Language of document : ECLI:EU:C:2023:509

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 22. Juni 2023(1)

Rechtssache C588/21 P

Public.Resource.Org, Inc.,

Right to Know CLG

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Harmonisierte Normen – Vier vom Europäischen Komitee für Normung angenommene harmonisierte Normen – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten – Urheberrechtlicher Schutz – Rechtsstaatlichkeit“






1.        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Public.Resource.Org, Inc. und die Right to Know CLG (im Folgenden zusammen: Rechtsmittelführerinnen), zwei gemeinnützige Organisationen, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, das Recht für alle Bürger frei zugänglich zu machen, die Aufhebung des Urteils des Gerichts vom 14. Juli 2021, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T‑185/19, EU:T:2021:445) (im Folgenden: angefochtenes Urteil). Mit diesem Urteil wurde ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 639 final der Kommission vom 22. Januar 2019, mit dem ihnen der Zugang zu vier vom Europäischen Komitee für Normung (Comité Européen de Normalisation, CEN) angenommenen harmonisierten technischen Normen (im Folgenden: HTN) verweigert worden war (im Folgenden: streitiger Beschluss), als unbegründet abgewiesen. Die vorliegende Rechtssache gibt der Großen Kammer des Gerichtshofs insbesondere die Gelegenheit, erstmals über die Frage zu entscheiden, ob HTN – die der Gerichtshof bereits als Rechtswirkungen entfaltenden Teil des Unionsrechts anerkannt hat – urheberrechtlich schutzfähig sind und ob die Rechtsstaatlichkeit sowie der Grundsatz der Transparenz und das Recht auf Zugang zu Dokumenten, die in Art. 15 AEUV verankert sind, verlangen, dass der Zugang zu HTN frei und unentgeltlich ist.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2.        Die Rechtsmittelführerinnen stellten bei der Europäischen Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(2) und der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006(3) einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten im Besitz der Kommission (im Folgenden: Antrag auf Zugang). Der Antrag auf Zugang betraf vier HTN, die das CEN gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012(4) angenommen hatte, nämlich i) „Sicherheit von Spielzeug – Teil 5: Chemisches Spielzeug (Sets) ausgenommen Experimentierkästen“, ii) „Sicherheit von Spielzeug – Teil 4: Experimentierkästen für chemische und ähnliche Versuche“, iii) „Sicherheit von Spielzeug – Teil 12: N-Nitrosamine und N-nitrosierbare Stoffe“ und iv) „Simulierte Abrieb- und Korrosionsprüfung zum Nachweis der Nickelabgabe von mit Auflagen versehenen Gegenständen“ (im Folgenden: angeforderte HTN). Die HTN i) bis iii) nehmen Bezug auf die Richtlinie 2009/48/EG(5) (im Folgenden: Spielzeugsicherheitsrichtlinie), und die HTN iv) nimmt Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006(6).

3.        Mit Schreiben vom 15. November 2018 lehnte die Kommission den Antrag auf Zugang auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ab. Diese Zugangsverweigerung wurde von der Kommission mit dem streitigen Beschluss bestätigt.

4.        Die Verordnung Nr. 1025/2012 setzt den im Jahr 1985 entwickelten Ansatz der „Verordnung nach der neuen Konzeption“ auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung fort, der den Inhalt von Rechtsvorschriften auf die „grundlegenden“ oder die „wesentlichen Anforderungen“ beschränkt und die technischen Details den HTN überlässt. Sie benennt förmlich nur drei europäische Normungsorganisationen (European Standards Organisations, im Folgenden: ESO) für die Erarbeitung von HTN: das CEN (verantwortlich für die Normung in den meisten Bereichen), das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung (Comité européen de normalisation électrotechnique, CENELEC), das für die Normung im Bereich Elektrotechnik verantwortlich ist, und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (European Telecommunications Standards Institute, ETSI), das für die Normung im Bereich Information und Kommunikation verantwortlich ist.

II.    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

5.        Mit Klageschrift, die am 28. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen eine Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses. Mit dem ersten Klagegrund machten die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fehlerhaft ausgelegt und/oder angewandt; mit ihrem zweiten Klagegrund machten sie geltend, die Kommission habe gegen den letzten Satz von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen. Das Gericht wies beide Klagegründe zurück und die Klage ab.

III. Würdigung

A.      Erster Rechtsmittelgrund: Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001

1.      Erster Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es den urheberrechtlichen Schutz der angeforderten HTN unzutreffend beurteilt habe

a)      Erste Rüge: HTN könnten nicht urheberrechtlich geschützt sein, da sie Teil des Unionsrechts seien

6.        Die Rechtsmittelführerinnen tragen im Wesentlichen vor, der Rechtsfehler des Gerichts bestehe darin, dass es verkannt habe, dass die angeforderten HTN nicht urheberrechtlich geschützt sein könnten, da sie Teil des Unionsrechts seien und die Rechtsstaatlichkeit freien Zugang zum Gesetz erfordere. Die Kommission und die Streithelfer (das CEN und die weiteren 14 Streithelfer im ersten Rechtszug) vertreten die Auffassung, dass das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen sei, und tragen im Wesentlichen vor, das Normungssystem der Union beruhe auf einer Anerkennung des Urheberrechts der ESO an HTN.

1)      Einleitung

7.        Die vorliegenden Schlussanträge sind mit einem Überblick über die Urteile Fra.bo, James Elliott und Stichting(7) des Gerichtshofs zu beginnen, da sie den Hintergrund für die vorliegende Rechtssache bilden.

8.        Erstens hat der Gerichtshof im Urteil Fra.bo (Rn. 27 bis 32) im Wesentlichen anerkannt, dass nationale Normungs- und Zertifizierungseinrichtungen, obwohl sie privatrechtliche Einrichtungen sind, hoheitliche Befugnisse ausüben können und dass nationale technische Normen, obwohl sie de iure freiwillig sind, de facto verbindliche Wirkungen haben können. Dies liegt daran, dass andere Verfahren zum Nachweis der Einhaltung des abgeleiteten Unionsrechts für die Hersteller kostspieliger wären, die in die Suche nach Methoden investieren müssten, die zumindest ein gleichwertiges Schutzniveau wie das dieser Normen gewährleisten könnten, wobei zu berücksichtigen ist, dass alle anderen Nachweisverfahren keine Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Rechts begründen. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass eine technische Norm möglicherweise de facto verbindlichen Charakter haben kann (Rn. 30), und entschieden, dass „[Art. 34 AEUV] dahin auszulegen ist, dass er auf die Normungs- und Zertifizierungstätigkeiten einer privaten Einrichtung anzuwenden ist, wenn die Erzeugnisse, die von dieser Einrichtung zertifiziert wurden, nach den nationalen Rechtsvorschriften als mit dem nationalen Recht konform angesehen werden und dadurch ein Vertrieb von Erzeugnissen, die nicht von dieser Einrichtung zertifiziert wurden, erschwert wird“ (Rn. 32).

9.        Zweitens hat der Gerichtshof im Schlüsselurteil James Elliott (Rn. 40) festgestellt, dass HTN aufgrund ihrer Rechtswirkungen Teil des Unionsrechts sind. Er hat entschieden, dass „eine [HTN] wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die auf der Grundlage [einer Richtlinie] angenommen wurde und deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, Teil des Unionsrechts [ist], da durch Bezugnahme auf die Bestimmungen einer solchen Norm festgestellt wird, ob die in [dieser Richtlinie] aufgestellte Vermutung [der Konformität] auf ein bestimmtes Produkt anwendbar ist“. Außerdem heißt es in Rn. 42 des Urteils: „Auch dass die Konformität eines Bauprodukts mit den wesentlichen Anforderungen [dieser Richtlinie] gegebenenfalls mit anderen Mitteln dargetan werden kann als durch den Nachweis der Konformität mit [HTN], kann die mit einer [HTN] verbundenen Rechtswirkungen nicht in Frage stellen (Hervorhebung nur hier). Schließlich ist nach Rn. 43 des Urteils James Elliott „[i]m Übrigen … festzustellen, dass mit der Ausarbeitung einer solchen harmonisierten Norm zwar eine privatrechtliche Einrichtung betraut wird, dass diese Norm aber gleichwohl eine notwendige und durch die in dieser Richtlinie definierten wesentlichen Anforderungen streng geregelte Durchführungsmaßnahme darstellt, die auf Initiative und unter der Leitung und Aufsicht der Kommission erstellt wird und die Rechtswirkungen nur entfaltet, wenn die Kommission deren Fundstellen zuvor in der Ausgabe C des [Amtsblatts] veröffentlicht (Hervorhebung nur hier). Anzumerken ist allerdings, dass es sich seit 2018 um die Reihe L (für Rechtsvorschriften) anstatt der Reihe C (für Informationen und Mitteilungen) handelt, was die Anerkennung der Tatsache bestätigt, dass HTN Teil des Unionsrechts sind.

10.      Drittens hat die Große Kammer des Gerichtshofs im Urteil Stichting (Rn. 33 bis 49) entschieden, dass Normen (in jenem Fall die Normen der Internationalen Organisation für Normung [ISO]) verbindlich gemacht werden können. Der Gerichtshof hat im Wesentlichen entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass Angaben technischer Natur in einem Gesetzgebungsakt gemacht werden, so dass der Umstand, dass in einer Richtlinie nur ein Verweis auf eine ISO-Norm (und nicht ihr vollständiger Wortlaut) enthalten ist, die Gültigkeit dieser Richtlinie nicht beeinträchtigt. In Rn. 48 hat der Gerichtshof jedoch festgestellt, dass „gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit … technische Normen, die von einer Normungsorganisation wie der ISO festgelegt und durch einen Gesetzgebungsakt der Union für verbindlich erklärt werden, den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im [Amtsblatt] veröffentlicht worden sind“.

11.      Wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen erläutern werde, stellen die oben angeführten Urteile, zusammengenommen, in Anbetracht der Tatsache, dass HTN bestimmte Verpflichtungen auferlegen und dass ihre Rechtswirkungen von der Öffentlichkeit geltend gemacht werden können, eine solide Grundlage dar, die es dem Gerichtshof ermöglicht, über die angemessenen Voraussetzungen für den Zugang zu HTN zu entscheiden. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass diese Analyse nicht unbedingt für andere Arten von Normen gilt, die von den ESO ausgearbeitet werden.

