Language of document : ECLI:EU:C:2023:962

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN RICHARD DE LA TOUR

vom 7. Dezember 2023(1)

Rechtssache C706/22

Konzernbetriebsrat der O SE & Co. KG,

weiterer Verfahrensbeteiligter:

Vorstand der O Holding SE

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Europäische Gesellschaft – Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 – Art. 12 Abs. 2 – Beteiligung der Arbeitnehmer – Voraussetzung einer vorherigen Durchführung des Verhandlungsverfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß der Richtlinie 2001/86/EG für eine Eintragung der Europäischen Gesellschaft – Arbeitnehmerlos gegründete und eingetragene Europäische Gesellschaft, die die Muttergesellschaft von Arbeitnehmer beschäftigende Tochtergesellschaften geworden ist – Keine Verpflichtung zur nachträglichen Eröffnung des Verhandlungsverfahrens – Verbotener missbräuchlicher Rückgriff auf eine Europäische Gesellschaft, um Arbeitnehmern ihre Beteiligungsrechte vorzuenthalten“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)(2) in Verbindung mit den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer(3).

2.        Diesem Ersuchen liegt ein Rechtsstreit zugrunde, in dem sich der Konzernbetriebsrat der O SE & Co. KG (im Folgenden: Konzernbetriebsrat der O KG) und der Vorstand der O Holding SE gegenüberstehen. Der fragliche Rechtsstreit betrifft einen Antrag auf Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums (im Folgenden: BVG) zum Zweck der nachträglichen Einleitung des in den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86 hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vorgesehenen Verhandlungsverfahrens.

3.        Die Richtlinie 2001/86 ist das Ergebnis von mehr als 30 Jahre währenden Verhandlungen. Der erste Entwurf einer Regelung zur Schaffung einer Europäischen Gesellschaft (SE) im Verordnungswege wurde nämlich von der Europäischen Kommission 1970 vorgelegt(4). Die Verhandlungen waren lange Zeit an zwei Punkten festgefahren: der Frage der dualistischen oder monistischen Struktur der Gesellschaft und der Beteiligung der Arbeitnehmer(5), wobei diese Beteiligung definiert wird als Unterrichtung, Anhörung, Mitbestimmung und jedes Verfahren, durch das die Arbeitnehmervertreter auf die Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft Einfluss nehmen können(6).

4.        Der Entwurf einer Regelung zur Schaffung einer SE wurde in Form zweier voneinander getrennter Vorschläge der Kommission am 25. August 1989 vorgelegt: Der eine Vorschlag galt einer Verordnung über das Statut der SE(7), und der andere betraf eine Richtlinie zur Ergänzung des SE‑Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer(8). Der Verordnungsvorschlag sah die Möglichkeit der Gründung einer Holding-SE für bestimmte Aktiengesellschaften vor, die dem Recht von mindestens zwei Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft haben, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt(9).

5.        Später wurde im Verlauf der Verhandlungen das Vorher-Nachher-Prinzip(10) als Berücksichtigung der Beteiligungsrechte der an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften in der neuen SE vorgestellt, das es ermöglichte, im Jahr 1998 den Grundstein für einen Kompromiss zu legen(11). Dieser zentrale Vorschlag führte zu dem Kompromiss, der nach Änderung der Rechtsgrundlage für die Richtlinie 2001/86 einstimmig angenommen wurde.

6.        Jedoch stellte sich sehr schnell heraus, dass es sich bei der Mehrzahl der in einigen Mitgliedstaaten gegründeten Europäischen Gesellschaften um solche ohne Arbeitnehmer handelte, die eingetragen werden konnten, ohne zuvor die in Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 vorgesehenen Verhandlungen mit dem BVG aufgenommen zu haben.

7.        Da aber eine erhebliche Anzahl von Europäischen Gesellschaften arbeitnehmerlos ohne vorherige Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer eingetragen wurde(12), stellt sich die Frage, ob solche Verhandlungen im Nachhinein erlaubt oder vorgeschrieben werden sollten und innerhalb welcher Frist nach der Eintragung der SE diese Verhandlungen aufgenommen werden könnten.

8.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, für Recht zu erklären, dass die Richtlinie 2001/86 die Aufnahme von Verhandlungen im Nachhinein nicht vorschreibt, dies aber im Fall von Missbrauch erlaubt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 2157/2001

9.        Die Erwägungsgründe 1 und 21 der Verordnung Nr. 2157/2001 lauten:

„(1)      Voraussetzung für die Verwirklichung des Binnenmarkts und für die damit angestrebte Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der gesamten [Union] ist außer der Beseitigung der Handelshemmnisse eine gemeinschaftsweite Reorganisation der Produktionsfaktoren. Dazu ist es unerlässlich, dass die Unternehmen, deren Tätigkeit sich nicht auf die Befriedigung rein örtlicher Bedürfnisse beschränkt, die Neuordnung ihrer Tätigkeiten auf [Unions]ebene planen und betreiben können.

(21)      Mit der Richtlinie 2001/86… soll ein Recht der Arbeitnehmer auf Beteiligung bei den den Geschäftsverlauf der SE betreffenden Fragen und Entscheidungen gewährleistet werden. Die übrigen arbeits- und sozialrechtlichen Fragen, insbesondere das in den Mitgliedstaaten geltende Recht auf Information und Anhörung der Arbeitnehmer, unterliegen hingegen den einzelstaatlichen Vorschriften, die unter denselben Bedingungen für die Aktiengesellschaften gelten.“

10.      Art. 1 Abs. 1 und 4 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Handelsgesellschaften können im Gebiet der [Union] in der Form [einer SE] unter den Voraussetzungen und in der Weise gegründet werden, die in dieser Verordnung vorgesehen sind.

(4)      Die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE wird durch die Richtlinie 2001/86… geregelt.“

11.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung sieht vor:

„Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Sinne des Anhangs II, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der [Union] haben, können die Gründung einer Holding-SE anstreben, sofern mindestens zwei von ihnen

a)      dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen …“

12.      Art. 8 Abs. 1, 14 und 16 der Verordnung Nr. 2157/2001 lautet wie folgt:

„(1)      Der Sitz der SE kann … in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden. Diese Verlegung führt weder zur Auflösung der SE noch zur Gründung einer neuen juristischen Person.

