Language of document : ECLI:EU:C:2024:201

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

5. März 2024(*)

„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe der Europäischen Union – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 4 Abs. 2 – Ausnahmen – Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, beeinträchtigt würde – Überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung – Vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) angenommene harmonisierte Normen – Urheberrechtlicher Schutz – Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit – Grundsatz der Transparenz – Grundsatz der Offenheit – Grundsatz des guten Regierens“

In der Rechtssache C‑588/21 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. September 2021,

Public.Resource.Org Inc. mit Sitz in Sebastopol, Kalifornien (Vereinigte Staaten),

Right to Know CLG mit Sitz in Dublin (Irland),

vertreten durch Rechtsanwälte J. Hackl und C. Nüßing sowie F. Logue, Solicitor,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch S. Delaude, G. Gattinara und F. Thiran als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Europäisches Komitee für Normung (CEN) mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Asociación Española de Normalización (UNE) mit Sitz in Madrid (Spanien),

Asociaţia de Standardizare din România (ASRO) mit Sitz in Bukarest (Rumänien),

Association française de normalisation (AFNOR) mit Sitz in La Plaine Saint-Denis (Frankreich),

Austrian Standards International (ASI) mit Sitz in Wien (Österreich),

British Standards Institution (BSI) mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),

Bureau de normalisation/Bureau voor Normalisatie (NBN) mit Sitz in Brüssel,

Dansk Standard (DS) mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark),

Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN) mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut (NEN) mit Sitz in Delft (Niederlande),

Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) mit Sitz in Winterthur (Schweiz),

Standard Norge (SN) mit Sitz in Oslo (Norwegen),

Suomen Standardisoimisliitto ry (SFS) mit Sitz in Helsinki (Finnland),

Svenska institutet för standarder (SIS) mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Institut za standardizaciju Srbije (ISS) mit Sitz in Belgrad (Serbien),

vertreten durch Rechtsanwältin K. Dingemann sowie Rechtsanwälte M. Kottmann und K. Reiter,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan und N. Piçarra sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi, der Richter I. Jarukaitis, A. Kumin, N. Jääskinen und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele und des Richters J. Passer,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2023,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Juni 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Public.Resource.Org Inc. und die Right to Know CLG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2021, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T‑185/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:445), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 639 final der Kommission vom 22. Januar 2019 (im Folgenden: streitiger Beschluss), mit dem ihr Antrag auf Zugang zu vier vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) erlassenen Normen abgelehnt wurde, abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001

2        In Art. 1 („Zweck“) Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) heißt es:

„Zweck dieser Verordnung ist es:

a)      die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Artikel [15 AEUV] niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates [der Europäischen Union] und der Kommission (nachstehend,Organe‘ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist,

b)      Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Ausübung dieses Rechts aufzustellen …

…“

3        Art. 2 („Zugangsberechtigte und Anwendungsbereich“) Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung lautet:

„(1)      Jeder [Bürger der Europäischen Union] sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

(2)      Die Organe können vorbehaltlich der gleichen Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen allen natürlichen oder juristischen Personen, die keinen Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat haben, Zugang zu Dokumenten gewähren.

(3)      Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.“

4        Art. 4 („Ausnahmeregelung“) Abs. 1, 2 und 4 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

a)      der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf:

–        die öffentliche Sicherheit,

–        die Verteidigung und militärische Belange,

–        die internationalen Beziehungen,

–        die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats;

b)      der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.

(2)      Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

–        der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums,

–        der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

–        der Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(4)      Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf.“

5        Art. 7 („Behandlung von Erstanträgen“) Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt:

„Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen.“

6        In Art. 12 („Direkter Zugang in elektronischer Form oder über ein Register“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 heißt es:

„Insbesondere legislative Dokumente, d. h. Dokumente, die im Laufe der Verfahren zur Annahme von Rechtsakten, die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind, erstellt wurden oder eingegangen sind, sollten vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 direkt zugänglich gemacht werden.“

 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006

7        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 Buchst. d Ziff. i der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

d)      ,Umweltinformationen‘ sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über:

i)      den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen.“

8        In Art. 6 („Anwendung von Ausnahmeregelungen bei Anträgen auf Zugang zu Umweltinformationen“) Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung heißt es:

„Artikel 4 Absatz 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung … Nr. 1049/2001, mit Ausnahme von Untersuchungen, insbesondere solchen, die mögliche Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand haben, wird dahin ausgelegt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, wenn die angeforderten Informationen Emissionen in die Umwelt betreffen. …“

 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006

9        Nr. 27 der Tabelle in Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt in ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 552/2009 der Kommission vom 22. Juni 2009 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1907/2006) sieht in Bezug auf die Bedingungen für die Beschränkung von Nickel vor:

