URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

15. April 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – Richtlinie 2000/43/EG – Art. 7 – Rechtsschutz – Art. 15 – Sanktionen – Klage auf Schadensersatz wegen Diskriminierung – Anerkenntnis der Schadensersatzforderung durch den Beklagten, ohne dass er das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einräumt – Zusammenhang zwischen dem gezahlten Schadensersatz und der behaupteten Diskriminierung – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz – Nationale Verfahrensvorschriften, die das mit der Klage befasste Gericht daran hindern, trotz ausdrücklichen Antrags des Klägers über das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung zu entscheiden“

In der Rechtssache C‑30/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2019, in dem Verfahren

Diskrimineringsombudsmannen

gegen

Braathens Regional Aviation AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan und N. Piçarra, des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, der Richter M. Safjan und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe, der Richter C. Lycourgos und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi und des Richters I. Jarukaitis,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Diskrimineringsombudsman, vertreten durch M. Mörk, T. A. Qureshi und A. Rosenmüller Nordlander,

–        der Braathens Regional Aviation AB, vertreten durch J. Josjö und C. Gullikson Dock, advokater, sowie durch J. Hettne,

–        der schwedischen Regierung, zunächst vertreten durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, H. Shev und J. Lundberg, dann durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz und H. Shev als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, E. Ljung Rasmussen, G. Tolstoy und C. Valero als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2020

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22) in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Diskrimineringsombudsman (Bürgerbeauftragter für Diskriminierungangelegenheiten, Schweden), im Namen eines Fluggasts, der sich als Opfer einer Diskriminierung sieht, und der Braathens Regional Aviation AB (im Folgenden: Braathens), einer schwedischen Fluggesellschaft, die den Schadensersatzanspruch dieses Fluggasts anerkannt hat, ohne jedoch das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einzuräumen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 19 und 26 der Richtlinie 2000/43 heißt es:

„(19)      Opfer von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen. Um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollte auch die Möglichkeit bestehen, dass sich Verbände oder andere juristische Personen unbeschadet der nationalen Verfahrensordnung bezüglich der Vertretung und Verteidigung vor Gericht bei einem entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten im Namen eines Opfers oder zu seiner Unterstützung an einem Verfahren beteiligen.

(26)      Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für den Fall vorsehen, dass gegen die aus der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen verstoßen wird.“

4        Art. 1 („Zweck“) dieser Richtlinie 2000/43 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

5        Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.“

6        Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie sieht vor:

„Im Rahmen der auf die [Europäische Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf:

h)      den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.“

7        In Art. 7 („Rechtsschutz“) der Richtlinie 2000/43 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.

…“

8        Art. 8 („Beweislast“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

(3)      Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.

…“

9        Art. 15 („Sanktionen“) der Richtlinie 2000/43 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. …“

 Schwedisches Recht

10      Nach Kapitel 1 § 4 Abs. 1 des Diskrimineringslag (2008:567) (Diskriminierungsgesetz [2008:567]) liegt eine Diskriminierung u. a. dann vor, wenn eine Person dadurch benachteiligt wird, dass sie ungünstiger behandelt wird als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation behandelt wird oder behandelt würde, falls die Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit dem Geschlecht, einer transsexuellen Identität oder einem transsexuellen Bekenntnis, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder dem Glauben, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung oder dem Alter steht.

11      Nach Kapitel 2 § 12 dieses Gesetzes ist eine Diskriminierung u. a. Personen verboten, die außerhalb des Privat- und Familienlebens der Allgemeinheit Waren, Dienstleistungen oder Wohnungen anbieten.

12      Kapitel 5 dieses Gesetzes sieht die Sanktionen vor, die gegen jeden, der eine Diskriminierung begeht, verhängt werden können, nämlich die Entschädigung des Opfers durch die Zahlung eines „Schadensersatzes wegen Diskriminierung“ sowie die Anpassung und die Aufhebung von Verträgen und anderen Rechtsgeschäften.

13      Aus Kapitel 6 § 1 Abs. 2 Diskrimineringslag geht hervor, dass Streitigkeiten betreffend die Anwendung von Kapitel 2 § 12 dieses Gesetzes von den ordentlichen Gerichten gemäß den Bestimmungen des Rättegångsbalk (Gerichtsprozessordnung) über Zivilverfahren – in denen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zulässig ist – geprüft werden.