(14)      Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats können bestimmen, dass eine Sitzverlegung, die einen Wechsel des maßgeblichen Rechts zur Folge hätte, im Falle der in dem betreffenden Mitgliedstaat eingetragenen SE nicht wirksam wird, wenn eine zuständige Behörde dieses Staates innerhalb der … Frist von zwei Monaten dagegen Einspruch erhebt. …

(16)      Eine SE, die ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, gilt in Bezug auf alle Forderungen, die vor dem Zeitpunkt der Verlegung … entstanden sind, als SE mit Sitz in dem Mitgliedstaat, in dem sie vor der Verlegung eingetragen war, auch wenn sie erst nach der Verlegung verklagt wird.“

13.      Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung lautet:

„Die SE unterliegt

c)      in Bezug auf die nicht durch diese Verordnung geregelten Bereiche oder, sofern ein Bereich nur teilweise geregelt ist, in Bezug auf die nicht von dieser Verordnung erfassten Aspekte

ii)      den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründete Aktiengesellschaft Anwendung finden würden,

…“

14.      Art. 12 Abs. 1 und 2 der genannten Verordnung sieht vor:

„(1)      Jede SE wird … im Sitzstaat in ein nach dem Recht dieses Staates bestimmtes Register eingetragen.

(2)      Eine SE kann erst eingetragen werden, wenn eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2001/86… geschlossen worden ist, ein Beschluss nach Artikel 3 Absatz 6 der genannten Richtlinie gefasst worden ist oder die Verhandlungsfrist nach Artikel 5 der genannten Richtlinie abgelaufen ist, ohne dass eine Vereinbarung zustande gekommen ist.“

2.      Richtlinie 2001/86

15.      In den Erwägungsgründen 3, 7 und 18 der Richtlinie 2001/86 heißt es:

„(3)      Um die Ziele der [Union] im sozialen Bereich zu fördern, müssen besondere Bestimmungen – insbesondere auf dem Gebiet der Beteiligung der Arbeitnehmer – festgelegt werden, mit denen gewährleistet werden soll, dass die Gründung einer SE nicht zur Beseitigung oder zur Einschränkung der Gepflogenheiten der Arbeitnehmerbeteiligung führt, die in den an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften herrschen. Dieses Ziel sollte durch die Einführung von Regeln in diesen Bereich verfolgt werden, mit denen die Bestimmungen der Verordnung [Nr. 2157/2001] ergänzt werden.

(7)      Sofern und soweit es in einer oder in mehreren der an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften Mitbestimmungsrechte gibt, sollten sie durch Übertragung an die SE nach deren Gründung erhalten bleiben, es sei denn, dass die Parteien etwas anderes beschließen.

(18)      Die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen ist fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel dieser Richtlinie. Die vor der Gründung von SE bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollten deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE (Vorher-Nachher-Prinzip) sein. Dieser Ansatz sollte folgerichtig nicht nur für die Neugründung einer SE, sondern auch für strukturelle Veränderungen einer bereits gegründeten SE und für die von den strukturellen Änderungsprozessen betroffenen Gesellschaften gelten.“

16.      Art. 1 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Diese Richtlinie regelt die Beteiligung der Arbeitnehmer in der [SE], die Gegenstand der Verordnung … Nr. 2157/2001 ist.

(2)      Zu diesem Zweck wird in jeder SE gemäß dem Verhandlungsverfahren nach den Artikeln 3 bis 6 oder unter den in Artikel 7 genannten Umständen gemäß dem Anhang eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer getroffen.“

17.      In Art. 2 Buchst. b und g der genannten Richtlinie werden beteiligte Gesellschaften definiert als „die Gesellschaften, die unmittelbar an der Gründung einer SE beteiligt sind“, und das BVG als „das gemäß Artikel 3 eingesetzte Gremium, das die Aufgabe hat, mit dem jeweils zuständigen Organ der beteiligten Gesellschaften die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE auszuhandeln“.

18.      Art. 3 („Einsetzung eines [BVG]“) Abs. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2001/86 sieht vor:

„(1)      Wenn die Leitungs- oder die Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften die Gründung einer SE planen, leiten sie nach der Offenlegung des Verschmelzungsplans oder des Gründungsplans für eine Holdinggesellschaft oder nach der Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochtergesellschaft oder zur Umwandlung in eine SE so rasch wie möglich die erforderlichen Schritte – zu denen auch die Unterrichtung über die Identität der beteiligten Gesellschaften und der betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe sowie die Zahl ihrer Beschäftigten gehört – für die Aufnahme von Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern der Gesellschaften über die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE ein.

(2)      Zu diesem Zweck wird ein [BVG] als Vertretung der Arbeitnehmer der beteiligten Gesellschaften sowie der betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe … eingesetzt:

(6)      Das [BVG] kann … beschließen, keine Verhandlungen aufzunehmen oder bereits aufgenommene Verhandlungen abzubrechen und die Vorschriften für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zur Anwendung gelangen zu lassen, die in den Mitgliedstaaten gelten, in denen die SE Arbeitnehmer beschäftigt. Ein solcher Beschluss beendet das Verfahren zum Abschluss der Vereinbarung gemäß Artikel 4. Ist ein solcher Beschluss gefasst worden, findet keine der Bestimmungen des Anhangs Anwendung.

Das [BVG] wird auf schriftlichen Antrag von mindestens 10 % der Arbeitnehmer der SE, ihrer Tochtergesellschaften und ihrer Betriebe oder von deren Vertretern frühestens zwei Jahre nach dem vorgenannten Beschluss wieder einberufen, sofern die Parteien nicht eine frühere Wiederaufnahme der Verhandlungen vereinbaren. Wenn das [BVG] die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Geschäftsleitung beschließt, in diesen Verhandlungen jedoch keine Einigung erzielt wird, findet keine der Bestimmungen des Anhangs Anwendung.“

19.      Art. 7 („Auffangregelung“) Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Zur Verwirklichung des in Artikel 1 festgelegten Ziels führen die Mitgliedstaaten … eine Auffangregelung zur Beteiligung der Arbeitnehmer ein, die den im Anhang niedergelegten Bestimmungen genügen muss.

Die Auffangregelung, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats festgelegt ist, in dem die SE ihren Sitz haben soll, findet ab dem Zeitpunkt der Eintragung der SE Anwendung, wenn

a)      die Parteien dies vereinbaren oder

b)      bis zum Ende des in Artikel 5 genannten Zeitraums keine Vereinbarung zustande gekommen ist und

–        das zuständige Organ jeder der beteiligten Gesellschaften der Anwendung der Auffangregelung auf die SE und damit der Fortsetzung des Verfahrens zur Eintragung der SE zugestimmt hat und

–        das [BVG] keinen Beschluss gemäß Artikel 3 Absatz 6 gefasst hat.

(2)      Ferner findet die Auffangregelung, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats festgelegt ist, in dem die SE eingetragen wird, gemäß Teil 3 des Anhangs nur Anwendung, wenn

c)      im Falle einer durch Errichtung einer Holdinggesellschaft oder einer Tochtergesellschaft gegründeten SE

–        vor der Eintragung der SE in einer oder mehreren der beteiligten Gesellschaften eine oder mehrere Formen der Mitbestimmung bestanden und sich auf mindestens 50 % der Gesamtzahl der Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften erstreckten oder

–        vor der Eintragung der SE in einer oder mehreren der beteiligten Gesellschaften eine oder mehrere Formen der Mitbestimmung bestanden und sich auf weniger als 50 % der Gesamtzahl der Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften erstreckten und das [BVG] einen entsprechenden Beschluss fasst.