„1.      Darf nicht verwendet werden:

a)      in sämtlichen Stäben, die in durchstochene Ohren oder andere durchstochene Körperteile eingeführt werden, außer wenn die Nickelabgabe aus solchen Stäben unter 0,2 [Mikrogramm (μg)]/cm2/Woche liegt (Migrationslimit);

b)      in Erzeugnissen, die dazu bestimmt sind, unmittelbar und länger mit der Haut in Berührung zu kommen, wie zum Beispiel:

–        Ohrringen,

–        Halsketten, Armbändern und Ketten, Fußringen und Fingerringen,

–        Armbanduhrgehäusen, Uhrarmbändern und Spannern,

–        Nietknöpfen, Spangen, Nieten, Reißverschlüssen und Metallmarkierungen, wenn sie in Kleidungsstücken verwendet werden,

sofern die Nickelfreisetzung von den Teilen dieser Erzeugnisse, die unmittelbar und länger mit der Haut in Berührung kommen, 0,5 μg/cm2/Woche übersteigt;

c)      in den in Buchstabe b aufgeführten Erzeugnissen, die eine Nichtnickelbeschichtung haben, es sei denn, diese Beschichtung reicht aus, um sicherzustellen, dass die Nickelfreisetzung von den Teilen solcher Erzeugnisse, die unmittelbar und länger mit der Haut in Berührung kommen, 0,5 μg/cm2/Woche für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren normaler Verwendung des Erzeugnisses nicht übersteigen.

2.      Erzeugnisse, für die Absatz 1 gilt, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, wenn sie nicht den Bestimmungen dieses Absatzes entsprechen.

3.      Zum Nachweis der Vereinbarkeit der Erzeugnisse mit Absatz 1 und 2 sind als Testmethoden die vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) verabschiedeten Normen zu verwenden.“

 Verordnung (EU) Nr. 1025/2012

10      Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 316, S. 12) lautet:

„Europäische Normen haben für den Binnenmarkt eine ganz wesentliche Bedeutung, beispielsweise aufgrund der Verwendung harmonisierter Normen, verbunden mit der Vermutung der Konformität von Produkten, die auf dem Markt angeboten werden sollen, mit den wesentlichen Anforderungen hinsichtlich jener Produkte, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zur Harmonisierung festgelegt sind. Diese Anforderungen sollten genau festgelegt werden, um falschen Auslegungen durch die europäischen Normungsorganisationen vorzubeugen.“

11      In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nr. 1 Buchst. c dieser Verordnung heißt es:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet

1.      ‚Norm‘ eine von einer anerkannten Normungsorganisation angenommene technische Spezifikation zur wiederholten oder ständigen Anwendung, deren Einhaltung nicht zwingend ist und die unter eine der nachstehenden Kategorien fällt:

c)      ,harmonisierte Norm‘: eine europäische Norm, die auf der Grundlage eines Auftrags der Kommission zur Durchführung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union angenommen wurde“.

12      Art. 10 („Normungsaufträge für europäische Normungsorganisationen“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Die Kommission kann im Rahmen ihrer in den Verträgen festgelegten Befugnisse ein[e] oder mehrere europäische Normungsorganisationen damit beauftragen, innerhalb einer vorgegebenen Frist eine europäische Norm oder ein Dokument der europäischen Normung zu erarbeiten. Europäische Normen und Dokumente der europäischen Normung müssen marktorientiert sein, dem öffentlichen Interesse und den in dem Auftrag der Kommission klar dargelegten politischen Zielen Rechnung tragen und auf Konsens gegründet sein. Die Kommission legt die Anforderungen an den Inhalt des in Auftrag gegebenen Dokuments und einen Termin für dessen Annahme fest.“

13      Art. 11 („Formelle Einwände gegen harmonisierte Normen“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Ist ein Mitgliedstaat oder das Europäische Parlament der Auffassung, dass eine harmonisierte Norm den Anforderungen nicht voll entspricht, die sie abdecken soll und die in den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union festgelegt sind, hat dieser Mitgliedstaat oder das Europäische Parlament die Kommission hiervon unter Beifügung einer ausführlichen Erläuterung in Kenntnis zu setzen, und die Kommission entscheidet nach Konsultation des durch die entsprechenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union eingesetzten Ausschusses, soweit ein solcher Ausschuss besteht, oder nach einer sonstigen Konsultation von Experten des jeweiligen Sektors,

a)      die Fundstellen der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen oder nicht oder nur mit Einschränkungen zu veröffentlichen;

b)      die Fundstellen der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu belassen, mit Einschränkung zu belassen oder zu streichen.“

14      In Art. 15 der Verordnung Nr. 1025/2012 ist geregelt, dass die Union europäischen Normungsorganisationen eventuell eine Finanzierung für Normungstätigkeiten gewähren kann.

 Richtlinie 2009/48/EG

15      Art. 13 („Konformitätsvermutung“) der Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. 2009, L 170, S. 1) lautet:

„Bei Spielzeugen, die mit harmonisierten Normen oder Teilen davon übereinstimmen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, wird eine Konformität mit den Anforderungen nach Artikel 10 und Anhang II vermutet, die von den betreffenden Normen oder Teilen davon abgedeckt sind.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

16      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus den Rn. 1 bis 4 des angefochtenen Urteils ergibt, ist folgende.

