BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

15. Mai 2013 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Grenzwerte für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber in Spielzeug – Weigerung der Kommission, die von den deutschen Behörden zur Beibehaltung mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für diese Stoffe vollumfänglich zu billigen – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – Zulässigkeit – Dringlichkeit – fumus boni iuris – Interessenabwägung“

In der Rechtssache T‑198/12 R

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,

Antragstellerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Patakia und G. Wilms als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen einstweiliger Anordnung mit dem Ziel, die Billigung der Beibehaltung der von den deutschen Behörden der Kommission mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber in Spielzeug bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache zu erwirken,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Gegenstand des Verfahrens

1        Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist der Beschluss C (2012) 1384 final der Europäischen Kommission vom 1. März 2012 zu den von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen zur Beibehaltung der Grenzwerte für Blei, Barium, Arsen, Antimon, Quecksilber sowie für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe in Spielzeug nach Anwendungsbeginn der Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. L 170, S. 1) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

2        Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kommission dem auf Art. 114 Abs. 4 AEUV gestützten Antrag der Bundesregierung auf Billigung der Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für die vorerwähnten Schwermetalle in Bezug auf Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe stattgegeben, den Antrag hinsichtlich der Grenzwerte für Blei, Barium, Arsen, Antimon und Quecksilber jedoch im Ergebnis abgelehnt – wobei diese Grenzwerte denjenigen entsprechen, die mit der Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. L 187, S. 1) (im Folgenden: alte Spielzeugrichtlinie) festgelegt worden waren – und entschieden, dass insoweit künftig auf die Grenzwerte der Richtlinie 2009/48 (im Folgenden: neue Spielzeugrichtlinie) abzustellen sei.

 Rechtlicher Rahmen

 Primärrecht

3        In Art. 114 Abs. 1 bis 7 AEUV heißt es:

„(1) Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, gilt für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 26 die nachstehende Regelung. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen … die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.

(3) Die Kommission geht in ihren Vorschlägen nach Absatz 1 in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse streben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an.

(4) Hält es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme … für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 … gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.

(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach [der Mitteilung gemäß Absatz 4], die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

Erlässt die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keinen Beschluss, so gelten die in [Absatz 4] genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.

Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten verlängert wird.

(7) Wird es einem Mitgliedstaat nach Absatz 6 gestattet, von der Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, so prüft die Kommission unverzüglich, ob sie eine Anpassung dieser Maßnahme vorschlägt.“

 Sekundärrecht

 Die alte Spielzeugrichtlinie

4        Nach Art. 2 der alten Spielzeugrichtlinie darf Spielzeug nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn es die Sicherheit und/oder Gesundheit von Benutzern oder Dritten bei einer bestimmungsgemäßen oder vorhersehbaren Verwendung unter Berücksichtigung des üblichen Verhaltens von Kindern nicht gefährdet. Das Spielzeug muss in dem Zustand, in dem es in den Verkehr gebracht wird, unter Berücksichtigung der Dauer seines voraussehbaren und normalen Gebrauchs die in dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen für Sicherheit und Gesundheit erfüllen.

5        In Anhang II („Wesentliche Sicherheitsanforderungen für Spielzeuge“) Teil II („Besondere Risiken“) Nr. 3 („Chemische Merkmale“) sind als Zielgröße Grenzwerte für die pro Tag maximal zulässige Bioverfügbarkeit u. a. von Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber festgelegt, wobei die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte, die nicht nach der Konsistenz des Spielzeugmaterials differenzieren, die maximal zulässige Menge eines chemischen Stoffes beschreiben, die infolge des Umgangs mit Spielzeug im menschlichen Körper aufgenommen werden und für biologische Prozesse zur Verfügung stehen darf. Im Einzelnen setzt Anhang II Teil II Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 folgende Grenzwerte (tägliche maximal zulässige Bioverfügbarkeit in µg) fest: für Antimon: 0,2; für Arsen: 0,1; für Barium: 25,0; für Blei: 0,7; für Quecksilber: 0,5. Die alte Spielzeugrichtlinie enthält hingegen keine Vorschriften über Grenzwerte für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe in Spielzeug.

6        Auf dieser Grundlage hat das Europäische Komitee für Normung aufgrund eines Mandats der Kommission die Europäische harmonisierte Norm EN 71-3, „Sicherheit von Spielzeug“ (im Folgenden: EN 71-3), erarbeitet, die aus den Bioverfügbarkeitsgrenzwerten sogenannte Migrationsgrenzwerte für Spielzeug ableitet und ein Verfahren aufzeigt, mit dem diese ermittelt werden können. Migrationsgrenzwerte beschreiben die maximal zulässige Menge eines chemischen Stoffes, die von einem Produkt in die Umgebung, zum Beispiel die Haut oder den Magensaft, übergehen darf. Werden die Werte der EN 71-3 eingehalten, so wird vermutet, dass auch die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie eingehalten werden. Im Einzelnen legt die EN 71-3 folgende Migrationsgrenzwerte fest: für Antimon: 60 mg/kg; für Arsen: 25 mg/kg; für Barium: 1000 mg/kg; für Blei: 90 mg/kg; für Quecksilber: 60 mg/kg.

 Die neue Spielzeugrichtlinie

7        Im Jahr 2003 beschloss die Kommission, die alte Spielzeugrichtlinie zu überarbeiten. Nach Beratung zahlreicher Arbeitsentwürfe legte die Kommission Anfang 2008 den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug vor, der am 11. Mai 2009 im Rat gegen die Stimme der Bundesregierung angenommen und am 18. Juni 2009 als die neue Spielzeugrichtlinie verabschiedet wurde. In Anhang II („Besondere Sicherheitsanforderungen“) Teil III („Chemische Eigenschaften“) Nr. 13 werden nunmehr unmittelbar Migrationsgrenzwerte festgelegt; hierbei wird nach drei Konsistenzformen des Spielzeugs differenziert, je nachdem ob das Material trocken/brüchig/staubförmig/geschmeidig oder flüssig/haftend oder abgeschabt ist.

8        Im Einzelnen legt Anhang II Teil III Nr. 13 der neuen Spielzeugrichtlinie folgende Migrationsgrenzwerte fest:

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9        Die Mitgliedstaaten haben die neue Spielzeugrichtlinie gemäß Art. 54 spätestens bis zum 20. Januar 2011 in ihre nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen und diese Vorschriften ab dem 20. Juli 2011 anzuwenden. Art. 55 sieht jedoch insoweit eine Ausnahme vor, als Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie erst mit Wirkung vom 20. Juli 2013 aufgehoben wird. Die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie sowie die daraus abgeleiteten Migrationsgrenzwerte für Spielzeugmaterialien bestehen somit u. a. in Bezug auf Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber bis zum 20. Juli 2013 fort.

10      Nach Auffassung der Bundesregierung ist Art. 55 der neuen Spielzeugrichtlinie eine lex specialis mit Vorrangwirkung gegenüber Art. 54, so dass der für das vorliegende Verfahren maßgebliche Anhang II Teil III Nr. 13 dieser Richtlinie ihres Erachtens erst zum 20. Juli 2013 umzusetzen ist. Die Kommission ist hingegen der Ansicht, auch für die hier streitigen Schwermetalle gelte die Umsetzungsfrist von Art. 54 der neuen Spielzeugrichtlinie. Art. 55 sehe insoweit lediglich im Interesse der Wirtschaft eine Übergangsfrist bis zum 20. Juli 2013 vor, während deren Spielzeug, das hinsichtlich seiner chemischen Eigenschaften die Voraussetzungen der alten Spielzeugrichtlinie erfülle, noch hergestellt und in den Verkehr gebracht werden dürfe. Ziel dieser Bestimmung sei es jedoch nicht, den Mitgliedstaaten eine längere Umsetzungsfrist zu gewähren.

