URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

7. Februar 2019(*)

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das eine Leuchte darstellt – Nichtigkeitsgrund – Älteres Geschmacksmuster – Eigenart – Informierter Benutzer – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑766/17

Eglo Leuchten GmbH mit Sitz in Pill (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Lauf,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

DiKa Vertriebs GmbH & Co. KG mit Sitz in Arnsberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.‑H. Hoffmann,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. September 2017 (Sache R 738/2016‑3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Eglo Leuchten und Di‑Ka

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin) und des Richters C. Mac Eochaidh,

Kanzler: R. Ukelyte, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 23. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 2. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 31. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 28. März 2014 meldete die Streithelferin, die Di‑Ka Vertriebs GmbH & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2        Das angegriffene Geschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben:

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3        Das angegriffene Geschmacksmuster soll für „Leuchten“ in Klasse 26 05 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung verwendet werden.

4        Das angegriffene Geschmacksmuster wurde als Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter der Nr. 2435768‑0033 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 98/2014 vom 28. Mai 2014 veröffentlicht.

5        Am 23. Oktober 2015 stellte die Klägerin, die Eglo Leuchten GmbH, beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002. Der Antrag wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gestützt.

6        In ihrem Antrag auf Nichtigerklärung machte die Klägerin insbesondere geltend, dass es dem angegriffenen Geschmacksmuster an Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fehle. Dabei stützte sie sich auf mehrere Dokumente, die belegen sollen, dass der Öffentlichkeit ältere Geschmacksmuster zugänglich gemacht wurden, und zwar u. a. auf

–        einen Auszug aus dem Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 81/2008 vom 23. April 2008, der die Veröffentlichung des unter der Nr. 894126 0011 eingetragenen Geschmacksmusters (im Folgenden: eingetragenes älteres Geschmacksmuster) betrifft, das wie folgt wiedergegeben wird:

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–        mehrere Seiten eines Katalogs der Klägerin mit dem Titel „Wohnraumleuchten 2009/10“, der u. a. folgende Bilder enthält:

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7        Mit Entscheidung vom 19. Februar 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.

8        Am 21. April 2016 legte die Streithelferin beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9        Mit Entscheidung vom 26. September 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

10      Dabei führte die Beschwerdekammer erstens aus, zum einen seien die beiden folgenden Bilder aus dem oben in Rn. 6 genannten Katalog eine Wiedergabe des eingetragenen älteren Geschmacksmusters:

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11      Zum anderen handelte es sich nach Auffassung der Beschwerdekammer bei den beiden anderen nachstehend wiedergegebenen Bildern aus dem oben in Rn. 6 erwähnten Katalog um die Darstellung einer anderen Leuchte, und zwar einer Hängeleuchte aus der Ringo-Serie (im Folgenden: älteres Geschmacksmuster einer Hängeleuchte):

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12      Die Beschwerdekammer ging daher davon aus, dass die Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung zwei ältere Geschmacksmuster angeführt habe.

13      Zweitens reichten die Unterschiede zwischen den beiden älteren Geschmacksmustern und dem angegriffenen Geschmacksmuster aus, um zu dem Schluss zu gelangen, dass sie beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen. Somit könne der Gesamteindruck der älteren Geschmacksmuster dem angegriffenen Geschmacksmuster nicht seine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 nehmen.

 Anträge der Parteien

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angegriffene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und, hilfsweise, der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

15      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

16      Als einzigen Klagegrund führt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 an.

17      Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem auf einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 gestützten ersten Teil rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer einen durchschnittlichen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angenommen habe. Mit dem zweiten Teil macht sie einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung geltend, da die Beschwerdekammer davon ausgegangen sei, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart habe.

18      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Vorbemerkungen

19      Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geht hervor, dass im Fall eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Eigenart im Hinblick auf den bei einem informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen ist. Der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck muss sich von demjenigen unterscheiden, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 stellt klar, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters zu berücksichtigen ist.