17      Die Rechtsmittelführerinnen sind gemeinnützige Organisationen, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, allen Bürgern das Recht frei zugänglich zu machen. Am 25. September 2018 reichten sie bei der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Verordnung Nr. 1367/2006 einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten im Besitz der Kommission (im Folgenden: Antrag auf Zugang) ein.

18      Der Antrag auf Zugang betraf vier vom CEN gemäß der Verordnung Nr. 1025/2012 angenommene harmonisierte Normen, und zwar die Norm EN 71‑5:2015 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 5: Chemisches Spielzeug (Sets) ausgenommen Experimentierkästen“, die Norm EN 71‑4:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 4: Experimentierkästen für chemische und ähnliche Versuche“, die Norm EN 71‑12:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 12: N-Nitrosamine und N-nitrosierbare Stoffe“ und die Norm EN 12472:2005 + A 1:2009 „Simulierte Abrieb- und Korrosionsprüfung zum Nachweis der Nickelabgabe von mit Auflagen versehenen Gegenständen“ (im Folgenden: angeforderte harmonisierte Normen).

19      Mit Schreiben vom 15. November 2018 lehnte die Kommission den Antrag auf Zugang auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ab.

20      Am 30. November 2018 reichten die Rechtsmittelführerinnen gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bei der Kommission einen Zweitantrag ein. Mit dem streitigen Beschluss bestätigte die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten harmonisierten Normen.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

21      Mit Klageschrift, die am 28. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

22      Mit Beschluss vom 20. November 2019, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T‑185/19, EU:T:2019:828), wurden das CEN und 14 nationale Normungsorganisationen, und zwar die Asociación Española de Normalización (UNE), die Asociația de Standardizare din România (ASRO), die Association française de normalisation (AFNOR), die Austrian Standards International (ASI), die British Standards Institution (BSI), das Bureau de normalisation/Bureau voor Normalisatie (NBN), die Dansk Standard (DS), das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN), das Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut (NEN), die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV), die Standard Norge (SN), die Suomen Standardisoimisliitto ry (SFS), das Svenska institutet för standarder (SIS) und das Institut za standardizaciju Srbije (ISS) (im Folgenden zusammen: Streithelfer im ersten Rechtszug) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission in der Rechtssache T‑185/19 zugelassen.

23      Sie stützten ihre Klage auf zwei Gründe. Mit ihrem ersten Klagegrund machten sie im Wesentlichen geltend, die Kommission habe bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme Rechts- und Beurteilungsfehler begangen, weil zum einen die angeforderten harmonisierten Normen nicht urheberrechtlich geschützt seien und zum anderen keine Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder nachgewiesen worden sei.

24      Mit ihrem zweiten Klagegrund warfen die Rechtsmittelführerinnen der Kommission vor, Rechtsfehler in Bezug auf das fehlende überwiegende öffentliche Interesse im Sinne dieses Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz begangen zu haben und gegen die Begründungspflicht verstoßen zu haben, da sie davon ausgegangen sei, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne dieser Bestimmung an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe, und da sie ihre Weigerung, das Bestehen eines solchen überwiegenden öffentlichen Interesses anzuerkennen, nicht ausreichend begründet habe.

25      In Beantwortung des ersten Klagegrundes wies das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 der Öffentlichkeit ein Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane gewähren solle und dass sich dieses Recht gemäß Art. 2 Abs. 3 dieser Verordnung sowohl auf die von diesen Organen erstellten Dokumente als auch auf solche erstrecke, die die Organe von Dritten erhalten hätten, und stellte in den Rn. 30 und 31 fest, dass dieses Recht aufgrund öffentlicher oder privater Interessen gewissen Einschränkungen unterliege.

26      Als Erstes war das Gericht, was eine eventuelle Beeinträchtigung des Schutzes der geschäftlichen Interessen durch ein Urheberrecht an den angeforderten harmonisierten Normen und die Frage betrifft, ob diese urheberrechtlich geschützt sein könnten, obwohl sie zum Unionsrecht gehörten, in den Rn. 40 bis 43 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen der Auffassung, dass es Sache der mit einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten Dritter befassten Behörde sei, objektive und übereinstimmende Indizien zu ermitteln, die geeignet seien, das Bestehen des vom betroffenen Dritten behaupteten Urheberrechts zu bestätigen.

27      Hierzu entschied das Gericht in den Rn. 47 und 48 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission rechtsfehlerfrei davon habe ausgehen können, dass die in Rede stehenden harmonisierten Normen im vorliegenden Fall die erforderliche Originalitätsschwelle erreichten, um ein „Werk“ im Sinne der Rechtsprechung darzustellen und somit für diesen Schutz in Betracht zu kommen.

