Language of document : ECLI:EU:C:2022:1014

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

22. Dezember 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Art. 86 Abs. 1 – Begriff ‚Werbung für Arzneimittel‘ – Art. 87 Abs. 3 – Zweckmäßiger Einsatz von Arzneimitteln – Art. 90 – Verbotene Werbeelemente – Werbung für Arzneimittel, die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind – Preisbezogene Werbung – Werbung für Sonderangebote – Werbung für kombinierte Verkäufe – Verbot“

In der Rechtssache C‑530/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Latvijas Republikas Satversmes tiesa (Verfassungsgericht, Lettland) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2020, in dem Verfahren

„EUROAPTIEKA“ SIA,

Beteiligter:

Ministru kabinets,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten D. Gratsias und der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún, der Richter J.‑C. Bonichot, S. Rodin, F. Biltgen, M. Gavalec und Z. Csehi sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der „EUROAPTIEKA“ SIA, vertreten durch M. Pētersons, Advokāts,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch A. Dimitrakopoulou und V. Karra als Bevollmächtigte,

–        der lettischen Regierung, vertreten durch K. Pommere, I. Romanovska und V. Soņeca als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Dezember 2021,

auf den Beschluss vom 2. März 2022 über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der „EUROAPTIEKA“ SIA, vertreten durch M. Pētersons, Advokāts,

–        der lettischen Regierung, vertreten durch J. Davidoviča und I. Romanovska als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der ergänzenden Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juni 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 86 Abs. 1, Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. 2004, L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

2        Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das von der „EUROAPTIEKA“ SIA, einer Gesellschaft mit Sitz in Lettland, die eine pharmazeutische Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausübt, eingeleitet wurde, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer nationalen Vorschrift geht, die bestimmte Formen der Arzneimittelwerbung verbietet.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 2 und 45 der Richtlinie 2001/83 lauten:

„(2)      Alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln müssen in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten.

(45)      Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden können, könnte sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken, wenn sie übertrieben und unvernünftig ist. Die Werbung muss, wenn sie erlaubt wird, bestimmten Anforderungen genügen, die festgelegt werden müssen.“

4        Titel VIII („Werbung“) dieser Richtlinie enthält die Art. 86 bis 88, ihr Titel VIIIa („Information und Werbung“) die Art. 88a bis 100.

5        Art. 86 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Im Sinne dieses Titels gelten als ‚Werbung für Arzneimittel‘ alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern; sie umfasst insbesondere:

–        die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel,

(2)      Dieser Titel betrifft nicht

–        die Etikettierung und die Packungsbeilage, die den Bestimmungen des Titels V unterliegen,

–        den Schriftwechsel und gegebenenfalls alle Unterlagen, die nicht Werbezwecken dienen und die zur Beantwortung einer konkreten Anfrage über ein bestimmtes Arzneimittel erforderlich sind,

–        die konkreten Angaben und die Unterlagen, die beispielsweise Änderungen der Verpackung, Warnungen vor unerwünschten Nebenwirkungen im Rahmen der Arzneimittelüberwachung sowie Verkaufskataloge und Preislisten betreffen, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthalten,

–        Informationen über die Gesundheit oder Krankheiten des Menschen, sofern darin nicht, auch nicht in indirekter Weise, auf ein Arzneimittel Bezug genommen wird.“

6        Art. 87 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten untersagen die Werbung für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erteilt worden ist.

(2)      Alle Elemente der Arzneimittelwerbung müssen mit den Angaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels vereinbar sein.

(3)      Die Arzneimittelwerbung

–        muss einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt;

–        darf nicht irreführend sein.“

7        Art. 88 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten verbieten die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die

a)      gemäß Titel VI nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen,

b)      psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe im Sinne internationaler Übereinkommen, wie die Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 und 1971, enthalten.

(2)      Für Arzneimittel, die nach ihrer Zusammensetzung und Zweckbestimmung so beschaffen und konzipiert sind, dass sie ohne Tätigwerden eines Arztes für die Diagnose, Verschreibung oder Überwachung der Behandlung, erforderlichenfalls nach Beratung durch den Apotheker, verwendet werden können, kann Öffentlichkeitswerbung erfolgen.