14      Nach Kapitel 13 § 1 Rättegångsbalk kann der Kläger unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen eine Leistungsklage erheben, um die Verurteilung des Beklagten zur Erfüllung einer Handlungspflicht, etwa der zur Zahlung eines Geldbetrags an den Kläger, zu erwirken.

15      In Kapitel 13 § 2 Rättegångsbalk ist die Feststellungsklage geregelt. Nach § 2 Abs. 1 kann eine solche Klage, die auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines bestimmten Rechtsverhältnisses gerichtet ist, vom Gericht geprüft werden, wenn in Bezug auf dieses Rechtsverhältnis eine Unsicherheit mit nachteiligen Auswirkungen für den Kläger besteht.

16      Kapitel 42 § 7 Rättegångsbalk sieht vor, dass sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unverzüglich gegen die Klage verteidigen muss. Stattdessen kann er sich in diesem Stadium aber auch entscheiden, den Anspruch des Klägers anzuerkennen.

17      Gemäß Kapitel 42 § 18 Rättegångsbalk erlässt das Gericht, nachdem der Beklagte die Forderungen des Klägers anerkannt hat, ein Urteil auf der Grundlage dieses Anerkenntnisses.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

18      Im Juli 2015 wurde ein in Chile geborener Fluggast mit Wohnsitz in Stockholm (Schweden), der einen von der Fluggesellschaft Braathens durchgeführten Flug innerhalb Schwedens gebucht hatte (im Folgenden: Fluggast), aufgrund einer Entscheidung des Bordkommandanten einer zusätzlichen Sicherheitskontrolle unterzogen.

19      Der Diskrimineringsombudsman erhob vor dem Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm, Schweden) Klage gegen Braathens auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10 000 schwedischen Kronen (SEK) (rund 1 000 Euro) an den Fluggast wegen der Diskriminierung, die diese Fluggesellschaft gegenüber dem Fluggast begangen habe.

20      Zur Begründung seiner Klage machte der Diskrimineringsombudsman der Sache nach geltend, der Fluggast sei von Braathens unter Verstoß gegen Kapitel 2 § 12 und Kapitel 1 § 4 Diskrimineringslag unmittelbar diskriminiert worden, da diese einen Bezug zwischen ihm und einer arabischen Person hergestellt und ihn deswegen einer zusätzlichen Sicherheitskontrolle unterzogen habe. Braathens habe dem Fluggast dadurch aus Gründen, die im Zusammenhang mit seinem Aussehen und seiner ethnischen Zugehörigkeit stünden, einen Nachteil zugefügt, indem sie ihn ungünstiger behandelt habe als andere Fluggäste in einer vergleichbaren Situation.

21      Vor dem Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) war Braathens bereit, den geforderten Betrag als Schadensersatz wegen Diskriminierung zu zahlen, erkannte aber nicht an, irgendeine Diskriminierung begangen zu haben. Der Diskrimineringsombudsman sprach sich vor diesem Gericht gegen eine Entscheidung auf der Grundlage des Anerkenntnisses von Braathens ohne Prüfung der geltend gemachten Diskriminierung in der Sache aus.

22      Das Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) verurteilte Braathens zur Zahlung des geforderten Betrags zuzüglich Zinsen und zur Tragung der Kosten. Nach Auffassung dieses Gerichts sind zivilrechtliche Rechte und Pflichten betreffende Streitigkeiten, die wie der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zur freien Disposition der Parteien stehen, im Fall des Anerkenntnisses der Schadensersatzforderung des Klägers ohne Prüfung in der Sache zu entscheiden und das Gericht sei an das Anerkenntnis von Braathens gebunden. Im Übrigen erklärte es die Anträge des Diskrimineringsombudsman, die auf den Erlass eines Feststellungsurteils in dem Sinne gerichtet waren, dass die Fluggesellschaft aufgrund ihres diskriminierenden Verhaltens zur Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung verpflichtet sei, hilfsweise, dass der Fluggast durch Braathens diskriminiert worden sei, aufgrund dieses Anerkenntnisses für unzulässig.

