Language of document : ECLI:EU:C:2023:789

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

19. Oktober 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Teilzeitbeschäftigung – Richtlinie 97/81/EG – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Paragraf 4 Nr. 1 – Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten – Pro-rata-temporis-Grundsatz – Piloten – Vergütung für zusätzliche Flugdienstzeit – Gleiche Auslösegrenzen für vollzeitbeschäftigte und für teilzeitbeschäftigte Piloten – Unterschiedliche Behandlung“

In der Rechtssache C‑660/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Beschluss vom 11. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2020, in dem Verfahren

MK

gegen

Lufthansa CityLine GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,


Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von MK, vertreten durch Rechtsanwalt M. Mensching,

–        der Lufthansa CityLine GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Schalast,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, S. Heimerl und P.‑L. Krüger als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch J. F. Kronborg als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch J. Lachowicz und A. Siwek-Ślusarek als Bevollmächtigte,

–        der norwegischen Regierung, vertreten durch I. Thue und T. Hostvedt Aarthun als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und D. Recchia als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MK, einem Flugzeugführer, und seinem Arbeitgeber, der Lufthansa CityLine GmbH (im Folgenden: CLH), einem Luftfahrtunternehmen, das Kurz- und Langstreckenflüge durchführt, über den Anspruch von MK auf eine Vergütung für die von ihm geleistete zusätzliche Flugdienstzeit.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Paragraf 2 („Anwendungsbereich“) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

„Die vorliegende Vereinbarung gilt für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.“

4        Paragraf 3 („Begriffsbestimmungen“) der Rahmenvereinbarung bestimmt:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist

1.      ‚Teilzeitbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer, dessen normale, auf Wochenbasis oder als Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraumes berechnete Arbeitszeit unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt;

2.      ‚vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter‘ ein Vollzeitbeschäftigter desselben Betriebs mit derselben Art von Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Betriebszugehörigkeitsdauer und die Qualifikationen/Fertigkeiten sowie andere Erwägungen heranzuziehen sind. Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter vorhanden, so erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrages oder, in Ermangelung eines solchen, gemäß den gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder den nationalen Gepflogenheiten.“

5        Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) Nrn. 1 bis 3 der Rahmenvereinbarung sieht vor:

„1.      Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

2.      Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.

3.      Die Anwendungsmodalitäten dieser Vorschrift werden von den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der einzelstaatlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und Gepflogenheiten festgelegt.“

 Deutsches Recht

 Teilzeit- und Befristungsgesetz

6        Die Richtlinie 97/81 wurde durch das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966) in deutsches Recht umgesetzt.

7        Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: TzBfG) ist ein „vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer“ im Sinne dieser Bestimmung „ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit“ wie der im Betrieb teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.

8        § 4 Abs. 1 TzBfG lautet:

„Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.“

9        Nach § 22 Abs. 1 TzBfG kann u. a. von den vorstehend genannten Vorschriften dieses Gesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

 Anwendbare Tarifverträge

10      Für das in Rede stehende Arbeitsverhältnis gelten folgende Tarifverträge (im Folgenden: anwendbare Tarifverträge):

–       Manteltarifvertrag Nr. 4

11      Der Manteltarifvertrag (MTV) Nr. 4 für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals der CLH regelt in seinen §§ 6 bis 8:

„§ 6      Arbeitszeit

(1)      Die Arbeitszeit umfasst die Zeit, in der die Mitarbeiter auf Anordnung der CLH Dienst leisten. Die Arbeitszeit schließt ein:

a)      die Flugdienstzeit (§ 8),

b)      Büro- oder Verwaltungstätigkeiten,

c)      Einweisungen, Ausbildungen und Umschulungen,

d)      Bordverkaufsabrechnungen,

e)      fliegerärztliche Untersuchungen und Impfungen,

f)      Bereitschaftsdienste (= Standby), soweit sie nicht zur Flugdienstzeit zählen,

g)      Begleitung von Passagieren (z. B. Kinder oder Kranke),

h)      Dienstreisen und Dienstgänge, soweit sie nicht zur Flugdienstzeit zählen,

i)      Proceedings ab Show-Up-Zeit und Bodenzeiten bei Zwischenaufenthalten,

j)      notwendige Tätigkeiten im Sinne des § 37 Betriebsverfassungsgesetz [vom 15. Januar 1972 (BGBl. 1972 I S. 13)] (soweit für das Cockpitpersonal der CLH zutreffend) im erforderlichen Umfang.