(3)      Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, in ihrem Gebiet die Öffentlichkeitswerbung für erstattungsfähige Arzneimittel zu untersagen.“

8        Art. 89 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet des Artikels 88 muss jede Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel

b)      mindestens folgende Angaben enthalten:

–        den Namen des Arzneimittels sowie die gebräuchliche Bezeichnung, wenn das Arzneimittel nur einen Wirkstoff enthält;

…“

9        Art. 90 der Richtlinie lautet:

„Die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel darf keine Elemente enthalten, die

a)      eine ärztliche Untersuchung oder einen chirurgischen Eingriff als überflüssig erscheinen lassen, insbesondere dadurch, dass sie eine Diagnose anbieten oder eine Behandlung auf dem Korrespondenzwege empfehlen;

b)      nahe legen, dass die Wirkung des Arzneimittels ohne Nebenwirkungen garantiert wird oder einer anderen Behandlung oder einem anderen Arzneimittel entspricht oder überlegen ist;

c)      nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten durch die Verwendung des Arzneimittels verbessert werden könnte;

d)      nahe legen, dass die normale gute Gesundheit des Patienten im Falle der Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt werden könnte; dieses Verbot gilt nicht für Impfkampagnen im Sinne von Artikel 88 Absatz 4;

e)      ausschließlich oder hauptsächlich für Kinder gelten;

f)      sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder von Personen beziehen, die weder Wissenschaftler noch im Gesundheitswesen tätige Personen sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können;

g)      das Arzneimittel einem Lebensmittel, einem kosmetischen Mittel oder anderen Gebrauchsgütern gleichsetzen;

h)      nahe legen, die Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels sei darauf zurückzuführen, dass es sich um ein Naturprodukt handle;

i)      durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung der Anamnese zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten könnten;

j)      sich in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen;

k)      in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise bildliche Darstellungen der Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen oder der Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwenden.“

 Lettisches Recht

10      Ziff. 18.12 des Ministru kabineta noteikumi Nr. 378 „Zāļu reklamēšanas kārtība un kārtība, kādā zāļu ražotājs ir tiesīgs nodot ārstiem bezmaksas zāļu paraugus“ (Verordnung Nr. 378 des Ministerrats über Modalitäten der Werbung für Arzneimittel und Modalitäten, nach denen Arzneimittelhersteller berechtigt sind, Gratismuster von Arzneimitteln an Ärzte abzugeben) vom 17. Mai 2011 (Latvijas Vēstnesis, 2011, Nr. 78) (im Folgenden: Verordnung Nr. 378) bestimmt:

„An die Öffentlichkeit gerichtete Werbung für Arzneimittel darf keine Informationen enthalten, die … den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      EUROAPTIEKA ist Teil einer Unternehmensgruppe, der in Lettland eine Apothekenkette und Gesellschaften für den Arzneimittel-Einzelhandel gehören. Nach lettischem Recht sind Apotheken berechtigt, auch andere Gesundheitsprodukte als Arzneimittel zu vertreiben.

12      Im März 2016 kündigte EUROAPTIEKA auf ihrer Website und in ihrer Monatszeitung einen Aktionsverkauf an, der einen Preisnachlass von 15 % für den Kauf eines beliebigen Arzneimittels vorsah, wenn mindestens drei Artikel gekauft würden. Mit Entscheidung vom 1. April 2016 untersagte die Veselības inspekcijas Zāļu kontroles nodaļa (Arzneimittelkontrolldienst der Gesundheitsaufsichtsbehörde, Lettland) gemäß Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 EUROAPTIEKA die Verbreitung der mit diesem Aktionsverkauf in Zusammenhang stehenden Werbung.