 Deutsches innerstaatliches Recht

11      Die alte Spielzeugrichtlinie wurde 1989 durch Verordnung in nationales Recht umgesetzt, wobei auf die Sicherheitsanforderungen des Anhangs II der alten Spielzeugrichtlinie verwiesen wurde, die die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte u. a. für die fünf Schwermetalle Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber enthielten.

12      Nach Veröffentlichung der neuen Spielzeugrichtlinie wurde 2011 das nationale Recht der neuen Rechtslage angepasst. Hinsichtlich der Grenzwerte für die fünf vorerwähnten Schwermetalle erfolgte jedoch wegen der Fortgeltung von Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie keine Änderung. Die Kommission hat deshalb mit Mahnschreiben vom 22. November 2012 gegen die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 258 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren wegen teilweiser Nichtumsetzung der neuen Spielzeugrichtlinie eingeleitet. Mit Antwortschreiben vom 21. März 2013 ist die Bundesregierung dem Mahnschreiben mit der Begründung entgegengetreten, Anhang II Teil III der neuen Spielzeugrichtlinie entfalte erst ab dem 20. Juli 2013 Rechtswirkungen.

 Sachverhalt und Verfahren

13      Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 beantragte die Bundesregierung gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV bei der Kommission, die Beibehaltung ihrer nationalen Bestimmungen mit den Grenzwerten für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber (die den Werten in Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie entsprechen) sowie für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe über den 20. Juli 2013 hinaus zu billigen, da diese Bestimmungen ein höheres Schutzniveau im Hinblick auf die Gesundheit von Kindern gewährleisteten als die neue Spielzeugrichtlinie. Dabei berief sie sich insbesondere auf die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie für abschabbares Spielzeug. Ein Vergleich mit den Grenzwerten der EN 71-3 ergebe in Bezug auf Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber zukünftig höhere Migrationsgrenzwerte, wie aus der folgenden Tabelle hervorgehe:

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14      Die Bundesregierung argumentierte, dass sich der vorgenommene Vergleich zwar auf die Werte für die Kategorie abgeschabtes Spielzeugmaterial beschränke. Bereits dieser Vergleich – ohne Berücksichtigung der beiden anderen Kategorien – zeige indes, dass die neue Spielzeugrichtlinie zu einer deutlichen Erhöhung der zulässigen Migration von Schwermetallen führe. Die neue Spielzeugrichtlinie stelle nicht mit Eindeutigkeit klar, in welchem Verhältnis die Migrationsgrenzwerte der drei Kategorien zueinander stünden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass aus jeder Kategorie täglich die angegebene Menge migrieren dürfe. Die Migrationsgrenzwerte seien daher kumulativ zu betrachten und müssten addiert werden, um die Gesamtexposition für den Fall zu bestimmen, dass ein Kind an einem Tag mit Spielzeug in allen drei Konsistenzformen in Kontakt komme.

15      Mit dem angefochtenen Beschluss, der am 2. März 2012 zugestellt wurde, hat die Kommission den Antrag der Bundesregierung in Bezug auf Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe uneingeschränkt sowie in Bezug auf Barium und Blei „bis zu dem Tag gebilligt, an dem EU-Vorschriften mit neuen Grenzwerten … in Kraft treten, jedoch nicht länger als bis zum 21. Juli 2013“, den Antrag betreffend Antimon, Arsen und Quecksilber hingegen abgelehnt.

16      Mit Klageschrift, die am 14. Mai 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesregierung die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses beantragt, soweit die Kommission darin den Antrag auf Beibehaltung der nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen und Quecksilber abgelehnt sowie für Barium und Blei lediglich bis zum 21. Juli 2013 befristet gebilligt hat.

17      Mit besonderem Schriftsatz, der am 13. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesregierung vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel begehrt,

–        im Wege der einstweiligen Anordnung die Beibehaltung der von ihr mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Blei, Barium, Arsen, Antimon und Quecksilber bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache vorläufig zu billigen;

–        hilfsweise, der Kommission aufzugeben, die Beibehaltung der vorerwähnten nationalen Bestimmungen bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache vorläufig zu billigen.

18      In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 28. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag als unzulässig, zumindest aber als unbegründet zurückzuweisen;

–        der Antragstellerin die zusätzlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung im Rahmen der Kostenentscheidung in der Hauptsache aufzuerlegen.

19      Mit Schriftsatz vom 14. März 2013 hat die Bundesregierung eine Erwiderung zur Stellungnahme der Kommission eingereicht. Die Kommission hat dazu mit Schriftsatz vom 27. März 2013 abschließend Stellung genommen.

 Gründe

20      Nach Art. 278 und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

21      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 13. April 2011, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission, T‑393/10 R, Slg. 2011, II‑1697, Randnr. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im Übrigen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

 Zur Zulässigkeit der Eilanträge

24      Die Kommission hält die Eilanträge wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Im Verfahren zur Hauptsache werde die Aufhebung einer ablehnenden (negativen) Entscheidung beantragt. Im Erfolgsfall müsste die Kommission unter Beachtung des Nichtigkeitsurteils und in Ausübung ihres weiten Ermessens in derartigen Situationen erneut über die Gewährung einer Ausnahme gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV entscheiden. Die Bundesregierung begehre vorliegend im Ergebnis die Aussetzung des Vollzugs einer negativen Entscheidung. Dies sei in einem Eilverfahren jedoch grundsätzlich ausgeschlossen (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission, T‑396/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung; im Folgenden: Beschluss Milieudefensie). Die Bundesregierung versuche, diese Begrenzung des zulässigen Antragsgegenstands zu umgehen. Zu diesem Zweck stelle sie jedoch im vorliegenden Eilverfahren Anträge, die gänzlich über ihre Anträge in der Hauptsache hinausgingen und das institutionelle Gleichgewicht verletzten.

25      Zu dem Antrag, der Eilrichter möge die Beibehaltung der fraglichen nationalen Bestimmungen selbst vorläufig billigen, führt die Kommission aus, der Unionsrichter sei im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle grundsätzlich nicht befugt, sich wie eine Verwaltungsbehörde zu verhalten und anstelle der Kommission komplexe Abwägungen hochtechnischer Fragen vorzunehmen. Sollte der Hilfsantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg haben, so würde der Kommission aufgegeben, bestimmte Folgen aus dem Nichtigkeitsurteil zu ziehen. Eine derartige Verpflichtungsklage sei dem Unionsrecht unbekannt. Es würde somit eine Maßnahme angeordnet, die über die Befugnisse des Gerichts der Hauptsache hinausgehe (Beschluss Milieudefensie, Randnr. 42). Im Übrigen hänge die Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung vom Vorliegen einer engen Verbindung zwischen dem Eilantrag und dem Antrag im Verfahren zur Hauptsache ab. Der Eilrichter könne nicht Kompetenzen wahrnehmen, die dem Richter der Hauptsache nicht zustünden (Beschluss Milieudefensie, Randnrn. 39 ff.). Genau dies wolle die Antragstellerin jedoch hier erreichen.

26      Nach Auffassung der Bundesregierung ist hingegen der erforderliche Zusammenhang zwischen dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der begehrten Entscheidung zur Hauptsache gewährleistet. Die Vorschriften über den vorläufigen Rechtsschutz seien Ausdruck des Justizgewährleistungsanspruchs aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389; im Folgenden: Grundrechtecharta). Sie gewährleisteten dem Rechtsschutzsuchenden einstweiligen Schutz, soweit dies für die volle Wirksamkeit der Entscheidung zur Hauptsache erforderlich sei. Wenn es wie im vorliegenden Hauptverfahren der Sache nach um eine Versagungsgegenklage gehe, der Antragsteller jedoch nur eine Nichtigkeitsklage erheben könne, müsse vorläufiger Rechtsschutz entweder nach Art. 278 AEUV oder nach Art. 279 AEUV gewährt werden.

