 5 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 geht aber hervor, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen des Ermessens, das ihnen Art. 18 einräumt, andere Fälle eines erhöhten Risikos benennen können (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 106).
49 Zweitens ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten, da Art. 5 der Richtlinie 2015/849 klarstellt, dass sie verpflichtet sind, „in den Grenzen des Unionsrechts“ zu handeln, im Rahmen des Ermessens, das ihnen Art. 18 der Richtlinie einräumt, insbesondere die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wie die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung beachten müssen (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 96).
50 Außerdem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich aus dem 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2015/849 ergibt, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem in Art. 21 der Charta der Grundrechte niedergelegten Verbot jeglicher Diskriminierung sicherstellen müssen, dass bei der Umsetzung dieser Richtlinie in Bezug auf die Risikobewertungen im Rahmen der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden jede Diskriminierung ausgeschlossen ist.
51 Hierzu ist erstens festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 55 und 56 seiner Schlussanträge im Kern ausgeführt hat, das Unionsrecht, insbesondere die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit, angesichts des dynamischen Charakters sowohl der Wirtschaftsbeziehungen als auch der kriminellen Aktivitäten dem nicht entgegensteht, dass in den nationalen Gesetzen nicht alle möglichen Faktoren eines erhöhten Risikos der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erschöpfend festgelegt sind, sofern diese Faktoren später in Rechtsakten präzisiert werden, die nicht zwingend den Rang eines Gesetzes haben müssen, die aber in geeigneter Weise veröffentlicht werden müssen.
52 Zweitens dürfen die Faktoren eines erhöhten Risikos der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zum einen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlich ist, und zum anderen nicht zu Diskriminierungen führen.
53 Drittens ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2015/849, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen eigenen Gegebenheiten unterschiedlichen Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind. Somit ist es Sache jedes Mitgliedstaats, das Schutzniveau zu ermitteln, das er im Hinblick auf das benannte Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung für angemessen hält (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 105).
54 Was im vorliegenden Fall den mit der Rechtsform des Kunden in Zusammenhang stehenden potenziellen Risikofaktor anbelangt, so geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Art. 6 Abs. 1.2 des Präventionsgesetzes bestimmt, dass zu den Umständen, die der Verpflichtete bei der Bewertung des Risikos der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in Bezug auf einen Kunden berücksichtigen muss, „das mit der Rechtsform des Kunden verbundene Risiko“ gehört. Ferner hat die lettische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt, dass in einem 2019 veröffentlichten Bericht der Behörde zur Verhinderung der Geldwäsche darauf hingewiesen werde, dass NRO besonders anfällig für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung seien, da 94 % der im lettischen Unternehmensregister eingetragenen NRO ihren Tätigkeitsbereich nicht angegeben hätten oder angegeben hätten, der Kategorie „Verein oder Stiftung, nicht näher bestimmt“, zuzugehören, woraus man ableiten könne, dass die Rechtsform der NRO im Rahmen der Risikobewertung als potenzieller Faktor für ein erhöhtes Risiko anzusehen sei.
55 Was den potenziellen Risikofaktor im Zusammenhang mit einer Verbindung zwischen dem Kunden eines Verpflichteten und der Russischen Föderation anbelangt, so geht, wie die lettische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung betont hat, aus einem auf der Website des VID veröffentlichten staatlichen Bericht sowie aus veröffentlichten Leitlinien hervor, dass Lettland aufgrund seiner geografischen Nähe zu diesem Drittland und seiner bedeutenden Wirtschaftsbeziehungen zu diesem Land in der Praxis dem Risiko ausgesetzt ist, dass seine Wirtschaft zum Waschen von Geld aus diesem Drittland genutzt wird, da dieses Land von Transparency International als Land mit hohem Korruptionsrisiko eingestuft wird.
56 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Anhang III Nr. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/849 zu den geografischen Faktoren, die auf ein potenziell höheres Risiko hinweisen, der Umstand zählt, dass in dem betreffenden Land Korruption oder andere kriminelle Tätigkeiten laut glaubwürdigen Quellen signifikant stark ausgeprägt sind.