Bestanden mehr als eine Mitbestimmungsform in den verschiedenen beteiligten Gesellschaften, so entscheidet das [BVG], welche von ihnen in der SE eingeführt wird. Die Mitgliedstaaten können Regeln festlegen, die anzuwenden sind, wenn kein einschlägiger Beschluss für eine in ihrem Hoheitsgebiet eingetragene SE gefasst worden ist. Das [BVG] unterrichtet das jeweils zuständige Organ der beteiligten Gesellschaften über die Beschlüsse, die es gemäß diesem Absatz gefasst hat.“

20.      Art. 11 („Verfahrensmissbrauch“) der genannten Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen im Einklang mit den … Rechtsvorschriften [der Union] geeignete Maßnahmen, um zu verhindern, dass eine SE dazu missbraucht wird, Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten.“

21.      Art. 12 Abs. 2 derselben Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie vor; sie sorgen insbesondere dafür, dass Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bestehen, mit denen die Erfüllung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden kann.“

B.      Deutsches Recht

22.      Die Richtlinie 2001/86 wurde durch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft(13) vom 22. Dezember 2004 in deutsches Recht umgesetzt.

23.      § 18 („Wiederaufnahme der Verhandlungen“) Abs. 3 dieses Gesetzes sieht vor:

„Sind strukturelle Änderungen der SE geplant, die geeignet sind, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern, finden auf Veranlassung der Leitung der SE oder des SE‑Betriebsrats Verhandlungen über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer der SE statt. Anstelle des neu zu bildenden [BVG] können die Verhandlungen mit der Leitung der SE einvernehmlich von dem SE‑Betriebsrat gemeinsam mit Vertretern der von der geplanten strukturellen Änderung betroffenen Arbeitnehmer, die bisher nicht von dem SE‑Betriebsrat vertreten werden, geführt werden. Wird in diesen Verhandlungen keine Einigung erzielt, sind die §§ 22 bis 33 über den SE‑Betriebsrat kraft Gesetzes und die §§ 34 bis 38 über die Mitbestimmung kraft Gesetzes anzuwenden.“

24.      § 43 des genannten Gesetzes bestimmt:

„Eine SE darf nicht dazu missbraucht werden, den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Missbrauch wird vermutet, wenn ohne Durchführung eines Verfahrens nach § 18 Abs. 3 innerhalb eines Jahres nach Gründung der SE strukturelle Änderungen stattfinden, die bewirken, dass den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte vorenthalten oder entzogen werden.“

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

25.      Die Gesellschaft O Holding SE, die gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 von den Gesellschaften O Ltd und O GmbH gegründet worden war, bei denen es sich um zwei arbeitnehmerlose Gesellschaften handelt, die keine Arbeitnehmer beschäftigende Tochtergesellschaften haben und im Vereinigten Königreich bzw. in Deutschland ansässig sind, wurde am 28. März 2013 in das Register für England und Wales eingetragen, ohne dass die in den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86 vorgesehenen Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer stattgefunden hätten.

26.      Am darauffolgenden Tag, dem 29. März 2013, wurde die O Holding SE alleinige Gesellschafterin der O Holding GmbH, einer Gesellschaft mit Sitz in Hamburg (Deutschland), deren Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestand. Nachdem die O Holding SE am 14. Juni 2013 ihre Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft mit dem Namen O KG beschlossen hatte, wurde der Formwechsel am 2. September 2013 in das Register eingetragen, und ab diesem Zeitpunkt war die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nicht mehr anwendbar.

27.      Während die O KG ca. 816 Arbeitnehmer beschäftigt und über Tochtergesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten mit insgesamt ca. 2 200 Arbeitnehmern verfügt, beschäftigen ihre Gesellschafterinnen (die O Holding SE als Kommanditistin und die in Hamburg eingetragene O Management SE als persönlich haftende Gesellschafterin, deren alleinige Anteilseignerin die O Holding SE ist) keine Arbeitnehmer.

28.      O Holding SE hat mit Wirkung zum 4. Oktober 2017 ihren Sitz nach Hamburg verlegt.

29.      Der Konzernbetriebsrat der O KG war der Ansicht, dass die Leitung der O Holding SE nachträglich ein BVG bilden müsse, da sie über Tochtergesellschaften im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/86 verfüge, die Arbeitnehmer in mehreren Mitgliedstaaten beschäftigten, und leitete daher ein streitiges arbeitsrechtliches Verfahren ein. Die Leitung der O Holding SE trat diesem Antrag entgegen.

30.      Nach Abweisung des Antrags des Konzernbetriebsrats der O KG durch das Arbeitsgericht Hamburg (Deutschland) und Bestätigung dieser Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht Hamburg (Deutschland) wurde das Bundesarbeitsgericht (Deutschland), das vorlegende Gericht, angerufen.

31.      Um diesen Rechtsstreit zu entscheiden, ersucht dieses Gericht um eine Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 in Verbindung mit den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86. Es führt aus, dass diese Bestimmungen zwar nicht ausdrücklich vorsähen, dass das Verhandlungsverfahren über die Beteiligung der Arbeitnehmer nachträglich durchgeführt werden müsse, wenn es nicht vorher durchgeführt worden sei. Es ist jedoch der Ansicht, dass diese Verordnung und diese Richtlinie, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 1 und 2 der Verordnung ergebe, von dem Grundsatz ausgingen, dass die beteiligten Gesellschaften oder ihre Tochtergesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, die die Beschäftigung von Arbeitnehmern einschließe, so dass bereits bei der Gründung und vor der Eintragung der SE ein solches Verhandlungsverfahren eingeleitet werden könne. Daher fragt sich das Gericht, ob im Fall der Eintragung einer SE, bei der keine der beteiligten Gesellschaften oder keine von deren Tochtergesellschaften Arbeitnehmer beschäftigt habe, das mit den Art. 3 bis 7 der Richtlinie verfolgte Ziel die nachträgliche Durchführung des Verhandlungsverfahrens über die Beteiligung der Arbeitnehmer erfordern könnte, wenn die SE zu einem Unternehmen werde, das die Kontrolle über Tochtergesellschaften ausübe, die Arbeitnehmer in mehreren Mitgliedstaaten beschäftigten.