(2)

a)      Die tägliche Arbeitszeit (ohne Pausen), zu der ein Mitarbeiter eingeteilt werden kann, darf im Kurzstreckenverkehr 14 Stunden nicht überschreiten, soweit der betreffende Mitarbeiter nicht damit einverstanden ist. Hierbei zählen Bereitschaftsdienste zur Hälfte, sofern sie nicht auf einem Flughafen abzuleisten sind; Beförderungszeiten nach Beendigung des Flugdienstes zum dienstlichen Wohnsitz sind nicht mitzurechnen.

b)      Wird ein Mitarbeiter an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Bodendienst beschäftigt, so wird die Grundarbeitszeit auf der Basis von 38,5 Arbeitsstunden je Woche festgelegt. Eventuelle Mehrarbeit wird durch zusätzliche Freizeit bis zum Ende des darauffolgenden Monats ausgeglichen.

(3)      Die Mitarbeiter werden auf Basis von Dienstplänen eingesetzt. Diese gelten in der Regel in Abschnitten von vier Wochen und sind rechtzeitig im Voraus zu veröffentlichen. …

(4)      Bei der Einplanung und Einteilung der Mitarbeiter sind die Bestimmungen der Tarifverträge zu beachten und ist im Rahmen der betrieblich vertretbaren Möglichkeiten eine gleichmäßige Belastung aller Mitarbeiter am jeweiligen Stationierungsort zu gewährleisten, sowohl im Vergleich untereinander bezogen auf die jeweilige Beschäftigungsgruppe (Flotte und Funktion) als auch unter Berücksichtigung des CLH[‑]Programms und der personellen Umstände in Bezug auf den Einzelnen über den Zwölf-Monatszeitraum hinweg.

§ 7      Flugzeit

(1)      Die Flugzeit im Sinne dieses MTV ist die gesamte Zeit von dem Zeitpunkt an, zu dem ein Flugzeug mit eigener oder fremder Kraft zum Start abrollt, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem es am Ende des Fluges zum Stillstand kommt (Blockzeit).

(2)      Die Summe der Flugzeiten (= Blockzeiten) jedes Mitarbeiters darf 1 000 Stunden pro Kalenderjahr nicht überschreiten.

§ 8      Flugdienstzeit

(1)      Die bezahlungswirksame Flugdienstzeit umfasst:

a)      die Zeiten für Vorarbeiten vom angeordneten Antritt des Flugdienstes bis zum Beginn der Blockzeit, wie im OM [Operation Manual] oder vorübergehend durch Einzelanordnung festgelegt ist,

b)      die Blockzeit,

c)      die Zeiten für Abschlussarbeiten nach dem Ende der Blockzeit, wie im OM oder vorübergehend durch Einzelanordnung festgelegt ist, mindestens jedoch 15 Minuten, auf Langstrecke mindestens 30 Minuten,

d)      die auf Anordnung im Flugsimulator verbrachte Zeit einschließlich der Zeiten nach a) und c) und

e)      alle übrigen Zeiten zwischen den Vorarbeiten nach a) und den Abschlussarbeiten nach c),

f)      Proceedingzeiten innerhalb einer Einsatzkette werden zu 50 % angerechnet. Davon ausgenommen sind Zeiten zwischen Ende Proceeding und Dienstbeginn bzw. zwischen Dienstende und Beginn Proceeding. Diesbezüglich stellt ein Einzel-Off-Tag keine Unterbrechung der Einsatzkette dar.

(2)      …

(3)      a) Die uneingeschränkte Flugdienstzeit der Mitarbeiter zwischen zwei Ruhezeiten beträgt zehn Stunden. Innerhalb sieben aufeinanderfolgender Tage ist eine viermalige Verlängerung der Flugdienstzeit nach Satz 1 um jeweils bis zu zwei Stunden zulässig oder eine zweimalige Verlängerung um jeweils bis zu vier Stunden. In keinem Falle darf die Summe der Verlängerungen innerhalb sieben aufeinanderfolgender Tage acht Stunden überschreiten.

b)      Die Sieben-Tages-Zeiträume beginnen jeweils um 00:00 UTC des ersten und enden jeweils um 24:00 UTC des letzten Tages.