23      Nachdem seine gegen das Urteil des Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) beim Svea hovrätt (Berufungsgericht mit Sitz in Stockholm, Schweden) eingelegte Berufung ohne Erfolg geblieben war, legte der Diskrimineringsombudsman gegen dessen Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden), ein Rechtsmittel ein. Im Rahmen dieses Rechtsmittels beantragte er, das Berufungsurteil aufzuheben, das Urteil des Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen, damit es zumindest einen der beiden Anträge auf Erlass eines Feststellungsurteils in der Sache prüfen möge. Braathens beantragte, die Anträge des Diskrimineringsombudsman zurückzuweisen.

24      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts hat das Diskriminerungslag den Zweck, u. a. verschiedene Rechtsakte der Union, darunter auch die Richtlinie 2000/43, umzusetzen. Wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgehe, ziele dieses Gesetz darauf ab, scharfe und abschreckende Sanktionen für Diskriminierungen zu ermöglichen. Insbesondere handele es sich beim Schadensersatz wegen Diskriminierung um eine Sanktion im Sinne von Art. 15 der Richtlinie und dieser sei in jedem Einzelfall so festzusetzen, dass er für das Opfer einen angemessenen Ausgleich darstelle und zur Bekämpfung von Diskriminierungen in der Gesellschaft beitrage. Er erfülle also eine doppelte Funktion von Wiedergutmachung und Prävention.

25      Hinzu komme, dass sich der Beklagte gemäß den Bestimmungen des Rättegångsbalk entscheiden könne, den Schadensersatzanspruch des Klägers anzuerkennen; dabei müsse er weder die Gründe für dieses Anerkenntnis angeben noch sich auf einen vom Kläger geltend gemachten Klagegrund stützen, noch das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einräumen. In der Praxis ziele ein solches Anerkenntnis darauf ab, das Verfahren zu beenden, ohne dass es einer weiteren Prüfung des Falles bedürfe, da das Gericht ein allein mit diesem Anerkenntnis begründetes Urteil zu erlassen habe. Die Feststellungsklage dürfe sich lediglich auf das Vorliegen oder Fehlen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien des Rechtsstreits beziehen, nicht jedoch etwa auf rein tatsächliche Aspekte. Im Übrigen habe das Gericht zu beurteilen, ob die Prüfung der Klage zweckmäßig sei.

26      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das erst- und das zweitinstanzliche Gericht Entscheidungen erlassen hätten, mit denen Braathens aufgrund ihres Anerkenntnisses der Forderung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fluggasts zur Zahlung des von diesem verlangten Schadensersatzes verurteilt worden sei. Aufgrund dieses Anerkenntnisses könne die Frage des Vorliegens der geltend gemachten Diskriminierung nach Auffassung dieser Gerichte auch nicht im Rahmen eines Antrags auf Erlass eines Feststellungsurteils geprüft werden.

27      Der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) möchte wissen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften den Anforderungen von Art. 15 der Richtlinie 2000/43 in Verbindung mit Art. 47 der Charta gerecht werden, die für jede Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisteten. Daher sei zu klären, ob das Gericht im Fall eines Anerkenntnisses der Schadensersatzforderung des Klägers durch den Beklagten gleichwohl, um gemäß Art. 7 dieser Richtlinie den Schutz der sich aus ihr ergebenden Rechte sicherzustellen, die Möglichkeit haben müsse, das Vorliegen einer Diskriminierung auf Antrag der Partei zu prüfen, die sich für von einer solchen betroffen halte, und ob es bei dieser Prüfung darauf ankomme, ob der mutmaßliche Urheber der Diskriminierung diese einräume.

28      Unter diesen Umständen hat der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Muss ein Mitgliedstaat in einer Rechtssache betreffend einen Verstoß gegen ein in der Richtlinie 2000/43 vorgesehenes Verbot, wenn der Verletzte Schadensersatz wegen Diskriminierung verlangt, auf dessen Antrag hin immer das Vorliegen einer Diskriminierung prüfen – und gegebenenfalls deren Vorliegen feststellen –, unabhängig davon, ob derjenige, dem die Diskriminierung vorgeworfen wird, diese bestätigt hat, damit die in Art. 15 dieser Richtlinie vorgesehene Voraussetzung betreffend wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen als erfüllt angesehen werden kann?