32.      In diesem Zusammenhang ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass eine solche Verpflichtung zumindest im Hinblick auf Art. 11 der Richtlinie 2001/86 geboten sein könnte, wenn wie im Ausgangsverfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Eintragung der SE und dem Erwerb von Tochtergesellschaften bestehe, da dieser Umstand zu der Annahme Anlass geben könnte, dass es sich um eine missbräuchliche Gestaltung handele, die darauf abziele, den Arbeitnehmern ihre Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten.

33.      Wenn eine Verpflichtung zur nachträglichen Durchführung des Verhandlungsverfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer bestände, stellten sich die Fragen, ob hierfür eine zeitliche Begrenzung gelte und ob sich ihre Durchführung nach dem Recht des Mitgliedstaats richte, in dem die SE derzeit ihren Sitz habe, oder nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie erstmals eingetragen worden sei, wobei zu berücksichtigen sei, dass im vorliegenden Fall der letztgenannte Staat nach der Verlegung des Sitzes der SE nach Deutschland aus der Union ausgetreten sei.

34.      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 in Verbindung mit Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86 dahin auszulegen, dass bei der Gründung einer Holding-SE durch beteiligte Gesellschaften, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und nicht über Arbeitnehmer beschäftigende Tochtergesellschaften verfügen, sowie ihrer Eintragung in das Register eines Mitgliedstaats (sogenannte „arbeitnehmerlose SE“) ohne vorherige Durchführung eines Verhandlungsverfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE nach dieser Richtlinie dieses Verhandlungsverfahren nachzuholen ist, wenn die SE herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmer beschäftigenden Tochtergesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten wird?

2.      Sollte der Gerichtshof die erste Frage bejahen: Ist in einem solchen Fall die nachträgliche Durchführung des Verhandlungsverfahrens ohne zeitliche Begrenzung möglich und geboten?

3.      Sollte der Gerichtshof die zweite Frage bejahen: Steht dann Art. 6 der Richtlinie 2001/86 einer Anwendung des Rechts desjenigen Mitgliedstaats, in dem die SE jetzt ihren Sitz hat, für eine nachträgliche Durchführung des Verhandlungsverfahrens entgegen, wenn die „arbeitnehmerlose SE“ in einem anderen Mitgliedstaat ohne vorherige Durchführung eines solchen Verfahrens in das Register eingetragen und noch vor der Verlegung ihres Sitzes herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmer beschäftigenden Tochtergesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten wurde?

4.      Sollte der Gerichtshof die dritte Frage bejahen: Gilt dies auch, wenn der Staat, in dem diese „arbeitnehmerlose SE“ erstmals eingetragen wurde, nach deren Sitzverlegung aus der Union ausgetreten ist und sein Recht keine Vorschriften über die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE mehr enthält?

35.      Schriftliche Erklärungen sind von der deutschen Regierung und der Kommission eingereicht worden.

36.      In der mündlichen Verhandlung am 28. September 2023 haben der Konzernbetriebsrat der O KG, der Vorstand der O Holding SE, die deutsche und die luxemburgische Regierung sowie die Kommission mündlich Stellung genommen und die vom Gerichtshof an sie zur mündlichen Beantwortung gerichteten Fragen beantwortet.

IV.    Würdigung

37.      Die Gründung der SE wird von einigen wichtigen Grundsätzen bestimmt.

38.      Erstens kann sie nur auf eine der folgenden vier Arten erfolgen: durch Verschmelzung, durch Gründung einer Holding-SE, durch Gründung einer Tochter-SE oder durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine SE(14).

39.      Zweitens unterliegt die SE

–        den Bestimmungen der Verordnung Nr. 2157/2001,

–        den Bestimmungen ihrer Satzung, sofern diese Verordnung dies ausdrücklich zulässt, oder

–        in Bezug auf die (gänzlich oder zum Teil) nicht durch diese Verordnung geregelten Bereiche den Rechtsvorschriften, die die Mitgliedstaaten in Anwendung der speziell die SE betreffenden Maßnahmen des Unionsrechts erlassen, den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf die Aktiengesellschaften des Mitgliedstaats Anwendung finden, in dem die SE eingetragen worden ist, sowie den Bestimmungen ihrer Satzung unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Aktiengesellschaft des Registermitgliedstaats der SE(15).

40.      Drittens kann die Eintragung der SE nur erfolgen, wenn eine Vereinbarung über die Modalitäten der Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2001/86 geschlossen wurde, wenn das BVG beschlossen hat, sich auf die Rechtsvorschriften zu stützen, die in den Mitgliedstaaten gelten, in denen die SE Arbeitnehmer beschäftigt, oder wenn nach Ablauf der in Art. 5 der Richtlinie 2001/86 vorgesehenen Verhandlungsfrist keine Vereinbarung geschlossen worden ist(16).

41.      Die Arbeitnehmermitbestimmung, die als Einflussnahme des Organs der Arbeitnehmervertretung und/oder der Arbeitnehmervertreter auf die Angelegenheiten einer Gesellschaft definiert ist(17), war in den Verhandlungen über den Entwurf einer Regelung zur Schaffung einer SE einer derjenigen entscheidenden Punkte, die, wie bereits erwähnt, dem Abschluss der Verhandlungen im Wege standen(18). Zusammen mit dem Grundsatz, das bestehende hohe Schutzniveau der Beteiligungsrechte zu respektieren, war das Vorher-Nachher-Prinzip ausschlaggebend und ermöglichte den erfolgreichen Abschluss dieser Verhandlungen. Da es die Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus der Arbeitnehmermitbestimmung ermöglichte, wurde es sowohl von den Befürwortern des Schutzes der Mitbestimmung akzeptiert als auch von den Mitgliedstaaten, die dieses System nicht kannten und darin eine Möglichkeit sahen, Firmensitze in ihr Land zu holen(19).

42.      Das Vorher-Nachher-Prinzip bezieht sich jedoch nur auf die beteiligten Gesellschaften und ermöglicht den Schutz der in diesen Gesellschaften bestehenden Beteiligungsrechte(20).

43.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen vom Gerichtshof wissen, ob Verhandlungen über die Modalitäten der Beteiligung der Arbeitnehmer nachträglich aufgenommen werden können, d. h. nach der Eintragung der Holding-SE, die von Gesellschaften gegründet wurde, die zum Zeitpunkt der Eintragung keine Arbeitnehmer beschäftigten.

44.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass entgegen dem, was der Wortlaut dieser Vorlagefrage vermuten lässt, die Frage, ob die Holding-SE über Tochtergesellschaften mit Arbeitnehmern verfügt, unerheblich für das Auslösen der Verpflichtung ist, ein BVG einzusetzen und von Beginn an Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer aufzunehmen. Denn nur die unmittelbar an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften werden von Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/86 erfasst, und folglich werden nur die in diesen Gesellschaften erworbenen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer berücksichtigt. Im Gegensatz dazu werden bei der Zusammensetzung des BVG(21) und der Ausarbeitung der Vereinbarung(22) die betroffenen Tochtergesellschaften und Betriebe berücksichtigt(23).