28      Außerdem wies das Gericht in Rn. 54 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen als unzutreffend zurück, wonach angesichts der vom Gerichtshof im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), getroffenen Feststellung, dass diese Normen Teil des „Unionsrechts“ seien, der Zugang zu ihnen frei und unentgeltlich sein müsse, so dass für sie keine Ausnahmen vom Recht auf Zugang gälten.

29      Als Zweites führte das Gericht in Rn. 59 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen aus, das Vorbringen, die angeforderten harmonisierten Normen seien nicht urheberrechtlich geschützt, da keine „persönliche geistige Schöpfung“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliege, die für einen solchen Schutz erforderlich sei, sei nicht ausreichend untermauert.

30      Als Drittes führte das Gericht zum Vorliegen eines Beurteilungsfehlers in Bezug auf die Frage, ob geschützte geschäftliche Interessen beeinträchtigt worden seien, in den Rn. 65 und 66 des angefochtenen Urteils aus, dass der Verkauf von Normen ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftsmodells aller Normungsorganisationen sei. Da die Kommission zu Recht festgestellt habe, dass die angeforderten harmonisierten Normen urheberrechtlich geschützt seien, weswegen sie interessierten Kreisen nur gegen Zahlung bestimmter Entgelte zugänglich gewesen seien, hätte eine kostenlose Verbreitung dieser Normen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 die geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder konkret und tatsächlich beeinträchtigen können. In Rn. 71 fügte das Gericht hinzu, der Umstand, dass die europäischen Normungsorganisationen zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben beitrügen, indem sie Zertifizierungsdienstleistungen in Bezug auf die Einhaltung der anwendbaren Rechtsvorschriften erbrächten, ändere nichts an ihrem Status als private Einrichtungen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten.

31      Infolgedessen wies das Gericht in Rn. 74 des angefochtenen Urteils den ersten Klagegrund insgesamt zurück.

32      Der zweite Klagegrund der Rechtsmittelführerinnen gliederte sich in drei Teile.

33      Zum dritten Teil des Klagegrundes, mit dem eine unzureichende Begründung der Weigerung der Kommission, das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses anzuerkennen, gerügt wurde, stellte das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils zunächst fest, dass die Kommission im streitigen Beschluss darauf hingewiesen habe, dass das Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), keine Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung der harmonisierten Normen im Amtsblatt der Europäischen Union begründe und auch nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung belege. In den Rn. 87 und 88 des angefochtenen Urteils führte das Gericht aus, dass die Kommission dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu den Transparenzpflichten in Umweltangelegenheiten, wonach davon auszugehen sei, dass an der Einhaltung dieser Pflichten ein öffentliches Interesse bestehe, das das Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person überwiege, entgegengetreten sei und dass die Kommission hinzugefügt habe, sie habe kein überwiegendes öffentliches Interesse erkennen können, das eine solche Verbreitung rechtfertigen würde. Schließlich entschied das Gericht in Rn. 91 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission zwar die Gründe darzulegen habe, die im Einzelfall die Anwendung einer der von der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen vom Recht auf Zugang rechtfertigten, aber nicht verpflichtet sei, Auskünfte zu erteilen, die über das hinausgingen, was für den Antragsteller zum Verständnis der Gründe ihrer Beschlüsse und für das Gericht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses erforderlich sei.

34      In Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das den freien Zugang zum Gesetz erfordere, stellte das Gericht in den Rn. 99 bis 101 des angefochtenen Urteils erstens fest, im vorliegenden Fall versuchten die Rechtsmittelführerinnen, die Kategorie der harmonisierten Normen von der Anwendbarkeit des mit der Verordnung Nr. 1049/2001 eingeführten Systems materieller Ausnahmen vollständig auszuschließen, ohne jedoch die konkreten Gründe zu substantiieren, die die Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen rechtfertigten, und ohne zu erläutern, inwiefern die Verbreitung dieser Normen Vorrang vor dem Schutz der geschäftlichen Interessen des CEN oder seiner nationalen Mitglieder haben müsse.

35      Zweitens habe das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines funktionierenden europäischen Normungssystems, dessen Ziel es sei, den freien Warenverkehr zu fördern und zugleich ein gleichwertiges Sicherheitsniveau in allen europäischen Ländern zu gewährleisten, Vorrang vor der Gewährleistung des freien und unentgeltlichen Zugangs zu den harmonisierten Normen.

36      Drittens sehe die Verordnung Nr. 1025/2012 ausdrücklich ein System der Veröffentlichung vor, das auf die Fundstellen der harmonisierten Normen beschränkt sei, und erlaube den Personen, die in den Genuss der mit diesen Normen verbundenen Konformitätsvermutung kommen möchten, den kostenpflichtigen Zugang zu diesen Normen.