 Zur Vorlagefrage

29      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die ein Gericht, das mit einer Klage auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer gemäß dieser Richtlinie verbotenen Diskriminierung befasst ist, daran hindern, den Antrag auf Feststellung des Vorliegens dieser Diskriminierung zu prüfen, wenn der Beklagte sich zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes bereit erklärt, ohne jedoch das Vorliegen der Diskriminierung einzuräumen.

30      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Zweck der Richtlinie 2000/43 gemäß ihrem Art. 1 die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten ist. Diese Richtlinie bildet den konkreten Ausdruck des in Art. 21 der Charta niedergelegten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft in ihrem Geltungsbereich (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C‑83/14, EU:C:2015:480, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Es steht fest, dass der Ausgangsrechtsstreit in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43 fällt, da er ein angeblich diskriminierendes Verhalten aus Gründen der ethnischen Herkunft oder der Rasse betrifft, das – im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h dieser Richtlinie – im Rahmen des Zugangs zu einer Dienstleistung, die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, gezeigt worden sei.

32      Wie aus dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 hervorgeht, sollten Opfer von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen, und um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollte auch die Möglichkeit bestehen, dass sich Verbände oder andere juristische Personen bei einem entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten im Namen eines Opfers oder zu seiner Unterstützung an einem Verfahren beteiligen. Außerdem sollten dem 26. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zufolge die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für den Fall vorsehen, dass gegen die aus der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen verstoßen wird.

33      Insoweit sieht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, den in dieser Richtlinie verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können. Damit bestätigt diese Vorschrift das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

34      Darüber hinaus müssen nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43 die Verbände, Organisationen oder anderen juristischen Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, u. a. die Möglichkeit haben, sich im Namen der beschwerten Person und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichtsverfahren zu beteiligen. Somit stellt Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie in dem betreffenden Bereich eine Konkretisierung des durch Art. 47 der Charta gewährleisteten Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz dar.

35      Die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes erfordert somit in Bezug auf Personen, die glauben, aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft diskriminiert worden zu sein, die Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Schutzes ihres Rechts auf Gleichbehandlung, unabhängig davon, ob diese Personen unmittelbar oder über einen Verband, eine Organisation oder eine andere juristische Person im Sinne der vorstehenden Randnummer handeln (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Mai 2019, Leitner, C‑396/17, EU:C:2019:375, Rn. 62).

36      Art. 15 der Richtlinie 2000/43 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Regeln für die Sanktionen festlegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Anwendung solcher Sanktionen zu gewährleisten. Dieser Artikel schreibt keine konkreten Sanktionen vor, legt aber fest, dass die so vorgesehenen Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

37      Art. 15 erlegt den Mitgliedstaaten somit die Verpflichtung auf, in ihre innerstaatliche Rechtsordnung Maßnahmen aufzunehmen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie 2000/43 zu erreichen, und dafür Sorge zu tragen, dass diese Maßnahmen vor den nationalen Gerichten auch von einem Verband, einer Organisation oder einer anderen juristischen Person im Sinne von Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie tatsächlich geltend gemacht werden können, damit der gerichtliche Rechtsschutz effektiv und wirksam ist, belässt ihnen aber die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2008, Feryn, C‑54/07, EU:C:2008:397, Rn. 37 und 38).

38      Insoweit muss die zur Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie 2000/43 in die nationale Rechtsordnung eines Mitgliedstaats geschaffene Sanktionsregelung neben den zur Durchführung von Art. 7 dieser Richtlinie ergriffenen Maßnahmen insbesondere einen effektiven und wirksamen rechtlichen Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte sicherstellen. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 25. April 2013, Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 63).