20      Nach der Rechtsprechung beruht die Eigenart eines Geschmacksmusters darauf, dass aus der Sicht eines informierten Benutzers in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz ein Unterschied im Gesamteindruck oder kein „Déjà-vu“ besteht, wobei Unterschiede außer Betracht bleiben, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – zu schwach ausgeprägt sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinflussen, jedoch Unterschiede berücksichtigt werden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Bei der Beurteilung, ob ein Geschmacksmuster Eigenart in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz aufweist, sind die Art des Erzeugnisses, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere der jeweilige Industriezweig (vgl. 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002) und der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, eine mögliche Sättigung des Stands der Technik, durch die der informierte Benutzer für Unterschiede zwischen den verglichenen Geschmacksmustern aufmerksamer wird, sowie die Art der Benutzung des fraglichen Erzeugnisses, insbesondere im Hinblick auf die dafür übliche Bedienungsweise, zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Schließlich ist bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters auch die Sicht des informierten Benutzers zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der informierte Benutzer eine Person, der eine besondere Wachsamkeit eigen ist und die über eine gewisse Kenntnis vom vorherigen Stand der Technik verfügt, d. h. vom Formenschatz der sich auf das fragliche Erzeugnis beziehenden Geschmacksmuster, die am Anmeldetag des streitigen Geschmacksmusters oder gegebenenfalls an dem in Anspruch genommenen Prioritätstag zugänglich waren (Urteile vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM – PepsiCo [Wiedergabe eines runden Werbeträgers], T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 62, vom 9. September 2011, Kwang Yang Motor/HABM – Honda Giken Kogyo [Verbrennungsmotor], T‑11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 23, und vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM – Villeroy & Boch [Einhandmischer], T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 18).

23      Die beiden Teile des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes sind im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

 Erster Teil: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

24      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer hätte davon ausgehen müssen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers mangels gegenteiliger Nachweise der Streithelferin hoch sei. Im Übrigen sei die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nach dem übereinstimmenden Parteivortrag vor dem EUIPO zum einen hinsichtlich der Befestigungsvorrichtung praktisch nicht vorhanden und zum anderen hinsichtlich des Leuchtenkopfs hoch.

25      Insoweit ist festzustellen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt wird, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen aller beim betreffenden Erzeugnis verwendeten Geschmacksmuster werden (Urteil vom 18. März 2010, Wiedergabe eines runden Werbeträgers, T‑9/07, EU:T:2010:96‚ Rn. 67).

26      Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto eher genügen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Daher bestärkt ein hoher Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters die Schlussfolgerung, dass Geschmacksmuster, die keine signifikanten Unterschiede aufweisen, beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck hervorrufen (Urteil vom 9. September 2011, Verbrennungsmotor, T‑11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 33).

27      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer angenommen, dass der Entwerfer bei Wand- oder Deckenleuchten einen durchschnittlichen Grad an Gestaltungsfreiheit habe, da diese zwangsläufig über eine Fassung für das Leuchtmittel sowie über eine Vorrichtung zur Befestigung der Leuchte an der Wand oder an der Decke verfügen müssten. Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers unterliege jedoch grundsätzlich keinen Beschränkungen in Bezug auf die jeweilige Ausgestaltung der Fassungen und der Vorrichtungen zur Befestigung.

28      Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Beschwerdekammer von einem hohen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers hätte ausgehen müssen, weil die Streithelferin das Gegenteil nicht bewiesen habe und es für die Klägerin tatsächlich nicht möglich sei, die fehlende Sättigung des Stands der Technik zu beweisen.

29      Zum einen kann, wie im Übrigen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Sättigung des Stands der Technik nicht als Beschränkung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angesehen werden (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen stand es der Klägerin im Hinblick auf die oben in Rn. 25 angeführte Rechtsprechung frei, gegebenenfalls nachzuweisen, dass die für Leuchten geltenden gesetzlichen Vorschriften oder die Vorgaben, die sich aus den durch die technische Funktion der Leuchten oder eines ihrer Bestandteile bedingten Merkmalen ergeben, nicht geeignet waren, den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers spürbar zu beschränken.

30      Zweitens ist, worauf das EUIPO zutreffend hinweist, die Argumentation der Klägerin insoweit widersprüchlich, als sie einerseits der Beschwerdekammer vorwirft, in Bezug auf Leuchten nicht von einem hohen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers auszugehen, und andererseits den Ansatz der Beschwerdekammer rügt, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf die Vorrichtungen zur Befestigung dieser Leuchten unbeschränkt sei, obwohl sie ausgeführt habe, dass es diese Gestaltungsfreiheit praktisch nicht gebe.