37      Viertens entschied das Gericht in den Rn. 104 und 105 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission im streitigen Beschluss rechtsfehlerfrei die Auffassung vertreten habe, dass an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 bestehe. In Rn. 107 fügte das Gericht hinzu, dass die Rechtsmittelführerinnen abgesehen davon, dass sie nicht genau angegeben hätten, woraus sich ein „Verfassungsgrundsatz“ ergeben solle, der einen freien und unentgeltlichen Zugang zu den harmonisierten Normen erfordere, in keiner Weise begründeten, weshalb diese Normen dem Gebot der Publizität und Zugänglichkeit eines „Gesetzes“ unterworfen werden sollten, obwohl diese Normen nicht verbindlich seien, die mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen nur gegenüber den betroffenen Personen entfalteten und in bestimmten Bibliotheken der Mitgliedstaaten kostenlos eingesehen werden könnten.

38      Zum Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses aufgrund einer Verpflichtung zur Transparenz in Umweltangelegenheiten stellte das Gericht in Rn. 119 des angefochtenen Urteils fest, sowohl das am 25. Juni 1998 in Århus unterzeichnete und im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) genehmigte Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten als auch die Verordnung Nr. 1367/2006 sähen einen Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen entweder auf Antrag oder im Rahmen einer aktiven Verbreitung durch die betreffenden Behörden und Organe vor. Soweit diese Behörden oder Organe einen Antrag auf Zugang zu Informationen ablehnen dürften, wenn dieser in den Anwendungsbereich bestimmter Ausnahmen falle, seien sie jedoch nicht zur aktiven Verbreitung dieser Information verpflichtet.

39      Das Gericht kam in Rn. 129 des Urteils zu dem Ergebnis, dass die angeforderten harmonisierten Normen nicht in den Bereich der Informationen betreffend Emissionen in die Umwelt fielen und daher die Vermutung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung, nach der an der Verbreitung von Normen dieser Art ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestehe, nicht auf sie angewendet werden könne.

40      Infolgedessen wies das Gericht in Rn. 130 des angefochtenen Urteils den zweiten Klagegrund insgesamt zurück und die Klage ab.

 Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

41      Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben und Zugang zu den angeforderten harmonisierten Normen zu gewähren;

–        hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42      Die Kommission und die Streithelfer im ersten Rechtszug beantragen,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

43      Mit Schriftsatz, der am 17. August 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben die Streithelfer im ersten Rechtszug gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

44      Zur Stützung ihres Antrags haben sie vorgetragen, dass die Schlussanträge der Generalanwältin vom 22. Juni 2023 auf zahlreichen nicht durch Tatsachen untermauerten oder sogar falschen Annahmen beruhten, die zumindest einer weiter gehenden Erörterung bedürften. Eine vertiefte Diskussion sei umso mehr erforderlich, als sich die Generalanwältin auf unrichtige Annahmen gestützt habe und der Ansatz, dem sie in ihren Schlussanträgen gefolgt sei – insbesondere der, wonach „das Normungssystem der Union … keinen bezahlten Zugang zu [harmonisierten technischen Normen] erfordert“ –, eine Gefahr für das Funktionieren dieses Systems begründe.

45      Der Gerichtshof kann gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.

46      Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Streithelfer im ersten Rechtszug und die Kommission haben in der mündlichen Verhandlung dargelegt, wie sie den tatsächlichen Rahmen des Rechtsstreits beurteilen. Sie haben u. a. Gelegenheit gehabt, ihre Sicht auf den Sachverhalt, wie er im angefochtenen Urteil und dem Rechtsmittel dargestellt wird, zum Ausdruck zu bringen sowie die Gründe darzulegen, weshalb ihrer Ansicht nach das europäische Normungssystem einen zahlungspflichtigen Zugang zu den angeforderten harmonisierten Normen erfordert. Der Gerichtshof ist daher nach Anhörung der Generalanwältin der Auffassung, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt.

47      Darüber hinaus ist hinsichtlich des Vorbringens, die Schlussanträge der Generalanwältin enthielten Ansätze, die eine Gefahr für das Funktionieren des europäischen Normungssystems darstellten, darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo, C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Nach Art. 252 Abs. 2 AEUV hat der Generalanwalt nämlich die Aufgabe, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist dabei weder an die Schlussanträge des Generalanwalts noch an ihre Begründung gebunden. Dass eine Partei mit den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 4. September 2014, Vnuk, C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Aufgrund dieser Erwägungen sieht der Gerichtshof keine Veranlassung für die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens.

 Zum Rechtsmittel

50      Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen die Rechtsmittelführerinnen zwei Rechtsmittelgründe geltend. Erstens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, die angeforderten harmonisierten Normen fielen unter die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums. Zweitens wird ein Rechtsfehler im Hinblick auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz an der Verbreitung dieser Normen gerügt.

51      Es ist zunächst der zweite Rechtsmittelgrund zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

52      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es entschieden habe, an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001.

53      Als Erstes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht im Wesentlichen vor, in den Rn. 98 bis 101 des angefochtenen Urteils festgestellt zu haben, sie hätten nicht die besonderen Gründe dargelegt, die ihren Antrag auf Zugang aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen rechtfertigten.