13      Am 8. Januar 2020 erhob EUROAPTIEKA Verfassungsbeschwerde gegen diese Vorschrift bei der Latvijas Republikas Satversmes tiesa (Verfassungsgericht, Lettland), dem vorlegenden Gericht. Zur Stützung dieser Beschwerde machte EUROAPTIEKA u. a. geltend, dass diese Vorschrift nicht nur für die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel gelte, sondern für die Werbung für Arzneimittel im Allgemeinen. Dagegen gälten die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83, die mit dem Dekret Nr. 378 umgesetzt werden sollten, nicht für jede Werbung für den Arzneimittelsektor oder für Arzneimittel im Allgemeinen, sondern nur für die Werbung für bestimmte Arzneimittel. Diese Richtlinie nehme aber eine vollständige Harmonisierung im Bereich der Arzneimittelwerbung vor und hindere daher die Mitgliedstaaten daran, in ihren Rechtsvorschriften zusätzliche Regeln zur Beschränkung dieser Werbung festzulegen. Mit dem Erlass von Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 habe der Ministerrat die Liste der verbotenen Werbeelemente in Art. 90 der Richtlinie 2001/83 ergänzt und damit gegen Art. 288 Abs. 3 AEUV verstoßen.

14      Der Ministerrat war der Ansicht, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ in Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 weit auszulegen sei und dass das Verbot jeder Werbung, die nicht dem Erfordernis nach Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie genüge, wonach die Werbung für ein Arzneimittel dessen zweckmäßigen Einsatz fördern müsse, nicht nur für ein bestimmtes Arzneimittel gelte, sondern auch allgemein für jedes Arzneimittel. Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 sei mit dem Ziel erlassen worden, den unzweckmäßigen Einsatz von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der sich aus einer preisbezogenen Werbung für solche Arzneimittel ergeben könne, zu verringern. Die strengeren Anforderungen dieser nationalen Bestimmung beruhten somit auf der im 45. Erwägungsgrund der Richtlinie bekräftigten Notwendigkeit, die öffentliche Gesundheit vor den Gefahren übertriebener und unvernünftiger Werbung zu schützen. Die nationale Vorschrift stehe daher im Einklang mit der Richtlinie.

15      Das vorlegende Gericht sieht Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 als Regelung der Arzneimittelwerbung im Sinne der Richtlinie 2001/83 an und ist der Ansicht, dass die Richtlinie eine Regelung wie die in dieser nationalen Vorschrift enthaltene gestatten könne, wenn sie mit den Zielen dieser Richtlinie im Einklang stehe. Es fragt sich jedoch nach der Auslegung von Art. 86 Abs. 1, Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 dieser Richtlinie.

16      Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ in Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sehr weit auszulegen sei, und zwar im Hinblick auf das Werbeziel der in Rede stehenden Aussage. Aus dem Wortlaut von Art. 89 Abs. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Richtlinie, wonach jede Werbung für ein Arzneimittel die Angabe des Namens dieses Arzneimittels enthalten muss, könne jedoch geschlossen werden, dass nur die Werbung für bestimmte identifizierbare Arzneimittel als „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sei. Wäre dies der Fall, fielen die Tätigkeiten im Sinne von Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 möglicherweise nicht unter diesen Begriff, da sich diese Vorschrift nicht auf Informationen über ein bestimmtes Arzneimittel, wie dessen Namen, beziehe, sondern es verbiete, in die Werbung für ein Arzneimittel bestimmte Informationen aufzunehmen, darunter solche, die Anreize für den Erwerb der Arzneimittel gäben, indem sie die Notwendigkeit dieses Erwerbs anhand des Preises begründeten.

17      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass mit der Richtlinie 2001/83 eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt sei. In diesem Zusammenhang fragt es sich, ob, da die in Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 genannten Verbote keinem der nach Art. 90 dieser Richtlinie verbotenen Werbeelemente entsprächen, und die Anwendbarkeit der Richtlinie vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten berechtigt seien, in ihren nationalen Rechtsvorschriften andere Werbeelemente zu verbieten als die nach Art. 90 verbotenen.

18      Das vorlegende Gericht weist schließlich darauf hin, dass der Gerichtshof entschieden habe, dass die Vereinbarkeit anderer als der ausdrücklich in Art. 90 vorgesehenen Anforderungen mit der Richtlinie 2001/83 anhand des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels, den zweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln zu fördern, und anhand der Notwendigkeit beurteilt werden könne, übertriebene oder unvernünftige Werbung zu verhindern, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte. Daher könne Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie im Licht ihres 45. Erwägungsgrundes dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten erlaube, Arzneimittelwerbung zu verbieten, die offensichtlich übertrieben und unvernünftig sei und sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte.