39      Wird für den Fall, dass das Vorliegen einer Diskriminierung festgestellt wird, als Maßnahme die finanzielle Wiedergutmachung gewählt, so muss diese angemessen in dem Sinne sein, dass sie es erlaubt, die durch diese Diskriminierung tatsächlich entstandenen Schäden gemäß den anwendbaren staatlichen Regeln in vollem Umfang auszugleichen (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Dezember 2015, Arjona Camacho, C‑407/14, EU:C:2015:831, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dagegen entspricht eine rein symbolische Sanktion nicht einer ordnungsgemäßen und wirksamen Umsetzung der Richtlinie 2000/43 (vgl. entsprechend Urteil vom 25. April 2013, Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 64).

40      Im vorliegenden Fall geht aus den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass gemäß dem nationalen Recht zur Umsetzung u. a. der Richtlinie 2000/43 jede Person, die sich als Opfer einer Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft sieht, eine Klage auf Durchsetzung der im „Schadensersatz wegen Diskriminierung“ bestehenden Sanktion erheben kann. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften sehen vor, dass das mit dieser Klage befasste Gericht, wenn der Beklagte entscheidet, die Schadensersatzforderung des Klägers anzuerkennen, den Beklagten zur Zahlung des vom Kläger als Schadensersatz geforderten Betrags verurteilt.

41      Dem Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch auch zu entnehmen, dass ein solches Anerkenntnis, das nach diesen nationalen Rechtsvorschriften für das Gericht rechtlich bindend ist und das Verfahren beendet, vom Beklagten auch erklärt werden kann, ohne dass er das Vorliegen der ihm vorgeworfenen Diskriminierung anerkennt, ja sogar, wenn er diese – wie im Ausgangsverfahren – ausdrücklich bestreitet. In einer solchen Situation erlässt das nationale Gericht ein auf dieses Anerkenntnis gestütztes Urteil, ohne dass aus diesem Urteil jedoch auf die Feststellung des Vorliegens der behaupteten Diskriminierung geschlossen werden könnte.

42      Folglich hat das Anerkenntnis des Beklagten in einer solchen Situation, die Wirkung, dass dessen Verpflichtung zur Zahlung des vom Kläger geforderten Schadensersatzes nicht damit verknüpft ist, dass der Beklagte das Vorliegen der ihm vorgeworfenen Diskriminierung einräumt oder diese vom zuständigen Gericht festgestellt wird. Zudem – und vor allem – hat ein solches Anerkenntnis zur Folge, dass das mit der Klage befasste Gericht daran gehindert ist, darüber zu befinden, ob die behauptete Diskriminierung tatsächlich vorliegt, obwohl diese der Grund für die Schadensersatzforderung und daher integraler Bestandteil dieser Klage ist.

43      Was die in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Feststellungsklage betrifft, lässt sich den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen zufolge durch sie nicht das Recht einer Person, die sich als Opfer einer nach der Richtlinie 2000/43 verbotenen Diskriminierung sieht, gewährleisten, das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung von einem Gericht prüfen und gegebenenfalls feststellen zu lassen. Die Feststellungsklage darf sich nach diesen Rechtsvorschriften nämlich nicht auf rein tatsächliche Aspekte beziehen und ihre Zulässigkeit hängt von einer Opportunitätsentscheidung des befassten Gerichts ab, die auf einer Abwägung der in Rede stehenden Interessen beruht, und zwar u. a. des Rechtsschutzinteresses des Klägers gegen die Unannehmlichkeiten, die diese Klage dem Beklagten bereiten kann.

44      Folglich kann gemäß den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften der Kläger dann, wenn der Beklagte die Verpflichtung zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes anerkennt, ohne jedoch die ihm vorgeworfene Diskriminierung einzuräumen, nicht erwirken, dass ein Zivilgericht über das Vorliegen dieser Diskriminierung befindet.

45      Solche nationalen Rechtsvorschriften verstoßen damit gegen die in den Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43 in Verbindung mit Art. 47 der Charta gestellten Anforderungen.

46      Erstens nämlich soll, wie aus den Rn. 33 bis 35 des vorliegenden Urteils hervorgeht, durch die in Art. 7 dieser Richtlinie genannten Verfahren jeder Person, die sich als Opfer einer Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnische Herkunft sieht, die Geltendmachung ihrer Rechte aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ermöglicht sowie deren Wahrung sichergestellt werden. Daraus ergibt sich daher notwendigerweise, dass diese Person, wenn der Beklagte die ihm vorgeworfene Diskriminierung nicht einräumt, die Möglichkeit haben muss, eine gerichtliche Entscheidung über eine etwaige Verletzung der Rechte zu erwirken, die durch diese Verfahren gewahrt werden sollen.