54      Hierzu tragen sie vor, die angeforderten harmonisierten Normen seien Teil des Unionsrechts, das frei zugänglich sein müsse. Diese Normen beträfen für die Verbraucher grundlegende Fragen, nämlich die Sicherheit von Spielzeug. Solche Normen seien auch für die Hersteller und alle anderen an der Lieferkette Beteiligten von Bedeutung, da eine Vermutung der Konformität mit den für die betreffenden Waren geltenden Unionsvorschriften bestehe, wenn die von diesen Normen vorgesehenen Anforderungen eingehalten würden.

55      Als Zweites werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, in den Rn. 102 und 103 des angefochtenen Urteils dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es festgestellt habe, das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines funktionierenden europäischen Normungssystems habe Vorrang vor der Gewährleistung des freien und unentgeltlichen Zugangs zu den harmonisierten Normen.

56      Darüber hinaus falle die Funktionsfähigkeit des europäischen Normungssystems nicht unter die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, die nur den Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, betreffe. Durch die Annahme, dass das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines funktionierenden europäischen Normungssystems unter diese Bestimmung falle, habe das Gericht irrigerweise eine von dieser Verordnung nicht vorgesehene Ausnahme geschaffen.

57      Als Drittes werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, in den Rn. 104 und 105 des angefochtenen Urteils dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es die Beurteilung der Kommission bestätigt habe, wonach das Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), keine Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung der harmonisierten Normen im Amtsblatt der Europäischen Union begründe und auch nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung belege.

58      Die angeforderten harmonisierten Normen müssten als legislative Dokumente betrachtet werden, da es sich bei dem Verfahren zu ihrem Erlass um einen Fall „kontrollierter“ Delegation von Normung handele. Insbesondere würden die Fundstellen solcher Normen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, und die Kommission verlange von den Mitgliedstaaten, jede harmonisierte Norm innerhalb einer Frist von sechs Monaten ohne Änderung als nationale Norm zu erlassen. Außerdem habe die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union die Wirkung, dass bei den von den Unionsvorschriften erfassten Waren, die die in den harmonisierten Normen festgelegten technischen Anforderungen erfüllten, die Konformität mit den Unionsvorschriften vermutet werde.

59      Als Viertes rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Rechtsfehler in den Ausführungen des Gerichts in Rn. 107 des angefochtenen Urteils, wonach die harmonisierten Normen die mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen nur gegenüber den betroffenen Personen entfalteten. Diese Schlussfolgerung laufe der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwider, wonach harmonisierte Normen Teil des Unionsrechts seien.

60      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer im ersten Rechtszug, erwidert zunächst, das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen sei derart allgemein, dass es auf jeden Antrag auf Verbreitung einer harmonisierten Norm anwendbar sein könne.

61      In Bezug auf die von den Rechtsmittelführerinnen konkret geltend gemachten Gründe trägt die Kommission erstens vor, die angeforderten harmonisierten Normen seien zwar tatsächlich Teil des Unionsrechts, dies bedeute aber nicht, dass sie frei zugänglich sein müssten. Zweitens sei das Vorbringen, wonach diese Normen für die Verbraucher grundlegende Fragen beträfen, zu allgemein, um Vorrang vor den Gründen zu haben, die die Verweigerung der Verbreitung der fraglichen Dokumente rechtfertigten. Drittens könne das Interesse, das die harmonisierten Normen für die Hersteller und die anderen Teilnehmer an der Lieferkette für ihren Zugang zum Binnenmarkt darstellten, nicht als überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung dieser Normen eingestuft werden.

62      Darüber hinaus habe ein freier und unentgeltlicher Zugang zu harmonisierten Normen systemische Wirkungen auf die Streithelfer im ersten Rechtszug, ihre Rechte am geistigen Eigentum und ihre gewerblichen Einkünfte. Das europäische Normungssystem könne ohne entgeltlichen Zugang zu diesen Normen nicht funktionieren, so dass die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 anwendbar sei. Jedenfalls bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung dieser Normen.

63      Schließlich würden die harmonisierten Normen nicht im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren ausgearbeitet, sondern auf der Grundlage eines Auftrags, den die Kommission einer Normungsorganisation nach Erlass eines Gesetzgebungsakts erteile. Überdies müssten die harmonisierten Normen, nachdem sie von einer Normungsorganisation angenommen worden seien, von den nationalen Mitgliedern dieser Organisation in ihre nationalen Rechtsordnungen gemäß den internen Verfahrensvorschriften dieser Organisation umgesetzt werden. Jedenfalls unterliege der in Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene direkte Zugang auch der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich dieser Verordnung.

64      Daher ist der zweite Rechtsmittelgrund nach Ansicht der Kommission zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

65      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es entschieden habe, an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001. Ihrer Ansicht nach besteht nach dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, der freien Zugang zum Unionsrecht verlange, ein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Zugang zu diesen Normen für alle natürlichen oder juristischen Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat, da diese Normen Teil des Unionsrechts seien.