12.      Außerdem ist hervorzuheben, dass eine der vier angeforderten HTN – nämlich die in Nr. 2 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Norm iv) – tatsächlich eindeutig verbindlich ist, wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden ist. Der Grund dafür ist, dass Eintrag 27 in Anhang XVII der Verordnung 1907/2006 für Nickel Folgendes vorsieht: „Zum Nachweis der Vereinbarkeit der Erzeugnisse mit Absatz 1 und 2 sind [(shall)] als Testmethoden die vom [CEN] verabschiedeten Normen zu verwenden“ (Hervorhebung nur hier). Die vorgeschriebene Norm ist somit mit der im Urteil in der Rechtssache Stichting (Rn. 30) in Rede stehenden Norm vergleichbar, die aufgrund der Verwendung eines entsprechenden („werden … [gemessen]“) bzw. identischen (in der englischen Fassung: „shall“) Begriffs im Unionsrecht ebenfalls verbindlich war.

13.      Was die drei anderen angeforderten HTN betrifft, die im vorliegenden Fall in Rede stehen, so sieht die Spielzeugsicherheitsrichtlinie im zweiten Erwägungsgrund vor, dass „[d]ie Richtlinie 88/378/EWG[(8)] … lediglich die wesentlichen Sicherheitsanforderungen für Spielzeug [enthält] … Die technischen Einzelheiten werden vom [CEN] und vom [Cenelec] gemäß der Richtlinie 98/34/EG[(9)] … geregelt. Aufgrund der Konformität mit diesen [HTN], deren Fundstellen im [Amtsblatt] veröffentlicht sind, ist die Konformität mit den Anforderungen der Richtlinie 88/378/EWG zu vermuten. Das Prinzip der Konformitätsvermutung hat sich in der Spielzeugbranche bewährt und sollte beibehalten werden“.

14.      Es ist schwierig, HTN in eine bereits bestehende Kategorie des Unionsrechts einzuordnen, und demzufolge ist eine eingehendere Analyse erforderlich, um festzustellen, ob es einen freien und kostenlosen Zugang zu HTN geben sollte und/oder ob sie urheberrechtlich schutzfähig sind. Während der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass HTN Rechtswirkungen haben, Teil des Unionsrechts sind und verbindlich sein können, hat er sich noch nicht zu ihrer genauen Natur geäußert. Die Rechtsmittelführerinnen machen in erster Linie geltend, HTN könnten nicht urheberrechtlich geschützt sein, weil sie Teil des Unionsrechts seien, und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit den freien Zugang zum Recht erfordere. Um zu beurteilen, ob diesem Rechtsmittelgrund stattgegeben werden kann, ist es daher erforderlich, die Bestandteile der HTN zu analysieren, z. B. welches Organ oder welche Einrichtung die HTN als Maßnahmen, die Teil des Unionsrechts sind, erlässt, auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchem Verfahren die HTN erlassen werden, welche Rechtswirkungen die HTN genau haben und welcher Art diese Maßnahmen sind.

15.      Es ist nämlich zu prüfen, ob sich die HTN im Laufe der Zeit so entwickelt haben, dass sie Unionsrechtsakte sui generis (Normungsakte der Union) darstellen, da es sich dabei um strikt geregelte Maßnahmen zur Durchführung des abgeleiteten Unionsrechts handelt. Der Gerichtshof hat beispielsweise im „Leerverkaufs-Urteil“(10) anerkannt, dass die Art. 290 und 291 AEUV kein geschlossenes Durchführungssystem schaffen und dass es möglich ist, andere Regulierungsinstrumente zu erlassen, um die Einzelheiten eines Gesetzgebungsakts zu konkretisieren. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, diese Gelegenheit zu nutzen und die dringend benötigte Klarheit zu schaffen, was die richtige Rechtsnatur der HTN ist und welchen Platz sie in der Unionsrechtsordnung einnehmen.

2)      Natur der HTN als Unionsrechtsakt

i)      HTN erlassende Organe oder Einrichtungen

16.      Mein Hauptargument in den vorliegenden Schlussanträgen ist, dass davon auszugehen ist, dass HTN in Wirklichkeit Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union darstellen. Die Kommission spielt nämlich in dem vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Normungssystem der Europäischen Union eine zentrale Rolle. Ich bin (ebenso wie zuvor Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache James Elliott(11)) der Auffassung, dass „[HTN] … als ‚Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union‘ im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen [sind]“ und dass das, wie ich unten erläutern werde, auch für die Zwecke des Unionsrechts im Allgemeinen und des Zugangs zum Unionsrecht im Besonderen gilt.

17.      Wie in den Schlussanträgen in der Rechtssache James Elliott ausgeführt, wird dieses Ergebnis durch mehrere Argumente gestützt: a) Die Verwendung von Richtlinien oder Verordnungen nach dem neuen Konzept darf sich nicht nachteilig auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs auswirken, b) die Kommission übt eine erhebliche Kontrolle über das Verfahren zur Ausarbeitung von HTN durch die ESO aus, und c) das Tätigwerden der drei ESO (in ihrer Eigenschaft als die einzigen Normungseinrichtungen der Europäischen Union) hängt von einem Tätigwerden der Europäischen Union ab. Dementsprechend werde ich zeigen, dass die Kommission als das Organ anzusehen ist, das die HTN erlässt (da die ESO tatsächlich nur Vorbereitungsgremien mit einem bestimmten begrenzten Ermessen sind), oder jedenfalls als das Organ, das zusammen mit den ESO für den Erlass von HTN verantwortlich ist.

18.      Zwar hat die Dritte Kammer des Gerichtshofs im Anschluss an die Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache James Elliott darauf hingewiesen, dass „der Gerichtshof nach der Rechtsprechung für die Auslegung von Handlungen zuständig ist, die, obwohl sie nicht von Einrichtungen vorgenommen wurden, die als ‚Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union‘ eingestuft werden können, den Charakter von Maßnahmen zur Durchführung oder Anwendung eines Rechtsakts der Union hatten“ (Rn. 34).

19.      Wie jedoch in der Rechtsliteratur zu Recht hervorgehoben wird, wird die in jenen Schlussanträgen vertretene Auslegung durch das Urteil des Gerichtshofs in jener Rechtssache insoweit nicht ausgeschlossen, als der Gerichtshof „die Frage unbeantwortet gelassen hat, ob [HTN] als von der Kommission stammend anzusehen sind, während die ESO nur als Vorbereitungsorgan tätig wird“. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof in jener Rechtssache nicht zu der Frage äußern musste, ob die von der Kommission ausgeübte Kontrolle ausreicht, um die endgültige Zuständigkeit für HTN von den ESO auf die Kommission zu übertragen, und ob es in Wirklichkeit im Zusammenhang mit HTN eine Übertragung bestimmter Befugnisse von der Kommission auf die ESO gegeben hat(12).

20.      Meine einleitenden Erwägungen führen mich zu dem Schluss, dass HTN nicht bloß Durchführungsmaßnahmen einer privaten Einrichtung (ESO) sind, sondern dass sie – im Rahmen des vom Unionsgesetzgeber errichteten Normungssystems der Europäischen Union – als von der Kommission erlassen anzusehen sind oder dass zumindest davon auszugehen ist, dass die Kommission zusammen mit den ESO für den Erlass von HTN verantwortlich ist.

21.      Eine jüngst ergangene Mitteilung der Kommission zeigt, dass dieses Organ den öffentlichen Charakter der von den ESO geleisteten Arbeit anerkennt, da bei der Normungsstrategie der Europäischen Union „auch grundlegende demokratische Werte und Interessen der EU sowie ökologische und soziale Grundsätze berücksichtigt werden“ müssen, da technische Normen für die EU von ausgeprägtem strategischem Interesse sind. Die Kommission erkennt ferner an, dass es erforderlich ist, die Kontrolle über die HTN noch stärker von den ESO zur Kommission zu verlagern, wenn sie ausführt, dass sie ermächtigt werden sollte, im Wege von Durchführungsrechtsakten gemeinsame Spezifikationen (technische Dokumente als Alternative zu den von den ESO erstellten HTN) direkt auszuarbeiten, um die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses zu gewährleisten(13).

22.      Zudem werden die oben angestellten Erwägungen durch eine Analyse des Verfahrens zum Erlass von HTN noch weiter bestätigt.

ii)    Verfahren zum Erlass von HTN

23.      Erstens geht eine HTN auf einen Normungsauftrag (das „Mandat“ der Kommission an die ESO) zurück. Nur die Kommission – und nicht eine ESO oder irgendeine andere Einrichtung – ist befugt, den Auftrag zu erteilen, eine HTN zur Umsetzung einer bestimmten Richtlinie oder Verordnung auszuarbeiten. Daher wendet sich die Kommission an die einschlägige ESO, die dann als ein mit diesem Auftrag betrautes Vorbereitungsgremium handelt. Die Kommission entscheidet, welche ESO sie mit der Ausarbeitung des HTN-Entwurfs, der nach strengen, von der Kommission gewählten inhaltlichen Kriterien und innerhalb der von ihr festgesetzten Frist auszuarbeiten ist, beauftragt. Der Auftrag ist detailliert und enthält einen konkreten Zeitplan für die Ausarbeitung der HTN zur Umsetzung bestimmter Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts. Ich weise darauf hin, dass der Auftrag die Kriterien beinhaltet, die für die Ausarbeitung einer HTN gelten, und dass diese Kriterien in der Regel sehr detailliert sind(14). Die ESO muss die Kommission über den Fortgang des Ausarbeitungsvorgangs auf dem Laufenden halten.

24.      In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass dieser Auftrag weitreichende Auswirkungen hat, da er den ESO nicht nur die erforderlichen Leitlinien für den Prozess zur Ausarbeitung von HTN an die Hand gibt, sondern gemäß dem Urteil Anstar HTN auch im Licht des ihnen zugrunde liegenden Mandats (Auftrags) auszulegen sind(15). Was den Inhalt eines Auftrags betrifft, so darf die Kommission nur technische Aufgaben übertragen, und ist es ihr nicht gestattet, den ESO ein politisches Ermessen zu übertragen(16).

25.      Zweitens muss die ESO nach Fertigstellung des HTN-Entwurfs diesen der Kommission vorlegen, und wiederum ist nur dieses Organ befugt, eine Konformitätsbewertung vorzunehmen, um zu prüfen, ob der HTN-Entwurf mit dem ursprünglichen Auftrag übereinstimmt. Diese Bewertung kann gemäß dem Leitfaden drei Formen annehmen. Wichtig ist, dass es allein der Kommission obliegt, festzustellen, ob die Ergebnisse der Bewertung der erarbeiteten HTN zufriedenstellend sind. Im Leitfaden (S. 11) heißt es, dass „bei den von den ESO zur Unterstützung von Rechtsvorschriften der Union erarbeiteten Spezifikationen niemals automatisch davon ausgegangen werden [darf], dass sie dem ursprünglichen Auftrag entsprechen …, da hierfür die Politik verantwortlich ist. Als beauftragende Behörde muss die Kommission stets gemeinsam mit den europäischen Normungsorganisationen die Einhaltung … ihres ursprünglichen Auftrags überprüfen …, bevor sie über die Veröffentlichung der Fundstellen einer erarbeiteten Norm im Amtsblatt entscheidet“.