57 Vorbehaltlich der Prüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen hat, das allein für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist, scheinen die Rechtsform einer NRO und das Bestehen einer Verbindung zwischen dem Kunden eines Verpflichteten und der Russischen Föderation somit nach lettischem Recht als Faktoren eines höheren potenziellen Risikos angesehen zu werden, die der Verpflichtete bei der Risikoanalyse, die er in Bezug auf die Kunden vornehmen muss, zu berücksichtigen hat. Das vorlegende Gericht wird gegebenenfalls zu prüfen haben, ob Rodl & Partner diese Faktoren im Rahmen ihrer Risikobewertung der betreffenden Kunden berücksichtigt hat.
58 Des Weiteren ist zunächst festzustellen, dass Anhang III Nr. 3 Buchst. b der Richtlinie 2015/849 nicht danach unterscheidet, ob der Faktor bezüglich des geografischen Risikos, auf den er sich bezieht, den Kunden oder dessen Geschäftspartner betrifft. Sodann ergibt sich aus einer Gesamtschau von Art. 8 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2 und Anhang III dieser Richtlinie, dass die Verpflichteten im Rahmen der von ihnen vorzunehmenden Risikobewertung u. a. die Risikofaktoren berücksichtigen müssen, die sich auf die Transaktionen ihrer Kunden beziehen. Schließlich stellen diese Bestimmungen klar, dass alle komplexen und ungewöhnlich großen Transaktionen sowie alle ungewöhnlichen Muster von Transaktionen ohne offensichtlichen wirtschaftlichen oder rechtmäßigen Zweck als mit einem potenziell hohen Risiko verbunden angesehen werden können.
59 Somit kann der Umstand, dass der Kunde eines Verpflichteten Transaktionen vornimmt, die Verbindungen zu einem Drittland mit hohem Korruptionsrisiko aufweisen, nach der Richtlinie 2015/849 als ein Faktor angesehen werden, der auf ein potenziell höheres geografisches Risiko hinweist. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob die lettische Rechtsordnung einen solchen Risikofaktor vorsieht und, wenn ja, ob Rodl & Partner diesen Umstand im Rahmen ihrer Risikobewertung im Zusammenhang mit RBA Consulting hätte berücksichtigen müssen.
60 In Anbetracht des Ermessens, das die Richtlinie 2015/849 den Mitgliedstaaten einräumt, können daher die Rechtsform einer NRO, das Bestehen einer Verbindung zwischen dem Kunden eines Verpflichteten und der Russischen Föderation oder das Vorliegen geschäftlicher Transaktionen, die dieser Kunde mit einem mit diesem Drittland verbundenen Handelspartner tätigt, unter Beachtung der in Rn. 49 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen des Unionsrechts, insbesondere der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, gegebenenfalls Faktoren darstellen, die auf ein potenziell höheres Risiko hinweisen.
61 Allerdings scheint, wie der Generalanwalt in Nr. 86 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der bloße Umstand, dass ein Angestellter des Kunden, der nicht dessen wirtschaftlicher Eigentümer ist und der bei dem Kunden keine Funktion innehat, die es ihm ermöglichen würde, Tätigkeiten auszuüben, die potenziell mit Geldwäsche verbunden sein können, die Staatsangehörigkeit eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko besitzt, keinen Fall eines potenziell höheren Risikos der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung darzustellen.
62 Ebenso verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass nur geschäftliche Transaktionen von einer gewissen Bedeutung oder Komplexität oder ungewöhnlicher Art, die der Kunde des Verpflichteten mit einem Geschäftspartner in einem Drittland mit hohem Korruptionsrisiko tätigt, als Faktoren angesehen werden können, die auf ein potenziell höheres geografisches Risiko hindeuten und die von den Verpflichteten bei der in Bezug auf ihre Kunden vorzunehmenden Risikobewertung berücksichtigt werden müssen.
