URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

15. Dezember 2021(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke MALLE – Absolute Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001 – Ins Leere gehender einziger Klagegrund“

In der Rechtssache T‑188/21,

Jörg Lück, wohnhaft in Hilden (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Becker,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Eberl und E. Markakis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

R. H. Investment UG (haftungsbeschränkt) mit Sitz in Erlangen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt M. Metzner und Rechtsanwältin M. Scheiner,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 21. Dezember 2020 (Sache R 1393/2020‑5) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen R. H. Investment und Herrn Lück

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters D. Petrlík (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 9. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 14. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 19. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 29. April 2002 meldete der Kläger, Herr Jörg Lück, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, die ihrerseits durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1] ersetzt wurde) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelte es sich um das Wortzeichen MALLE.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Tonträger, insbesondere Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CDs, CD-ROMs, DVDs“;

–        Klasse 35: „Werbung“;

–        Klasse 38: „Ausstrahlung von TV- und Rundfunksendungen“;

–        Klasse 41: „Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Party-Organisation, Party-Durchführung; Betrieb einer Diskothek; Produktion von TV- und Rundfunksendungen; Produktion von Musik; Produktion und Bereitstellung von Audio-Dateien (auch zum Abruf via Datenfernübertragung)“.

4        Die Markenanmeldung wurde am 2. Dezember 2002 veröffentlicht und die angegriffene Marke wurde am 30. März 2004 u. a. für die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen eingetragen.

5        Am 11. Februar 2019 stellte die Streithelferin, die R. H. Investment UG (haftungsbeschränkt), auf der Grundlage von Art. 59 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001 einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke.

6        Mit Entscheidung vom 18. Mai 2020 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt und erklärte die angegriffene Marke hinsichtlich der oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen für nichtig.

7        Am 8. Juli 2020 legte der Kläger gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

8        Mit Entscheidung vom 21. Dezember 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte insbesondere fest, dass die angegriffene Marke zum einen für die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen beschreibend sei, so dass ihr das Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 entgegenstehe, und dass es ihr zum anderen an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung fehle.

 Anträge der Parteien

9        Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

10      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

11      Der Kläger macht im Rahmen eines einzigen Klagegrundes geltend, dass die angefochtene Entscheidung fehlerhaft sei, da es sich bei der Bezeichnung „Malle“ nicht um eine geografische Herkunftsbezeichnung, sondern um einen Phantasiebegriff handele. Insbesondere belegten die von der Streithelferin vorgelegten Beweise keine gedankliche Verbindung zwischen der angegriffenen Marke und den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen.

12      Das EUIPO und die Streithelferin halten die Klage für unbegründet.

13      Insbesondere weist die Streithelferin darauf hin, dass die Beschwerdekammer mit der angefochtenen Entscheidung die angegriffene Marke sowohl auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 als auch auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für nichtig erklärt habe. Der Kläger wende sich aber nur gegen den ersten Nichtigkeitsgrund und nicht gegen den zweiten, so dass die angefochtene Entscheidung selbst dann nicht aufgehoben werden könnte, wenn der Klagegrund begründet wäre.

14      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, wenn einige der in einer Entscheidung angeführten Gründe für sich genommen diese Entscheidung rechtlich hinreichend rechtfertigen können, die etwaige Fehlerhaftigkeit anderer ihrer Gründe sich jedenfalls nicht auf ihren verfügenden Teil auswirkt. Somit geht ein Klagegrund, der sich gegen einen der Gründe einer solchen Entscheidung richtet, ins Leere, wenn er selbst im Fall seiner Begründetheit nicht zu der vom Kläger begehrten Aufhebung dieser Entscheidung führen könnte, weil die Klage einen oder mehrere Gründe, die diese Entscheidung rechtfertigen, unberührt ließe (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. September 2021, Frankreich/ECHA, T‑127/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:572, Rn. 32).

15      Ruht der verfügende Teil einer Entscheidung auf mehreren Begründungspfeilern, von denen jeder allein schon den verfügenden Teil tragen würde, so ist diese Entscheidung also grundsätzlich nur dann aufzuheben, wenn jeder dieser Pfeiler Rechtsfehler aufweist. Ein Irrtum oder ein anderer Rechtsfehler, der nur einem der Begründungspfeiler anhaftet, genügt in diesem Fall nicht, um die Aufhebung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da er den von deren Urheber beschlossenen verfügenden Teil nicht entscheidend hätte beeinflussen können (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 15. September 2021, Frankreich/ECHA, T‑127/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:572, Rn. 33).