19      Unter diesen Umständen hat die Latvijas Republikas Satversmes tiesa (Verfassungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Tätigkeiten, die unter die in Ziff. 18.12 der Verordnung Nr. 378 enthaltene Regelung fallen, als Werbung für Arzneimittel im Sinne von Titel VIII („Werbung“) der Richtlinie 2001/83 anzusehen?

2.      Ist Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, mit der die Liste der verbotenen Werbemethoden erweitert wird und strengere Beschränkungen vorgesehen werden, die nicht ausdrücklich in Art. 90 der Richtlinie enthalten sind?

3.      Ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung dahin zu verstehen, dass sie eine Beschränkung der Werbung für Arzneimittel mit dem Ziel vorsieht, deren zweckmäßigen Einsatz im Sinne von Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 zu fördern?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

20      Am 13. Juli 2021 hat der Gerichtshof beschlossen, die vorliegende Rechtssache an die Dritte Kammer zu verweisen. Am selben Tag hat er gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung die in Art. 23 seiner Satzung bezeichneten Beteiligten zur schriftlichen Beantwortung bestimmter Fragen aufgefordert. Die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens, die griechische, die lettische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben diese Fragen beantwortet.

21      Nach der teilweisen Neubesetzung der Stellen der Mitglieder des Gerichtshofs und der daraus resultierenden neuen Zusammensetzung der Kammern hat der Gerichtshof am 13. Oktober 2021 beschlossen, die Rechtssache an die Vierte Kammer zu verweisen.

22      Am 9. Dezember 2021 hat der Generalanwalt seine Schlussanträge vorgelegt; dann ist das mündliche Verfahren geschlossen worden.

23      Am 13. Januar 2022 hat die Vierte Kammer des Gerichtshofs, die der Ansicht war, dass mit der Frage nach den Auswirkungen der Urteile vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764), und vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609), auf die Beantwortung der in der vorliegenden Rechtssache gestellten Vorlagefragen ein größerer Spruchkörper zu befassen sei, gemäß Art. 60 Abs. 3 der Verfahrensordnung beim Gerichtshof angeregt, die vorliegende Rechtssache an einen solchen Spruchkörper zu verweisen.

24      Am 1. Februar 2022 hat der Gerichtshof beschlossen, die vorliegende Rechtssache an die Große Kammer zu verweisen.

25      Mit Beschluss vom 2. März 2022, EUROAPTIEKA (C‑530/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:146), hat der Gerichtshof gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache beschlossen.

26      Am 9. Juni 2022 hat der Generalanwalt ergänzende Schlussanträge vorgelegt.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

27      Aus der Vorlageentscheidung und den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Vorschrift von den lettischen Gerichten und Verwaltungsbehörden dahin ausgelegt wird, dass sie sowohl Öffentlichkeitswerbung für ein bestimmtes Arzneimittel als auch Öffentlichkeitswerbung für unbestimmte Arzneimittel erfasst, d. h. für Arzneimittel im Allgemeinen oder eine Gesamtheit von nicht identifizierten Arzneimitteln. Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit gerade die Rechtmäßigkeit dieser nationalen Vorschrift betrifft, soweit sie sich auf diese zweite Kategorie von Werbung bezieht.

28      Somit möchte das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen, ob Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf unbestimmte Arzneimittel beziehen.

29      Zur Beantwortung dieser Frage ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nur die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel erfasst oder auch die Werbung für unbestimmte Arzneimittel. In einem zweiten Schritt wird zu prüfen sein, ob Tätigkeiten wie diejenigen, die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschrift erfasst werden, unter diesen Begriff fallen können.

 Zur Tragweite des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83

30      Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 definiert den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ als „alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern“.

31      Da diese Bestimmung nicht auf die nationalen Rechtsordnungen verweist, ist davon auszugehen, dass es sich bei ihm um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der im gesamten Unionsgebiet einheitlich auszulegen ist, wobei nicht nur der Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Beeinträchtigung eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Was erstens den Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung durchgehend von „Arzneimitteln“ im Plural spricht. Ferner ist der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ in dieser Bestimmung sehr weit definiert als „alle Maßnahmen“ zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen einschließlich insbesondere der „Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel“, die nicht ausdrücklich von Art. 86 Abs. 2 dieser Richtlinie ausgeschlossen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme, C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 29).