(4)      …

(5)      Die Flugdienstzeiten dürfen innerhalb 30 aufeinanderfolgender Tage 210 Stunden, innerhalb eines Kalenderjahres 1 800 Stunden nicht überschreiten.“

–       Vergütungstarifvertrag Nr. 6

12      § 4 des Vergütungstarifvertrags (VTV) Nr. 6 für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals der CLH sieht vor:

„Mehrflugdienststundenvergütung

(1)      Ab der 106. monatlichen Flugdienststunde (gem. § 8 Abs. 1 [des Manteltarifvertrags Nr. 1 für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals (MTV Cockpit Nr. 1)]) wird eine Mehrflugdienststundenvergütung in Höhe von 1/100 des individuellen monatlichen Gesamtgehaltes (gem. § 3) pro Flugdienststunde gezahlt.

(2)      Ab der 121. monatlichen Flugdienststunde (gem. § 8 Abs. 1 MTV Cockpit Nr. 1) wird eine Mehrflugdienststundenvergütung in Höhe von 1/85 des individuellen monatlichen Gesamtgehaltes (gem. § 3) pro Flugdienststunde gezahlt.

(3)      Ab der 136. monatlichen Flugdienststunde (gem. § 8 Abs. 1 MTV Cockpit Nr. 1) wird eine Mehrflugdienststundenvergütung in Höhe von 1/73 des individuellen monatlichen Gesamtgehaltes (gem. § 3) pro Flugdienststunde gezahlt.

(4)      …

(5)      Bei der Berechnung des Anspruchs auf Mehrflugdienststundenvergütung nach den Abs. 1 bis 3 werden dem Mitarbeiter für jeden [im] Monat wegen Urlaubs oder von der CLH angeordneter Schulung ausfallenden vollen Kalendertag 3,5 zusätzliche Flugdienststunden angerechnet, höchstens jedoch 98 Flugdienststunden pro Monat.“

–       Eckpunktepapier „Jump“

13      Eine weitere Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29. November 2014, die als „Eckpunktepapier ‚Jump‘“ bezeichnet ist, bestimmt in Abschnitt III Nr. 6:

„- Mehrflugdienststundenvergütung

Für die Vergütung der Mehrflugdienststunden im Interkontbereich auf der A340 im Rahmen des Projekts ‚Jump‘ werden die Auslösegrenzen wie folgt festgesetzt:

1. Stufe: 93 Stunden

2. Stufe: 106 Stunden

3. Stufe: 120 Stunden

Die Zuschreibung gemäß § 4 Abs. 5 VTV [Nr. 6] beträgt für jeden vollen Kalendertag 3,1 Flugdienststunden, höchstens jedoch 87 je Monat.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

14      Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist bei CLH seit dem Jahr 2001 als Flugzeugführer und Erster Offizier beschäftigt. Seit dem Jahr 2010 arbeitet er in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 90 % der Vollarbeitszeit eines Flugzeugführers. Grundlage für die Teilzeitarbeit ist eine Betriebsvereinbarung zwischen CLH und deren Betriebsrat. Seine Grundvergütung einschließlich der Stellenzulagen ist um 10 % herabgesetzt, und er erhält 37 zusätzliche freie Tage im Jahr. An seinen Einsatztagen ist die Zahl seiner Flugdienststunden jedoch nicht reduziert.

15      Nach den anwendbaren Tarifverträgen ist die Flugdienstzeit Bestandteil der Arbeitszeit, die mit der Grundvergütung entlohnt wird. Ein Arbeitnehmer erhält eine über diese Grundvergütung hinausgehende Mehrflugdienststundenvergütung (im Folgenden: Mehrvergütung), wenn er eine bestimmte Zahl Flugdienststunden im Monat geleistet und die Grenzen für die „Auslösung“ der Mehrvergütung überschritten hat. Dafür sehen die Tarifverträge „drei der Höhe nach ansteigende Stundensätze“ vor, die über dem aus der Grundvergütung ermittelten Stundensatz liegen.

16      Im Einzelnen sind diese drei Stundensätze für die Berechnung der Vergütung bei Kurzstreckenflügen heranzuziehen, wenn der betreffende Arbeitnehmer 106, 121 bzw. 136 monatliche Flugdienststunden geleistet hat (im Folgenden: Auslösegrenzen). Für Langstreckenflüge gelten abgesenkte Auslösegrenzen von 93, 106 bzw. 120 Flugdienststunden im Monat.

17      Die Tarifverträge sehen jedoch für Teilzeitbeschäftigte keine Herabsetzung dieser Auslösegrenzen entsprechend ihrem Teilzeitfaktor vor, so dass die Auslösegrenzen für vollzeitbeschäftigte und für teilzeitbeschäftigte Flugzeugführer gleich sind.