26.      Drittens wird die oben genannte, von der ESO unter der strengen Aufsicht der Kommission ausgearbeitete Norm nur dann eine HTN, wenn und sobald die Kommission die Fundstelle dieser Norm im Amtsblatt veröffentlicht. Wenn die Kommission der Ansicht ist, dass der Entwurf einer HTN dem Auftrag nicht hinreichend entspricht, ersucht sie die betreffende ESO, ihn zu ändern – oder sie verzichtet auf die Veröffentlichung der Fundstelle des HTN-Entwurfs oder eines Teils davon im Amtsblatt. Darüber hinaus wird das Ermessen der ESO durch die Befugnis des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten, gegen den HTN-Entwurf Einwände zu erheben, noch weiter eingeschränkt.

27.      Schließlich überwacht die Kommission nicht nur streng die Ausarbeitung der HTN, sondern stellt dafür auch beträchtliche Mittel zur Verfügung (bis zu 35 % des CEN-Haushalts). Die Zusammenarbeit mit der Kommission wird durch eine Vereinbarung in Form allgemeiner Leitlinien geregelt, die regelmäßig erneuert werden und die Wichtigkeit der Normung für die europäische Politik und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr betonen(17).

28.      Der Lebenszyklus der Schaffung und Annahme einer HTN beginnt und endet bei der Kommission. Wenngleich der Normentwurf von der ESO erstellt wird, ist er nicht Teil des Unionsrechts, bevor seine Fundstelle von der Kommission im Amtsblatt veröffentlicht wird. Daraus folgt, dass die Kommission aus dem vorbereitenden Dokument einen Rechtsakt macht, der Teil des Unionsrechts ist.

29.      Wie in der Rechtsliteratur weithin anerkannt wird(18), hat die „‚neue Konzeption‘ nach dem Unionsrecht eine komplexere Technik zur Folge. Nach Ansicht zahlreicher Kommentatoren sieht sie in ihrer derzeitigen Fassung, die in der Verordnung Nr. 1025/2012 verankert ist, eine stärkere ‚Verrechtlichung‘ vor, so dass die Organe der Union nicht leugnen können, dass sie den Inhalt der [HTN] kontrollieren“(19).

30.      Wie Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona bereits ausgeführt hat, „[verdeutlichen s]owohl die Möglichkeit der Erhebung formeller Einwände durch die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament als auch das Vorgehen der Kommission vor der Veröffentlichung der [Fundstellen von HTN] …, dass es sich um einen Fall ‚kontrollierter‘ Delegation von Normung an eine privatrechtlich organisierte Normungsorganisation handelt“ (Nr. 55). Zudem „[zeigt sich d]er privatrechtliche Charakter … in vollem Umfang, wenn das CEN nicht harmonisierte technische Normen ausarbeitet, während es anders vorgeht, wenn seine Tätigkeit darauf gerichtet ist, Aufträge zur Ausarbeitung harmonisierter Normen zu erfüllen, die die Kommission ihm erteilt“ (Nr. 56 der Schlussanträge)(20).

31.      Darüber hinaus unterliegen die Normungsaufträge der Kommission ebenso wie delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte auch der Komitologieverordnung(21), um ein ähnliches Kontrollniveau durch die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament zu gewährleisten.

32.      Als Nächstes sind die Rechtswirkungen von HTN zu prüfen.

iii) Wirkungen von HTN

33.      Zunächst ist es wichtig, zwischen gewöhnlichen oder nicht harmonisierten Normen, die freiwillig sind und als solche keine Rechtswirkungen entfalten, und HTN zu unterscheiden. Letztere sind eine spezielle Form technischer Normen, da sie a) Teil des Unionsrechts sind, b) darauf in verbindlichen Vorschriften des Unionsrechts Bezug genommen wird bzw. sie jedenfalls erforderliche Durchführungsmaßnahmen solcher Rechtsvorschriften darstellen, wie oben ausgeführt, und c) sie bedeutende Rechtswirkungen haben, die ihnen das Unionsrecht verleiht, wie unten gezeigt werden wird. Nach dem Leitfaden (S. 10) dienen die HTN „zur Unterstützung der Umsetzung der Rechtsvorschriften der Union“, sind aber in Wirklichkeit viel mehr als eine bloße „Hilfe“. Tatsächlich sind sie für die ordnungsgemäße Umsetzung des einschlägigen abgeleiteten Unionsrechts unerlässlich.

34.      Es handelt sich um folgende Wirkungen. HTN werden auf der Grundlage des vom Unionsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1025/2012 festgelegten Verfahrens angenommen und sind mit der sehr wichtigen Vermutung der Konformität verknüpft, d. h., wenn Konformität mit einer bestimmten HTN besteht, so bedeutet dies, dass den wesentlichen Anforderungen des entsprechenden abgeleiteten Unionsrechts entsprochen wurde und damit der freie Verkehr der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen in der Union gewährleistet ist.

35.      In Anbetracht des Vorstehenden und angesichts des Verweises einer HTN auf das entsprechende abgeleitete Recht, auf den in der Rechtsliteratur hingewiesen wurde(22), kann der Schluss gezogen werden, dass HTN, während sie ursprünglich de iure als freiwilliger Mechanismus der Konformität mit den im abgeleiteten Unionsrecht festgelegten wesentlichen Anforderungen konzipiert waren, de facto vom Gerichtshof als Normen mit potenziell verbindlichen Rechtswirkungen anerkannt worden sind(23).

36.      Streng genommen sieht die Verordnung Nr. 1025/2012 vor, dass HTN freiwillig sind, da die Wirtschaftsteilnehmer (zumindest theoretisch) auch andere Möglichkeiten haben, die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen der einschlägigen abgeleiteten Rechtsvorschriften nachzuweisen. Wie oben erläutert, ist jedoch eines der wichtigsten Merkmale von HTN die Rechtswirkung der Konformitätsvermutung. Dies macht HTN für die Wirtschaftsteilnehmer zu einem wesentlichen Werkzeug, um u. a. das Recht auf freien Verkehr in Anspruch zu nehmen, da sie, sobald sie den Anforderungen einer HTN genügen, von dieser Rechtswirkung profitieren und die jeweiligen Waren und Dienstleistungen auf dem Unionsmarkt frei verkehren können.

37.      Anders ausgedrückt führt die Beachtung von HTN dazu, dass der Hersteller oder der Dienstleister von der Konformitätsvermutung profitiert, und er kann, was die Haftung betrifft – im Fall von damit zusammenhängenden Problemen, Unfällen oder Rechtsstreitigkeiten – sich auf diese Vermutung berufen: In einem solchen Fall muss der Hersteller oder der Dienstleister lediglich nachweisen, dass er den einschlägigen HTN entsprochen hat, woraufhin die Gegenpartei (ein Verbraucher oder Wettbewerber) diese Vermutung widerlegen muss.

38.      Derart bedeutende Rechtswirkungen führen zu praktischen Schwierigkeiten und zu einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien. HTN begründen die entscheidende Konformitätsvermutung, aber der Zugang zu ihnen ist nicht frei. Das macht es für die Öffentlichkeit schwierig, HTN zu konsultieren, und sowohl für Wirtschaftsteilnehmer als auch für die Öffentlichkeit schwierig, mögliche Alternativen zu HTN zu prüfen und tatsächlich zu nutzen, um den wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Rechts zu genügen.

39.      Die vorliegende Rechtssache ähnelt der, in der das Urteil Stichting ergangen ist. In jener Rechtssache ersuchte das nationale Gericht den Gerichtshof, über die Gültigkeit einer Richtlinie im Licht des Transparenzgrundsatzes zu entscheiden, wenn die betreffende Richtlinie – in Form eines Verweises – eine nicht frei zugängliche ISO-Norm enthielt. In jener Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass das Unionsrecht veröffentlicht wird, bevor es gegenüber natürlichen und juristischen Personen wirksam werden kann. Dieses Urteil beruht auf der Prämisse, dass die Richtlinie keine Beschränkung in Bezug auf den Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 vorsah. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass durch diese Aufnahme von ISO-Normen in die Richtlinie juristischen Personen Verpflichtungen auferlegt werden, weil sie über nationale Normungsorganisationen Zugang zu diesen Normen haben. In Bezug auf natürliche Personen hat er jedoch in Rn. 48 jenes Urteils entschieden, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass technische Normen, die von einer Normungsorganisation wie der ISO festgelegt und durch einen Gesetzgebungsakt der Union für verbindlich erklärt werden, den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im Amtsblatt veröffentlicht worden sind (im Gegensatz zu einem bloßen Verweis). In einem solchen Fall kann die Öffentlichkeit die erforderlichen Verfahren für die Messung der Emissionen von Tabakerzeugnissen nicht kennen, sofern sie keinen Zugang zu diesen Normen hat.

40.      In der vorliegenden Rechtssache beschränken sich die wesentlichen Anforderungen an die Sicherheit von Spielzeug in Anhang II („Besondere Sicherheitsanforderungen“) Teil II („Entzündbarkeit“) Nr. 3 der Spielzeugsicherheitsrichtlinie beispielsweise auf den Hinweis, dass „Spielzeug außer Amorces … bei Gebrauch gemäß Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 weder explosiv sein noch explosive Teile oder Stoffe enthalten [darf]“. Wie jedoch von den Rechtsmittelführerinnen ausgeführt, kann die Liste der Stoffe und ihre zulässige Höchstmenge in den Sets mit chemischem Spielzeug, die die Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen begründen, nur durch Einsichtnahme in die einschlägigen HTN ermittelt werden.

41.      Mit anderen Worten geben die Richtlinie und die wesentlichen Anforderungen nur das Ergebnis vor, aber nicht die Mittel, wie es erreicht werden kann. Dies zeigt, dass es in der Praxis für eine natürliche oder juristische Person unmöglich ist, die Konformität eines Produkts mit den wesentlichen Anforderungen zu ermitteln, ohne Zugang zu den einschlägigen HTN zu haben.