27      Dazu ist festzustellen, dass der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes darin besteht, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Akcros, C‑7/04 P[R], Slg. 2004, I‑8739, Randnr. 36). Dieses Verfahren steht somit in einem akzessorischen Verhältnis zum Verfahren zur Hauptsache (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 12. Februar 1996, Lehrfreund/Rat und Kommission, T‑228/95 R, Slg. 1996, II‑111, Randnr. 61), mit der Folge, dass die beantragte einstweilige Anordnung vorläufiger Natur sein muss und die Entscheidung zur Hauptsache weder vorwegnehmen noch ihr die praktische Wirksamkeit nehmen darf (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Mai 1991, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90 R, Slg. 1991, I‑2557, Randnr. 24, und des Präsidenten des Gerichts vom 12. Dezember 1995, Connolly/Kommission, T‑203/95 R, Slg. 1995, II‑2919, Randnr. 16). Außerdem muss die beantragte einstweilige Anordnung einen hinreichend engen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Klage aufweisen und darf nicht den Rahmen der künftigen Entscheidung zur Hauptsache überschreiten (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 29. März 2001, Goldstein/Kommission, T‑18/01 R, Slg. 2001, II‑1147, Randnr. 14, und vom 2. Juli 2004, Sumitomo Chemical/Kommission, T‑78/04 R, Slg. 2004, II‑2049, Randnr. 43).

28      Die Kommission weist vorliegend zu Recht darauf hin, dass ein auf die Aussetzung des Vollzugs einer negativen Entscheidung beschränkter Eilantrag grundsätzlich unzulässig ist, da die geforderte Aussetzung für sich allein die rechtliche Situation des Antragstellers nicht verändern kann. Die Bundesregierung stellt aber gerade keinen Aussetzungsantrag im Sinne von Art. 278 AEUV. Sie begehrt vielmehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Art. 279 AEUV. Ein derartiger Antrag kann weder nach Art. 279 AEUV noch nach Art. 104 der Verfahrensordnung, geschweige denn nach Art. 47 der Grundrechtecharta, allein deshalb für unzulässig erklärt werden, weil die ihm zugrunde liegende Klage auf die Nichtigerklärung einer negativen Entscheidung gerichtet ist (vgl. hierzu auch Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 7. März 2013, EDF/Kommission, C‑551/12 P[R], Randnr. 41).

29      Die Rechtsprechung kennt deshalb auch zahlreiche Beispiele für einstweilige Anordnungen, die im Rahmen von Klagen auf Nichtigerklärung negativer Entscheidungen erlassen wurden, weil ein entsprechender vorläufiger Rechtsschutz bis zum Abschluss des Hauptverfahrens geboten erschien (vgl. u. a. den jeweiligen Tenor der Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 28. April 2009, United Phosphorus/Kommission, T‑95/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, vom 16. November 2012, Evonik Degussa/Kommission, T‑341/12 R, und Akzo Nobel e. a./Kommission, T‑345/12 R, sowie vom 11. März 2013, Pilkington Group/Kommission, T‑462/12 R).

30      Für die Zulässigkeit der von der Bundesregierung beantragten einstweiligen Anordnung sprechen im Übrigen die Besonderheiten des vorliegenden Falles.

31      In der Tat wird Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie – der die Grenzwerte für Antimon, Arsen, Barium, Blei und Quecksilber enthält, die die Bundesregierung in Gestalt des nationalen Rechts beibehalten möchte – gemäß Art. 55 der neuen Spielzeugrichtlinie erst mit Wirkung vom 20. Juli 2013 aufgehoben. Die hier streitigen Grenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie gelten mithin bis zum 20. Juli 2013 fort. Soweit der angefochtene Beschluss den Beibehaltungsantrag für Antimon, Arsen und Quecksilber ablehnt sowie für Barium und Blei lediglich mit einer Befristung bis zum 21. Juli 2013 billigt, zeitigt er somit Rechtswirkung im Sinne eines Beibehaltungsverbots erst ab dem 21. Juli 2013. Daraus folgt, dass die Bundesregierung die betreffenden früheren Grenzwerte, ob mit oder ohne Billigung der Kommission, ohnehin bis zum 20. Juli 2013 weiterhin anwenden darf, unbeschadet ihrer etwaigen Verpflichtung, bereits vor diesem Datum Anhang II Teil III Nr. 13 der neuen Spielzeugrichtlinie in nationales Recht umzusetzen (siehe oben, Randnr. 12).

32      Unter diesen Umständen war die Bundesregierung gehalten, den angefochtenen Beschluss innerhalb der Klagefrist des Art. 263 Abs. 6 AEUV, d. h. bis Mitte Mai 2012, mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen, wohingegen ihr vorläufiger Rechtsschutz nach Art. 278 AEUV bis zum 20. Juli 2013 verwehrt ist, da sich die von ihr begehrte Rechtslage – im Sinne einer weiteren Anwendbarkeit der früheren Grenzwerte – bis zu diesem Datum bereits aus Art. 55 der neuen Spielzeugrichtlinie ergibt. Die Bundesregierung kann daher die Fortgeltung dieser Grenzwerte über den 20. Juli 2013 hinaus sinnvollerweise nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach Art. 279 AEUV beantragen. Von einer unzulässigen Umgehung des Art. 278 AEUV kann mithin keine Rede sein.

33      Soweit die Kommission geltend macht, die beantragte einstweilige Anordnung verstoße gegen das institutionelle Gleichgewicht und überschreite den Rahmen der Entscheidung, zu deren Erlass das Gericht in der Hauptsache befugt sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dem Eilrichter Anordnungsbefugnisse zustehen, deren Gestaltungswirkung gegenüber der betroffenen EU-Institution den kassatorische Effekt eines Nichtigkeitsurteils übersteigt (vgl. hierzu den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. August 1983, CMC/Kommission, 118/83 R, Slg. 1983, 2583, Randnr. 53, und den Tenor des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 19. Februar 1993, Langnese-Iglo und Schöller/Kommission, T‑7/93 R und T‑9/93 R, Slg. 1993, II‑131), vorausgesetzt, diese Anordnungen gelten nur für die Dauer des Hauptverfahrens, nehmen die Entscheidung zur Hauptsache nicht vorweg und beeinträchtigen nicht deren praktische Wirksamkeit.

34      Wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, würde der Erlass der vorliegend beantragten einstweiligen Anordnung keine Vorwegnahme der Entscheidung zur Hauptsache bedeuten. Die lediglich vorläufige Billigung der mitgeteilten nationalen Bestimmungen hätte nur für einen begrenzten Zeitraum Geltung, nämlich bis zur Entscheidung zur Hauptsache. Eine derartige lediglich vorläufige Billigung träfe keine Aussage über den rechtlichen Bestand des angefochtenen Beschlusses, der Gegenstand der Entscheidung zur Hauptsache ist. Im Übrigen besteht auch ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser der Bundesregierung de facto untersagt, die früheren Grenzwerte über den 20. Juli 2013 hinaus beizubehalten, und dem Eilantrag, der im Kern darauf gerichtet ist, ebendiese Grenzwerte über dieses Datum hinaus anwenden zu dürfen.

35      Was die praktische Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache angeht, so liegt es auf der Hand, dass die Wirksamkeit eines die Nichtigkeitsklage der Bundesregierung abweisenden Urteils durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht beeinträchtigt würde, da diese Anordnung gemäß Art. 107 § 3 der Verfahrensordnung mit Verkündung des Urteils automatisch außer Kraft träte. Im Falle eines den angefochtenen Beschluss für nichtig erklärenden Urteils müsste die Kommission gemäß Art. 266 AEUV die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um dieser Nichtigerklärung unter Beachtung der Urteilsgründe Rechnung zu tragen. Sollte die Kommission den Beibehaltungsantrag der Bundesregierung erneut, etwa mit einer anderen Begründung, zurückweisen, so stünde dieser Urteilsfolge die gemäß Art. 107 § 3 der Verfahrensordnung außer Kraft getretene Anordnung nicht im Wege. Sollte die Kommission im Licht der Urteilsgründe dem Beibehaltungsantrag hingegen stattgeben, so wäre die beantragte einstweilige Anordnung im Hinblick auf diese Urteilsfolge ganz besonders geeignet, bereits jetzt die volle Wirksamkeit eines künftigen Nichtigkeitsurteils zu gewährleisten.