31      Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach der Entwerfer in Bezug auf die Befestigungsvorrichtungen praktisch keine Gestaltungsfreiheit habe, da die Form dieser Vorrichtungen standardisiert sei.

32      Die Frage, ob ein Geschmacksmuster einer allgemeinen Designtendenz folgt, spielt im Rahmen der Prüfung, ob das betroffene Geschmacksmuster Eigenart besitzt, bei der untersucht wird, ob sich der von diesem Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck von dem unterscheidet, der – unabhängig von ästhetischen oder kommerziellen Erwägungen – jeweils von älteren Geschmacksmustern hervorgerufen wird, keine Rolle (Urteil vom 22. Juni 2010, Shenzhen Taiden/HABM – Bosch Security Systems [Fernmeldegeräte], T‑153/08, EU:T:2010:248, Rn. 58). Demnach kann der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nicht davon abhängen, ob es eine solche Designtendenz gibt.

33      Viertens hat die Beschwerdekammer den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers gemäß der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung beurteilt.

34      Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass nach Auffassung der Beschwerdekammer die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers durch die technische Funktion der Leuchten, die es erforderlich macht, eine Fassung für ein Leuchtmittel mit einer Befestigungsvorrichtung zu kombinieren, beschränkt wird.

35      Folglich ist die Beschwerdekammer entgegen den Ausführungen der Klägerin zutreffend davon ausgegangen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers zwar in Bezug auf die Fassungen und die Befestigungsvorrichtungen jeweils hoch, hinsichtlich der gesamten Leuchte dagegen nur durchschnittlich sei.

36      Also ist der erste Teil des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Teil: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002

37      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer sei fälschlich davon ausgegangen, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart besitze, und zwar allein aufgrund der Merkmale der Wandhalterung, der kurzen Leiste und des Kipp-Dreh-Gelenks der in Rede stehenden Leuchte.

38      Vorliegend ist erstens festzustellen, dass der informierte Benutzer von der Beschwerdekammer zutreffend als Person bestimmt worden ist, die mit Leuchten sowie den verschiedenen Geschmacksmustern in diesem Bereich vertraut sei, übrigens ohne dass die Klägerin in diesem Punkt widersprochen hätte.

39      Zweitens ist die Beschwerdekammer, wie oben in Rn. 34 ausgeführt, zutreffend von einem mittleren Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers ausgegangen.

40      Drittens ist übereinstimmend mit der Beschwerdekammer zunächst darauf hinzuweisen, dass zum einen die Leuchtenköpfe, selbst wenn das eingetragene ältere und das angegriffene Geschmacksmuster jeweils einen ringförmigen Leuchtenkopf haben, doch in Bezug auf die Innenseite dieser Ringe Unterschiede aufweisen und dass zum anderen das angegriffene Geschmacksmuster über eine Vorrichtung zur Befestigung an der Wand, über eine kurze Leiste und über ein Kipp‑Dreh‑Gelenk verfügt, die beim eingetragenen älteren Geschmacksmuster fehlen.

41      Sodann ist die Beschwerdekammer zutreffend davon ausgegangen, dass das ältere Geschmacksmuster einer Hängeleuchte sich vom angegriffenen Geschmacksmuster zum einen darin unterscheidet, dass sie über einen zweiten ringförmigen Leuchtenkopf, eine lange Querleiste und eine Vorrichtung zur Befestigung an der Decke, die durch zwei Leitungen mit der Leiste verbunden ist, und zum anderen über keine Vorrichtung zur Befestigung an der Wand, keine kurze Leiste und kein Kipp-Dreh-Gelenk verfügt.

42      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die sichtbaren Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters einerseits und der älteren Geschmacksmuster andererseits erhebliche Unterschiede aufweisen, so dass sich der durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck von dem der älteren Geschmacksmuster unterscheidet.