45.      Während nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 die Eintragung einer SE von Verhandlungen innerhalb des BVG abhängig ist, gibt es in der Praxis Fallgestaltungen, in denen eine solche Eintragung ohne Einsetzung eines BVG oder Verhandlungen über die Modalitäten der Arbeitnehmerbeteiligung erfolgt, weil diese nicht möglich sind.

46.      Dies ist der Fall bei der Gründung einer SE in Form einer Holdinggesellschaft, wenn die Gründungsgesellschaften keine Arbeitnehmer beschäftigen. Gleiches gilt für die Gründung einer Tochtergesellschaft in Form einer SE durch Gesellschaften, die keine Arbeitnehmer beschäftigen(24). In diesen Fällen kann das BVG in Ermangelung von Arbeitnehmern in den beteiligten Gesellschaften nicht gemäß den in der Richtlinie 2001/86 vorgesehenen Modalitäten eingesetzt werden.

47.      Deutsche Gerichte sind mit der Frage befasst worden, ob eine SE, die Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 nicht befolgt, eingetragen werden kann. Auf der Grundlage einer teleologischen Auslegung dieser Bestimmung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland)(25) die Eintragung einer solchen SE ungeachtet der Einwände der Gewerkschaften(26) zugelassen.

48.      Eingetragene Europäische Gesellschaften, bei denen nicht von Beginn an über die Beteiligung der Arbeitnehmer verhandelt wurde, sind in verschiedenen Mitgliedstaaten gegründet worden (insbesondere in Deutschland und der Tschechischen Republik, wo sie zahlreich sind(27)).

49.      Dass dies entgegen dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 hingenommen wurde, ließ sich nach Ansicht der deutschen Regierung über eine teleologische Auslegung dieser Vorschrift rechtfertigen, um die Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten im Binnenmarkt zu ermöglichen, die nicht notwendigerweise die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer voraussetze. Darüber hinaus wurde nicht nur anerkannt, dass mangels Arbeitnehmern in den beteiligten Gesellschaften kein BVG eingesetzt werden konnte, sondern auch, dass es dann keine bestehenden Arbeitnehmerrechte zu schützen gab und daher das Vorher-Nachher-Prinzip nicht angewendet werden konnte. Solche Verhandlungen vorzuschreiben wäre darauf hinausgelaufen, die Gründung von Europäischen Gesellschaften in solchen Fällen zu verbieten. Die Kommission hat in ihren Erklärungen ausgeführt, dass sich eine solche Eintragung ohne vorherige Verhandlungen auf diejenigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2157/2001 stützen lasse, wonach in den von dieser Verordnung nicht erfassten Bereichen das für Aktiengesellschaften in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende nationale Recht Anwendung finde, und dass folglich, wenn dieses nationale Recht die Gründung von arbeitnehmerlosen Aktiengesellschaften zulasse, dies auch für die SE möglich sein müsse(28).

50.      So wird nicht in Frage gestellt, dass die Eintragung einer arbeitnehmerlosen SE in der dem Gerichtshof vorgelegten Fallgestaltung möglich sei(29).

51.      Daher stellt sich die Frage, ob es möglich ist, Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Nachhinein zu eröffnen.

52.      Die Richtlinie 2001/86 sieht in Art. 3 Abs. 6 Unterabs. 4 vor, dass Verhandlungen nach der Eintragung nur auf schriftlichen Antrag von mindestens 10 % der Arbeitnehmer der SE, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe oder ihrer Vertreter und frühestens zwei Jahre nach dem Beschluss des BVG, keine vorherigen Verhandlungen aufzunehmen oder sie abzubrechen, stattfinden dürfen, sofern die Parteien keine bessere Einigung über den Zeitpunkt der Neuaushandlung erzielt haben. Hieraus wird deutlich, dass nachträgliche Verhandlungen nur dann stattfinden können, wenn schon zu Anfang ein BVG eingesetzt worden ist und es sich genau genommen um eine Neuaushandlung handelt. Im Anhang zu dieser Richtlinie sind auch vier Jahre nach der Einsetzung des Vertretungsorgans Neuaushandlungen bei Anwendung der Auffangregelung vorgesehen(30).

53.      Im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/86 heißt es zum einen, dass die vor der Gründung der SE bestehenden Rechte der Arbeitnehmer Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE (Vorher-Nachher-Prinzip) sein sollte, und zum anderen, dass dieser Ansatz folgerichtig nicht nur für die Neugründung einer SE, sondern auch für strukturelle Veränderungen einer bereits gegründeten SE und für die von den strukturellen Änderungsprozessen betroffenen Gesellschaften gelten sollte. Aus diesem Erwägungsgrund lässt sich daher kein Recht auf nachträgliche Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer herleiten, wenn ein BVG nicht schon zu Anfang eingesetzt worden ist.

54.      Entgegen dem Vorbringen der deutschen und der luxemburgischen Regierung ist diese Unmöglichkeit der nachträglichen Aufnahme von Verhandlungen nämlich nicht auf ein Versehen bei der Ausarbeitung der Richtlinie 2001/86 zurückzuführen, sondern auf eine echte Entscheidung des Unionsgesetzgebers, die sich aus dem Kompromiss über das Vorher-Nachher-Prinzip ergibt.

55.      Hierzu kann auf mehrere Anhaltspunkte verwiesen werden. Erstens sprach sich der Davignon-Bericht, der als Grundlage für die letzten Verhandlungen über die Verordnung Nr. 2157/2001 und die Richtlinie 2001/86 diente, eindeutig für Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer vor der Eintragung aus, um Vorhersehbarkeit für Aktionäre und Arbeitnehmer sowie die Stabilität des Geschäftsverlaufs der SE zu gewährleisten(31). Zweitens hatte das Europäische Parlament einen Erwägungsgrund 7a vorgeschlagen, der ausdrücklich Verhandlungen im Nachhinein vorsah, der aber zugunsten des viel vageren Wortlauts des 18. Erwägungsgrunds der Richtlinie 2001/86 verworfen wurde(32).

56.      Diese Entscheidung des Unionsgesetzgebers zeigte sich auch bei der Ausarbeitung des Statuts der Europäischen Genossenschaft und in der Richtlinie 2003/72/EG(33) zur Beteiligung der Arbeitnehmer in einer solchen, da dort ausdrücklich Verhandlungen über die nachträgliche Beteiligung der Arbeitnehmer vorgesehen werden, wenn die Schwelle von 50 Arbeitnehmern in mindestens zwei Mitgliedstaaten überschritten wird(34). Somit wurde für diese Konstellation in den Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zu nachträglichen Verhandlungen geschaffen, die zwar mit dem Überschreiten eines Schwellenwerts verbunden ist, was aber in den für die SE geltenden Vorschriften nicht vorgesehen war.