33      Unter diesen Umständen kann aus dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nicht abgeleitet werden, dass Werbung für unbestimmte Arzneimittel vom Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung ausgenommen wäre.

34      Was zweitens den Zusammenhang betrifft, in den sich Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 einfügt, ist festzustellen, dass in einigen der Bestimmungen der Titel VIII und VIIIa dieser Richtlinie von Werbung für „Arzneimittel“ die Rede ist, was darauf hindeutet, dass diese Werbung unbestimmte Arzneimittel betreffen kann, während andere von Werbung für „ein Arzneimittel“ sprechen.

35      Jedoch ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des Titels VIII der Richtlinie 2001/83, d. h. die Art. 86 bis 88 dieser Richtlinie, die allgemeinen und grundlegenden Regeln für Arzneimittelwerbung enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk, C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 22, 24 und 25). Daraus folgt, dass diese Bestimmungen, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 44 seiner Schlussanträge vom 9. Dezember 2021 ausgeführt hat, auf alle Maßnahmen anwendbar sind, die zum Ziel haben, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern.

36      So ist Art. 87 der Richtlinie, auch wenn er sich im Gegensatz zu deren Art. 88 wörtlich auf die Werbung für „ein Arzneimittel“ bezieht, vom Gerichtshof bereits dahin ausgelegt worden, dass er allgemeine Grundsätze enthält, die auf alle Arten und Elemente von Arzneimittelwerbung Anwendung finden (Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk, C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 25; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. November 2007, Gintec, C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 51 und 55).

37      Was zum anderen die Bestimmungen des Titels VIIIa der Richtlinie 2001/83 angeht, beziehen sich die Art. 89 und 90 der Richtlinie 2001/83, die besondere Regeln für die Öffentlichkeitswerbung vorsehen, zwar auf „ein Arzneimittel“ im Singular, und wie das vorlegende Gericht ausführt, bestimmt Art. 89 Abs. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Richtlinie, dass eine solche Werbung mindestens den Namen des Arzneimittels angeben muss.

38      Art. 89 Abs. 1 der Richtlinie sieht jedoch vor, dass er unbeschadet ihres Art. 88 gilt. Außerdem kann, wie die polnische Regierung und die Europäische Kommission im Wesentlichen geltend gemacht haben, der Umstand, dass sich die speziellen Regeln der Art. 89 und 90 dieser Richtlinie auf die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel beziehen, weder die sehr weite Definition des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ in Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 noch die allgemeine Geltung der in den Art. 86 bis 88 dieser Richtlinie enthaltenen Regeln in Frage stellen. Daher kann aus Art. 89 dieser Richtlinie nicht abgeleitet werden, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie dahin zu verstehen ist, dass er nur die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel erfasst.

39      Was drittens die mit der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele betrifft, ergibt sich aus ihrem zweiten Erwägungsgrund, dass sie in erster Linie auf einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit abzielt.

40      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Werbung für Arzneimittel der öffentlichen Gesundheit schaden kann (Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk, C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), da ein Fehlgebrauch oder ein Überverbrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen kann (Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme, C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 30), und da auch mit einer übermäßigen oder unvernünftigen Verwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel Risiken verbunden sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2020, A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln], C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 80 und 94.

41      Es ist nämlich der ganz besondere Charakter von Arzneimitteln zu betonen, deren therapeutische Wirkungen sie substanziell von den übrigen Waren unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA, C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aufgrund dieser therapeutischen Wirkungen können Arzneimittel, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann. Eine übermäßige Einnahme oder falsche Verwendung von Arzneimitteln bringt im Übrigen Risiken für das finanzielle Gleichgewicht der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit mit sich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 32 und 33).

42      So untersagen zum einen Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 ausnahmslos die Werbung für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der Union erteilt worden ist, bzw. die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen, und zum anderen erlaubt Art. 88 Abs. 3 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet die Öffentlichkeitswerbung für erstattungsfähige Arzneimittel zu untersagen.

43      Ebenso dient Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie in Verbindung mit ihrem 45. Erwägungsgrund, wonach die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vorbehaltlich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen und Beschränkungen erlaubt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband, C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 109, und vom 11. Juni 2020, ratiopharm, C‑786/18, EU:C:2020:459, Rn. 40), dem wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, da solche Werbung sich, wie es im 45. Erwägungsgrund heißt, auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, wenn sie übertrieben und unvernünftig ist.