43      Dieser Unterschied tritt dadurch noch deutlicher hervor, dass der durch ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorgerufene Eindruck zwangsläufig auch durch die Art und Weise der Benutzung des fraglichen Produkts bestimmt wird (Urteile vom 22. Juni 2010, Fernmeldegeräte, T‑153/08, EU:T:2010:248, Rn. 66, und vom 14. Juni 2011, Sphere Time/HABM – Punch [An einem Schlüsselband befestigte Uhr], T‑68/10, EU:T:2011:269, Rn. 78). In der vorliegenden Rechtssache handelt es sich beim angegriffenen Geschmacksmuster um eine Wandleuchte, deren Leuchtenkopf durch das Kipp-Dreh-Gelenk entsprechend den Bedürfnissen des Benutzers ausgerichtet werden kann. Somit kann zum einen diese Wandleuchte nicht auf dieselbe Weise wie die durch das ältere Geschmacksmuster dargestellte Hängeleuchte genutzt werden. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von dem eingetragenen älteren Geschmacksmuster dargestellte Leuchte genauso wie die in Rede stehende Wandleuchte genutzt wird. Aus dem oben in Rn. 6 erwähnten Katalog geht hervor, dass diese Leuchte sowohl an der Decke befestigt werden als auch Bestandteil einer Stehleuchte oder der durch das ältere Geschmacksmuster dargestellten Hängeleuchte sein kann.

44      Folglich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das angegriffene Geschmacksmuster über Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 verfügt.

45      Das Vorbringen der Klägerin kann daran nichts ändern.

46      Die Klägerin macht erstens geltend, dass Befestigungsvorrichtungen in der Leuchtenindustrie im Allgemeinen banal seien, so dass der Gesamteindruck der Geschmacksmuster durch die Leuchtenköpfe bestimmt werde. Außerdem beträfen drei der vier Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters gerade den Leuchtenkopf, während keine einzige der Abbildungen speziell die Befestigungsvorrichtung betreffe.

47      Insoweit ist hinsichtlich der Beurteilung des Gesamteindrucks, den ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft, darauf hinzuweisen, dass dieser Benutzer Bestandteilen, die völlig banal und allen Exemplaren vom Typ der fraglichen Erzeugnisse gemeinsam sind, nur eine begrenzte Aufmerksamkeit widmet und sich auf willkürliche oder von der Norm abweichende Merkmale konzentriert (vgl. Urteil vom 21. Juni 2017, Kneidinger/EUIPO – Topseat International [Toilettendeckel], T‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:411, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall ist jedoch zunächst festzustellen, dass die Klägerin zur Begründung ihres Vorbringens, dass die Vorrichtung zur Befestigung der mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Leuchte banal sei, lediglich geltend macht, dass zum einen der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf diese Befestigungsvorrichtung gering sei und dass zum anderen die Streithelferin im Verfahren vor dem EUIPO eingeräumt habe, dass die ovale Form dieser Vorrichtung banal sei.

49      Zum einen ist aber, wie oben in Rn. 33 ausgeführt wurde, der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf die Befestigungsvorrichtung als solcher hoch. Außerdem geht aus der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung hervor, dass kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern umso eher genügen, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen, je beschränkter die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers ist. Folglich wird durch die Annahme, dass in Bezug auf die Befestigungsvorrichtung der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers gering sei, diese Vorrichtung für den informierten Benutzer nicht banaler, sondern weniger banal. Zum anderen bedeutet der Umstand, dass die Form der in Rede stehenden Befestigungsvorrichtung banal ist, nicht zwangsläufig, dass diese Vorrichtung, insbesondere angesichts ihrer Größe, nicht von einem etwaigen Standard unterschieden werden und damit für den durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindruck entscheidend sein könnte.

50      Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die Größe des Leuchtenkopfs nicht unbedingt entscheidend für die Größe der Befestigungsvorrichtung. Wie darüber hinaus die Streithelferin ausführt, ist die Befestigungsvorrichtung der mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Leuchte sehr groß und im Übrigen erheblich größer als der Leuchtenkopf, so dass diese Vorrichtung geeignet ist, die Aufmerksamkeit des informierten Benutzers auf sich zu ziehen und einer der entscheidenden Bestandteile des durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindrucks zu sein.