16      In Markensachen können solche Begründungspfeiler namentlich die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 aufgezählten absoluten Eintragungshindernisse betreffen. Diese sind nämlich voneinander unabhängig und müssen getrennt geprüft werden, da das bei der Prüfung der einzelnen Eintragungshindernisse berücksichtigte Allgemeininteresse in je nach Eintragungshindernis unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen kann oder sogar muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich lässt die Tatsache, dass eines dieser absoluten Eintragungshindernisse bei einer Marke nicht zum Tragen kommt, nicht den Schluss zu, dass sie nicht unter ein anderes fallen kann (vgl. Urteil vom 7. Mai 2019, Fissler/EUIPO [vita], T‑423/18, EU:T:2019:291, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechende Anwendung findet, in Verbindung mit Art. 177 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts die im Rahmen einer gegen das EUIPO gerichteten Klage eingereichte Klageschrift u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Daher ist in ihr im Einzelnen darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verfahrensordnung nicht entspricht. Diese – wenn auch nur kurze – Darstellung muss zudem hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage oder eines bestimmten Klagegrundes erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage oder der Klagegrund stützt, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Urteil vom 13. Mai 2020, Peek & Cloppenburg/EUIPO – Peek & Cloppenburg [Peek’s], T‑535/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:189, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Aus dem Vorstehenden folgt, dass, wenn die Beschwerdekammer, wie im vorliegenden Fall, einem Antrag auf Nichtigerklärung einer Marke sowohl auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 im Hinblick auf den beschreibenden Charakter der betreffenden Marke als auch wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung stattgegeben hat, die angefochtene Entscheidung nur dann aufgehoben werden kann, wenn der Kläger mit einer hinreichend klaren und präzisen Argumentation vorträgt und nachweist, dass die Würdigungen der Beschwerdekammer in Bezug auf jeden dieser Nichtigkeitsgründe Rechtsfehler aufweisen.

19      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zwei eigenständige Prüfungen vorgenommen. Zum einen hat sie im Abschnitt „Zum beschreibenden Charakter der Marke“ der angefochtenen Entscheidung, der die Rn. 31 bis 44 umfasst, die angegriffene Marke im Hinblick auf ihren etwaigen beschreibenden Charakter gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 geprüft. Zum anderen hat die Beschwerdekammer im Abschnitt „Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b [der Verordnung 2017/1001]“ der Entscheidung, der die Rn. 45 bis 50 enthält, die Unterscheidungskraft dieser Marke im Sinne der letztgenannten Bestimmung geprüft. Am Ende dieser zweigleisigen Prüfung hat die Beschwerdekammer in Rn. 51 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „der [angegriffenen] Marke für sämtliche verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen die absolute[n] Nichtigkeitsgründe des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b und c [der Verordnung 2017/1001] in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 2 [dieser Verordnung] entgegen[stehen]“.

20      Der Kläger hat einen einzigen Klagegrund vorgebracht, mit dem er im Wesentlichen geltend macht, dass in der angefochtenen Entscheidung „die Voraussetzung und Reichweite der geografischen Herkunftsbezeichnung falsch bewertet“ werde. Diese Formulierung des Klagegrundes ist mehrdeutig, da aus ihr nicht klar hervorgeht, ob der Kläger einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 oder einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung oder auch einen Verstoß gegen jede dieser beiden Bestimmungen geltend macht. Allerdings ist diese Formulierung in Verbindung mit weiteren Passagen der Klageschrift zu betrachten, die sich auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001, auf „beschreibende Marken“, auf den „beschreibenden Charakter einer Marke“ sowie auf „Freizeichen“ beziehen. Diese Angaben lassen darauf schließen, dass der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung beantragt, dass die angegriffene Marke keinen beschreibenden Charakter habe und daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 falle.

21      Dagegen enthält die Klageschrift an keiner Stelle eine Bezugnahme auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001. Überdies erwähnt der Kläger darin die originäre Unterscheidungskraft nur ein einziges Mal, und zwar in einer Passage, in der er lediglich ausführt, dass „Marken … nicht zum Opfer ihres eigenen Erfolges [werden dürfen]“ und dass sie „als Freizeichen mit ursprünglicher Unterscheidungskraft versehen, aber durch die Verwendung der Unternehmen zur Bezeichnung einer bestimmten Ware oder Dienstleistung geworden [sind]“. Mit diesen allgemeinen Ausführungen wendet sich der Kläger jedoch nicht gegen eine bestimmte Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, insbesondere nicht gegen eine Feststellung bezüglich der Prüfung der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

22      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Kläger die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass es der angegriffenen Marke an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 fehle, nicht mit einem hinreichend klar und deutlich dargelegten Klagegrund angegriffen hat, wie es die oben in Rn. 17 angeführte Rechtsprechung verlangt.

23      Selbst wenn das Gericht dem Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 stattgäbe, bliebe folglich die auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung gestützte Ablehnung der Eintragung der angegriffenen Marke unbeanstandet und somit rechtmäßig und dem Kläger gegenüber bestandskräftig.

24      Daher ist der einzige Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 gerügt wird, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

25      Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

26      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

27      Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm, wie vom EUIPO und von der Streithelferin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Jörg Lück trägt die Kosten.

Kornezov

Kowalik-Bańczyk

Petrlík

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Dezember 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.