66      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Recht jedes Unionsbürgers sowie jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger, in Art. 15 Abs. 3 AEUV sowie Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gewährleistet wird. Was den Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission betrifft, wird die Ausübung dieses Rechts durch die Verordnung Nr. 1049/2001 geregelt, deren Zweck gemäß ihrem Art. 1 u. a. darin besteht, „die Grundsätze und Bedingungen sowie … die Einschränkungen für die Ausübung“ dieses Rechts „so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist“, und „Regeln zur Sicherstellung einer möglichst einfachen Ausübung dieses Rechts aufzustellen“.

67      Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung sieht speziell ein Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vor. Nach Art. 2 Abs. 2 können die Organe vorbehaltlich dieser Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen allen natürlichen oder juristischen Personen, die keinen Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat haben, Zugang zu Dokumenten gewähren.

68      Gemäß Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

69      Dieser Bestimmung ist somit zu entnehmen, dass die in ihr vorgesehene Ausnahme nicht anwendbar ist, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des betreffenden Dokuments besteht.

70      In diesem Zusammenhang ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass eine harmonisierte Norm, die auf der Grundlage einer Richtlinie angenommen wurde und deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, aufgrund ihrer Rechtswirkungen Teil des Unionsrechts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 40).

71      Insbesondere hat der Gerichtshof erstens entschieden, dass harmonisierte Normen den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 48).

72      Zweitens ist das Verfahren zur Ausarbeitung harmonisierter Normen vom Unionsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1025/2012 festgelegt worden und die Kommission spielt gemäß den Bestimmungen in Kapitel III dieser Verordnung eine zentrale Rolle im europäischen Normungssystem.

73      Wie die Generalanwältin in den Nrn. 23 bis 31 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wird mit der Ausarbeitung dieser Normen zwar eine privatrechtliche Einrichtung betraut, aber nur die Kommission ist befugt, den Auftrag zu erteilen, eine harmonisierte Norm zur Umsetzung einer Richtlinie oder einer Verordnung auszuarbeiten. Nach Art. 10 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1025/2012 legt sie die Anforderungen an den Inhalt des in Auftrag gegebenen Dokuments und einen Termin für dessen Annahme fest. Überwacht wird diese Ausarbeitung von der Kommission, die gemäß Art. 15 dieser Verordnung auch eine Finanzierung zur Verfügung stellt. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung entscheidet sie, die Fundstellen der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen oder nicht oder nur mit Einschränkungen zu veröffentlichen.

74      Obwohl die Einhaltung harmonisierter Normen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1025/2012 nicht zwingend ist, wird drittens für Produkte, die diese Normen einhalten, die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen hinsichtlich jener Produkte vermutet, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zur Harmonisierung festgelegt sind, wie aus dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung hervorgeht. Die von diesen Vorschriften verliehene Rechtswirkung stellt eines der wesentlichen Merkmale dieser Normen dar und macht sie zu einem Werkzeug, das für die Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die Ausübung des Rechts auf freien Verkehr von Waren oder Dienstleistungen auf dem Unionsmarkt von wesentlicher Bedeutung ist.

75      Insbesondere kann es sich für die Wirtschaftsteilnehmer wegen der administrativen Schwierigkeiten und der sich daraus ergebenden zusätzlichen Kosten als schwierig oder gar unmöglich erweisen, auf ein anderes Verfahren als das der Konformität mit diesen Vorschriften wie etwa ein individuelles Gutachten zurückzugreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Fra.bo, C‑171/11, EU:C:2012:453, Rn. 29 und 30).

76      Wenn eine Unionsvorschrift vorsieht, dass die Einhaltung einer harmonisierten Norm dazu führt, dass die Konformität mit den wesentlichen Anforderungen dieser Vorschrift vermutet wird, bedeutet dies folglich, wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, dass jede natürliche oder juristische Person, die diese Vermutung in Bezug auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung erfolgreich anfechten möchte, nachweisen muss, dass das Produkt oder die Dienstleistung die Norm nicht erfüllt oder die Norm unzulänglich ist.

77      Im vorliegenden Fall nehmen drei der vier angeforderten harmonisierten Normen, nämlich die Norm EN 71‑5:2015 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 5: Chemisches Spielzeug (Sets) ausgenommen Experimentierkästen“, die Norm EN 71‑4:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 4: Experimentierkästen für chemische und ähnliche Versuche“, und die Norm EN 71‑12:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 12: N-Nitrosamine und N-nitrosierbare Stoffe“ auf die Richtlinie 2009/48 Bezug. Ihre Fundstellen wurden am 13. November 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2015, C 378, S. 1). Gemäß Art. 13 dieser Richtlinie wird für Spielzeug, das unter Einhaltung dieser Normen hergestellt wurde, die Konformität mit den Anforderungen vermutet, die von den betreffenden Normen abgedeckt sind.