42.      Wenn ein Hersteller (oder Dienstleister) das Risiko eingeht und ein Produkt (oder eine Dienstleistung) auf den Markt bringt, das (oder die) nicht den HTN entspricht, hat dies zur Folge, dass für das Produkt und den Hersteller (oder die Dienstleistung und den Dienstleister) die Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts nicht gilt. Das bedeutet, dass im Fall eines Rechtsstreits der Hersteller oder der Dienstleister die Beweislast dafür trägt, dass das Produkt tatsächlich den geltenden Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts entspricht. Meines Erachtens läuft dies eindeutig darauf hinaus, dass de facto alle Hersteller oder Dienstleister versuchen werden, immer den HTN zu entsprechen, da kein vernünftiger Hersteller oder Dienstleister bereit wäre, sich einem hohen wirtschaftlichen Risiko auszusetzen und eine solche Belastung auf sich zu nehmen.

43.      Mit anderen Worten führt die Einhaltung der HTN zur Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts, was bedeutet, dass HTN für jede natürliche oder juristische Person, die diese Vermutung in Bezug auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung anfechten möchte, die gleiche Wirkung haben wie eine verbindliche Vorschrift. Das bedeutet, dass sich die Einhaltung der HTN unmittelbar auf die Beweislast auswirkt.

44.      Daher bestehen für die Hersteller und die Dienstleister wie auch für eine Person, die die Vermutung bestreitet, Rechtswirkungen, die mit der Konformität mit HTN verknüpft sind – auch wenn die HTN (für die drei hier fraglichen HTN der Spielzeugsicherheitsrichtlinie) formal und theoretisch nicht verbindlich sind.

45.      Der Umstand, dass HTN de facto verbindlich sind, da es sich im Allgemeinen um die einzige akzeptierte Methode auf dem Markt handelt, um die Einhaltung der jeweiligen Rechtsvorschriften des abgeleiteten Unionsrechts zu gewährleisten, wird durch eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie bestätigt: „In der Praxis sind [HTN] für die meisten Wirtschaftsteilnehmer nahezu verpflichtend.“ Außerdem wird in derselben Studie hervorgehoben, dass der Preis für HTN eines der Haupthindernisse für eine effiziente Verwendung von HTN sei(24).

46.      Die wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts verleihen dem Einzelnen Rechte, die nach dem Unionsrecht angewandt und durchgesetzt werden können(25). Die wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts können jedoch nicht isoliert betrachtet werden, da es in der Praxis unmöglich ist, die Konformität eines Produkts oder einer Dienstleistung ohne Verweis auf die entsprechende HTN zu bestätigen. Dadurch kann die Öffentlichkeit ihre Rechte gegen einen Hersteller oder Dienstleister nach diesen abgeleiteten Rechtsvorschriften nicht ausüben, wenn sie sich nicht auf die einschlägige HTN berufen kann.

47.      Daraus folgt, dass HTN für die Durchsetzung des entsprechenden abgeleiteten Unionsrechts unerlässlich sind. Dass HTN de facto verbindlich sind, ist auch vom Gericht – in der Rechtssache Global Garden (Urteil vom 26. Januar 2017, GGP Italy/Kommission, T‑474/15, EU:T:2017:36, Rn. 67) – und vom Gerichtshof – im Urteil Fra.bo – anerkannt worden. Im letztgenannten Urteil heißt es, dass „in der Praxis fast alle deutschen Verbraucher nur solche Kupferfittings kaufen, die [von einer deutschen Zertifizierungseinrichtung] zertifiziert sind“ (Rn. 30). Wie der Gerichtshof in jenem Urteil auch ausgeführt hat, ist es für Wirtschaftsteilnehmer im Allgemeinen schwierig, wenn nicht völlig unmöglich, angesichts der hierfür erforderlichen Zeit und Kosten einen anderen Weg als den über die technische Norm einzuschlagen. Der Umstand, dass Unternehmen für die HTN zahlen, spricht ebenfalls dafür. Ich sehe nicht, warum Unternehmen, die einem Wettbewerb ausgesetzt sind, für HTN zahlen würden, wenn sie nicht de facto verbindlich wären. Der gesamte Aufbau des Normungssystems der Europäischen Union setzt voraus, dass grundsätzlich alle Akteure HTN nutzen.

48.      Meines Erachtens ergibt sich der de facto verbindliche Charakter von HTN nicht nur aus dem Vorhandensein von HTN selbst, sondern auch aus dem Mangel an realistischen Alternativen. Es gibt eine starke Unterstützung und Anreize für eine kontinuierliche Entwicklung von HTN. Infolge dieses Prozesses sind die nationalen Normungseinrichtungen in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, Alternativen zu HTN zu bieten (da sie in erster Linie verpflichtet sind, HTN ohne Änderungen umzusetzen), und scheint es keinen finanziellen Anreiz für andere private Akteure zu geben, auf diesem Markt in Wettbewerb zu treten. Auch in der nationalen Rechtsprechung und Literatur wird angenommen, dass sich realistischerweise nicht vertreten lasse, dass die Benutzung von HTN freiwillig sei(26).

49.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass HTN de facto insofern verbindlich sind, als sie zumindest wegen des ihnen zuerkannten Beweiswerts verbindlich sind.

50.      Selbst wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen sollte, dass HTN de facto nicht verbindlich sind (was nicht der Fall ist), bin ich der Ansicht, dass dies nichts an meiner Analyse ändern würde – da es durchaus ausreichen dürfte, festzustellen, dass HTN – unabhängig davon, ob sie stricto sensu verbindlich sind oder nicht – klare Rechtswirkungen besitzen, die ihnen durch das Unionsrecht zugeschrieben werden.

51.      Schließlich muss jeder Mitgliedstaat nach Fertigstellung von HTN und Veröffentlichung ihrer Fundstelle im Amtsblatt jede HTN – unverändert – als nationale Norm übernehmen und entgegenstehende Normen innerhalb von sechs Monaten zurückziehen. Gemäß Art. 17 EUV sorgt die Kommission als Hüterin der Unionsverträge „für die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen kraft der Verträge erlassenen Maßnahmen [und] … überwacht die Anwendung des Unionsrechts“. Daher sorgt sie auch für die volle Wirksamkeit von HTN und erhebt erforderlichenfalls eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV. Der Gerichtshof hat nämlich klargestellt, dass die Auferlegung zusätzlicher Anforderungen an die von HTN erfassten Produkte gegen die Verpflichtung des jeweiligen Mitgliedstaats verstößt, das Unionsrecht ordnungsgemäß umzusetzen(27). Der Gerichtshof hat diese Entscheidung in Bezug auf HTN selbst und nicht in Bezug auf die wesentlichen Anforderungen des abgeleiteten Rechts gefällt. Daraus folgt, dass die Kommission dafür zu sorgen hat, dass HTN ihre volle Wirksamkeit entfalten, was bedeutet, dass HTN durchsetzbar sein sollten(28).

3)      Auswirkungen der Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit auf HTN

i)      Allgemeine Bemerkungen

52.      Erstens ergibt sich aus Art. 2 EUV, dass die Rechtsstaatlichkeit den freien Zugang zum Unionsrecht für alle natürlichen und juristischen Personen der Union verlangt. Er beruht auf dem Grundsatz, dass jedermann die Möglichkeit haben muss, das Gesetz zu kennen, und dass jedermann das Gesetz beachten muss(29). Deshalb sieht Art. 297 AEUV vor, dass das Unionsrecht im Amtsblatt veröffentlicht werden muss.

53.      Zweitens verweist der Gerichtshof insoweit auf den Grundsatz der Rechtmäßigkeit(30) und den Grundsatz der Rechtssicherheit(31), wobei der letztgenannte Grundsatz auch verlangt, dass natürliche und juristische Personen das Recht kennen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Regelung keine Rechtswirkungen gegenüber diesen Personen entfaltet, wenn sie Dritten nicht durch Veröffentlichung mitgeteilt wurde(32).

54.      Drittens wird der Begriff des freien Zugangs zum Recht auch durch den Grundsatz der Transparenz anerkannt(33). Es ist unbestreitbar, dass das Unionsrecht nur wirksam sein kann, wenn es durchgesetzt werden kann. Wie oben dargelegt, wird die Durchsetzbarkeit des Rechts durch seine Veröffentlichung gewährleistet. Daraus folgt, dass HTN nicht vollständig durchgesetzt werden können, wenn sie nicht veröffentlicht werden. Wie oben in den Nrn. 33 bis 51 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, sind HTN Teil des Unionsrechts und haben klar definierte Rechtswirkungen. Daher wird die Öffentlichkeit durch die derzeitige Regelung, nur einen Verweis auf HTN, nicht jedoch ihren Wortlaut zu veröffentlichen, um einen wesentlichen Bestandteil des wirksamen und durchsetzbaren Unionsrechts gebracht.

55.      Daher kann der in Rn. 107 des angefochtenen Urteils aufgestellten Behauptung, wonach die Rechtsmittelführerinnen „nicht genau angeben, woraus sich ein ‚Verfassungsgrundsatz‘ ergeben soll“, der einen freien und unentgeltlichen Zugang zu den [HTS] erfordere, nicht gefolgt werden.

56.      Zudem hat der Gerichtshof im Urteil Skoma-Lux entschieden, dass das Unionsrecht für Unionsbürger zugänglich sein muss: „[N]ach dem Gebot der Rechtssicherheit [muss es eine Unionsregelung] den Betroffenen ermöglichen …, den Umfang der Verpflichtungen, die sie ihnen auferlegt, genau zu erkennen, was nur durch die ordnungsgemäße Veröffentlichung dieser Regelung in der Amtssprache des Adressaten garantiert werden kann“. Auf dieser Grundlage ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass Verordnungen oder Richtlinien der Europäischen Union keine Rechtswirkungen gegenüber Einzelnen entfalten, wenn sie nicht ordnungsgemäß in Amtsblatt in der Sprache eines Mitgliedstaats veröffentlicht wurden, „auch wenn sie auf anderem Wege Kenntnis von dieser Regelung hätten nehmen können“(34). Wie ich im Folgenden erläutern werde, sind daher der entgeltliche Zugang zu HTN oder der Zugang über bestimmte ausgewählte Bibliotheken oder einige wenige „Info-Points“(35) – entgegen der Ansicht des Gerichts (Rn. 103 und 107 des angefochtenen Urteils) – offensichtlich nicht geeignet und unzureichend, um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

57.      Wie beispielsweise der Europarat hervorgehoben hat, ist „[d]er Grundsatz der Rechtssicherheit … wesentlich für das Vertrauen in das Rechtssystem und die Rechtsstaatlichkeit … Er ist auch wesentlich für produktive Geschäftsbeziehungen, um Entwicklung und wirtschaftlichen Fortschritt zu fördern … Um dieses Vertrauen zu erreichen, muss der Staat Rechtstexte leicht zugänglich machen“(36).