36      Unter diesen Umständen kann auch der Einwand nicht verfangen, die beantragte einstweilige Anordnung überschreite den Rahmen eines künftigen Nichtigkeitsurteils, zu dessen Erlass das Gericht in der Hauptsache befugt sei. Dazu genügt für die Zwecke der vorliegenden Zulässigkeitsprüfung die Feststellung, dass die Bundesregierung in stichhaltiger Weise dargelegt hat (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission, 169/84, Slg. 1986, 391, Randnr. 28), dass die der Kommission zur Beibehaltung mitgeteilten nationalen Grenzwerte ein höheres Schutzniveau für die Gesundheit von Kindern gewährleisteten als die Grenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie, dass ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung in der Interimszeit vom 21. Juli 2013 bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache ein schwerer und irreversibler Schaden für die Gesundheit der Kinder drohe und dass dem hier in Rede stehenden Rechtsgut des Gesundheitsschutzes ein überragendes Gewicht beizumessen sei.

37      Dieses schlüssige Vorbringen erlaubt im Rahmen der vorliegenden Zulässigkeitsprüfung die Annahme, dass die Kommission in Durchführung eines Nichtigkeitsurteils mit ziemlicher Sicherheit dem Beibehaltungsantrag der Bundesregierung stattgeben dürfte. Die beantragte einstweilige Anordnung würde sich damit im Rahmen der Maßnahmen halten, die die Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach im Anschluss an ein solches Urteil zu ergreifen hätte.

38      Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Beschluss Milieudefensie, in dem es um eine von der Kommission erteilte Ausnahmegenehmigung ging, die einen Mitgliedstaat von der Pflicht zur Einhaltung bestimmter Luftqualitäts-Grenzwerte befreite. Den Antrag einer Umweltschutzorganisation auf „interne Überprüfung“ dieser Genehmigung lehnte die Kommission als unzulässig ab. Gegen diesen ablehnenden Bescheid – nicht gegen die Genehmigung – erhob die Umweltschutzorganisation Nichtigkeitsklage. Außerdem begehrte sie vorläufigen Rechtsschutz u. a. mit dem Antrag, der Kommission aufzugeben, sie möge den betreffenden Mitgliedstaat veranlassen, unverzüglich die Grenzwerte einzuhalten. In dem Beschluss Milieudefensie (Randnrn. 37 bis 41) wurde der Eilantrag mit der Begründung für unzulässig erklärt, die beantragte einstweilige Anordnung liefe de facto auf eine Rücknahme der Ausnahmegenehmigung hinaus, während ein den Ablehnungsbescheid für nichtig erklärendes Urteil die Kommission nur dazu verpflichten würde, überhaupt in der Sache tätig zu werden und die ursprünglich abgelehnte Überprüfung ergebnisoffen durchzuführen, zumal der Rechtsstreit allein die Zulässigkeit, nicht aber das Ergebnis dieser Überprüfung zum Gegenstand hatte. Eine Rücknahme der Ausnahmegenehmigung wäre somit unter keinen Umständen die notwendige Folge dieses Urteils, so dass die beantragte einstweilige Anordnung weit über die Maßnahmen hinausginge, die die Kommission zu ergreifen hätte, um der Nichtigerklärung gemäß Art. 266 AEUV Rechnung zu tragen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation aus dem EU-Beihilferecht Beschluss CIRFS u. a./Kommission, Randnrn. 20 bis 23).

39      Nach alledem ist der Antrag auf einstweilige Anordnung für zulässig zu erklären, allerdings nur in der Gestalt des Hilfsantrags. Nach Artikel 114 Abs. 4 und 6 AEUV ist nämlich nur die Kommission zuständig, mitgliedstaatliche Beibehaltungsanträge zu billigen, während der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter grundsätzlich darauf beschränkt ist, der Verwaltung ein bestimmtes Tun oder Unterlassen aufzugeben.

 Zum fumus boni iuris

40      Nach der Rechtsprechung ist ein fumus boni iuris gegeben, wenn das Vorbringen des Antragstellers zumindest hinsichtlich eines einzigen Klagegrundes auf den ersten Blick erheblich und jedenfalls nicht ohne Grundlage erscheint. Hierfür reicht es aus, dass dieses Vorbringen komplexe und heikle Fragen aufwirft, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, welche dem für die Entscheidung zur Hauptsache zuständigen Spruchkörper vorbehalten ist, bzw. dass im Verfahren zur Hauptsache ausweislich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten eine bedeutsame rechtliche Kontroverse besteht, deren Lösung sich nicht ohne Weiteres aufdrängt (vgl. in diesem Sinne Beschluss Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission, Randnr. 54, sowie Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur befristeten Billigung der Grenzwerte für Blei und Barium

41      Nach Ansicht der Bundesregierung verstößt der angefochtene Beschluss gegen Art. 114 AEUV, soweit die Kommission die Billigung der mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für die Elemente Blei und Barium längstens bis zum 21. Juli 2013 befristet habe. Der Wortlaut von Art. 114 Abs. 6 Unterabs. 1 AEUV sehe eine solche zeitliche Befristung nicht vor. Die Kommission habe allein die Wahl zwischen Billigung und Ablehnung. Der Zeitraum für den Erlass des Beschlusses sei ausdrücklich auf sechs Monate begrenzt. Von der Möglichkeit einer, noch dazu wie im vorliegenden Fall starren, zeitlichen Befristung, um dann intern etwaige Anpassungen der Harmonierungsmaßnahme zu prüfen, sei nicht die Rede.

42      Auch der Regelungszusammenhang des Art. 114 Abs. 6 Unterabs. 1 AEUV spreche gegen die Annahme, dass die Kommission ihren Beschluss solle befristen können: Erstens trete gemäß Art. 114 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV eine Billigungsfiktion ein, wenn die Kommission nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist beschließe. Zweitens könne die Kommission nur ausnahmsweise nach Art. 114 Abs. 6 Unterabs. 3 AEUV die Sechsmonatsfrist für ihre Entscheidung um weitere sechs Monate verlängern. Drittens gebe Art. 114 Abs. 7 AEUV der Kommission die Pflicht auf, im Falle der Billigung einer mitgeteilten nationalen Bestimmung, unverzüglich zu prüfen, ob sie eine Anpassung der Maßnahme vorschlage. Mit dieser Vorschrift solle erreicht werden, dass dem beantragenden Mitgliedstaat aus einem schleppenden Verfahren zur Beibehaltung nationaler Vorschriften kein Nachteil erwachse. Die Kommission solle daher ausdrücklich nach der erteilten Billigung unverzüglich prüfen, ob und inwieweit sie im Hinblick auf eine Änderung aktiv werde.

43      Die Kommission entgegnet, das Vorbringen der Bundesregierung verkenne das System des Art. 114 AEUV. Bei der Gewährung strengerer nationaler Bestimmungen handele es sich gerade um eine Ausnahme von den Harmonisierungsvorschriften. Es könne also keine Rede davon sein, dass sich die Kommission ihrerseits auf eine Ausnahme berufe. Vielmehr diene die Befristung hier der Herbeiführung eines Zustandes, der mit der Harmonisierungsmaßnahme vereinbar sei und gleichzeitig – zeitlich befristet – das höhere Schutzniveau billige. Die Befristung schließe das Verfahren schnell ab und vermeide gegebenenfalls ein zweites Verfahren nach Art. 114 Abs. 4 AEUV. Die Kommission habe diese Lösung gewählt, weil die Antragstellerin schon frühzeitig zu erkennen gegeben habe, dass sie mit der von der Kommission gewählten Vorgehensweise nicht einverstanden sei, während diese bereits Schritte zur Anpassung der Grenzwerte an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse unternommen habe. Eine Befristung der Genehmigung sei daher folgerichtig gewesen. Lediglich auf diese Art und Weise habe sichergestellt werden können, dass auf dem Binnenmarkt jederzeit einheitliche Regelungen für die genannten Stoffe in Spielzeugen bestünden.