18      Für den Kläger des Ausgangsverfahrens berechnet CLH, um die Mehrvergütung bestimmen zu können, eine individuelle Auslösegrenze unter Berücksichtigung seiner Teilzeitarbeit. Für Flugdienststunden, die er über diese individuelle Auslösegrenze hinaus erbringt, erhält er ein aus der Grundvergütung ermitteltes Stundenentgelt. Die Mehrvergütung erhält er erst, wenn seine Flugdienstzeit die für Vollzeitbeschäftigte geltenden Auslösegrenzen überschreitet.

19      Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist der Auffassung, er habe mit Überschreitung der Auslösegrenzen, wenn diese entsprechend seinem Teilzeitfaktor herabgesetzt seien, Anspruch auf die Mehrvergütung, und fordert von CLH die Differenz zwischen der bereits gezahlten Vergütung und der auf der Grundlage der herabgesetzten Auslösegrenzen erhöhten Vergütung für die von ihm geleistete zusätzliche Flugdienstzeit. Konkret fordert er die Zahlung dieser Differenz in der Vergütung für die Monate Dezember 2014 bis November 2018. Er macht insoweit geltend, er werde schlechter behandelt als ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der Pro-rata-temporis-Grundsatz werde nicht beachtet und für die unterschiedliche Behandlung bestehe kein sachlicher Grund. Außerdem hätten die Tarifvertragsparteien mit der Mehrvergütung nicht den Ausgleich einer besonderen Arbeitsbelastung, sondern lediglich den Schutz der Freizeit der Arbeitnehmer bezweckt.

20      CLH vertritt die Auffassung, sie schulde die vom Kläger des Ausgangsverfahrens geforderte Zahlung nicht, da es einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten gebe. Da die Mehrvergütung eine besondere Arbeitsbelastung ausgleichen solle, werde sie nur dann geschuldet, wenn die Auslösegrenzen überschritten seien.

21      Im ersten Rechtszug gab das Arbeitsgericht München (Deutschland) der Klage des Klägers des Ausgangsverfahrens statt. Das Landesarbeitsgericht München (Deutschland) wies die Klage demgegenüber als Berufungsinstanz ab. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger des Ausgangsverfahrens die Klage weiter.

22      Das Bundesarbeitsgericht hat Zweifel, ob die Weigerung, die Auslösegrenzen proportional zur Arbeitszeit des Klägers des Ausgangsverfahrens herabzusetzen, mit den Bestimmungen der Rahmenvereinbarung vereinbar ist.

23      Es weist insoweit darauf hin, dass in der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze unterschieden werden könnten. Einerseits habe der Gerichtshof in einem ersten Ansatz – im Urteil vom 15. Dezember 1994, Helmig u. a. (C‑399/92, C‑409/92, C‑425/92, C‑34/93, C‑50/93 und C‑78/93, EU:C:1994:415, Rn. 26 ff.) – befunden, dass eine unterschiedliche Behandlung immer dann vorliege, wenn bei gleicher Zahl aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleisteter Stunden die Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher sei als die Teilzeitbeschäftigten gezahlte. Angewandt auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens führe dieser Vergleich der Gesamtvergütungen zu der Feststellung, dass es keine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gebe, denn Flugzeugführer in Teilzeit und Flugzeugführer in Vollzeit erhielten für Flugdienstzeiten, die die individuellen Auslösegrenzen des Teilzeitbeschäftigten überschritten, die gleiche Vergütung.

24      Andererseits habe der Gerichtshof in einem zweiten Ansatz – im Urteil vom 27. Mai 2004, Elsner-Lakeberg (C‑285/02, EU:C:2004:320) – als Methode für die Prüfung, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts für männliche und für weibliche Beschäftigte gewahrt sei, verlangt, dass jeder Entgeltbestandteil einzeln am Maßstab dieses Grundsatzes geprüft und nicht nur eine Gesamtbewertung vorgenommen werde. Der Gerichtshof habe in jenem Urteil eine „Benachteiligung“ von Teilzeitbeschäftigten festgestellt, da für diese die Zahl zusätzlicher Stunden, ab der ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entstanden sei, nicht proportional zu ihrer Arbeitszeit vermindert worden sei.

25      Werde dieser zweite Ansatz im Ausgangsverfahren gewählt, führe dies zur Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung, die sich daraus ergebe, dass teilzeitbeschäftigte Flugzeugführer erst dann in den Genuss der Mehrvergütung kämen, wenn sie Flugdienststunden zwischen ihrer individuellen, entsprechend ihrem Teilzeitfaktor herabgesetzten Auslösegrenze der ersten Stufe und den festen Auslösegrenzen ohne erhöhte Vergütung geleistet hätten.