63 Unter diesen Umständen steht Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 5 und Anhang III dieser Richtlinie dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat unter Beachtung des Grundsatzes der vollständigen Wahrung der Grundrechte gemäß dem 43. Erwägungsgrund der Richtlinie 2015/849 andere Faktoren eines potenziell höheren Risikos ermittelt, die die Verpflichteten bei ihrer Risikobewertung in Bezug auf ihre Kunden berücksichtigen müssen, wobei diese Risikofaktoren mit der Rechtsform eines Kunden, wie etwa der einer NRO, oder mit der Verbindung des Kunden oder seines Geschäftspartners zu einem Drittland mit hohem Korruptionsrisiko zusammenhängen können, sofern diese Faktoren in der Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, in geeigneter Weise veröffentlicht wurden und mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind.
64 Nach alledem ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 5 und Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Verpflichteten nicht auferlegt, einem Kunden allein deshalb automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, weil es sich bei diesem Kunden um eine NRO handelt, einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko ist oder ein Geschäftspartner dieses Kunden, nicht aber der Kunde selbst, mit einem solchen Drittland verbunden ist. Ein Mitgliedstaat kann jedoch im nationalen Recht solche Umstände als Faktoren festlegen, die auf ein potenziell höheres Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hinweisen und die die Verpflichteten bei ihrer Risikobewertung in Bezug auf ihre Kunden berücksichtigen müssen, sofern diese Faktoren mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind.
Zur zweiten Frage
65 Die zweite Frage ist für den Fall gestellt worden, dass die erste Frage bejaht wird. In Anbetracht der Verneinung jener Frage ist die zweite Frage daher nicht zu beantworten.
Zur vierten Frage
66 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen ist, dass er dem Verpflichteten auferlegt, bei der Ausübung von Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, vom Kunden eine Kopie des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Vertrags einzuholen.
67 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof, um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, auf unionsrechtliche Vorschriften eingehen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 In Art. 11 der Richtlinie 2015/849, der zu Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) des Kapitels II dieser Richtlinie gehört, sind die Fälle aufgeführt, in denen die Verpflichteten zur Anwendung von Standardsorgfaltspflichten gegenüber Kunden verpflichtet sind, weil davon ausgegangen wird, dass diesen Fällen Risiken der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung innewohnen (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2016, Safe Interenvíos, C‑235/14, EU:C:2016:154, Rn. 60). Die Verpflichteten müssen diese Sorgfaltspflichten daher anwenden, wenn sie im Rahmen ihrer Bewertung der mit einem Kunden verbundenen Risiken ein Standardrisikoniveau ermittelt haben.
69 Was die Sorgfaltspflichten selbst anbelangt, die die Verpflichteten anwenden müssen, so ist in Art. 13 Abs. 1 der genannten Richtlinie eine Reihe von Sorgfaltspflichten aufgeführt, darunter die Bewertung und gegebenenfalls die Einholung von Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung (Buchst. c) sowie die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung, einschließlich einer Überprüfung der im Verlauf der Geschäftsbeziehung ausgeführten Transaktionen, um sicherzustellen, dass diese mit den Kenntnissen der Verpflichteten über den Kunden, seine Geschäftstätigkeit und sein Risikoprofil, einschließlich erforderlichenfalls der Herkunft der Mittel, übereinstimmen, und die Gewährleistung, dass die betreffenden Dokumente, Daten oder Informationen auf aktuellem Stand gehalten werden (Buchst. d).
70 Darüber hinaus sind die Verpflichteten gemäß der Richtlinie 2015/849 verpflichtet, gegenüber den zuständigen nationalen Behörden bestimmte Nachweis- und Dokumentationsanforderungen zu erfüllen, sowohl was die Risikobewertung anbelangt, die sie in Bezug auf ihre Kunden vornehmen, als auch was die Angemessenheit der auf diese Kunden angewandten Sorgfaltspflichten im Hinblick auf das ermittelte Risikoniveau betrifft.