44      Nach Auffassung der Kommission würde es dem Schutzzweck der neuen Spielzeugrichtlinie und der Bedeutung des Gesundheitsschutzes im Unionsrecht widersprechen, wenn jede Maßnahme zur Einführung schärferer Bestimmungen auf Unionsebene bis nach dem Abschluss des Verfahrens gemäß Art. 114 Abs. 6 AEUV blockiert wäre. Ein solches Ergebnis wäre offensichtlich sinnwidrig. Die Befristung gebe der Kommission vielmehr die Möglichkeit, erforderlichenfalls flexiblere Lösungen zu finden, welche so wenig wie möglich den Binnenmarkt und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts beeinträchtigten. Gleichzeitig könne sie auf diese Weise die legitimen Anliegen der Mitgliedstaaten berücksichtigen.

45      Dazu stellt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter zunächst fest, dass die Kommission in Randnr. 54 des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf das Element Blei ausdrücklich anerkannt hat, dass die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie kein angemessenes Schutzniveau für Kinder bieten, weshalb sie bereits die Überarbeitung dieser Grenzwerte in Angriff genommen habe. Angesichts dessen hat die Kommission in Randnr. 55 des angefochtenen Beschlusses die mitgeteilten nationalen Bestimmungen für Blei als durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt angesehen. Ebenso verhält es sich in Bezug auf das Element Barium: In Randnr. 48 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausdrücklich anerkannt, dass die von der Bundesregierung angeführten Werte wahrscheinlich ein höheres Schutzniveau für Kinder bieten. Daher hat sie in Randnr. 51 des angefochtenen Beschlusses die mitgeteilten nationalen Bestimmungen für Barium als durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt angesehen.

46      In Randnr. 94 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission schließlich darauf hingewiesen, dass die von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen für Blei und Barium weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, noch ein unverhältnismäßiges Hindernis für das Funktionieren des Binnenmarktes darstellten. Die Kommission habe daher Gründe für die Annahme, dass diese Maßnahmen „vorbehaltlich einer Befristung“ gebilligt werden könnten.

47      Es erweist sich somit, dass die Kommission in Bezug auf Blei und Barium das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV bestätigt hat. Sie hat außerdem erklärt, sie stimme mit der Bundesrepublik Deutschland darin überein, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Absätze 4 und 6 des Art. 114 AEUV die Billigung zu erteilen sei. Zu diesen Voraussetzungen gehöre allerdings auch die Erforderlichkeit der mitgliedstaatlichen Bestimmungen. Diese liege im vorliegenden Fall bis zum Zeitpunkt des Erlasses der revidierten Grenzwerte der Spielzeugrichtlinie vor, danach allerdings nicht mehr. Hieraus ergebe sich ein Argument für die Befristung.

48      Was den erwähnten Erlass revidierter Grenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie betrifft, so hat sich die Kommission im vorliegenden Verfahren zum Stand der Anpassung der Grenzwerte für Barium wie folgt geäußert: Den entsprechenden Anpassungsentwurf habe sie am 3. Januar 2013 bei der Welthandelsorganisation angemeldet. Nach der Anmeldung sei eine 60-Tage-Frist (bis zum 4. März 2013) einzuhalten, während deren der Entwurf nicht angenommen werden könne. Nach Fristende und Berücksichtigung eventueller Kommentare könne sie den Entwurf dem Regelungsausschuss vorlegen. Die Kommission „[nehme] sich vor“, dies im März 2013 durch schriftliches Verfahren zu tun. „Falls der Regelungsausschuss dem Entwurf mit qualifizierter Mehrheit zustimm[e]“, beginne eine 3-Monatsfrist, während deren das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union Einwendungen gegen den Entwurf vorbringen könnten. „Falls dies nicht der Fall sein sollte“, könne die Kommission den Entwurf annehmen. Die neuen Migrationswerte für Barium könnten dann im Juli 2013 in Kraft treten.

49      Wie dieses Vorbringen unschwer erkennen lässt, hängt das Inkrafttreten der von der Kommission geplanten neuen Migrationswerte für Barium von mehreren Imponderabilien ab. Die starre Befristung der Billigung „nicht länger als bis zum 21. Juli 2013“ gemäß Art. 1 des angefochtenen Beschlusses begründet somit prima facie die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland gezwungen sein könnte, vor Inkrafttreten etwaiger neuer Migrationswerte ihre nationalen Bestimmungen aufzugeben, obwohl diese unstreitig ein höheres Schutzniveau als die gegenwärtigen Werte der neuen Spielzeugrichtlinie bieten und damit durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sind. Das Vorbringen der Bundesregierung, diese Befristung entspreche nicht einem „Beibehalten“ im Sinne von Art. 114 Abs. 4 AEUV und stelle in der Sache nichts anderes dar als eine Umgehung des Fristen- und Billigungsfiktionssystems des Art. 114 Abs. 4 bis 7 AEUV, erscheint daher auf den ersten Blick nicht ohne Grundlage.

50      Dies gilt erst recht für die von der Kommission geplante Anpassung der Grenzwerte für Blei. Insoweit geht die Kommission nämlich selbst davon aus, dass eine Annahme neuer Grenzwerte frühestens im Januar 2014 möglich erscheine, d. h. auf jeden Fall nach Ablauf der starren Billigungsfrist bis zum 21. Juli 2013.

51      Es ist daher festzustellen, dass das Vorbringen der Bundesregierung zur befristeten Billigung der Grenzwerte für Blei und Barium erhebliches Gewicht hat und Fragen aufwirft, die prima facie einer vertieften Prüfung bedürfen, welche dem für die Entscheidung zur Hauptsache zuständigen Spruchkörper vorbehalten ist. Insoweit ist folglich ein fumus boni iuris gegeben.

52      An dieser Stelle ist sogleich darauf hinzuweisen, dass die Kommission, falls der Eilantrag in diesem Punkt Erfolg haben sollte, jederzeit einen Antrag nach Artikel 108 der Verfahrensordnung stellen könnte, wenn sich ihres Erachtens die Umstände in einer Weise verändern sollten – etwa durch eine inzwischen erfolgte Anpassung der Grenzwerte für Blei und/oder Barium –, die eine Abänderung oder Aufhebung der Eilmaßnahme rechtfertigen würde.

 Zur Ablehnung der Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber

53      Nach Ansicht der Bundesregierung verstößt der angefochtene Beschluss wegen Verkennung des Prüfungsmaßstabs gegen Art. 114 Abs. 4 und 6 AEUV, soweit die Kommission die Beibehaltung der nationalen Bestimmungen für die Elemente Antimon, Arsen und Quecksilber deshalb abgelehnt hat, weil die Antragstellerin nicht nachgewiesen habe, dass die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie kein angemessenes Schutzniveau mehr böten bzw. negative Auswirkungen auf die Gesundheit erwarten ließen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 2003, Dänemark/Kommission (C‑3/00, Slg. 2003, I‑2643, Randnrn. 63 und 64), könne sich ein Mitgliedstaat nämlich zur Rechtfertigung der Beibehaltung nationaler Bestimmungen darauf berufen, dass er die Gefahr für die öffentliche Gesundheit anders bewerte, als es der Unionsgesetzgeber in der betreffenden Harmonisierungsmaßnahme getan habe. Dabei habe der Mitgliedstaat nur nachzuweisen, dass seine nationalen Bestimmungen ein höheres Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit als die unionsrechtliche Harmonisierungsmaßnahme gewährleisteten und dass sie nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgingen.