57.      Darüber hinaus wurde diese im Zusammenhang mit arbeitnehmerlosen Europäischen Gesellschaften bestehende Schwierigkeit bereits 2003 von der SE‑Sachverständigengruppe(35), sodann aber auch von der Gruppe unabhängiger Sachverständiger thematisiert, die von der Kommission im Hinblick auf die in Art. 15 der Richtlinie 2001/86 vorgesehene Überprüfung der Richtlinie beauftragt worden war(36).

58.      Somit hat die Kommission in voller Kenntnis dieser Schwierigkeit ihren Bericht und ihre Mitteilung über die Anwendung der Verordnung Nr. 2157/2001 und die Überprüfung der Richtlinie 2001/86 ausgearbeitet und verfasst. Im Erstgenannten geht die Kommission auf die Frage der Aktivierung von SE‑Mantelgesellschaften ein(37) und führt aus: „Etwaige Überlegungen zu Änderungen des SE‑Statuts, mit denen die von mehreren Beteiligten in der Praxis festgestellten Probleme angegangen werden sollen, müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass das SE‑Statut das Ergebnis eines nach langwierigen Verhandlungen gefundenen heiklen Kompromisses ist. Die Kommission denkt derzeit über mögliche Änderungen des SE‑Statuts nach, um gegebenenfalls 2012 Vorschläge vorzulegen“(38). Nachdem die Kommission in der zweitgenannten Mitteilung auch das Fehlen von Bestimmungen in der Richtlinie 2001/86 für den Fall einer arbeitnehmerlos gegründeten SE anerkannt hat(39), räumt sie des Weiteren ein, dass sie zwar Schwierigkeiten ausgemacht habe, dass sie aber, da die Annahme der Verordnung Nr. 2157/2001 und der Richtlinie 2001/86 das Ergebnis eines schwierigen Kompromisses nach 30‑jährigen Verhandlungen sei, anlässlich der 2009 anstehenden Überprüfung der Verordnung gleichzeitig prüfen werde, ob eine Überarbeitung dieser beiden Rechtsakte erwägenswert sei(40).

59.      Außerdem wurde in einem den ersten zehn Jahren der SE gewidmeten Werk diese Frage mit einem größeren zeitlichen Abstand zum Datum der Umsetzung der Richtlinie 2001/86 vertieft(41).

60.      In einer Entschließung aus dem Jahr 2021 hat das Parlament die Kommission aufgefordert, die notwendigen Verbesserungen an den Rahmenregelungen für SE und Europäische Genossenschaften sowie auf der Grundlage einer zeitnahen Evaluierung durch die Kommission am Paket zum Gesellschaftsrecht vorzunehmen und diese zu ändern, um EU-Mindestvorschriften für die Beteiligung und Vertretung der Arbeitnehmer in Leitungsorganen einzuführen(42).

61.      Ungeachtet dessen, dass seit 2003 und bis 2021 Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Gründung und dem Geschäftsverlauf einer SE festgestellt worden sind, insbesondere bei ihrer Errichtung ohne Einsetzung eines BVG, hat die Kommission nie Änderungen der Verordnung Nr. 2157/2001 oder der Richtlinie 2001/86 vorgeschlagen, um diesen Schwierigkeiten abzuhelfen. Die Kommission hat nicht nur niemals einen Vorschlag für entsprechende Änderungen unterbreitet; auch ihre weiteren Vorschläge für gesellschaftsrechtliche Vorschriften mit Auswirkungen auf die Mitbestimmung oder Beteiligung der Arbeitnehmer innerhalb der Unternehmensstruktur und auf die Rolle der Gewerkschaften bei der Ausarbeitung des Entwurfs sind erfolglos geblieben (Entwurf für eine Europäische Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung, der 2008 vorgelegt und 2014 zurückgezogen wurde, Entwurf für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, der 2014 vorgelegt und 2018 zurückgezogen wurde(43)).

62.      In diesem Stadium der Überlegungen erscheint mir daher gesichert, dass das Fehlen einer Vorschrift über nachträgliche Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer im Fall einer ohne BVG gegründeten SE auf eine bewusste Entscheidung des Unionsgesetzgebers zurückgeht, auch wenn dieses Fehlen von den Befürwortern des Systems der Arbeitnehmerbeteiligung, insbesondere im Sinne der Mitbestimmung, als Lücke interpretiert werden kann.

63.      In diesem Zusammenhang ist der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/86 also dahin gehend zu verstehen, dass er sich auf die Fallgestaltungen struktureller Änderungen in einer mit einem BVG gegründeten SE bezieht: Dies ist umso folgerichtiger, als sein Wortlaut auf „diese[n] Ansatz“ verweist, d. h. auf das im vorhergehenden Satz dargelegte Vorher-Nachher-Prinzip, das die Existenz von zu schützenden Rechten in einem früheren Zustand impliziert. Mithin soll dieser Erwägungsgrund in Wirklichkeit den Grundsatz beleuchten, dass Verhandlungen in diesem Bereich Vorrang haben, was dadurch veranschaulicht wird, dass die ursprüngliche Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und ihre Laufzeit, die Fälle, in denen die Vereinbarung neu ausgehandelt werden sollte, und das bei ihrer Neuaushandlung anzuwendende Verfahrenden festlegen soll(44).

64.      Dieses Verständnis haben auch die nationalen Experten und sozialpolitischen Berater der SE‑Sachverständigengruppe zugrunde gelegt (die an den Verhandlungen über die Richtlinie 2001/86 teilgenommen haben und die einen Bericht zur Erleichterung der Umsetzung erstellen sollten), da sie darauf hinweisen, dass außer den sich implizit und teilweise mit der Frage befassenden Verweisen in der Richtlinie(45) deren Vorschriften so konzipiert worden seien, dass sie nur unmittelbar vor und im Zeitpunkt der Gründung der SE gälten und dass es daher für die betroffenen Parteien ein Bedürfnis geben könne, die Vorschriften derselben Richtlinie, die in erster Linie zum Schutz von Arbeitnehmermitbestimmungssystemen konzipiert worden seien, in dynamischer Weise und nicht nur zum Zeitpunkt der Errichtung der SE anzuwenden. Sie fügen hinzu, dass die Erfahrungen mit der Anwendung der Richtlinie 94/45/EG(46) zeigten, dass die Lösung dieser Schwierigkeiten im Wesentlichen auf vertraglichem Wege erfolge. Da der Richtlinie 2001/86 darüber hinaus nichts zu entnehmen sei, kommen sie zu dem Schluss, dass die Veränderungsproblematik, von Missbrauchsfällen abgesehen, sich in einem schlichten detaillierten Verweis auf Fallgestaltungen späterer struktureller Veränderungen in den nationalen Vorschriften zur Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie über den Inhalt der Vereinbarung zu erschöpfen scheine, um die Parteien darauf aufmerksam zu machen, dass solche Veränderungen vorkommen könnten(47).