26      Ein Teilzeitbeschäftigter erhalte so die Mehrvergütung nicht mit der ersten Stunde, mit der die individuelle Auslösegrenze der ersten Stufe überschritten werde, sondern erst dann, wenn die für Vollzeitbeschäftigte geltende Schwelle überschritten werde. Das gelte entsprechend für die Auslösegrenzen der zweiten und der dritten Stufe. Für Teilzeitbeschäftigte werde die Schwelle, ab der ein Anspruch entstehe, nicht nach Maßgabe ihrer individuellen Arbeitszeit herabgesetzt, wodurch es für diese Arbeitnehmer zu nachteiligen Auswirkungen auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit zu einer unterschiedlichen Behandlung von ihnen und von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern komme.

27      Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass es diesem zweiten Ansatz seit der Verkündung seines Urteils vom 19. Dezember 2018, 10 AZR 231/18, gefolgt sei.

28      Andere Gerichte und ein Teil der nationalen Lehre hätten jedoch Bedenken gegenüber dem zweiten Ansatz geäußert. Daher könne es nicht länger davon ausgehen, dass es in dieser Frage keine vernünftigen Zweifel gebe.

29      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Behandelt eine nationale gesetzliche Vorschrift Teilzeitbeschäftigte schlechter gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, wenn sie es zulässt, eine zusätzliche Vergütung für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran zu binden, dass dieselbe Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, und es damit erlaubt, auf die Gesamtvergütung, nicht auf den Entgeltbestandteil der zusätzlichen Vergütung abzustellen?

2.      Sofern Frage 1 bejaht wird:

Ist eine nationale gesetzliche Vorschrift, die es erlaubt, einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung davon abhängig zu machen, dass für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte einheitlich dieselbe Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, mit Paragraf 4 Nr. 1 und dem Pro-rata-temporis-Grundsatz in Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung vereinbar, wenn mit der zusätzlichen Vergütung der Zweck verfolgt wird, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

30      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, als eine „schlechtere“ Behandlung der Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.

31      Als Erstes ist zu prüfen, ob der Ausgangsrechtsstreit in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung fällt.

32      Hierzu ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, wonach diese „für Teilzeitbeschäftigte [gilt], die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen“, dass ihr Anwendungsbereich weit gefasst ist (Urteil vom 7. Juli 2022, Zone de secours Hainaut-Centre, C‑377/21, EU:C:2022:530, Rn. 37).

33      Außerdem definiert Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung den Teilzeitbeschäftigten als „Arbeitnehmer, dessen normale, auf Wochenbasis oder als Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraumes berechnete Arbeitszeit unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt“.

34      Im vorliegenden Fall hat der Kläger des Ausgangsverfahrens einen Arbeitsvertrag mit CLH, auf den die oben in Rn. 10 bezeichneten Tarifverträge Anwendung finden. Auch wenn er wegen der besonderen Natur seines Berufs keine feste wöchentliche Arbeitszeit hat, steht ferner fest, dass er nach diesem Arbeitsvertrag weniger Stunden pro Jahr arbeitet als ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer, da ihm unter Kürzung seines Gehalts um 10 % zusätzliche 37 Tage Jahresurlaub gewährt werden, um der Reduzierung seiner Arbeitszeit Wirkung zu verleihen. Er ist daher als „Teilzeitbeschäftigter“ im Sinne von Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen.

35      Mithin fällt der Ausgangsrechtsstreit in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung.

36      Als Zweites ist für die Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung daran zu erinnern, dass diese zum einen die Teilzeitarbeit fördern und zum anderen die Ungleichbehandlung von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten beseitigen soll (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Das in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung aufgestellte Diskriminierungsverbot ist nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes, der zu den tragenden Grundsätzen des Unionsrechts gehört (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      In Anbetracht dieser Ziele muss Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (Urteil vom 7. Juli 2022, Zone de secours Hainaut-Centre, C‑377/21, EU:C:2022:530, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Im Einklang mit dem Ziel, Ungleichbehandlungen von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten zu beseitigen, verbietet es dieser Paragraf, Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten „schlechter“ zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt (Urteil vom 5. Mai 2022, Universiteit Antwerpen u. a., C‑265/20, EU:C:2022:361, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Der Gerichtshof hat überdies entschieden, dass mit dieser Vorschrift der Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf Teilzeitbeschäftigte angewandt werden soll, um zu verhindern, dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um solchen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Vollzeitbeschäftigten zuerkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2020, Baldonedo Martín, C‑177/18, EU:C:2020:26, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Was die Frage betrifft, ob im vorliegenden Fall die Mehrvergütung unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fällt, hat der Gerichtshof entschieden, dass zu diesen Bedingungen auch die Vergütungsbedingungen gehören (Urteile vom 7. April 2022, Ministero della Giustizia u. a. [Status der italienischen Friedensrichter], C‑236/20, EU:C:2022:263, Rn. 36, und vom 7. Juli 2022, Zone de secours Hainaut-Centre, C‑377/21, EU:C:2022:530, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Bei der Festlegung sowohl der Entgeltbestandteile als auch ihrer Höhe müssen die zuständigen nationalen Stellen auf Teilzeitbeschäftigte den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wie er in Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung verankert ist, anwenden und dabei, wo dies angemessen ist, dem Pro-rata-temporis-Grundsatz Rechnung tragen (Urteil vom 7. Juli 2022, Zone de secours Hainaut-Centre, C‑377/21, EU:C:2022:530, Rn. 53).