54      Entgegen der Auffassung der Kommission sei die Bundesregierung ihren Nachweisobliegenheiten nachgekommen. Die mit Anhang II Teil II Nr. 3 der alten Spielzeugrichtlinie identischen nationalen Grenzwerte und die Grenzwerte nach Anhang II Teil III Nr. 13 der neuen Spielzeugrichtlinie könnten erst nach einer Umrechnung miteinander verglichen werden, da Erstere auf die Bioverfügbarkeit abstellten, während Letztere in Migrationsgrenzwerten rechneten. Die Bundesregierung habe unter Berücksichtigung der Maßgaben der EN 71-3 (siehe oben, Randnr. 6) eine solche Umrechnung vorgenommen und sodann die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte bei Ausschöpfung der nach der neuen Spielzeugrichtlinie maximal zulässigen Migrationsgrenzwerte für die drei Konsistenzformen des Spielzeugs mit denjenigen nach der alten Spielzeugrichtlinie (unabhängig von der Konsistenz des Spielzeugs) verglichen. Dabei hätten sich die umgerechneten Migrationsgrenzwerte der mitgeteilten nationalen Bestimmungen als niedriger erwiesen als die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie. Dies zeige, dass die neue Spielzeugrichtlinie für die betreffenden Elemente eine höhere Migration zulasse als die mitgeteilten nationalen Bestimmungen. Dies wiederum führe zu einer stärkeren Exposition von Kindern gegenüber Schadstoffen. Bereits damit habe die Bundesregierung plausibel dargetan, dass die mitgeteilten nationalen Bestimmungen ein höheres Schutzniveau gewährleisteten als die neue Spielzeugrichtlinie, wie aus folgender Tabelle hervorgehe:

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55      Dies zeige, dass – in Bezug auf jedes einzelne Element und jede einzelne Konsistenzform – die Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie durchweg niedriger seien als die umgerechneten Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie. Damit gewährleisteten bereits bei einer Einzelbetrachtung die mitgeteilten nationalen Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die Gesundheit von Kindern als die neue Spielzeugrichtlinie. Dieser Befund verschärfe sich noch, wenn man im Wege einer Gesamtbetrachtung bei jedem Element die umgerechneten Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie für die drei Spielzeugkategorien addiere.

56      Die Kommission ist dagegen der Ansicht, die mitgeteilten nationalen Bestimmungen (und die ihnen zugrunde liegenden Grenzwerte der alten Spielzeugrichtlinie) schützten die Gesundheit nicht wirksamer als die Grenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie. Diese Bestimmungen führten hinsichtlich der Substanzen Antimon, Arsen und Quecksilber in der Mehrzahl der Fälle zu einer quantitativ höheren Migration von Schadstoffen aus Spielzeugen, wie sich aus der folgenden Tabelle ergebe, in der die Migrationsgrenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie mit den notifizierten Maßnahmen der Antragstellerin verglichen würden, wobei sich die Angaben auf die zulässige Höchstmenge des jeweiligen Elements in mg bezögen, die aus 1 kg Spielzeugmaterial austreten („migrieren“) dürfe:

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57      Aus dieser Tabelle ergebe sich eindeutig, dass die drei von der Antragstellerin mitgeteilten Werte bezüglich flüssiger und trockener Materialien in aller Regel deutlich höher seien als die der neuen Spielzeugrichtlinie. Nur bei abgeschabtem Material seien die mitgeteilten Werte niedriger. Doch seien abgeschabte Materialien in der Regel schwerer verfügbar, eben weil sie erst abgeschabt werden müssten.

58      Die Kommission weist darauf hin, dass die Bundesregierung mit der vorgelegten Tabelle (siehe oben, Randnr. 54) einen unzulässigen Vergleich vornehme. Während Spalte 2 die Bioverfügbarkeit aufliste, die nach den deutschen nationalen Bestimmungen (und der alten Spielzeugrichtlinie) als Zielgröße angestrebt werden solle, zeigten die drei Spalten weiter rechts die Bioverfügbarkeit, die nach der neuen Spielzeugrichtlinie praktisch erreicht werde, nämlich unter Berücksichtigung der aufgenommenen Menge an Spielzeugmaterial. Für einen korrekten Vergleich sollte auch für das „alte Regime“ die praktisch erreichbare Bioverfügbarkeit berechnet werden, und zwar für alle drei Spielzeugmaterialien. Dazu multipliziere man den Migrationsgrenzwert für ein bestimmtes Element, also die maximal erlaubte Menge des Elements, die aus 1 kg Spielzeugmaterial austreten dürfe, mit der durch das spielende Kind verschluckten Menge des jeweiligen Spielzeugmaterials: 100 mg für trockenes (usw.) Material, 400 mg für Modellierton und Fingerfarben bzw. flüssiges (usw.) Material, 8 mg für abgeschabtes Material. Folgende Tabelle verdeutliche dieses Ergebnis:

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59      Aus dieser Tabelle ergebe sich, dass die neue Spielzeugrichtlinie bezüglich Antimon, Arsen und Quecksilber überwiegend strenger sei – mit Ausnahme für abgeschabtes Material – als die Regelung, die die Antragstellerin beibehalten möchte. Die mitgeteilten Bestimmungen dienten mithin nicht dem Gesundheitsschutz, so dass es im Verfahren zur Hauptsache an dem entscheidenden Tatbestandsmerkmal des Art. 114 Abs. 4 AEUV fehle, der Geeignetheit der Maßnahme.

60      Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann nicht umhin, festzustellen, dass die Kontroverse zwischen der Bundesregierung und der Kommission um die „richtigen“ Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber in Spielzeug hochtechnische Fragen aufwirft. Dies gilt insbesondere für die Umrechnung der Migrations- in Bioverfügbarkeitsgrenzwerte.

61      Was diese Umrechnung betrifft, so entbehrt der Einwand gegen die von der Kommission angeführten „praktisch erreichbaren Bioverfügbarkeitswerte“ – abgeleitet aus der Multiplikation der Migrationsgrenzwerte der EN 71-3 mit geschätzten Aufnahmemengen 100 mg, 400 mg und 8 mg – prima facie nicht jeder Grundlage, soweit die Bundesregierung geltend macht, dass die Migrationsgrenzwerte der EN 71-3 aus einer angenommenen täglichen Aufnahmemenge von allein 8 mg Spielzeugmaterial abgeleitet worden seien und dass die alte Spielzeugrichtlinie (und die darauf beruhenden nationalen Bestimmungen) die maßgeblichen Bioverfügbarkeitsgrenzwerte bereits normativ vorgebe sowie die als Maximalgröße täglich höchstens verfügbare Menge infolge des Umgangs mit Spielzeug bereits definiere. Auch der Hinweis der Bundesregierung, die „praktisch erreichbaren Bioverfügbarkeitswerte“ der Kommission seien nicht sachgerecht, weil hierbei Werte errechnet würden, die die nach der alten Spielzeugrichtlinie zulässigen Werte weit überstiegen, so dass dieser Umrechnungsansatz der Kommission mit den Vorgaben der alten Spielzeugrichtlinie unvereinbar sei, erscheint auf den ersten Blick keineswegs völlig irrelevant.