44      Das wesentliche Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit würde jedoch stark gefährdet, wenn Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin ausgelegt würde, dass eine Tätigkeit der Information, der Marktuntersuchung oder der Schaffung von Anreizen, die zum Ziel hat, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, ohne ein bestimmtes Arzneimittel zu nennen, nicht unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fiele und somit von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Werbeverboten, ‑bedingungen und ‑beschränkungen ausgenommen wäre.

45      Da nämlich Werbung für unbestimmte Arzneimittel wie etwa Werbung, die sich auf eine ganze Klasse von Arzneimitteln zur Behandlung derselben Erkrankung bezieht, auch verschreibungspflichtige oder erstattungsfähige Arzneimittel betreffen kann, liefe der Ausschluss einer solchen Werbung vom Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 im Bereich der Werbung darauf hinaus, den Verboten in Art. 88 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 dieser Richtlinie weitgehend ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, weil dadurch Werbung, die sich nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel dieser Klasse bezöge, von diesen Verboten ausgenommen würde.

46      Außerdem kann, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 41, 56 und 60 seiner Schlussanträge vom 9. Dezember 2021 ausgeführt hat, Werbung für eine unbestimmte Gesamtheit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, wie etwa Werbung, die sich auf das gesamte Sortiment der in einer Apotheke zum Verkauf angebotenen Arzneimittel bezieht, in gleicher Weise wie Werbung für ein einziges bestimmtes Arzneimittel übertrieben und unvernünftig sein und daher der öffentlichen Gesundheit schaden, indem sie den Verbraucher zu unzweckmäßigem Einsatz oder übermäßiger Einnahme der betreffenden Arzneimittel veranlasst.

47      Aus einer grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ergibt sich somit, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch eines bestimmten Arzneimittels oder unbestimmter Arzneimittel zu fördern, erfasst.

48      Die Urteile vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764), und vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609), können keine andere Auslegung von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 rechtfertigen.

49      Die Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764), ergangen ist, betraf die Tätigkeit einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke, die darin bestand, eine an Verbraucher eines anderen Mitgliedstaats gerichtete, groß angelegte multimediale Werbekampagne für ihre Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln durchzuführen. Der Gerichtshof hat im Wesentlichen entschieden, dass die Werbung für Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 über die Werbung für Arzneimittel fällt, sondern in den der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2020, A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln], C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 50 und 59).

50      Die Rechtssache, in der das Urteil vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609), ergangen ist, betraf die Werbeaktion einer Apotheke in Form eines Werbegewinnspiels, bei dem die Teilnehmer Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die keine Arzneimittel waren, gewinnen konnten, wobei die Teilnahme die Einsendung der Bestellung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels voraussetzte. In diesem besonderen Kontext hat der Gerichtshof in den Rn. 21 und 22 dieses Urteils entschieden, dass diese Werbeaktion nicht darauf abzielt, den Kunden in der Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel zu beeinflussen, sondern in der – nachgelagerten – Entscheidung für die Apotheke, bei der er das Arzneimittel kauft, so dass eine solche Werbeaktion nicht in den Anwendungsbereich von Titel VIII der Richtlinie 2001/83 fällt.

51      Ungeachtet der Ausführungen in Rn. 50 des Urteils vom 1. Oktober 2020, A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln] (C‑649/18, EU:C:2020:764) und in Rn. 20 des Urteils vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609), ist indes der Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 über die Werbung für Arzneimittel nicht auf Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel beschränkt.

 Zur Einstufung der Tätigkeiten, die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmung erfasst sind, als „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83

52      Aus dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 geht hervor, dass das Ziel der Botschaft das grundlegende Definitionsmerkmal des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung und das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung der Werbung von der einfachen Information darstellt. Zielt die Botschaft darauf ab, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, handelt es sich um Werbung im Sinne der Richtlinie 2001/83. Hingegen fällt eine rein informatorische Angabe ohne Werbeabsicht nicht unter die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Werbung für Arzneimittel (Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme, C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 31 und 32).