43      Daher ist davon auszugehen, dass die Mehrvergütung unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung fällt.

44      Was die Vergleichbarkeit der Situation der bei CLH vollzeitbeschäftigten und der bei ihr, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens, teilzeitbeschäftigten Flugzeugführer betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung, ob Arbeitnehmer die gleiche oder eine ähnliche Arbeit im Sinne der Rahmenvereinbarung verrichten, im Einklang mit Paragraf 3 Nr. 2 und Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zu prüfen, ob diese Arbeitnehmer unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Dezember 2022, Presidenza del Consiglio dei Ministri u. a. [Hochschulforscher], C‑40/20 und C‑173/20, EU:C:2022:985, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Nehmen die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Beschäftigung erwiesenermaßen die gleichen Aufgaben wahr wie die beim selben Arbeitgeber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer oder bekleiden sie die gleiche Arbeitsstelle wie diese, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Situation beider Arbeitnehmerkategorien vergleichbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Dezember 2022, Presidenza del Consiglio dei Ministri u. a. [Hochschulforscher], C‑40/20 und C‑173/20, EU:C:2022:985, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die vollzeitbeschäftigten und die teilzeitbeschäftigten Flugzeugführer bei CLH die gleiche Arbeit und namentlich den gleichen Flugdienst verrichten, so dass die Situation des Klägers des Ausgangsverfahrens als teilzeitbeschäftigter Flugzeugführer mit der von vollzeitbeschäftigten Flugzeugführern vorbehaltlich einer vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden letzten Prüfung im Sinne von § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 3 TzBfG vergleichbar ist.

47      Was schließlich die Frage betrifft, ob ein teilzeitbeschäftigter Flugzeugführer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens und vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer unterschiedlich behandelt werden, ergibt sich aus der Prüfung der Vergütungsbestandteile der betreffenden Arbeitnehmer, wie sie im Vorabentscheidungsersuchen beschrieben sind, dass ein teilzeitbeschäftigter Flugzeugführer die Mehrvergütung nicht mit der ersten Stunde erhält, mit der seine individuelle Auslösegrenze der ersten Stufe überschritten wird, sondern erst dann, wenn die für vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer geltende Auslösegrenze der ersten Stufe überschritten wird. Entsprechendes gilt für die Auslösegrenzen der zweiten und der dritten Stufe. Somit muss der teilzeitbeschäftigte Flugzeugführer, um die Mehrvergütung zu erhalten, dieselbe Zahl Flugdienststunden wie ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer verrichten, ohne dass diese Schwelle nach Maßgabe seiner individuellen Arbeitszeit herabgesetzt wird. Unter diesen Bedingungen erreichen teilzeitbeschäftigte Flugzeugführer die für den Anspruch auf die Mehrvergütung erforderlichen Auslösegrenzen entweder nicht oder nur mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit als vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer.

48      Auch wenn sich nämlich die Vergütung pro Flugstunde für beide Flugzeugführerkategorien bis zu den Auslösegrenzen gleich darstellt, entsprechen diese identischen Auslösegrenzen bei teilzeitbeschäftigten Flugzeugführern gemessen an ihrer Gesamtarbeitszeit doch einem längeren Flugstundendienst als bei vollzeitbeschäftigten Flugzeugführern und belasten sie damit in höherem Maß als diese (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Mai 2004, Elsner-Lakeberg, C‑285/02, EU:C:2004:320, Rn. 17). In einer solchen Situation kommt es für die teilzeitbeschäftigten Flugzeugführer mithin zu nachteiligen Auswirkungen auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.