62      Im Übrigen gesteht die Kommission selbst zu, dass auch nach ihrer eigenen Umrechnungsmethode die mitgeteilten nationalen Grenzwerte bei abgeschabtem Material niedriger sind als diejenigen der neuen Spielzeugrichtlinie, wobei abgeschabte Materialien allerdings „schwerer verfügbar“ seien, weil sie erst abgeschabt werden müssten. Hierzu hat die Kommission auf Nachfrage präzisiert, Beispiele für abgeschabtes Material seien Oberflächenbeschichtungen (Farben, Lacke), Kunststoffe, andere Materialien wie Leder oder Pappe, Holz, Textilien wie Plüsch, aber auch Glas oder Stahl. Es sei das spielende Kind, das das Spielzeugmaterial abschabe und nach Beißen, Kratzen mit den Zähnen, Saugen oder Lecken verschlucken könne. Diese Erläuterungen lassen auf den ersten Blick nicht erkennen, weshalb abgeschabte Spielsachen – d. h. stark abgenutzte Spielsachen, wie sie häufig in Kindergärten, Kindertagesstätten und kinderreichen Familien vorkommen dürften – schwerer verfügbar sein sollten als andere Materialien und das damit verbundene Gesundheitsrisiko vernachlässigenswert sein sollte. Die Kommission hat jedenfalls keine Zahlen zum Seltenheitswert derartigen Spielzeugmaterials vorgelegt. Es lässt sich somit schwerlich behaupten, dass die mitgeteilten nationalen Bestimmungen in Bezug auf abgeschabtes Spielzeugmaterial ungeeignet wären, dem Gesundheitsschutz im Sinne von Art. 114 Abs. 4 AEUV zu dienen.

63      Soweit die Kommission noch vorträgt, die Antragstellerin ersuche um Billigung von Vorschriften, die auf beinahe drei Jahrzehnte alten Methoden beruhten, genügt der Hinweis, dass der Gesetzgeber die auf diesen Methoden beruhenden Grenzwerte in der neuen Spielzeugrichtlinie ausdrücklich bis zum 20. Juli 2013 fortgelten lässt. Auch die von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss für Barium und Blei befristet gebilligten nationalen Grenzwerte beruhen auf diesen Methoden. Die Kommission kann somit prima facie nicht mit Erfolg geltend machen, das Grenzwertregime der alten Spielzeugrichtlinie sei völlig veraltet, wissenschaftlich überholt und deswegen offensichtlich ungeeignet.

64      Auch die Bemerkung der Kommission, alle anderen Mitgliedstaaten hätten keine Bedenken gegen die Grenzwerte der neuen Spielzeugrichtlinie, geht fehl, da speziell im Gesundheitssektor ein einzelner Mitgliedstaat die Gefahr für die öffentliche Gesundheit durchaus anders bewerten darf als der Unionsgesetzgeber im Rahmen einer Harmonisierungsmaßnahme, was den Mitgliedstaat zur Beibehaltung seiner nationalen Bestimmungen berechtigt, sofern er nachweisen kann, dass diese die (nationale) öffentliche Gesundheit besser schützen als die Harmonisierungsmaßnahme und nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dänemark/Kommission, Randnrn. 63 und 64).

65      Nach alledem ist festzustellen, dass auch das Vorbringen der Bundesregierung zur Ablehnung der Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber komplexe Fragen aufwirft, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, welche im Verfahren zur Hauptsache, gegebenenfalls im Wege der Begutachtung durch einen Sachverständigen gemäß Art. 65 Buchstabe d der Verfahrensordnung, vorzunehmen ist.

66      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss von der Prüfung einer möglichen willkürlichen Diskriminierung, einer Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und einer Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts in Bezug auf Arsen, Antimon und Quecksilber abgesehen hat. Wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, hat die Kommission jedoch in diesem Beschluss selbst festgestellt, dass die nationalen deutschen Bestimmungen für Blei, Barium, Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe unterschiedslos für alle Arten von Produkten gelten und weder eine willkürliche Diskriminierung darstellen noch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beschränken, noch das Funktionieren des Binnenmarkts behindern. Es ist kein Grund ersichtlich, warum bei den Elementen Arsen, Antimon und Quecksilber etwas anderes gelten sollte, obwohl die mitgeteilten nationalen Bestimmungen insoweit identisch sind.

67      Auch in Bezug auf die Ablehnung der Billigung der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber ist daher ein fumus boni iuris gegeben.

 Zur Dringlichkeit

68      Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist es, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache sicherzustellen und so die Lückenlosigkeit des vom Unionsrichter gewährten Rechtsschutzes zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg. 1996, I‑2441, Randnr. 46). Im Hinblick darauf ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringlich, wenn dem Antragsteller andernfalls ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Pfizer Animal Health/Rat, C‑329/99 P[R], Slg. 1999, I‑8343, Randnr. 94). Insoweit hat der Antragsteller die Umstände glaubhaft zu machen, die den Eintritt eines solchen Schadens erwarten lassen (Beschlüsse des Gerichtshofs vom 29. Juni 1993, Deutschland/Rat, C‑280/93 R, Slg. 1993, I‑3667, Randnr. 34, und des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Juli 2001, Kommission/NALOO, C‑180/01 P‑R, Slg. 2001, I‑5737, Randnr. 53).

69      Im vorliegenden Fall macht die Bundesregierung geltend, ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung drohe der Bundesrepublik Deutschland in dem Zeitraum zwischen dem 20. Juli 2013 und der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache ein schwerer und irreparabler Schaden. Das bedrohte Rechtsgut sei die Gesundheit von Kindern, die mit Spielzeug in Berührung kämen, das nicht nach den Grenzwerten der mitgeteilten nationalen Bestimmungen produziert worden sei, die ein höheres Schutzniveau aufwiesen als die neue Spielzeugrichtlinie. Der drohende Schaden wöge schwer, weil die Gesundheit an sich ein besonders hohes Schutzgut sei und Kinder, die sensibelste Untergruppe der Verbraucher, nicht über die Gefahren, denen sie ausgesetzt seien, eigenständig entscheiden könnten. Der einmal eingetretene Schaden wäre auch irreversibel, da Beeinträchtigungen der Gesundheit ihrer Natur nach nicht rückgängig zu machen seien.

70      Die Kommission entgegnet im Wesentlichen, selbst wenn die alten Schwellenwerte der alten Spielzeugrichtlinie zu einem höheren Schutzniveau führten als die Werte der neuen Spielzeugrichtlinie, hätte dies nicht zur Folge, dass Letztere ab dem 20. Juli 2013 zu schweren, irreparablen Schäden führen würden. Im Übrigen könne sich die Antragstellerin wegen des fehlenden fumus boni iuris auf keinerlei Dringlichkeit berufen.

71      Dazu ist festzustellen, dass es vorliegend um den Schutz der Gesundheit von Kindern geht, die mit Spielzeug in Berührung zu kommen drohen, das bestimmte Schwermetalle enthält. Art. 114 Abs. 4 AEUV sieht für die Festlegung von Grenzwerten für diese Schwermetalle die Möglichkeit einer Beibehaltung einzelstaatlicher Bestimmungen vor, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne von Art. 36 AEUV, d. h. auch zum Schutz der Gesundheit von Menschen, gerechtfertigt sind. Nach Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV, der ebenfalls den Schutz der menschlichen Gesundheit zum Gegenstand hat, beruht die von der Union auf diesem Gebiet zu verfolgende Politik u. a. auf dem Grundsatz der Vorsorge.

72      Aufgrund dieses Vorsorgegrundsatzes, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, können die Organe der Union, wenn Ungewissheiten bezüglich des Vorliegens oder des Umfangs von Gefahren für die menschliche Gesundheit bestehen, Schutzmaßnahmen ergreifen, ohne abwarten zu müssen, bis Vorliegen und Schwere dieser Gefahren nachgewiesen sind (vgl. Beschluss des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters des Gerichts vom 28. September 2007, Frankreich/Kommission (T‑257/07 R, Slg. 2007, II‑4153, Randnrn. 60 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie sind sogar gehalten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um bestimmte von einem Produkt ausgehende potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit auszuschließen, wobei sie sich darauf beschränken dürfen, ernsthafte und stichhaltige Anhaltspunkte zu liefern, die, ohne die wissenschaftliche Ungewissheit zu beseitigen, vernünftige Zweifel an der Ungefährlichkeit dieses Produkts erlauben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. März 2013, Acino/Kommission, T‑539/10, Randnrn. 63 und 66).