65.      Somit zieht die SE‑Sachverständigengruppe keinen weiteren Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zu diesem Thema in Erwägung.

66.      Jedoch haben die genannten Sachverständigen deutlich gemacht, dass sich mit Verhandlungen über die nachträgliche Beteiligung der Arbeitnehmer wirksam ein Missbrauch der SE zur Vorenthaltung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer ahnden lassen könne und dass eine solche Sanktion sogar den Vorteil habe, dass innerhalb der Mitgliedstaaten einheitlich auf einen solchen Missbrauch reagiert werden könne(48). Art. 11 der Richtlinie 2001/86 besagt nämlich, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht geeignete Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass eine SE dazu missbraucht wird, Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten.

67.      Die genannten Sachverständigen veranschaulichen ihre Ausführungen anhand von Beispielen für Situationen, die missbräuchlich sein könnten, und zwar nicht nur im Fall der Gründung einer mitbestimmungsfreien SE durch mitbestimmungsfreie Tochtergesellschaften, wenn diese SE anschließend die Kontrolle über alle mitbestimmten oder nicht mitbestimmten Tochtergesellschaften übernimmt, sondern auch im Fall der Gründung einer SE durch Umwandlung in einem Mitgliedstaat, der keine Mitbestimmung vorsieht, mit anschließender Sitzverlegung in einen Mitgliedstaat, der eine solche Regelung vorsieht, oder auch im Fall der Gründung einer SE vor Erreichen der Schwellenwerte, die die Anwendung der Mitbestimmungsregelung auslösen(49).

68.      Das gemeinsame Merkmal dieser Beispiele besteht in der Gründung einer SE ohne vorherige Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einem BVG, da diese SE von mitbestimmungsfreien Unternehmen gegründet wird. Somit ist offensichtlich, dass die SE‑Sachverständigengruppe einerseits Fallgestaltungen über die Gründung einer SE ohne vorherige Verhandlungen und ohne in Ermangelung dessen erfolgende Anwendung der Auffangregelung im Blick hatte und andererseits keine nachträglichen, rechtlich gebotenen Verhandlungen bei strukturellen Veränderungen in Betracht zog, sondern dies nur im Fall von Missbrauch erwogen hat.

69.      In Fortsetzung ihrer Überlegungen schlug die Sachverständigengruppe einen Wortlaut für die Wahl einer Missbrauchsbekämpfungsvorschrift(50) im nationalen Recht vor, der auf dem Gedanken beruht, dass in den in Nr. 67 dieser Schlussanträge genannten Fallgestaltungen Verhandlungen stattfinden sollten, wenn der Missbrauch nach allgemeinen Regeln bewiesen worden sei, wobei eine widerlegliche Missbrauchsvermutung aufgestellt werden könne, wenn die Veränderungen innerhalb eines kurzen Zeitraums (z. B. ein Jahr) nach der Eintragung der SE erfolgten(51). Die Gruppe stellte klar, dass die ideale Lösung eine Vorschrift wäre, die in diesen Fallgestaltungen eine Neuaushandlung vorsieht, wobei im Fall eines Scheiterns die Auffangregelung für die Mitbestimmung im Anhang der Richtlinie 2001/86 zur Anwendung komme(52). Dazu müssten die Art. 3 bis 7 der Richtlinie entsprechend gelten und die Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Eintragung der SE durch Bezugnahmen auf den Zeitpunkt des Scheiterns der Verhandlungen ersetzt werden(53).

70.      Jedenfalls kann vorbehaltlich der Beurteilung durch das nationale Gericht die bloße Verlegung des Sitzes oder die Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts, die den Wegfall der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einer diesem nationalen Recht unterliegenden Tochtergesellschaft einer SE ermöglicht, für sich allein keinen Missbrauch darstellen, da sonst die Wirksamkeit der Verordnung Nr. 2157/2001 und der Richtlinie 2001/86 in Frage gestellt würde.

71.      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verhandlungsergebnis für diese Verordnung und für diese Richtlinie zwar lückenhaft erscheinen mag; indessen war die Anwendung des auf den Zeitpunkt der Eintragung der SE abstellenden Vorher-Nachher-Prinzips von den Mitgliedstaaten tatsächlich gewollt, weswegen es mir nicht möglich erscheint, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer im Wege der Rechtsprechung zu erweitern, da dies die durch diese Verhandlungen teuer erkaufte Gleichgewichtslage in Frage stellen würde. Jenseits von Missbrauchsfällen würden nachträgliche Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer die Stabilität in der Funktionsweise der Gesellschaft beeinträchtigen, die ebenfalls von der Regelung(54) angestrebt wird, da sie bei der Umwandlung in eine SE vor dem Überschreiten der Schwellenwerte, die nach nationalem Recht die Mitbestimmung auslösen, oder immer dann stattfinden könnten, wenn sich der Kreis der Arbeitnehmer aufgrund der Veräußerung oder des Erwerbs von Tochtergesellschaften ändern würde.

72.      In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001 in Verbindung mit den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86 dahin auszulegen ist, dass die genannte Vorschrift nach der Eintragung einer Holding-SE, die von beteiligten arbeitnehmerlosen Gesellschaften gegründet wurde, ohne dass zuvor Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer geführt worden wären, die Aufnahme solcher Verhandlungen nicht allein deshalb vorschreibt, weil diese Holding-SE zu einem Unternehmen wird, das die Kontrolle über Tochtergesellschaften ausübt, die Arbeitnehmer in einem oder mehreren Mitgliedstaaten beschäftigen.

73.      Im Hinblick auf diese Antwort scheint es mir nicht notwendig, dass der Gerichtshof die übrigen Vorlagefragen beantwortet.

V.      Ergebnis

74.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesarbeitsgerichts (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) ist in Verbindung mit den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer

dahin auszulegen, dass

die genannte Vorschrift nach der Eintragung einer Holding-SE, die von beteiligten arbeitnehmerlosen Gesellschaften gegründet wurde, ohne dass zuvor Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer geführt worden wären, die Aufnahme solcher Verhandlungen nicht allein deshalb vorschreibt, weil diese Holding-SE zu einem Unternehmen wird, das die Kontrolle über Tochtergesellschaften ausübt, die Arbeitnehmer in einem oder mehreren Mitgliedstaaten beschäftigen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2001, L 294, S. 1.