47      Folglich vermag allein die Zahlung eines Geldbetrags, selbst in der vom Kläger geforderten Höhe, nicht den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz einer Person zu gewährleisten, die die Feststellung begehrt, dass eine Verletzung ihres sich aus dieser Richtlinie ergebenden Rechts auf Gleichbehandlung vorliegt, insbesondere dann nicht, wenn das Hauptanliegen dieser Person nicht wirtschaftlicher Art ist, sondern sie feststellen lassen möchte, dass der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt zutrifft und wie er rechtlich zu beurteilen ist.

48      Zweitens stehen nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sowohl der Wiedergutmachungs- als auch der Abschreckungsfunktion entgegen, die die von den Mitgliedstaaten nach Art. 15 der Richtlinie 2000/43 bei Verstößen gegen die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen haben müssen.

49      Insoweit reicht, wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 83 und 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Zahlung eines Geldbetrags nicht aus, um dem Anliegen einer Person gerecht zu werden, der es vor allem darum geht, zur Wiedergutmachung des von ihr erlittenen immateriellen Schadens feststellen zu lassen, dass sie Opfer einer Diskriminierung war, so dass insoweit nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Zahlung eine hinreichende Wiedergutmachungsfunktion hat. Zudem kann durch die Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrags keine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Urheber einer Diskriminierung in dem Sinne sichergestellt werden, dass für ihn ein Anreiz geschaffen wird, sein diskriminierendes Verhalten nicht zu wiederholen, und somit verhindert wird, dass er erneut Diskriminierungen begeht, wenn der Beklagte, wie im vorliegenden Fall, das Vorliegen einer Diskriminierung bestreitet, aber davon ausgeht, dass es für ihn kostengünstiger ist und sein Image weniger beeinträchtigt, wenn er den vom Kläger geforderten Schadensersatz zahlt und damit gleichzeitig verhindert, dass das nationale Gericht das Vorliegen einer Diskriminierung feststellt.

50      Diese Beurteilung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass – wie die schwedische Regierung geltend macht – ein Strafverfahren angestrengt werden kann, anhand dessen die Person, die sich als Opfer einer durch die Richtlinie 2000/43 verbotenen Diskriminierung sieht, diese durch ein Strafgericht feststellen und sanktionieren lassen könnte. Durch ein solches Strafverfahren ließe sich aufgrund der ihm eigenen Zielsetzungen und der ihm immanenten Beschränkungen nämlich kein Ausgleich dafür schaffen, dass die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe den Anforderungen der Richtlinie nicht genügen.

51      Insbesondere liegen – wie der Generalanwalt in den Nrn. 118 bis 120 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – einem solchen Strafverfahren Regeln der Beweislast und der Beweiserhebung zugrunde, die nicht den für den Betroffenen günstigeren des Art. 8 der Richtlinie 2000/43 entsprechen. So obliegt es nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie, wenn der Betroffene vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft macht, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, dem Beklagten, den Nachweis dafür zu erbringen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie gilt dessen Abs. 1 hingegen nicht für Strafverfahren.

52      Drittens kann entgegen dem Vorbringen von Braathens eine andere Auslegung als die in den vorstehenden Randnummern vertretene auch nicht durch verfahrensrechtliche Grundsätze oder Erwägungen wie den Dispositionsgrundsatz, den Grundsatz der Verfahrensökonomie und das Bemühen, die gütliche Beilegung von Streitigkeiten zu fördern, gerechtfertigt werden.

53      Zum einen nämlich bewirken nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, anders als eine gütliche Beilegung eines Rechtsstreits im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, bei der jede Partei weiterhin frei über ihre Ansprüche verfügen kann, dass die Herrschaft über den Rechtsstreit dadurch auf den Beklagten übergeht, dass dieser die Schadensersatzforderung des Klägers anerkennen kann, ohne jedoch das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einzuräumen, er diese sogar ausdrücklich bestreiten kann, wobei der Kläger nicht mehr erreichen kann, dass das befasste Gericht über die Grundlage seiner Forderung entscheidet, und er sich auch der Beendigung des von ihm eingeleiteten Verfahrens nicht mehr widersetzen kann.