58.      Daher ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Rechtssicherheit erfordert, dass HTN frei und kostenlos zugänglich sind, oder ob bestimmte Bedingungen für diesen Zugang auferlegt werden können.

ii)    Umfang des im vorliegenden Zusammenhang angebrachten Zugangs zum Unionsrecht

59.      Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall zwar bemüht, den Status quo zu erhalten, dass sie jedoch gleichzeitig jüngst in ihrer EU-Strategie für Normung 2022 klar dafür eingetreten ist, dass „[die ESO] … auch den kostenlosen Zugang zu Normen und anderen einschlägigen Dokumenten in Erwägung ziehen [sollten]. Die Kommission ist bereit, im Rahmen der bestehenden Foren in einen konstruktiven Dialog mit den [ESO] einzutreten und sie bei der Verwirklichung dieses Ziels zu unterstützen“ (vgl. Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge).

60.      Aus den Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten ergibt sich, dass „[d]as Rechtsstaatsprinzip … allgemein [gebietet], dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden. Damit sollen sie der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein“(37).

61.      Ich stimme den Rechtsmittelführerinnen zu, wenn sie argumentieren, dass die Bürger in der Lage sein sollten, von einem Rechtsakt zu profitieren, der Rechtswirkungen hat, Teil des Unionsrechts ist – wie HTN – und daher durchsetzbar sein sollte. Es genügt der Hinweis auf den Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil James Elliott ergangen ist, in dem sich die Frage nach der Auslegung von HTN im Zusammenhang mit einer privaten Klage wegen fehlerhafter Bauprodukte stellte. Da HTN tatsächliche Rechtswirkungen für natürliche und juristische Personen haben, erfordert die Rechtsstaatlichkeit, dass diese Personen Zugang zu HTN haben. Da eine HTN im öffentlichen Interesse liegt und eine Rolle spielt, die funktional der Rolle der Rechtsnormen gleichwertig ist, muss ihre gerichtliche Überprüfbarkeit (und daher ihre Zugänglichkeit) entsprechend angepasst werden(38).

62.      Offenbar neigen die meisten Mitgliedstaaten (außer Irland und dem ehemaligen Mitgliedstaat, dem Vereinigten Königreich) dazu, amtliche Texte vom urheberrechtlichen Schutz auszuschließen. Anders verhält es sich beim urheberrechtlichen Schutz nationaler Normen. Wie ich jedoch in Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge erläutert habe, sind HTN aufgrund ihrer speziellen Rolle im Unionsrecht ganz anders einzustufen als nationale Normen.

63.      Die Urteile James Elliott und Stichting deuten stark darauf hin, dass es erforderlich ist, HTN amtlich zu veröffentlichen (worauf auch in der Rechtsliteratur hingewiesen wurde); andernfalls wäre die praktische Wirksamkeit der Verweise in Rechtsakten auf solche Vorschriften erheblich eingeschränkt, da sie weder gegenüber Einzelpersonen im Allgemeinen noch gegenüber Unternehmen, die keinen tatsächlichen Zugang zu den HTN hatten, durchgesetzt werden könnten. Die Zugänglichmachung von HTN gegen Entgelt kann niemals die Verpflichtung zur amtlichen Veröffentlichung im Amtsblatt ersetzen. Das gilt auch im Fall von großen Unternehmen, weil diese Vorschriften letztlich noch immer ihre Kunden betreffen, die in Wirklichkeit die tatsächlichen Adressaten sind.  Wie könnte ein Bürger eindeutig wissen, ob ein Unternehmen bei der Herstellung eines Produkts oder bei der Erbringung einer Dienstleistung eine HTN beachtet hat, wenn er den Inhalt dieser HTN nicht kennen kann? Einem Bürger darf nicht die Möglichkeit genommen werden, „offiziell“ Kenntnis vom Inhalt einer Regelung, die ihn unmittelbar oder mittelbar betreffen kann, zu erlangen(39).

64.      Durch die Verbindung zwischen HTN und dem abgeleiteten Recht gehören HTN zwangsläufig zum Bereich der öffentlichen Aufgaben, da sie für die wirksame Umsetzung des abgeleiteten Rechts der Union (und damit für die Förderung der effektiven Verwirklichung des EU-Binnenmarkts) eine unverzichtbare (bzw. „notwendige“) Ergänzung darstellen. Da die ESO öffentliche Aufgaben (d. h. die Entwicklung von HTN zur Ergänzung des Unionsrechts) wahrnehmen, könnten diese Normungsorganisationen gegebenenfalls aus öffentlichen Mitteln für die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgaben vergütet werden (wie dies bereits teilweise bei der Finanzierung aller drei ESO durch die Kommission der Fall ist)(40).

65.      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rechtsstaatlichkeit einen freien und unentgeltlichen Zugang zu HTN erfordert. Als Harmonisierungsmaßnahmen, die Teil des Unionsrechts sind, abgeleitetes Unionsrecht umsetzten und Rechtswirkungen erzeugen, sollten HTN demnach im Amtsblatt veröffentlicht werden, um ihre Durchsetzbarkeit und Zugänglichkeit sicherzustellen.

4)      HTN sind als Teil des Unionsrechts nicht urheberrechtlich schutzfähig

66.      Angesichts der obigen Ausführungen bleibt die Frage, wie dieses Ergebnis mit dem Umstand in Einklang zu bringen ist, dass HTN nach den vertraglichen Vereinbarungen der Kommission und der ESO urheberrechtlich geschützt sind.

67.      Die Stichhaltigkeit des Vorbringens des CEN und der Kommission, dass der Zugang zu den angeforderten HTN wegen dieses Schutzes unmöglich sei, hängt davon ab, ob man akzeptiert, dass HTN nach Unionsrecht urheberrechtlich schutzfähig sind.

68.      Meine oben in Nr. 20 dargelegten Erwägungen zum Hauptargument (dass HTN in Wirklichkeit als von der Kommission angenommen anzusehen sind), gelten entsprechend auch, wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen sollte, dass HTN nicht als „Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union“ anzusehen sind. Denn für die Zwecke des Unionsrechts im Allgemeinen und des Zugangs zum Unionsrecht im Besonderen bleibt die Tatsache bestehen, dass HTN Teil des Unionsrechts sind, und angesichts ihrer unverzichtbaren Rolle bei der Umsetzung des verbindlichen abgeleiteten Unionsrechts und ihrer Rechtswirkungen dürfen sie grundsätzlich nicht urheberrechtlich schutzfähig sein.

69.      Daher hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es sich nicht mit der oben genannten Frage befasst und nicht beurteilt hat, ob das Recht (und damit HTN als Rechtsakte, die Teil des Unionsrechts sind) überhaupt urheberrechtlich schutzfähig ist. Es hat bloß auf das Urteil James Elliott verwiesen und behauptet, dass der Gerichtshof die derzeitige Regelung über die Veröffentlichung von HTN nicht für ungültig erklärt habe (obwohl dies in jener Rechtssache nicht in Frage stand). Damit wurde die entscheidende Frage, ob ein Rechtsakt, der Teil des Unionsrechts ist, urheberrechtlich schutzfähig ist, nicht beantwortet.

70.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1025/2012 entgegen dem Vorbringen der Kommission und der Streithelfer nicht als Grundlage für einen urheberrechtlichen Schutz von HTN angesehen werden kann. Diese Verordnung enthält keine Vorschrift, die vorsieht, dass HTN urheberrechtlich schutzfähig sind. Hätte der Unionsgesetzgeber HTN als urheberrechtlich schutzfähig angesehen, hätte er eine diesbezügliche Vorschrift in die Verordnung aufgenommen oder dies zumindest in einem Erwägungsgrund erwähnt.

71.      Daraus folgt, dass die Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 – auf die das Gericht das angefochtene Urteil gestützt und dementsprechend den Zugang zu den angeforderten HTN verweigert hat – im Kontext der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar ist. Folglich ist das Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet und aufzuheben.

b)      Zweite Rüge des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes: Selbst wenn HTN urheberrechtlich schutzfähig sein sollten, hat der freie Zugang zum Recht Vorrang vor dem Schutz des Urheberrechts

72.      Hilfsweise tragen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen vor, der freie Zugang zum Recht müsse Vorrang vor dem Schutz des Urheberrechts haben, auch wenn die angeforderten HTN urheberrechtlich geschützt sein könnten.

73.      Vorab weise ich darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 selbst den Begriff des freien Zugangs zum Recht anerkennt und in ihrem sechsten Erwägungsgrund vorsieht, dass „Dokumente … in größtmöglichem Umfang direkt zugänglich gemacht werden [sollten]“, und zwar „in den Fällen …, in denen die Organe, auch im Rahmen übertragener Befugnisse, als Gesetzgeber tätig sind“ (Hervorhebung nur hier).

74.      Außerdem steht das angefochtene Urteil im Widerspruch zum Grundsatz der Transparenz und zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Der Gerichtshof hat im Plenum die Wichtigkeit dieses Grundsatzes beispielsweise im Gesetzgebungsverfahren bestätigt und festgestellt, dass Dokumente, die Teil eines solchen Verfahrens sind, grundsätzlich veröffentlicht werden sollten. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Verbreitung von Dokumenten, die in diesem Verfahren verwendet wurden, geeignet ist, die Transparenz und die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens zu erhöhen und das Recht der europäischen Bürger, die Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Gesetzgebungsakt ergangen ist, zu stärken. Nicht einmal in Bezug auf die Stellungnahmen der Juristischen Dienste der Organe der Europäischen Union zu einem Gesetzgebungsverfahren besteht nach Ansicht des Gerichtshofs ein generelles Bedürfnis der vertraulichen Behandlung. Er hat festgestellt, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 grundsätzlich eine Verpflichtung zur Verbreitung dieser Stellungnahmen aufstellt(41). Der Gerichtshof sollte sich auch in Bezug auf HTN an die Bedeutung des Grundsatzes der Transparenz halten.

75.      Überdies hat der Gerichtshof im Urteil Stichting (Rn. 40 bis 42 und 73) anerkannt, dass das Recht öffentlich bekannt gemacht werden muss, und darauf hingewiesen, dass Normen für die Öffentlichkeit nicht verbindlich sind, wenn sie nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden sind.