49      Da die Teilzeitbeschäftigten somit die Anspruchsvoraussetzungen für die Mehrvergütung weitaus seltener erfüllen, ist davon auszugehen, dass ein teilzeitbeschäftigter Flugzeugführer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens gegenüber vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Flugzeugführern eine unterschiedliche Behandlung erfährt, die nach Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verboten ist, es sei denn, sie ist durch einen „sachlichen Grund“ im Sinne dieses Paragrafen gerechtfertigt.

50      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, eine „schlechtere“ Behandlung der Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieser Vorschrift darstellt.

 Zur zweiten Frage

51      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, um eine besondere Arbeitsbelastung bei dieser Tätigkeit auszugleichen.

52      Im Einklang mit dem Ziel, Ungleichbehandlungen von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten zu beseitigen, verbietet es Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten „schlechter“ zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

53      Das Entgelt von Teilzeitbeschäftigten muss – vorbehaltlich der Anwendung des in Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung genannten Pro-rata-temporis-Grundsatzes – dem von Vollzeitbeschäftigten entsprechen (Urteil vom 10. Juni 2010, Bruno u. a., C‑395/08 und C‑396/08, EU:C:2010:329, Rn. 64).

54      Im vorliegenden Fall folgt aus den oben in den Rn. 47 bis 49 angestellten Erwägungen, dass in den anwendbaren Tarifverträgen, nach denen die Zahlung der Mehrvergütung an für teilzeitbeschäftigte und für vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer identische Auslösegrenzen anknüpft und der Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht zur Anwendung gelangt, eine unterschiedliche Behandlung liegt, die nach Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung verboten ist, es sei denn, sie ist durch einen „sachlichen Grund“ gerechtfertigt.

55      Im Rahmen von Art. 267 AEUV ist der Gerichtshof nicht befugt, den Sachverhalt zu würdigen und die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden. Es ist daher Aufgabe des vorlegenden Gerichts, die für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlichen rechtlichen Qualifizierungen vorzunehmen. Dagegen hat der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle erforderlichen Hinweise zu geben, um es bei dieser Beurteilung zu leiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2022, Landkreis Gifhorn, C‑519/20, EU:C:2022:178, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Unter diesem Blickwinkel wird es Sache des vorlegenden Gerichts sein, unter Berücksichtigung aller maßgebenden Gesichtspunkte festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unterschiedliche Behandlung als durch einen „sachlichen Grund“ gerechtfertigt angesehen werden kann. Im Rahmen dieser Beurteilung wird das vorlegende Gericht folgende Erwägungen zu berücksichtigen haben.

57      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung so zu verstehen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten innerstaatlichen Norm wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist (Urteil vom 1. März 2012, O’Brien, C‑393/10, EU:C:2012:110, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Vielmehr verlangt dieser Begriff, dass die festgestellte unterschiedliche Behandlung durch das Vorhandensein genau bezeichneter, konkreter Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien kennzeichnen, um sichergehen zu können, dass die unterschiedliche Behandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Solche Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung Teilzeitverträge geschlossen wurden, und ihren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2012, O’Brien, C‑393/10, EU:C:2012:110, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 15. Oktober 2019, AEAT [Berechnung der Betriebszugehörigkeitsdauer für Arbeitnehmer in zyklisch-vertikaler Teilzeit], C‑439/18 und C‑472/18, EU:C:2019:858, Rn. 47).

59      Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass seitens CLH und der deutschen Regierung zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unterschiedlichen Behandlung das Ziel angeführt wird, eine besondere Arbeitsbelastung im Flugdienst mit Auswirkungen auf die Gesundheit der Flugzeugführer auszugleichen, sowie – in engem Zusammenhang damit – das weitere Ziel, die Fluggesellschaften von einer übermäßigen Heranziehung der Flugzeugführer abzuhalten.

60      Erstens ist aber festzustellen, dass die Bestimmungen der anwendbaren Tarifverträge ausweislich der Ausführungen des vorlegenden Gerichts keinen sachlichen Grund nennen, der die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte, und dass es die Systematik dieser Tarifverträge ist, auf die sich die Auffassung des vorlegenden Gerichts gründet, dass das von den Tarifvertragsparteien verfolgte Ziel das von CLH und der deutschen Regierung angeführte Ziel sein könnte, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts sein wird.