53      In der vorliegenden Rechtssache geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Tätigkeiten, auf die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Vorschrift anwendbar ist, nicht die bloße öffentliche Verbreitung rein informatorischer Angaben zu Arzneimitteln, wie etwa objektive Informationen über deren Preis, betreffen, sondern Tätigkeiten, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit eines solchen Kaufs anhand des Preises gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass ein kombinierter Verkauf zusammen mit anderen Arzneimitteln, gegebenenfalls zu einem reduzierten Preis, oder mit anderen von der betreffenden Apotheke verkauften Waren erfolgt.

54      Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheinen solche Tätigkeiten ein Werbeziel zu haben und fallen daher unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83.

55      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf unbestimmte Arzneimittel beziehen.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

56      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen im Wesentlichen wissen, ob Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die Beschränkungen auferlegt, die in Art. 90 nicht vorgesehen sind, indem sie es verbietet, in die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel Informationen aufzunehmen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft werden. Zum anderen möchte es wissen, ob eine solche nationale Vorschrift dahin verstanden werden kann, dass sie einen zweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln im Sinne von Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie fördern soll.

57      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben, die die lettische Regierung dem Gerichtshof gegenüber gemacht hat und die zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Vorschrift nur die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel regelt, deren Inverkehrbringen genehmigt wurde und die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind. In ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs zur schriftlichen Beantwortung hat die lettische Regierung nämlich ausgeführt, dass Werbung für nicht zugelassene, für verschreibungspflichtige oder für erstattungsfähige Arzneimittel in Lettland im Einklang mit Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 verboten sei.

58      Nach dieser Klarstellung ist zur Beantwortung der Vorlagefragen in einem ersten Schritt festzustellen, ob Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 es den Mitgliedstaaten erlaubt, zur Förderung des zweckmäßigen Einsatzes von Arzneimitteln die Einbeziehung anderer als der in Art. 90 dieser Richtlinie genannten Elemente in die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind und nicht erstattungsfähig sind, zu verbieten, und in einem zweiten Schritt, ob Verbote wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden sich tatsächlich auf Elemente beziehen, die diesen zweckmäßigen Einsatz nicht fördern.

 Zur Befugnis der Mitgliedstaaten, die Einbeziehung anderer als der in Art. 90 der Richtlinie 2001/83 genannten Elemente in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige oder erstattungsfähige Arzneimittel zu verbieten

59      Wie in den Rn. 40 bis 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt, unterliegt eine solche Werbung, da auch die Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel der öffentlichen Gesundheit schaden kann, Verboten, Bedingungen und Beschränkungen nach der Richtlinie 2001/83.

60      Außerdem ist mit dieser Richtlinie eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt. Wird den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Befugnis eingeräumt, andere Regelungen zu treffen, dürfen sie die Arzneimittelwerbung folglich nur den Anforderungen dieser Richtlinie unterwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2007, Gintec, C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 20 und 25).

61      Die grundsätzliche Zulässigkeit der Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel, die durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Bestimmung geregelt wird, wird nach Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 u. a. durch die Bedingungen und Beschränkungen der Art. 87, 89 und 90 dieser Richtlinie begrenzt.

62      Was insbesondere das Verhältnis zwischen dem in Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Erfordernis, dass diese Werbung den zweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert, und den Beschränkungen nach Art. 90 dieser Richtlinie in Form einer Liste verbotener Werbeelemente angeht, so ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Umstand, dass diese Richtlinie, insbesondere Art. 90, keine besonderen Vorschriften über ein bestimmtes Werbeelement enthält, die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, zur Verfolgung des im 45. Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziels, übertriebene und unvernünftige Werbung zu verhindern, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie ein solches Element zu verbieten, weil es die unzweckmäßige Verwendung dieses Arzneimittels fördert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2007, Gintec, C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 51, 55 und 59).

63      Auch wenn sich aus Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 ergibt, dass Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig ist, müssen die Mitgliedstaaten daher, um im Einklang mit dem in den Erwägungsgründen 2 und 45 dieser Richtlinie verankerten wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit Gefahren für dieselbe zu verhindern, verbieten, dass in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Elemente einbezogen werden, die den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern könnten.