1)      Kein urheberrechtlicher Schutz der vier angeforderten HTN (wegen fehlender „Originalität“)

76.      Obwohl die Union die Berner Übereinkunft(42) nicht unterzeichnet hat, hat sie sich bereit erklärt, an deren Art. 1 bis 21 gebunden zu sein(43). Aus Art. 2 Abs. 4 der Übereinkunft ergibt sich, dass „amtliche Texte auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung“ nicht automatisch unter den Schutz des Urheberrechts fallen. Vielmehr bleibt es der „Gesetzgebung der Verbandsländer … vorbehalten, den Schutz [solcher] amtlicher Texte … sowie der amtlichen Übersetzungen dieser Texte zu bestimmen“.

77.      Das Unionsrecht enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, ob von Unionsorganen stammende Rechtstexte oder Quasi-Rechtstexte urheberrechtlich schutzfähig sind. Allerdings lässt sich anführen, dass sich aus Art. 297 AEUV ergibt, dass das Unionsrecht grundsätzlich nicht als Werk, das seinem Inhaber ein ausschließliches Recht zur Vervielfältigung, Veröffentlichung, Veräußerung und Verbreitung dieses Werks gibt, urheberrechtlich schutzfähig ist.

78.      Wie ich oben dargelegt habe, bin ich der Auffassung, dass HTN nicht urheberrechtlich schutzfähig sein dürfen, aber selbst für den Fall, dass der Gerichtshof zu einem anderen Ergebnis gelangen sollte (was nicht der Fall sein sollte), werde ich erläutern, dass im angefochtenen Urteil nicht dargetan wird, dass die vier angeforderten HTN jedenfalls vom urheberrechtlichen Schutz profitieren sollten.

i)      Zuständigkeit für die Bewertung des Urheberrechts

79.      Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Kommission nicht befugt gewesen sei, zu prüfen, ob die vier angeforderten HTN urheberrechtlich schutzfähig seien. Es ist darauf hinzuweisen, dass es entschieden hat, dass eine solche Prüfung den Rahmen der Kontrolle überschreite, die der Kommission im Rahmen eines Verfahrens auf Zugang zu Dokumenten zustehe (Rn. 57 des angefochtenen Urteils).

80.      Diese Erwägung ist unzutreffend. Erstens steht diese Feststellung, wie die Rechtsmittelführerinnen zu Recht geltend machen, in direktem Widerspruch zu den Rn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils, in denen festgestellt wurde, dass die Kommission davon habe ausgehen können, dass die erforderliche Originalitätsschwelle erreicht gewesen sei, und dass sie zu Recht entschieden habe, dass die angeforderten HTN urheberrechtlich schutzfähig seien. Es ist unklar, wie das Vorliegen eines Urheberrechts festgestellt werden kann, wenn die Kommission kein Recht hat, dies zu beurteilen. Somit ist das Gericht rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission nicht befugt gewesen sei, zu prüfen, ob HTN urheberrechtlich schutzfähig seien.

81.      Zweitens geht es in der vorliegenden Rechtssache, wie die Rechtsmittelführerinnen zu Recht geltend machen, um einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten, die Teil des Unionsrechts sind (d. h. zu den vier angeforderten HTN), und dieser Antrag ist auf eine Verordnung der Union (nämlich die Verordnung Nr. 1049/2001) gestützt. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 4 dieser Verordnung keinen Verweis auf das nationale Recht eines Mitgliedstaats enthält(44). Der Zugang zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 und insbesondere der Zugang zu Rechtsakten, die Teil des Unionsrechts sind, muss daher von den Unionsorganen bewertet werden und einer nach Unionsrecht vorzunehmenden Überprüfung bei den Unionsgerichten unterliegen. Das Gericht hat dies offensichtlich verkannt. Außerdem würde es das Grundrecht der Rechtsmittelführerinnen auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz einschließlich ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör untergraben, wenn die Ansicht des Gerichts richtig wäre. Auf diesen Widerspruch haben auch zahlreiche Autoren in der Rechtsliteratur hingewiesen(45). Daher ist es Sache der Unionsorgane, im Rahmen ihrer eigenen Rechtsvorschriften über das Niveau des urheberrechtlichen Schutzes von Rechtstexten, mit denen abgeleitetes Unionsrecht umgesetzt wird, und darüber zu entscheiden, ob HTN urheberrechtlich schutzfähig sind.

82.      Drittens hat das Gericht seine Feststellungen über die mangelnde Zuständigkeit der Kommission für die Beurteilung des Urheberrechts auf die Rechtsprechung über Patente gestützt. Diese Rechtsprechung ist hier jedoch nicht anwendbar. Das Plenum hat in seinem Gutachten 1/09(46) ausgeführt, dass „der Gerichtshof für die Entscheidung in Klageverfahren zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit Patenten nicht zuständig ist, da diese Zuständigkeit den Gerichten der Mitgliedstaaten übertragen ist“.

83.      Soweit sich das Gericht auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Donner (C‑5/11, EU:C:2012:195) (Rn. 40 des angefochtenen Urteils) stützten möchte, wonach das Urheberrecht trotz einer immer weiter gehenden Harmonisierung nach wie vor größtenteils dem nationalen Recht unterliegt, ist das angefochtene Urteil in dieser Hinsicht zu theoretisch. Darauf ist bereits in der Rechtsliteratur hingewiesen worden. Seit 2012 zeigt der Gerichtshof nämlich auf, wie weit die Harmonisierung im Bereich des Urheberrechts fortgeschritten ist. Jedenfalls scheint der Verweis aus dem Zusammenhang gerissen, da in jener Rechtssache der Schwerpunkt auf Rechtsbehelfen im Fall einer Urheberrechtsverletzung lag. Es ging nicht um die Grundlage für den Urheberrechtsschutz wie in der vorliegenden Rechtssache(47).

84.      Das vorliegende Rechtsmittel betrifft indessen weder eine direkte Klage zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit der Verletzung eines Patents (oder Urheberrechts), noch liegt es außerhalb der Zuständigkeit, die den Unionsgerichten nach den Unionsverträgen übertragen wurde. Vielmehr war die Klage im ersten Rechtszug auf Nichtigerklärung eines an die Rechtsmittelführerinnen gerichteten Beschlusses der Kommission gerichtet, mit dem ihr Antrag auf Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union abgelehnt worden war. Das ist eine Art von Klage, für die die Unionsgerichte zuständig sind. Insbesondere beschränkt Art. 263 AEUV entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 57 des angefochtenen Urteils nicht die Klagegründe, die in einer Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden dürfen. Daher hat das Gericht einen Fehler begangen, als es versucht hat, eine Analogie herzustellen zwischen privaten Rechtsstreitigkeiten über eine Patentverletzung und einer Verweigerung des Zugangs zu EU-Dokumenten, bei dem es um die streitige Anwendung von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ging.

85.      Daraus folgt, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die Kommission nicht befugt gewesen sei, die Voraussetzungen für die Originalität zu prüfen, weil eine solche Prüfung den Rahmen der Kontrolle überschreite, zu der sie im Rahmen eines Verfahrens auf Zugang zu Dokumenten befugt sei. Es ist nämlich Sache der Kommission und der Unionsgerichte, festzustellen, ob die angeforderten HTN urheberrechtlich schutzfähig sind und ob sie die Voraussetzung der Originalität erfüllen.

86.      Daher ist das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet.

ii)    Fehlendes Urheberrecht an den angeforderten HTN

87.      Das Gericht hat im Wesentlichen entschieden, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie festgestellt habe, dass die HTN von ihren Urhebern hinreichend kreativ verfasst worden seien, um urheberrechtlichen Schutz genießen zu können, und dass die Länge der Texte bedeute, dass die Verfasser eine Reihe von Entscheidungen (einschließlich der Strukturierung des Dokuments) hätten treffen müssen, was einen urheberrechtlichen Schutz zur Folge habe (Rn. 47 bis 49 des angefochtenen Urteils).

88.      Der Ansatz des Gerichts ist rechtsfehlerhaft.

89.      Nach ständiger Rechtsprechung stellt der „Begriff ‚Werk‘ … einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, der einheitlich auszulegen und anzuwenden ist und zwei Tatbestandsmerkmale hat. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als ‚Werk‘ Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen.“(48) Damit ein urheberrechtlicher Schutz besteht, muss der Urheber in der Lage sein, seine kreativen Fähigkeiten bei der Herstellung des Werks durch freie kreative Entscheidungen auszudrücken(49).

90.      Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Der Gerichtshof hat beispielsweise festgestellt, dass die Tatsache, dass für die Erstellung einer Datenbank ein bedeutender Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis ihres Urhebers erforderlich waren, als solche nicht ausreicht, um einen urheberrechtlichen Schutz zu rechtfertigen, wenn durch diesen Arbeitsaufwand und diese Sachkenntnis keinerlei Originalität zum Ausdruck kommt(50). Dieses Kriterium ist in diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung.

91.      Meines Erachtens muss dieses Kriterium auch im Zusammenhang mit HTN gelten. Da der Gerichtshof insbesondere im Urteil James Elliott seine Zuständigkeit für die Auslegung von HTN bejaht hat, ist es eindeutig Sache der Unionsgerichte, zu beurteilen, ob HTN urheberrechtlich schutzfähig sind und ob die ESO von diesem urheberrechtlichen Schutz profitieren sollten. Es ist nämlich nicht möglich, im Unionsrecht eine Situation zuzulassen, in der es Sache der Mitgliedstaaten wäre, zu entscheiden, ob das Urheberrecht auf einen Rechtstext anwendbar ist, der Teil des Unionsrechts ist und nach dem Unionsrecht entscheidende Rechtswirkungen hat. Dieses Ergebnis steht keinesfalls im Widerspruch zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, da es Sache der Parteien dieser Übereinkunft ist, zu entscheiden, ob Rechtstexte in ihrem Rechtssystem urheberrechtlich schutzfähig sind oder nicht.

92.      Ich stimme den Rechtsmittelführerinnen zu, dass die Originalität der angeforderten HTN und die Frage, ob sie tatsächlich die „Persönlichkeit des Urhebers widerspiegeln“ können, weder von der Kommission im streitigen Beschluss noch vom Gericht im angefochtenen Urteil ordnungsgemäß geprüft worden ist. Dies gilt auch für die Frage, ob freie und kreative Entscheidungen getroffen wurden. In Anbetracht des Begriffs und Zwecks von HTN, die typischerweise das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen und einer anschließenden Zustimmung eines Ausschusses sind, denke ich, dass die Originalitätsanforderungen nicht unbesehen als erfüllt akzeptiert werden können(51) – wie es hier das Gericht getan hat. Diese Schlussfolgerung wird nur noch bestätigt, wenn man die spezielle Natur von HTN (Nrn. 16 ff. der vorliegenden Schlussanträge) und das Verfahren für ihre Annahme (Nrn. 23 ff. der vorliegenden Schlussanträge) berücksichtigt.