51      Sodann ruft das angegriffene Geschmacksmuster beim informierten Benutzer nicht dadurch einen anderen Gesamteindruck hervor, dass bestimmte Bestandteile der in Rede stehenden Leuchte auf drei der vier Abbildungen dieses Geschmacksmusters nicht wiedergegeben werden, denn alle diese Bestandteile sind auf mindestens einer der zur Reproduktion geeigneten Wiedergaben zu sehen, was vorliegend nicht bestritten wird.

52      Zweitens sind nach Auffassung der Klägerin, die insoweit ihr Vorbringen nicht näher belegt, die kurze Leiste und das Kipp-Dreh-Gelenk banal, so dass sie den Gesamteindruck des angegriffenen Geschmacksmusters nicht beeinflussen könnten. Jedoch ist zum einen im Hinblick auf die Ausführungen oben in Rn. 49 festzustellen, dass es sich bei der kurzen Leiste, da sie im Vergleich zur Größe der Befestigungsvorrichtung und des Leuchtenkopfs besonders klein ist, um einen der Bestandteile handelt, die die Aufmerksamkeit des informierten Benutzers auf sich ziehen und somit einer der Bestandteile sein können, die für den durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindruck entscheidend sind.

53      Zum anderen ergibt sich oben aus Rn. 43, dass das Kipp-Dreh-Gelenk und infolgedessen die kurze Leiste, in die es eingelassen ist, für die Ausrichtung der Leuchtenköpfe erforderlich sind. Daher können dieses Kipp-Dreh-Gelenk und diese kurze Leiste sich auf die Art und Weise der Benutzung der mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Leuchte auswirken und damit dem informierten Benutzer nicht entgehen. Also handelt es sich dabei um relevante Bestandteile für die Beurteilung des durch dieses Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindrucks.

54      Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer unzutreffend angenommen habe, die mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellte Leuchte habe ein Kipp-Dreh-Gelenk, obwohl aus den „statischen“ Abbildungen dieses Geschmacksmusters nicht geschlossen werden könne, dass die verschiedenen Bestandteile dieser Leuchte untereinander beweglich seien.

55      Insoweit ist festzustellen, dass auf den Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters, anders als von der Klägerin vorgetragen, tatsächlich ein in mehreren Neigungswinkeln bewegliches Kipp-Dreh-Gelenk dargestellt ist und aus ihnen daher geschlossen werden kann, dass eine Ausrichtung des Leuchtenkopfs im Verhältnis zu der kurzen Leiste in verschiedene Richtungen möglich ist.

56      Viertens trägt die Klägerin vor, da sich das mit dem eingetragenen älteren Geschmacksmuster dargestellte Produkt auf einen Leuchtenkopf beschränke, sei bei der Bestimmung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters nur dieser dargestellte Leuchtenkopf zu berücksichtigen, nicht aber die Befestigungsvorrichtung; dies gelte umso mehr, als Letztere banal sei.

57      Insoweit ist daran zu erinnern, dass sich für die Bejahung der Eigenart eines Geschmacksmusters der Gesamteindruck, den dieses beim informierten Benutzer hervorruft, nicht von dem Gesamteindruck, den eine Kombination isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern hervorruft, sondern von dem Gesamteindruck, den ein oder mehrere ältere Geschmacksmuster für sich genommen hervorrufen, unterscheiden muss (Urteil vom 19. Juni 2014, Karen Millen Fashions, C‑345/13, EU:C:2014:2013‚ Rn. 35).

58      Im vorliegenden Fall kann jedoch zum einen, wie oben in Rn. 50 ausgeführt, die Befestigungsvorrichtung des angegriffenen Geschmacksmusters nicht als banal angesehen werden. Zum anderen müsste diese Befestigungsvorrichtung, selbst wenn sie bereits der Öffentlichkeit zugänglich gewesen wäre, bei der Feststellung, ob dieses Geschmacksmuster einen anderen Gesamteindruck als die älteren Geschmacksmuster hervorruft, berücksichtigt werden.

59      Nach alledem ist der zweite Teil des einzigen von der Klägerin vorgetragenen Klagegrundes zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie vom EUIPO und von der Streithelferin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Eglo Leuchten GmbH trägt die Kosten.

Gervasoni

Kowalik-Bańczyk

Mac Eochaidh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Februar 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Gervasoni


*      Verfahrenssprache: Deutsch.