71 Zunächst stellt nämlich Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 klar, dass die von den Verpflichteten vorzunehmenden Risikobewertungen aufgezeichnet, auf aktuellem Stand gehalten und den jeweiligen zuständigen Behörden und den betroffenen Selbstverwaltungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Insoweit heißt es im 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass der risikobasierte Ansatz nicht die Möglichkeit einer ungebührlich ausufernden Freistellung für Mitgliedstaaten und Verpflichtete darstellt, sondern eine faktengestützte Entscheidungsfindung voraussetzt, die es ermöglicht, gezielter auf die für die Union und die dort tätigen natürlichen und juristischen Personen bestehenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzugehen.
72 Sodann sieht Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2015/849 vor, dass die Verpflichteten in der Lage sein müssen, gegenüber zuständigen Behörden und Selbstverwaltungseinrichtungen nachweisen zu können, dass die Sorgfaltspflichten angesichts der ermittelten Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angemessen sind.
73 Schließlich verpflichtet Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, der zu deren Kapitel V („Datenschutz, Aufbewahrung von Aufzeichnungen und statistische Daten“) gehört, die Verpflichteten, eine Kopie der erhaltenen Dokumente und Informationen, die für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden gemäß Kapitel II der genannten Richtlinie erforderlich sind, für die Dauer von fünf Jahren nach Beendigung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden aufzubewahren.
74 Aus den in den Rn. 71 und 72 des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen ergibt sich, dass der Verpflichtete, wenn er im Rahmen einer Risikobewertung ein potenziell höheres Risiko aufgrund einer Transaktion ermittelt, die komplex und ungewöhnlich groß ist oder keinen offensichtlichen wirtschaftlichen oder rechtmäßigen Zweck hat und die ihr Kunde mit einem Geschäftspartner abgeschlossen hat, der mit einem Drittland mit hohem Korruptionsrisiko verbunden ist, bei der Kontrolle durch die zuständige nationale Behörde dieser Behörde geeignete Unterlagen vorzulegen hat, die belegen, dass er diese Transaktion analysiert und bei seinen Schlussfolgerungen betreffend das Niveau des Risikos, das von diesem Kunden ausgeht, gebührend berücksichtigt hat.
75 Wie der Generalanwalt in Nr. 107 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, legen die in den Rn. 71 bis 73 des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen jedoch nicht die Modalitäten fest, nach denen die Verpflichteten die Nachweis- und Dokumentationsanforderungen gegenüber den zuständigen nationalen Behörden erfüllen können. Diese Modalitäten unterliegen daher vorbehaltlich der Beachtung des Unionsrechts – insbesondere der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Geschäftsgeheimnisses und des Schutzes personenbezogener Daten – dem nationalen Recht.
76 Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, bedeutet die den Verpflichteten auferlegte Nachweis- und Dokumentationspflicht somit nicht zwingend die physische Vorlage der Kopie eines Vertrags, wenn es andere geeignete Mittel zum Nachweis gibt, wie z. B. die Vorlage von Berichten über die Bewertung des Vertrags, die die Informationen enthalten, die zur Bewertung des mit der betreffenden Transaktion und Geschäftsbeziehung verbundenen Risikos erforderlich sind.
77 Im vorliegenden Fall legte Rodl & Partner, wie in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, dem VID keine Kopie des Vertrags vor, der zwischen RBA Consulting und einer dritten Gesellschaft geschlossen worden war, die mehrheitlich im Eigentum einer in der Russischen Föderation ansässigen Gesellschaft steht. Vielmehr erläuterte die Verpflichtete lediglich, dass sie vom Original dieses Vertrags in den Räumlichkeiten von RBA Consulting habe Kenntnis nehmen können. Außerdem geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen nicht hervor, dass Rodl & Partner dargetan oder auch nur behauptet hätte, dass sie dem VID geeignete Nachweise vorlegte, die sich auf die Bewertung der mit dieser Geschäftsbeziehung und den im Rahmen dieser Beziehung ausgeführten Transaktionen verbundenen Risiken oder auf insoweit angewandte Sorgfaltspflichten bezögen.