64      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 im Licht ihres 45. Erwägungsgrundes dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Einbeziehung anderer als der in Art. 90 dieser Richtlinie genannten Elemente in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige oder nicht erstattungsfähige Arzneimittel zu verbieten, wenn diese Elemente den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördern könnten.

 Zu Verboten wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden

65      Zu der Frage, ob Verbote wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden solche Elemente betreffen, ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 30 seiner ergänzenden Schlussanträge vom 9. Juni 2022 ausgeführt hat, bei nicht verschreibungspflichtigen und nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln in vielen Fällen der Endverbraucher selbst die Zweckmäßigkeit oder die Notwendigkeit des Kaufs solcher Arzneimittel prüft, ohne einen Arzt zu konsultieren. Dieser Verbraucher verfügt aber nicht notwendigerweise über spezielle Sachkenntnis, die es ihm ermöglichen würde, ihren therapeutischen Wert zu beurteilen. Die Werbung kann also einen besonders großen Einfluss auf die Prüfung und die Entscheidung dieses Verbrauchers ausüben, und zwar sowohl was die Qualität des Arzneimittels betrifft als auch hinsichtlich der zu kaufenden Menge.

66      In diesem Zusammenhang sind, wie der Generalanwalt in den Nrn. 87 und 88 seiner Schlussanträge vom 9. Dezember 2021 festgestellt hat, Werbeelemente wie die durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Bestimmung geregelten geeignet, die Verbraucher über das wirtschaftliche Kriterium des Preises zum Kauf von Arzneimitteln zu veranlassen, die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind. Sie können daher dazu führen, dass Verbraucher diese Arzneimittel kaufen und einnehmen, ohne dass eine sachliche Prüfung anhand der therapeutischen Eigenschaften der Arzneimittel und des konkreten medizinischen Bedarfs vorgenommen worden wäre.

67      Eine Werbung, die den Verbraucher von einer sachlichen Prüfung der Frage ablenkt, ob die Einnahme eines Arzneimittels erforderlich ist, leistet aber der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2007, Gintec, C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 56).

68      Eine solche unzweckmäßige und übermäßige Verwendung von Arzneimitteln kann sich auch aus einer Werbung ergeben, die – wie die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschrift erfasste, die Sonderangebote oder den kombinierten Verkauf von Arzneimitteln und anderen Waren bewirbt – Arzneimittel mit anderen Verbrauchswaren gleichstellt, bei denen im Allgemeinen Preisnachlässe und ‑ermäßigungen gewährt werden, die an die Überschreitung bestimmter Beträge geknüpft sind.

69      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Verbote, wie sie in der im Ausgangsverfahren fraglichen Vorschrift vorgesehen sind, dem wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entsprechen, da sie die Verbreitung von Werbeelementen verhindern, die die unzweckmäßige und übermäßige Verwendung von Arzneimitteln fördern, die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind.

70      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht auf die Verbreitung rein informativer Angaben ohne jede Werbeabsicht zu solchen Arzneimitteln gerichtet sind, sondern auf die Verbreitung von Inhalten, die den Kauf dieser Arzneimittel fördern sollen, sei es unter Verweis auf ihren Preis, durch einen Sonderverkauf oder einen kombinierten Verkauf zusammen mit anderen Arzneimitteln, gegebenenfalls zu einem reduzierten Preis, oder mit anderen Waren.

71      Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass ein wirksamer Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen u. a. verlangt, dass Arzneimittel zu angemessenen Preisen verkauft werden, und dass ein Preiswettbewerb daher den Patienten Vorteile bringen könnte, da er es gegebenenfalls ermöglichen würde, Arzneimittel zu günstigeren Preisen anzubieten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung, C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht jedoch hervor, dass sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Vorschrift darauf beschränkt, Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe sowie Werbung über den Preis zu verbieten, dabei aber die Möglichkeit, beim Verkauf von Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten Preisnachlässe und Rabatte zu gewähren, die das lettische Recht den im Arzneimittelhandel tätigen Einrichtungen einräumt, unberührt lässt.

73      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehen, die es verbietet, in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Informationen aufzunehmen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft werden.

 Kosten

74      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf unbestimmte Arzneimittel beziehen.

2.      Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehen, die es verbietet, in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Informationen aufzunehmen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft werden.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Lettisch.