54      Zum anderen verstieße ein mit einer solchen Klage befasstes Gericht keineswegs gegen den Dispositionsgrundsatz, wenn es trotz der Einwilligung des Beklagten in die Zahlung des vom Kläger geforderten Schadensersatzes im Hinblick auf dessen dieser Klage zugrunde liegende Behauptung prüfte, ob diese Diskriminierung vorliegt, sofern der Beklagte sie nicht einräumt oder sie sogar bestreitet. Eine solche Prüfung betrifft dann die Grundlage für die Schadensersatzforderung des Klägers, die Teil des durch diese Klage bestimmten Streitgegenstands ist, zumal dann, wenn – wie hier – der Kläger im Rahmen dieser Klage ausdrücklich einen Antrag auf Feststellung dieser Diskriminierung gestellt hat.

55      Viertens ist darauf hinzuweisen, dass zwar, wie Braathens geltend macht, das Unionsrecht grundsätzlich die Mitgliedstaaten nicht zwingt, vor ihren nationalen Gerichten neben den nach nationalem Recht bereits bestehenden Rechtsbehelfen neue zu schaffen, um den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 40, und vom 24. Oktober 2018, XC u. a., C‑234/17, EU:C:2018:853, Rn. 51).

56      Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass es im vorliegenden Fall für die Einhaltung des Unionsrechts nicht erforderlich ist, einen neuen Rechtsbehelf einzuführen, sondern dass lediglich vom vorlegenden Gericht verlangt wird, die Verfahrensvorschrift unangewendet zu lassen, nach der das Gericht, bei dem nach innerstaatlichem Recht eine Schadensersatzklage von einer Person anhängig gemacht wurde, die sich als Opfer einer Diskriminierung sieht, nur deshalb nicht über das Vorliegen dieser Diskriminierung entscheiden darf, weil der Beklagte sich zur Zahlung des als Schadensersatz geforderten Betrags bereit erklärt hat, ohne jedoch das Vorliegen dieser Diskriminierung einzuräumen. Diese Vorschrift ist nämlich nicht nur mit den Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43, sondern auch mit Art. 47 der Charta unvereinbar.

57      Hierzu ist daran zu erinnern, dass, wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, durch die Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43 ein effektiver und wirksamer gerichtlicher Schutz des sich aus dieser Richtlinie ergebenden Rechts auf Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft gewährleistet werden soll. Folglich wird durch diese Artikel lediglich das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf konkretisiert, das aus sich heraus Wirkung entfaltet und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das er als solches geltend machen kann (Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76 bis 78).

58      Zum anderen ist nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht, sofern es eine nationale Regelung nicht den Anforderungen des Unionsrechts entsprechend auslegen kann, als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, jede nationale Bestimmung, die einer Bestimmung des Unionsrechts entgegensteht, die in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit unmittelbare Wirkung hat, unangewendet zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2019, Popławski, C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 53 und 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, die ein Gericht, das mit einer Klage auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer gemäß dieser Richtlinie verbotenen Diskriminierung befasst ist, daran hindert, den Antrag auf Feststellung des Vorliegens dieser Diskriminierung zu prüfen, wenn der Beklagte sich zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes bereit erklärt, ohne jedoch das Vorliegen der Diskriminierung einzuräumen. Es ist Sache des mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befassten nationalen Gerichts, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz zu gewährleisten, der den Einzelnen aus Art. 47 der Charta erwächst, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt.

 Kosten

60      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, die ein Gericht, das mit einer Klage auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer gemäß dieser Richtlinie verbotenen Diskriminierung befasst ist, daran hindert, den Antrag auf Feststellung des Vorliegens dieser Diskriminierung zu prüfen, wenn der Beklagte sich zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes bereit erklärt, ohne jedoch das Vorliegen der Diskriminierung einzuräumen. Es ist Sache des mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befassten nationalen Gerichts, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz zu gewährleisten, der den Einzelnen aus Art. 47 der Charta der Grundrechte erwächst, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Schwedisch.