93.      Obwohl es Sache der Kommission und des Gerichts ist, nachzuweisen, dass die Ausnahme in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 anwendbar ist, haben sie sich nur auf sehr allgemeine Behauptungen und Annahmen gestützt und argumentiert, dass die angeforderten HTN urheberrechtlich geschützt seien, weil die Länge der Texte bedeute, dass die Verfasser eine Reihe von Entscheidungen hätten treffen müssen. Diese Faktoren sind jedoch nicht ausschlaggebend dafür, ob ein bestimmtes Dokument ein Original und daher urheberrechtlich geschützt ist. Das angefochtene Urteil ist daher mit einem Fehler behaftet.

94.      Entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 59 des angefochtenen Urteils haben die Rechtsmittelführerinnen – soweit dies möglich war, ohne tatsächlich Zugang zu den angeforderten HTN zu haben – substantiiert vorgetragen, dass die dem CEN zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten mehrfach eingeschränkt waren. Was den Inhalt der HTN und die Gestaltung anlangt, so werden diese demnach durch die einschlägige Vorschrift des abgeleiteten Rechts, aus der die HTN abgeleitet wurden, und durch den Auftrag der Kommission beschränkt. Dadurch wird der Spielraum für Kreativität und Originalität grundsätzlich stark eingeschränkt. Eine vage Bezugnahme auf die Länge eines Dokuments reicht daher nicht für den Nachweis aus, dass HTN das Ergebnis von kreativen Entscheidungen sind(52).

95.      Daher hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die angeforderten HTN urheberrechtlich geschützt seien, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben ist.

2.      Zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe bei seiner Beurteilung der Auswirkungen auf die geschäftlichen Interessen des CEN einen Rechtsfehler begangen

96.      Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe bei seiner Beurteilung der Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Interessen des CEN einen Rechtsfehler begangen, indem es zu Unrecht die Vermutung aufgestellt habe, dass die Verbreitung der angeforderten HTN das durch Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse beeinträchtigen würde, und die konkreten Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Interessen nicht beurteilt habe.

a)      Unrechtmäßiger Rückgriff auf eine allgemeine Vermutung

97.      Entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 97 des angefochtenen Urteils scheint sich die Kommission nicht auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gestützt zu haben, wonach die Gewährung des Zugangs zu HTN automatisch das durch Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse beeinträchtigen würde.

98.      Eine solche allgemeine Vermutung ist weder in der Verordnung Nr. 1049/2001 noch in der Verordnung Nr. 1025/2012 noch in der Rechtsprechung des Gerichts vorgesehen. Für die Anerkennung einer solchen Vermutung müsste eindeutig nachgewiesen werden, dass die Verbreitung der in Rede stehenden Dokumente das Normungssystem der Europäischen Union konkret, tatsächlich und nicht bloß hypothetisch(53) ernsthaft beeinträchtigen würde.

99.      Erstens stellen HTN nur eine Minderheit der von den ESO ausgearbeiteten Normen dar, und die ESO werden in erheblichem Maß von der Kommission finanziert. Gemäß den Angaben des CEN in der mündlichen Verhandlung stammen 4,6 % des Normungsbudgets aus dem Verkauf von HTN, was etwa 2 Mio. Euro pro Jahr ausmacht, während die Finanzierung durch die Kommission nach der eigenen Aussage des CEN „etwa 20 % des Gesamtbudgets des CEN“ (Hervorhebung nur hier) ausmacht(54). Zweitens hat sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass das Normungssystem der Union, um zu funktionieren, tatsächlich keinen bezahlten Zugang zu HTN erfordert (entgegen den Feststellungen in den Rn. 102 und 103 des angefochtenen Urteils); vielmehr ergibt sich die Zahlungspflicht aus dem Vertragsverhältnis und den Finanzierungsvereinbarungen zwischen den ESO und der Kommission. Beispielsweise ermöglicht es das ETSI (das ebenfalls von der Kommission Mittel für HTN erhält) bereits, dass seine HTN kostenlos auf seiner Website eingesehen, ausgedruckt und heruntergeladen werden können(55). Zudem geht aus der Rechtsliteratur hervor, dass es erhebliche Preisunterschiede zwischen grundsätzlich denselben HTN in den verschiedenen Mitgliedstaaten gibt, was symptomatisch für die Probleme ist, die sich aus der derzeitigen Regelung für den Zugang zu HTN ergeben(56).

100. Im Übrigen ist eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit, da sie eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass das betreffende Unionsorgan jedes Dokument konkret und individuell prüfen muss, eng auszulegen und anzuwenden. Der Gerichtshof hat für fünf Dokumentenkategorien allgemeine Vertraulichkeitsvermutungen anerkannt: i) Dokumente über staatliche Beihilfen in der Verwaltungsakte, ii) bei den Unionsgerichten eingereichte Schriftsätze, iii) Schriftverkehr im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen, iv) Dokumente in einer Vertragsverletzungssache und v) Dokumente betreffend ein Verfahren nach Art. 101 AEUV(57).

101. Es ist klar, dass HTN in keine dieser Kategorien fallen. Alle oben genannten Kategorien hängen mit dem speziellen verfahrensrechtlichen Charakter der betreffenden Dokumente zusammen. Dies gilt nicht für die angeforderten HTN, die zudem bereits in Bibliotheken oder Info-Points eingesehen werden können oder zum Verkauf stehen. Somit sind die angeforderten HTN nicht vertraulich und stehen anders als die oben angeführten Kategorien mit keinem laufenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren in Zusammenhang.

102. Folglich hat das Gericht zu Unrecht angenommen, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, sich auf eine solche allgemeine Vermutung zu stützen, um den Zugang zu den angeforderten HTN zu verweigern.

b)      Fehlende Bewertung der konkreten Auswirkungen auf wirtschaftliche Interessen

103. Im angefochtenen Urteil (Rn. 64) wurden die Behauptungen der Kommission über den urheberrechtlichen Schutz einfach übernommen und als unwiderleglich erachtet und der Schluss gezogen, dass dies Auswirkungen auf das wirtschaftliche Interesse habe, weil sich „die Entgelte, die das CEN … [erhält], ganz erheblich verringern würden“. Dies ist falsch.

104. Erstens bedeuten die Erwägungen des Gerichts, dass der behauptete urheberrechtliche Schutz von HTN immer Vorrang vor der Vermutung eines Rechts auf Zugang nach der Verordnung Nr. 1049/2001 hat. Dies steht im Widerspruch zum Geist und zum Wortlaut dieser Verordnung, nach der Ausnahmen eng auszulegen sind, um den gewährten Zugangsrechten die größtmögliche Wirkung zu verleihen(58).

105. Zweitens hat das Gericht den konkreten Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache nicht berücksichtigt. Die behauptete Auswirkung auf das wirtschaftliche Interesse erscheint unbegründet (vgl. Nr. 99 der vorliegenden Schlussanträge).

106. Folglich hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, da es die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten HTN nicht bloß mit einem Verweis auf die angeblichen negativen Auswirkungen auf solche wirtschaftlichen Interessen nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen konnte.

B.      Zweiter Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler aufgrund der fehlenden Anerkennung eines überwiegenden öffentlichen Interesses

107. Erstens tragen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen vor, das Gericht habe in den Rn. 98 bis 101 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen. Wie sich aus meiner Analyse des ersten Rechtsmittelgrundes ergibt, stimme ich den Rechtsmittelführerinnen darin zu, dass ihr Antrag auf Zugang zu den angeforderten HTN auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit gerechtfertigt war. Indem das Gericht entschieden hat, dass die Rechtsmittelführerinnen keine konkreten Gründe zur Rechtfertigung ihres Antrags dargetan hätten, hat es den Gehalt des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen verkannt und das angefochtene Urteil auf fehlerhafte Erwägungen gestützt.

108. Die Rechtsmittelführerinnen haben in erster Instanz vorgetragen, dass sich ein überwiegendes öffentliches Interesse daraus ergebe, dass die angeforderten HTN Teil des Unionsrechts seien, das frei verfügbar sein müsse. Weiter haben sie geltend gemacht, die angeforderten HTN beträfen Rechtsgebiete, in denen ein hohes Verbraucherschutzniveau, wie es nach Art. 169 AEUV geschützt werde, wesentlich sei, nämlich die Sicherheit von Spielzeug und den Höchstwert von Nickel in seiner Eigenschaft als wichtigstes Kontaktallergen und mutmaßliches Karzinogen. Es lässt sich gut vertreten, dass jeder Kunde den Inhalt dieser HTN kennen sollte, um die größtmögliche Sicherheit von Spielzeug zu gewährleisten und darüber hinaus Krebs zu verhindern. Zu diesem Zweck spielt die Konformität mit HTN eine wichtige Rolle beim Schutz der Öffentlichkeit in der Europäischen Union (insbesondere von Kindern in Bezug auf die angeforderten HTN) vor möglicherweise unsicheren und schädlichen Produkten. Meines Erachtens haben die Rechtsmittelführerinnen auch hinreichend dargetan, dass die angeforderten HTN auch von erheblicher Bedeutung für die Hersteller, die Dienstleister und die anderen Teilnehmer an der Lieferkette sind.

109. Daher waren die oben angeführten Erwägungen ausreichend, um im vorliegenden Fall ein überwiegendes öffentliches Interesse geltend machen zu können. Das Gericht hat insoweit einen Rechtsfehler begangen.

110. Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen die Feststellung in den Rn. 102 bis 104 des angefochtenen Urteils, dass das überwiegende öffentliche Interesse an der Gewährleistung des Funktionierens des Normungssystems der Europäischen Union Vorrang vor dem freien Zugang zu HTN habe.

111. Das Funktionieren des Normungssystems der Europäischen Union ist ein Faktor, der nichts mit der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu tun hat, die den Schutz der geschäftlichen Interessen natürlicher oder juristischer Personen, einschließlich des geistigen Eigentums, betrifft. Daher hat das Gericht de facto eine neue Ausnahme im Rahmen von Art. 4 dieser Verordnung geschaffen, was unzulässig ist(59). Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Funktionieren des Normungssystems der Europäischen Union durch die Gewährung des freien und unbedingten Zugangs zu HTN nicht gefährdet wird.