78 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 4 und Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem Verpflichteten nicht auferlegt, bei der Ausübung von Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, vom Kunden eine Kopie des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Vertrags einzuholen, sofern der Verpflichtete der zuständigen nationalen Behörde andere geeignete Unterlagen vorlegen kann, die zum einen belegen, dass er die zwischen diesem Kunden und dem Dritten ausgeführte Transaktion und begründete Geschäftsbeziehung analysiert hat, und zum anderen, dass er dies bei der Anwendung der Sorgfaltspflichten, die in Anbetracht der ermittelten Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlich sind, gebührend berücksichtigt hat.
Zur fünften Frage
79 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen ist, dass der Verpflichtete Sorgfaltspflichten gegenüber der bestehenden Kundschaft anwenden muss, und zwar selbst dann, wenn keine Änderung von Umständen bei diesem Kunden festgestellt werden konnte und die im nationalen Recht festgelegte Frist für die Durchführung einer neuen Risikobewertung noch nicht abgelaufen ist. Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Verpflichtung nur für Kunden gilt, bei denen ein hohes Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht.
80 Für den Fall, dass diese Fragen zu bejahen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine solche Auslegung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.
81 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 2. September 2021, LG und MH [Selbstgeldwäsche], C‑790/19, EU:C:2021:661, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82 Was den Wortlaut von Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 anbelangt, so verlangt diese Bestimmung, dass die Verpflichteten ihre Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden nicht nur auf alle neuen Kunden, sondern zu geeigneter Zeit auch auf die bestehende Kundschaft auf risikobasierter Grundlage erfüllen, so auch dann, wenn sich bei einem Kunden maßgebliche Umstände ändern.
83 Somit ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass die Verpflichteten auf der Grundlage eines risikobasierten Ansatzes nicht nur gegenüber ihren neuen Kunden Sorgfaltspflichten anwenden müssen, sondern zu geeigneter Zeit auch gegenüber ihrer bestehenden Kundschaft. In der genannten Bestimmung wird konkretisiert, dass ein möglicher geeigneter Zeitpunkt derjenige ist, zu dem sich maßgebliche Umstände des betreffenden Kunden ändern. Ferner beschränkt diese Bestimmung diese den Verpflichteten auferlegte Pflicht nicht auf Kunden, denen ein hohes Risikoniveau zugeschrieben wurde.
84 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichteten nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 insbesondere die Bewertungen der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, denen sie ausgesetzt sind, auf aktuellem Stand halten müssen.
85 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie dem Verpflichteten auferlegt, auf der Grundlage einer auf aktuellem Stand gehaltenen Risikobewertung bei einem Bestandskunden – gegebenenfalls verstärkte – Sorgfaltspflichten anzuwenden, wenn dies angemessen erscheint, insbesondere, wenn bei diesem Kunden eine Änderung maßgeblicher Umstände vorliegt.
86 Diese Auslegung wird durch die allgemeine Systematik, in die sich Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 einfügt, bestätigt.
87 Insoweit gehört diese Bestimmung zu Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) des Kapitels II dieser Richtlinie, das sich auf die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden bezieht. Daraus folgt, dass die den Verpflichteten nach der genannten Bestimmung auferlegte Pflicht für alle Kunden gilt, unabhängig von der Höhe des diesen zugeschriebenen Risikos.
88 Überdies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2015/849, dass die Verpflichteten ihre Kunden sowie die von diesen ausgeführten Transaktionen kontinuierlich überwachen müssen. Daraus folgt, wie der Generalanwalt in Nr. 119 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass ein Verpflichteter, wenn ihm maßgebliche Umstände – wie etwa geschäftliche Transaktionen – bei einem seiner Bestandskunden bekannt werden, die die in Bezug auf diesen Kunden vorgenommene Risikobewertung beeinflussen können, diese Umstände berücksichtigen und, wenn dies angemessen erscheint, die Risikoanalyse und gegebenenfalls den Umfang der auf diesen Kunden angewandten Sorgfaltspflichten überprüfen muss.