61      Zweitens haben diese Beteiligten zwar die Zwänge betont, die der Flugtätigkeit, die gleichwohl die Kerntätigkeit eines Flugzeugführers darstellt, innewohnten, doch haben sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die in den anwendbaren Tarifverträgen vorgesehenen Auslösegrenzen für die Flugdienststunden weder auf objektiv ermittelten Werten oder wissenschaftlichen Erkenntnissen noch auf allgemeinen Erfahrungswerten, z. B. zu den Auswirkungen der monatlichen Flugstundenhäufung, beruhten. Es scheint daher keine objektiven und transparenten Kriterien zu geben, die es erlauben, sicherzugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unterschiedliche Behandlung und die Anwendung einheitlicher Schwellenwerte für teilzeitbeschäftigte Flugzeugführer und für vergleichbare vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer im Einklang mit der oben in Rn. 58 angeführten Rechtsprechung etwa einem echten Bedarf entsprechen, was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts sein wird.

62      Drittens muss nach dieser Rechtsprechung eine solche unterschiedliche Behandlung, abgesehen davon, dass sie einem echten Bedarf entsprechen muss, zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein. Außerdem muss dieses Ziel im Einklang mit den Anforderungen der Rechtsprechung in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Januar 2010, Petersen, C‑341/08, EU:C:2010:4, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. Januar 2021, INSS, C‑843/19, EU:C:2021:55, Rn. 32).

63      Hinsichtlich der Frage, ob die festgestellte unterschiedliche Behandlung im Sinne der genannten Rechtsprechung zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, bestehen aber, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, Zweifel daran, ob die Festlegung einheitlicher Auslösegrenzen für Flugzeugführer, um in den Genuss der Mehrvergütung zu kommen, im Hinblick auf das Ziel, die Gesundheit der Flugzeugführer vor übermäßiger Arbeitsbelastung zu schützen, angemessen und kohärent ist. Die Festlegung einheitlicher Auslösegrenzen läuft nämlich darauf hinaus, dass die individuellen Auswirkungen, die sich aus der Arbeitsbelastung und den flugspezifischen Zwängen ergeben können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Sie läuft auch darauf hinaus, dass die eigentlichen Gründe für das Institut der Teilzeitarbeit keine Berücksichtigung finden, wie z. B. etwaige außerberufliche Belastungen des betreffenden Flugzeugführers.

64      Im Übrigen ist nicht ausgeschlossen, dass in diesem Zusammenhang ein System zum Arbeitsstundenausgleich, ein Ruhetagesystem oder gar die Festlegung eher wöchentlicher als monatlicher Grenzwerte für Flugdienststunden eine Maßnahme sein mag, die im Hinblick auf die Erreichung des genannten Ziels angemessener und kohärenter ist als die im Ausgangsverfahren in Rede stehende.

65      Außerdem stellt sich bei der Festlegung einheitlicher Auslösegrenzen für den Genuss der Mehrvergütung anstelle der Einführung individualisierter Auslösegrenzen nach Maßgabe des Arbeitsvertrags hinsichtlich der teilzeitbeschäftigten Flugzeugführer ein Kohärenzproblem im Hinblick auf das Ziel, dass die Fluggesellschaften davon abgehalten werden sollen, die Flugzeugführer zu übermäßiger Arbeit heranzuziehen. Die Fluggesellschaften tragen die Mehrvergütung nämlich nur jenseits der Auslösegrenze für die Arbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Flugzeugführer.

66      Soweit schließlich die getroffene nationale Regelung wie auch die Ablehnung der Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens auf wirtschaftliche Erwägungen zurückgehen sollten, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die sparsame Personalbewirtschaftung zu Haushaltserwägungen gehört, die eine Diskriminierung nicht rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2010, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, C‑486/08, EU:C:2010:215, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, um eine besondere Arbeitsbelastung bei dieser Tätigkeit auszugleichen.

 Kosten

68      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Paragraf 4 Nr. 1 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit

ist dahin auszulegen, dass

eine nationale Regelung, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, eine „schlechtere“ Behandlung der Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieser Vorschrift darstellt.

2.      Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und für vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran knüpft, dass dieselbe Zahl Arbeitsstunden bei einer bestimmten Tätigkeit wie dem Flugdienst eines Flugzeugführers überschritten wird, um eine besondere Arbeitsbelastung bei dieser Tätigkeit auszugleichen.

Arabadjiev

von Danwitz

Xuereb

Kumin

 

Ziemele

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Oktober 2023.

Der Kanzler

 

Der Kammerpräsident

A. Calot Escobar

 

A. Arabadjiev



*      Verfahrenssprache: Deutsch.