112. Sodann verlangt Art. 12 der Verordnung Nr. 1049/2001, dass die Organe – soweit möglich – die Dokumente direkt öffentlich verfügbar machen. Insbesondere legislative Dokumente, d. h. Dokumente, die im Laufe der Verfahren zur Annahme von Rechtsakten, die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind, erstellt wurden oder eingegangen sind, sollten vorbehaltlich der Art. 4 und 9 dieser Verordnung direkt zugänglich gemacht werden. Wie in den Ausführungen zum ersten Rechtsmittelgrund erläutert, handelt es sich in diesem Zusammenhang bei den HTN um Dokumente, die Teil des Unionsrechts sind, das sich von jedem Betroffenen durchsetzen lassen muss, weshalb das Erfordernis der Zugänglichkeit auch für HTN gelten muss.

113. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, der streitige Beschluss für nichtig zu erklären und der Kommission aufzugeben, den Rechtsmittelführerinnen Zugang zu den vier angeforderten HTN zu gewähren.

IV.    Ergebnis

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden: i) das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2021, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T‑185/19, EU:T:2021:445), aufzuheben, ii) den Beschluss C(2019) 639 final der Europäischen Kommission vom 22. Januar 2019, mit dem der Zugang zu den angeforderten harmonisierten technischen Normen verweigert wurde, für nichtig zu erklären, iii) der Kommission aufzugeben, den Rechtsmittelführerinnen Zugang zu diesen Normen zu geben, iv) der Kommission die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen aufzuerlegen und v) den Streithelfern ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43).


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13).


4      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 316, S. 12).


5      Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. 2009, L 170, S. 1).


6      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt in ABl. 2007, L 136, S. 3).


7      Urteile vom 12. Juli 2012, Fra.bo (C‑171/11, EU:C:2012:453, im Folgenden: Urteil Fra.bo), vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821, im Folgenden: Urteil James Elliott), und vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (C‑160/20, EU:C:2022:101, im Folgenden: Urteil Stichting).


8      Richtlinie des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. 1988, L 187, S. 1).


9      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18).


10      Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 83 und 84).


11      Schlussanträge in der Rechtssache James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:63, Nr. 40).


12      Lundqvist, B., „European Harmonised Standards as ‚Part of EU Law‘: The Implications of the James Elliott Case for Copyright Protection and, Possibly, for EU Competition Law“, Legal Issues of Economic Integration, Band 44, Nr. 4, 2017, S. 429 und 431.


13      Mitteilung der Kommission vom 2. Februar 2022 (COM[2022] 31 final) „Eine EU-Strategie für Normung“, S. 4 und 5 ff. Vgl. auch den Leitfaden der Kommission für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2022 („Blue Guide“), ABl. 2022, C 247, S. 1, Fn. 192.


14      Ein gutes Beispiel hierfür ist der Auftrag M.445/EN vom 9. Juli 2009 über die zur Spielzeugsicherheitsrichtlinie in Auftrag gegebenen HTN.


15      Urteil vom 14. Dezember 2017, Anstar (C‑630/16, EU:C:2017:971, Rn. 35 bis 36).


16      Kommission, Leitfaden zur europäischen Normung – Teil I, SWD(2015) 205, S. 9 bis 11 (im Folgenden: Leitfaden).


17      Vgl. Allgemeine Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen CEN, Cenelec und ETSI sowie der Europäischen Kommission und der Europäischen Freihandelsgemeinschaft vom 28. März 2003 (ABl. 2003, C 91, S. 7).


18      Vgl. Schepel, H., „The new approach to the new approach: The juridification of harmonised standards in EU law“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, Band 20(4), 2013, S. 521.


19      De Bellis, M., „Op-Ed:Private standards, EU law and access – The General Court’s ruling in Public.Resource.Org‘“, EU Law Live, 10. September 2021.


20      Vgl. in diesem Zusammenhang als insoweit wichtige Ergänzung auch das Urteil James Elliott, Rn. 43 (wie in Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge angeführt).


21      Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. 2011, L 55, S. 13).


22      Soroiu, A., und Correia Magalhaes De Carvalho, M. F., „Lawtify Premium: Public.Resource.Org (T‑185/19), a Judicial Take on Standardisation and Public Access to Law“, Review of European Administrative Law, Band 15(2), 2022, S. 57. Vgl. auch Schepel, H., a. a. O., S. 521 und 523; Volpato, A., „The Harmonized Standards before the ECJ: James Elliott Construction“, Common Market Law Review, Band 54(2), 2017, S. 591; van Gestel, R., und van Lochem, P., „Private Standards as a Replacement for Public Lawmaking?“ in Marta Cantero Gamito, M., und Micklitz, H.‑W., (Hrsg.), The Role of the EU in Transnational Legal Ordering, Edward Elgar Publishing, 2020, S. 31.


23      Vgl. Urteile Fra.bo (Rn. 27 bis 32) und James Elliott (Rn. 40, 42 und 43) sowie Urteil vom 22. Februar 2018, SAKSA (C‑185/17, EU:C:2018:108, Rn. 39).


24      Vgl. EIM Business & Policy Research, Access to Standardisation – Study for the European Commission, [DG] Enterprise and Industry, 2010, S. 17 und 9.


25      Vgl. die im Urteil vom 22. Dezember 2022,  Ministre de la Transition écologique und Premier ministre (Haftung des Staates für Luftverschmutzung) (C‑61/21, EU:C:2022:1015, Rn. 43 bis 47), angeführte Rechtsprechung.


26      Vgl. Urteil der Rechtbank ’s‑Gravenhage (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) vom 31. Dezember 2008, LJN: BG8465. Vgl. Van Gestel, B., und Micklitz, H.‑W., „European Integration Through Standardization: How Judicial Review is Breaking Down the Club House of Private Standardization Bodies“, CMLR, Band 50, 2013, S. 176.


27      Urteil vom 16. Oktober 2014, Kommission/Deutschland (C‑100/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2293, Rn. 63).


28      Vgl. auch Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge.


29      Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 109).


30      Urteil vom 29. April 2004, Kommission/CAS Succhi di Frutta (C‑496/99 P, EU:C:2004:236, Rn. 63).


31      Urteil vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a. (212/80 bis 217/80, EU:C:1981:270, Rn. 10).


32      Urteil vom 20. Mai 2003, Consorzio del Prosciutto di Parma und Salumificio S. Rita (C‑108/01, EU:C:2003:296, Rn. 95 und 96).


33      Dies ist auch durch die Verfassungsgrundsätze anerkannt, die in verschiedenen Vorschriften des EU-Vertrags – wie beispielsweise Art. 1 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3, Art. 11 Abs. 2 und 3 – sowie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 42) festgelegt sind.


34      Urteil vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux (C‑161/06, EU:C:2007:773, Rn. 38 und 51).


35      Von den nationalen Normungsorganisationen eingerichtete Orte, an denen HTN offensichtlich unter bestimmten Voraussetzungen eingesehen werden können.


36      Bericht zur Rechtsstaatlichkeit – verabschiedet von der Venedig-Kommission bei ihrer 86. Plenarsitzung (Venedig, 25.–26. März 2011), CDL-AD(2011)003rev, Nr. 44.


37      Vgl. beispielsweise Bundesverfassungsgericht (Deutschland): Beschluss vom 29. Juli 1998 – Aktenzeichen 1 BvR 1143/90, (DE:BVerfG:1998:rk19980729.1bvr114390, Rn. 27).


38      Vgl. Van Waeyenberge, A., „La normalisation technique en Europe – L’empire (du droit) contre-attaque“, Revue internationale de droit économique: RIDE, Nr. 3, 2018, S. 314. Vgl. auch Aubry, H., Brunet, A., und Peraldi-Leneuf, F., „Le contrôle des normes: un garde-fou démocratique à perfectionner“, in Aubry, H., u. a. (Hrsg.), La normalisation en France et dans l’Union européenne. Une activité privée au service de l’intérêt général?, PUAM, Aix-en-Provence, 2012, S. 104.


39      Alvarez Garcia, V., „La problemática de la publicidad oficial de las normas técnicas de origen privado que despliegan efectos jurídico-públicos“, Revista de Derecho Comunitario Europeo, Nr. 72, 2022, S. 467.


40      Vgl. auch Alvarez Garcia, V., a. a. O., S. 478.


41      Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 58).


42      Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, unterzeichnet in Bern am 9. September 1886 (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971), in der geänderten Fassung vom 28. September 1979 (im Folgenden: Berner Übereinkunft).


43      Durch Art. 1 Abs. 4 des Urheberrechtsvertrags der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization, WIPO), angenommen in Genf am 20. Dezember 1996.


44      Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 69).


45      Zu einer Kritik des angefochtenen Urteils vgl. Kamara, I., „General Court EU: Commercial interests block the right to access European harmonised standards“, Journal of Standardisation, Band 1, 2022, Paper 4, und Krämer, L., „L’environnement devant la Cour de justice de l’Union européenne“, Revue du droit de l’Union européenne, 1/2022, S. 15.


46      Gutachten vom 8. März 2011, (Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems) (EU:C:2011:123, Rn. 80).


47      Vgl. Blockx, F., „The General Court of the EU wanders into copyright law, and gets disoriented“, IPKat guest post, 15. Juli 2021, mit weiteren Verweisen.


48      Urteil vom 12. September 2019, Cofemel (C‑683/17, EU:C:2019:721, Rn. 29).


49      Urteil vom 1. Dezember 2011, Painer (C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 89).


50      Urteil vom 1. März 2012, Football Dataco u. a. (C‑604/10, EU:C:2012:115, Rn. 42).


51      Blockx, F., a. a. O.


52      Telefonbücher sind auch sehr lang und gut strukturiert, aber das heißt nicht, dass sie das Ergebnis kreativer Entscheidungen wären. Vgl. beispielsweise Feist Publications, Inc./Rural Telephone Service Co., 499 U.S. 340 (1991). Vgl. insoweit Blockx, F., a. a. O.


53      Vgl. beispielsweise Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 43 bis 66). Vgl. auch Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat (T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 87 bis 96 und die dort angeführte Rechtsprechung) (gegen das kein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt wurde).


54      Im Jahresbericht des CEN des Jahres 2017, S. 22, heißt es jedoch, dass es bis zu 35 % des CEN-Budgets sein können.


55      Vgl. https://www.etsi.org/intellectual-property-rights (wobei ihre Vervielfältigung allerdings von dieser Einrichtung genehmigt werden muss).


56      Van Gestel, R., und Micklitz, H.‑W., a. a. O., S 181.


57      Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 80 und 81).


58      Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 66).


59      Vgl. dazu Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 65 ff.).