89 Schließlich gewährleistet die in Rn. 85 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung von Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 die Erreichung des Hauptzwecks dieser Richtlinie, der, wie in Rn. 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, in der Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht.
90 Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Transaktionen, die zwischen RBA Consulting und einer Gesellschaft, die mehrheitlich im Eigentum einer in der Russischen Föderation ansässigen Gesellschaft steht, ausgeführt wurden und von denen Rodl & Partner unstreitig Kenntnis hatte, gemäß Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2015/849 maßgebliche Umstände darstellten, die auf der Grundlage eines risikobasierten Ansatzes die Anwendung von – gegebenenfalls verstärkten – Sorgfaltspflichten gegenüber RBA Consulting angemessen erscheinen ließen, und zwar unabhängig davon, dass die im nationalen Recht festgelegte Frist für die Durchführung einer neuen Bewertung des Risikos in Bezug auf diesen Kunden noch nicht abgelaufen war.
91 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichteten auf der Grundlage einer auf aktuellem Stand gehaltenen Risikobewertung bei einem Bestandskunden – gegebenenfalls verstärkte – Sorgfaltspflichten anwenden müssen, wenn dies angemessen erscheint, insbesondere, wenn bei diesem Kunden eine Änderung von Umständen vorliegt, und zwar unabhängig davon, dass die im nationalen Recht festgelegte Frist für die Durchführung einer neuen Bewertung des Risikos in Bezug auf diesen Kunden noch nicht abgelaufen ist. Diese Verpflichtung gilt nicht nur für Kunden, bei denen ein hohes Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht.
92 Nach alledem ist es nicht erforderlich, die vom vorlegenden Gericht im Rahmen der fünften Frage gestellte, in Rn. 80 des vorliegenden Urteils wiedergegebene hilfsweise gestellte Frage zu prüfen.
Zur sechsten Frage
93 Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen ist, dass die zuständige nationale Behörde bei der Veröffentlichung einer wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Entscheidung, mit der eine Sanktion verhängt wird, sicherstellen muss, dass die veröffentlichten Informationen mit den in dieser Entscheidung enthaltenen Informationen übereinstimmen.
94 Die lettische Regierung hält diese Frage für unzulässig.
95 Erstens sei diese Frage nämlich hypothetisch, da Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2015/849, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht ersuche, den Fall betreffe, dass eine Entscheidung veröffentlicht werde, gegen die kein Rechtsbehelf eingelegt worden sei, und nicht den Fall, dass, wie im vorliegenden Fall, eine Entscheidung veröffentlicht werde, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt worden sei, da dieser Fall von Art. 60 Abs. 2 dieser Richtlinie erfasst werde.
96 Zweitens habe das vorlegende Gericht keine Ungenauigkeit bei den auf der Website des VID veröffentlichten Informationen festgestellt, so dass die sechste Vorlagefrage in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens stehe und folglich für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht objektiv erforderlich sei.
97 Insoweit geht zum einen aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Republik Lettland Art. 60 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849 in nationales Recht umgesetzt hat und daher die Veröffentlichung von Entscheidungen, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können, gestattet. Indem diese Bestimmung vorsieht, dass die zuständigen Behörden auf ihrer offiziellen Website unverzüglich „auch“ die Information bekannt machen, dass gegen die fragliche Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, stellt sie klar, dass diese Behörden diese Information zusätzlich zu den in Art. 60 Abs. 1 aufgeführten Informationen veröffentlichen müssen, wobei der letztgenannte Absatz vorsieht, dass „mindestens Art und Wesen des Verstoßes und die Identität der verantwortlichen Personen bekanntgemacht [werden]“. Daraus folgt, dass der bloße Umstand, dass der Gerichtshof nach der Auslegung sowohl von Abs. 1 als auch von Abs. 2 des genannten Art. 60 gefragt wird, die angesichts des Wortlauts des letztgenannten Absatzes miteinander in Zusammenhang stehen, die sechste Frage nicht hypothetisch macht.