78      Die Norm EN 12472:2005 + A 1:2009 „Simulierte Abrieb- und Korrosionsprüfung zum Nachweis der Nickelabgabe von mit Auflagen versehenen Gegenständen“ nimmt auf die Verordnung Nr. 1907/2006 Bezug.

79      Obwohl, wie Rn. 74 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, die Einhaltung harmonisierter Normen allgemein nicht zwingend ist, ist diese Norm im vorliegenden Fall offensichtlich zwingend, da die Verordnung Nr. 1907/2006 in Nr. 27 Abs. 3 der Tabelle ihres Anhangs XVII in Bezug auf Nickel vorsieht, dass zum Nachweis der Vereinbarkeit der Erzeugnisse mit den Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift die vom CEN verabschiedeten Normen als Testmethoden zu verwenden sind.

80      Nach alledem ist gemäß der in Rn. 70 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass die angeforderten harmonisierten Normen Teil des Unionsrechts sind.

81      Als Zweites sieht, wie die Generalanwältin in Nr. 52 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, Art. 2 EUV vor, dass sich die Union auf den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gründet, der einen freien Zugang zum Unionsrecht für alle natürlichen und juristischen Personen der Union sowie die Möglichkeit für den Einzelnen verlangt, seine Rechte und Pflichten eindeutig erkennen zu können (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser freie Zugang muss es jeder durch ein Gesetz geschützten Person insbesondere ermöglichen, in den Grenzen des rechtlich Zulässigen zu überprüfen, ob die Adressaten der von diesem Gesetz aufgestellten Regeln diesen tatsächlich nachkommen.

82      Eine harmonisierte Norm kann somit durch die Wirkungen, die ihr eine Unionsvorschrift verleiht, Einzelnen eingeräumte Rechte sowie ihnen obliegende Pflichten näher bestimmen, und diese näheren Bestimmungen können erforderlich sein, damit der Einzelne prüfen kann, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung tatsächlich die Anforderungen einer solchen Vorschrift erfüllt.

83      Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Transparenz untrennbar mit dem Grundsatz der Offenheit verbunden ist, der in Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 EUV, in Art. 15 Abs. 1 und Art. 298 Abs. 1 AEUV sowie in Art. 42 der Charta verankert ist. Er gewährleistet u. a. eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Zu diesem Zweck garantiert Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV ein Recht auf Zugang zu Dokumenten, das außerdem in Art. 42 der Charta verankert ist; dieses Recht wurde u. a. durch die Verordnung Nr. 1049/2001 umgesetzt, deren Art. 2 Abs. 3 vorsieht, dass sie für alle Dokumente gilt, die sich im Besitz des Parlaments, des Rates oder der Kommission befinden (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 36).

85      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 besteht.

86      Daher hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 104 und 105 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne dieser Bestimmung an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe.

87      Folglich ist dem zweiten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass der erste Rechtsmittelgrund geprüft zu werden braucht.

 Zur Klage vor dem Gericht

88      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, kann ihn der Gerichtshof selbst endgültig entscheiden. Dies ist hier der Fall.

89      Wie aus den Rn. 65 bis 87 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hätte die Kommission in dem streitigen Beschluss das Bestehen eines sich aus den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, der Transparenz, der Offenheit und des guten Regierens ergebenden überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen anerkennen müssen, da diese aufgrund ihrer Rechtswirkungen Teil des Unionsrechts sind.

90      Daher ist der streitige Beschluss für nichtig zu erklären.

 Kosten

91      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

92      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

93      Da die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten beantragt haben und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr sowohl die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug als auch die des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

94      Gemäß Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung können einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, wenn sie das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, im Rechtsmittelverfahren Kosten nur dann auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat. Nimmt eine solche Partei am Verfahren teil, so kann der Gerichtshof ihr ihre eigenen Kosten auferlegen. Da die Streithelfer im ersten Rechtszug am schriftlichen und am mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen haben, sind ihnen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil vom 14. Juli 2021, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T185/19, EU:T:2021:445), wird aufgehoben.

2.      Der Beschluss C(2019) 639 final der Kommission vom 22. Januar 2019 wird für nichtig erklärt.

3.      Die Europäische Kommission trägt sowohl die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht der Europäischen Union als auch die des Rechtsmittelverfahrens.

4.      Das Europäische Komitee für Normung (CEN), die Asociación Española de Normalización (UNE), die Asociația de Standardizare din România (ASRO), die Association française de normalisation (AFNOR), die Austrian Standards International (ASI), die British Standards Institution (BSI), das Bureau de normalisation/Bureau voor Normalisatie (NBN), die Dansk Standard (DS), das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN), das Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut (NEN), die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV), die Standard Norge (SN), die Suomen Standardisoimisliitto ry (SFS), das Svenska institutet för standarder (SIS) und das Institut za standardizaciju Srbije (ISS) tragen ihre eigenen Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug sowie des Rechtsmittelverfahrens.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.