73      Diesen auf dem Vorsorgeprinzip beruhenden Erwägungen zum Vorliegen und zur Schwere potenzieller Gesundheitsgefahren hat auch der Eilrichter bei der Beurteilung der Frage Rechnung zu tragen, ob der in Rede stehende Rechtsakt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schwere und irreparable Gesundheitsschäden verursachen könnte. Insbesondere darf der Eilrichter derartige Schäden nicht allein deshalb als rein hypothetisch abtun, weil wissenschaftliche Ungewissheiten hinsichtlich der Gesundheitsgefahren bestehen.

74      Im vorliegenden Fall ist bei der Prüfung der Dringlichkeit zunächst zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung einen fumus boni iuris dargetan hat.

75      In Bezug auf die Grenzwerte für Barium und Blei hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss sogar selbst anerkannt, dass die mitgeteilten nationalen Bestimmungen durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt seien, und die Beibehaltung dieser Bestimmungen daher im Grundsatz gebilligt. Es ist somit davon auszugehen, dass die Bundesregierung, die die Gefahr für die öffentliche Gesundheit grundsätzlich anders bewerten durfte als der Unionsgesetzgeber im Rahmen der neuen Spielzeugrichtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Dänemark/Kommission, Randnrn. 63 und 64), hinreichend nachgewiesen hat, dass ihre nationalen Bestimmungen die öffentliche Gesundheit in Deutschland prima facie besser schützen als die neue Spielzeugrichtlinie und nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen.

76      Da die mitgeteilten nationalen Bestimmungen folglich für Barium und Blei prima facie ein höheres Schutzniveau aufweisen als die neue Spielzeugrichtlinie, ist davon auszugehen, dass die zu schützenden Kinder schweren und irreparablen Gesundheitsgefahren ausgesetzt wären, wenn ihnen dieses Schutzniveau verweigert würde. Soweit die Kommission einwendet, bereits die neue Spielzeugrichtlinie biete ein hohes Schutzniveau, so dass der allenfalls in der Differenz zwischen beiden Niveaus bestehende Schaden weder schwer noch irreparabel sei, stellt sie Wesen und Umfang des nationalen Schutzniveaus in Frage, obwohl sie selbst bescheinigt hat, dass die betreffenden nationalen Bestimmungen durch „wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes“ gerechtfertigt sind. Auf jeden Fall ist dieses – in sich widersprüchliche – Vorbringen im Rahmen der nach Art. 114 Abs. 4 AEUV grundsätzlich zulässigen „Renationalisierung“ der Gesundheitspolitik fehl am Platz.

77      Im Übrigen erscheint es unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips geboten, die bei Kontakt mit Schwermetallen wie Barium und Blei drohenden Gesundheitsschäden als schwer und irreparabel zu qualifizieren, vor allem, wenn es sich bei der Risikogruppe um spielende Kinder handelt. Das Vorbringen der Bundesregierung zur Dringlichkeit (siehe oben, Randnr. 69) greift mithin durch.

78      Dies ist auch hinsichtlich der Grenzwerte für Antimon, Arsen und Quecksilber der Fall, wenngleich die Kommission nicht anerkannt hat, dass die entsprechenden nationalen Bestimmungen durch wichtige Erfordernisse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt seien. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Bundesregierung insoweit aufgeworfenen komplexen Fragen (siehe oben, Randnr. 65) nach eingehender Prüfung im Verfahren zur Hauptsache dahin gehend beantwortet werden, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen auch für Antimon, Arsen und Quecksilber ein höheres Schutzniveau aufweisen als die neue Spielzeugrichtlinie, weshalb die zu schützenden Kinder schweren und irreparablen Gesundheitsgefahren ausgesetzt wären, wenn ihnen dieses Schutzniveau verweigert würde. Es ist zwar nicht sicher, dass die aufgeworfenen Fragen tatsächlich in diesem Sinne beantwortet werden. Diese Ungewissheit erlaubt es dem Eilrichter unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips jedoch nicht, die Gefahr schwerer und irreparabler Gesundheitsschäden zu verneinen, zumal die Bundesregierung mit ernsthaften und stichhaltigen Argumenten das Schutzniveau der neuen Spielzeugrichtlinie in Zweifel gezogen hat (siehe oben, Randnr. 61) und die Kommission im Übrigen selbst einräumt, dass die mitgeteilten nationalen Grenzwerte bei abgeschabtem Spielzeugmaterial niedriger sind als diejenigen der neuen Spielzeugrichtlinie.

79      Nach alledem hat die Bundesregierung die Dringlichkeit des Erlasses der von ihr begehrten einstweiligen Anordnung rechtlich hinreichend dargetan.

 Zur Interessenabwägung

80      Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Risiken jeder der möglichen Lösungen gegeneinander abgewogen werden. Konkret bedeutet dies, dass insbesondere zu prüfen ist, ob das Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwerer wiegt als das Interesse an einem sofortigen Vollzug des angefochtenen Rechtsakts. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts im Verfahren zur Hauptsache die Umkehrung der Lage erlauben würde, die durch den sofortigen Vollzug dieses Aktes entstünde, und inwieweit umgekehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Erreichung der mit dem angefochtenen Rechtsakt verfolgten Ziele behindern würde, falls die Klage abgewiesen würde (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 18. März 2011, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission, T‑457/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 69, und vom 16. November 2012, Akzo Nobel e. a./Kommission, T‑345/12 R, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Im vorliegenden Fall hat die Bundesregierung sowohl die Dringlichkeit ihres Eilantrags nachgewiesen als auch einen fumus boni iuris dargetan. Es ist daher anzuerkennen, dass sie grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse am Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung hat.

82      Die Bundesregierung weist auch zu Recht darauf hin, dass das Interesse an einer Rechtsangleichung im Binnenmarkt gemäß Art. 114 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 26 AEUV zwar nachteilig betroffen wäre, wenn die einstweilige Anordnung erlassen, die Klage später jedoch abgewiesen würde, dass dieser Nachteil für den Binnenmarkt jedoch als relativ gering einzustufen wäre. In der Tat sind die Grenzwerte der mitgeteilten nationalen Bestimmungen, die mit denen der alten Spielzeugrichtlinie identisch sind, in der Spielzeugbranche seit Jahrzehnten bekannt und etabliert, so dass diese Branche ohne Weiteres in der Lage ist, sie umzusetzen und einzuhalten. Vor allem wäre dieser Nachteil nicht irreversibel, sondern rein vorläufiger Natur. Das Spielzeug könnte nämlich nach der Entscheidung zur Hauptsache nachträglich eingeführt und vertrieben werden. Wenn die einstweilige Anordnung hingegen nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, wäre die Gesundheit von Kindern in der Zwischenzeit möglicherweise gravierend und irreversibel beeinträchtigt worden.

83      Das Interesse der Kommission an einer Abweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz muss deshalb hinter dem Interesse der Bundesregierung zurücktreten, zumal durch die beantragte einstweilige Anordnung lediglich ein bereits seit 1988 bestehender Rechtszustand aufrechterhalten wird, und zwar nur für einen begrenzten Zeitraum. Das schriftliche Verfahren in der Rechtssache T‑198/12 ist nämlich seit dem 14. Dezember 2012 beendet, so dass mit einer Entscheidung zur Hauptsache in den folgenden Monaten gerechnet werden kann.

84      Da sämtliche Voraussetzungen für den Erlass der hilfsweise begehrten Eilmaßnahme erfüllt sind, ist dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz insoweit stattzugeben.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Europäischen Kommission wird aufgegeben, die Beibehaltung der von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilten nationalen Bestimmungen mit Grenzwerten für Antimon, Arsen, Quecksilber, Barium und Blei in Spielzeug bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache zu billigen.

2.      Im Übrigen wird der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 15. Mai 2013.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.