98 Zum anderen ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die Veröffentlichung der gegen Rodl & Partner ergangenen Entscheidung, mit der eine Sanktion verhängt wurde, auf der Website des VID zum Zeitpunkt des Erlasses seiner Vorlageentscheidung noch Ungenauigkeiten enthalten habe.
99 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die sechste Frage zulässig ist.
100 Was die Veröffentlichung von Entscheidungen, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können, in Bezug auf ihren Inhalt anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus einer Gesamtschau der Abs. 1 und 2 von Art. 60 der Richtlinie 2015/849, die in Rn. 97 des vorliegenden Urteils im Wesentlichen dargestellt worden sind, ergibt, dass auf der Website der zuständigen nationalen Behörde nur Informationen veröffentlicht werden, die in diesen Entscheidungen enthalten sind. Folglich sind Informationen, die nicht mit den in diesen Entscheidungen enthaltenen Informationen übereinstimmen, von der Veröffentlichung ausgeschlossen.
101 Nach alledem ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 dahin auszulegen ist, dass die zuständige nationale Behörde bei der Veröffentlichung einer wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Entscheidung, mit der eine Sanktion verhängt wird, sicherstellen muss, dass die veröffentlichten Informationen mit den in dieser Entscheidung enthaltenen Informationen genau übereinstimmen.
Kosten
102 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission in Verbindung mit Art. 5 und Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie
ist dahin auszulegen,
dass er einem Verpflichteten nicht auferlegt, einem Kunden allein deshalb automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, weil es sich bei diesem Kunden um eine Nichtregierungsorganisation handelt, einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko ist oder ein Geschäftspartner dieses Kunden, nicht aber der Kunde selbst, mit einem solchen Drittland verbunden ist. Ein Mitgliedstaat kann jedoch im nationalen Recht solche Umstände als Faktoren festlegen, die auf ein potenziell höheres Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hinweisen und die die Verpflichteten bei ihrer Risikobewertung in Bezug auf ihre Kunden berücksichtigen müssen, sofern diese Faktoren mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind.
2. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 4 und Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie
ist dahin auszulegen, dass
er dem Verpflichteten nicht auferlegt, bei der Ausübung von Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, vom Kunden eine Kopie des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Vertrags einzuholen, sofern der Verpflichtete der zuständigen nationalen Behörde andere geeignete Unterlagen vorlegen kann, die zum einen belegen, dass er die zwischen diesem Kunden und dem Dritten ausgeführte Transaktion und begründete Geschäftsbeziehung analysiert hat, und zum anderen, dass er dies bei der Anwendung der Sorgfaltspflichten, die in Anbetracht der ermittelten Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlich sind, gebührend berücksichtigt hat.
3. Art. 14 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849
ist dahin auszulegen, dass
die Verpflichteten auf der Grundlage einer auf aktuellem Stand gehaltenen Risikobewertung bei einem Bestandskunden – gegebenenfalls verstärkte – Sorgfaltspflichten anwenden müssen, wenn dies angemessen erscheint, insbesondere, wenn bei diesem Kunden eine Änderung von Umständen vorliegt, und zwar unabhängig davon, dass die im nationalen Recht festgelegte Frist für die Durchführung einer neuen Bewertung des Risikos in Bezug auf diesen Kunden noch nicht abgelaufen ist. Diese Verpflichtung gilt nicht nur für Kunden, bei denen ein hohes Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht.
4. Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849
ist dahin auszulegen, dass
die zuständige nationale Behörde bei der Veröffentlichung einer wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Entscheidung, mit der eine Sanktion verhängt wird, sicherstellen muss, dass die veröffentlichten Informationen mit den in dieser Entscheidung enthaltenen Informationen genau übereinstimmen.
Unterschriften