3      ABl. 2001, L 294, S. 22.


4      Vgl. den neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2157/2001.


5      Vgl. Abschlussbericht der Sachverständigengruppe „Europäische Systeme der Arbeitnehmerbeteiligung“ vom Mai 1997 (Davignon-Bericht) (C4‑0455/97), Rn. 9: „Trotz der Bemühungen, eine Annäherung der beiderseitigen Positionen zu erreichen (zum einen des Grundsatzes ‚Keine Europäische Aktiengesellschaft ohne Mitbestimmung in den Unternehmensorganen‘, zum anderen des Prinzips ‚Keine Übernahme einzelstaatlicher Mitbestimmungsmodelle‘), war eine Pattsituation hier unvermeidlich“.


6      Vgl. Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2001/86.


7      Vgl. Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (KOM[89] 268 endg. – SYN 218).


8      Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des SE‑Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer (KOM[89] 268 endg. – SYN 219).


9      Vgl. Art. 2 Abs. 1 dieses Verordnungsvorschlags, jetzt Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001.


10      Vgl. 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/86.


11      Vgl. Entwurf eines Protokolls über die 2102. Tagung des Rates (Arbeit und Soziales) am 4. Juni 1998 in Luxemburg (8717/98), abrufbar unter der Internetadresse https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST‑8717-1998‑INIT/de/pdf, S. 8.


12      Im Jahr 2017 gab es unter den 2 695 eingetragenen Europäischen Gesellschaften 450 mit tatsächlicher Geschäftstätigkeit und mehr als fünf Arbeitnehmern, wobei zu beachten ist, dass für eine Reihe von eingetragenen Europäischen Gesellschaften keine Daten zugänglich sind (vgl. Arbeitspapier von Waddington, J., und Conchon, A., Is Europeanised board-level employee representation specific? The case of European Companies (SEs), The European Trade Union Institute, Brüssel 2017, S. 7).


13      BGBl. 2004 I S. 3675.


14      Vgl. Art. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001.


15      Vgl. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2157/2001.


16      Vgl. Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2157/2001.


17      Vgl. Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2001/86.


18      Siehe Nr. 3 dieser Schlussanträge.


19      Vgl. Sick, S., „Worker participation in SEs – a workable, albeit imperfect compromise “, in Cremers, J., Stollt, M., und Vitols, S., A decade of experience with the European Company, The European Trade Union Institute, Brüssel 2013, S. 93 bis 106, insbesondere S. 96 und 97.


20      Vgl. Erwägungsgründe 3, 7 und 18 der Richtlinie 2001/86.


21      Vgl. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/86.


22      Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/86.


23      Vgl. Arbeitspapier Nr. 6 der Sachverständigengruppe aus nationalen Sachverständigen und den Sozialreferenten, die von der Kommission als Diskussionsforum über die Modalitäten der Umsetzung der Richtlinie 2001/86 in nationales Recht eingesetzt wurde (im Folgenden: SE‑Sachverständigengruppe), vom 2. Oktober 2002, mit dem Titel „Definition der ‚beteiligten Gesellschaften‘ – Artikel 2 Absatz b“, S. 30 und 31.


24      Vgl. Stollt, M., und Kelemen, M., „A big hit or a flop? A decade of facts and figures on the European Company (SE)“, in Cremers, J., Stollt, M., und Vitols, S., A decade of experience with the European Company (Fn. 19), S. 25 bis 47, insbesondere S. 45 und 46.


25      Vgl. Beschluss I‑3 Wx 248/08 vom 30. März 2009.


26      Vgl. Köstler, R., „SEs in Germany“ , in Cremers, J., Stollt, M., und Vitols, S., A decade of experience with the European Company (Fn. 19), S. 123 bis 131, insbesondere S. 128 und 129.


27      Vgl. Stollt, M., und Wolters, E., Implication des travailleurs dans la Société européenne (SE) Guide pour les acteurs de terrain, The European Trade Union Institute, Brüssel 2013, S. 93.


28      Vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii der Verordnung Nr. 2157/2001.


29      Dies wäre auch bei der Gründung einer Tochter-SE durch beteiligte Gesellschaften ohne Arbeitnehmer der Fall.


30      Vgl. Anhang Teil 1 Buchst. g der Richtlinie 2001/86.


31      Vgl. Davignon-Bericht Rn. 50 und 69, sowie das Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe vom 23. Juni 2003 mit dem Titel „Verfahrensmissbrauch – Artikel 11“ (im Folgenden: Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe), S. 125 und 126.


32      Vgl. Bericht des Europäischen Parlaments vom 21. Juni 2001 über den Entwurf einer Richtlinie des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (A5‑0231/2001), S. 7.


33      Richtlinie des Rates vom 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (ABl. 2003, L 207, S. 25).


34      Vgl. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2003/72.


35      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 124.


36      Vgl. Valdès Dal-Ré, F., Studies on the implementation of Labour Law Directives in the enlarged European Union, Directive 2001/86/EC supplementing the European Company with regard to the involvement of employees, Synthesis report, S. 101 und 102.


37      Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 17. November 2010 über die Anwendung der Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (KOM[2010] 676 endgültig), S. 9.


38      Vgl. den in Fn. 37 dieser Schlussanträge zitierten Bericht, S. 11.


39      Vgl. Mitteilung der Kommission vom 30. September 2008 zur Überprüfung der Richtlinie 2001/86 des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (KOM[2008] 591 endgültig), S. 7.


40      Vgl. die in Fn. 39 der vorliegenden Schlussanträge zitierte Mitteilung, S. 9.


41      Vgl. Cremers, J., Stollt, M., und Vitols, S., A decade of experience with the European Company (Fn. 19), insbesondere die Kapitel 1, 4 und 6 (siehe jeweils Fn. 24, 19 und 26 dieser Schlussanträge).


42      Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2021 zu Demokratie am Arbeitsplatz: europäischer Rahmen für die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer und Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (2021/2005[INI]), Rn. 6 und 10.


43      Vgl. Kurzdarstellungen zur Europäischen Union des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Gesellschaftsrecht“, abrufbar unter der Internetadresse https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/35/le-droit-des-societes.


44      Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2001/86.


45      Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. h und Anhang Teil 1 Buchst. g der Richtlinie 2001/86.


46      Richtlinie des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. 1994, L 254, S. 64).


47      Vgl. Arbeitspapier Nr. 17 der SE‑Sachverständigengruppe vom 23. Juni 2003 mit dem Titel „Inhalt der Vereinbarung – Artikel 4“, S. 113 und 114.


48      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 124‑126.


49      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 124.


50      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 126 und 127.


51      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 125.


52      Vgl. Anhang Teil 3 der Richtlinie 2001/86.


53      Vgl. Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 127.


54      Vgl. Davignon-Bericht, Rn. 50, zitiert im Arbeitspapier Nr. 19 der SE‑Sachverständigengruppe, S. 126.