URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

6. Oktober 2021(*)(1)

„Staatliche Beihilfen – Beihilferegelung Deutschlands zugunsten bestimmter stromintensiver Unternehmen – Netzentgeltbefreiung für den Zeitraum 2012‑2013 – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Nichtigkeitsklage – Klagefrist – Zulässigkeit – Begriff der Beihilfe – Staatliche Mittel – Gleichbehandlung – Vertrauensschutz“

In der Rechtssache T‑745/18,

Covestro Deutschland AG mit Sitz in Leverkusen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Küper, J. Otter, C. Anger und M. Goldberg,

Klägerin,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller, R. Kanitz, S. Heimerl und S. Costanzo als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/56 der Kommission vom 28. Mai 2018 über die staatliche Beihilfe SA.34045 (2013/C) (ex 2012/NN) Deutschlands für Bandlastverbraucher nach Paragraf 19 StromNEV (ABl. 2019, L 14, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins sowie der Richter V. Kreuschitz und Z. Csehi (Berichterstatter),

Kanzler: B. Lefebvre, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2020

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Zur Klägerin

1        Die Klägerin, die Covestro Deutschland AG, ist ein Werkstoffhersteller mit Sitz in Leverkusen (Deutschland).

B.      Zu den in Rede stehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften

1.      Zum Netzentgeltsystem vor Einführung der streitigen Maßnahmen

2        § 21 des Energiewirtschaftsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 (BGBl. 2011 I S. 1554) sieht in der Fassung vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes vom 26. Juli 2016 (BGBl. 2016 I S. 1786) (im Folgenden: EnWG 2011) u. a. vor, dass die Netzentgelte angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein müssen und auf der Grundlage der Kosten eines effizienten Netzbetriebs zu berechnen sind.

3        § 24 EnWG 2011 ermächtigt die deutsche Bundesregierung, durch Rechtsverordnung detaillierte Vorschriften über die allgemeine Methode zur Bestimmung der Netzentgelte festzulegen und zu regeln, in welchen Sonderfällen der Netznutzung und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde individuelle Netzentgelte genehmigen oder untersagen kann.

4        In § 17 der Stromnetzentgeltverordnung vom 25. Juli 2005 (BGBl. 2005 I S. 2225, im Folgenden: StromNEV 2005) ist die Berechnungsmethode festgelegt, anhand deren die Netzbetreiber die allgemeinen Netzentgelte bestimmen müssen. Die Anwendung dieser Methode erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden die einzelnen jährlichen Kostenelemente sämtlicher Netze ermittelt; anschließend werden die allgemeinen Netzentgelte anhand der jährlichen Gesamtkosten des Netzes bestimmt.

5        Bei der Bestimmung der allgemeinen Netzentgelte werden die beiden folgenden Faktoren berücksichtigt: die „Gleichzeitigkeitsfunktion“, die die Wahrscheinlichkeit wiedergibt, dass die Einzelentnahme eines Nutzers einen Beitrag zur Jahreshöchstlast der jeweiligen Netzebene leistet, und die Erlösobergrenze eines Netzbetreibers, die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) (Deutschland) durch ein Benchmarking mit anderen Netzbetreibern festgelegt wird und durch die verhindert werden soll, dass aus Ineffizienzen resultierende Kosten über die Netzentgelte ausgeglichen werden.

6        § 19 StromNEV 2005 sieht für Gruppen von Netznutzern, deren Abnahme- und Lastprofil sich stark von dem der anderen Nutzer unterscheidet (im Folgenden: atypische Netznutzer), individuelle Netzentgelte vor, bei denen nach dem Grundsatz der Verursachungsgerechtigkeit berücksichtigt wird, welchen Beitrag diese Nutzer zu einer Senkung oder zu einer Vermeidung der Erhöhung der Netzkosten leisten.

7        In diesem Zusammenhang sieht § 19 Abs. 2 StromNEV 2005 individuelle Netzentgelte für die folgenden beiden Gruppen atypischer Netznutzer vor: zum einen für Nutzer, deren Höchstlastbeitrag vorhersehbar erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller anderen an dieselbe Netzebene angeschlossenen Netznutzer abweicht, d. h. Nutzer, die systematisch Strom außerhalb der Spitzenlastzeiten verbrauchen (im Folgenden: antizyklische Verbraucher), zum anderen für Nutzer mit einer jährlichen Stromabnahme von mindestens 7 000 Benutzungsstunden und mehr als 10 Gigawattstunden (im Folgenden: Bandlastverbraucher).

8        Bis zum Inkrafttreten der StromNEV in der durch das EnWG 2011 geänderten Fassung (im Folgenden: StromNEV 2011) hatten die antizyklischen Verbraucher und die Bandlastverbraucher individuelle Netzentgelte zu zahlen, die nach der von der BNetzA erarbeiteten „Methode des physikalischen Pfades“ berechnet wurden. Die Methode stellte auf die von diesen Verbrauchern verursachten Netzkosten ab; allerdings war ein Mindestentgelt von 20 % des veröffentlichten allgemeinen Netzentgelts (im Folgenden: Mindestentgelt) als Abgeltung für den Betrieb des Netzes, an das diese Verbraucher angeschlossen waren, zu entrichten, falls die nach der Methode des physikalischen Pfades berechneten individuellen Netzentgelte darunterliegen oder gegen null gehen sollten.

2.      Zu den streitigen Maßnahmen

9        Nach § 19 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StromNEV 2011 wurden die individuellen Netzentgelte für Bandlastverbraucher ab dem 1. Januar 2011 (dem ersten Tag der rückwirkenden Anwendung dieser Bestimmung) abgeschafft und durch eine von der zuständigen Regulierungsbehörde (BNetzA oder Landesregulierungsbehörde) zu genehmigende vollständige Netzentgeltbefreiung (im Folgenden: streitige Befreiung) ersetzt. Diese Befreiung ging je nachdem, an welche Netzebene die Begünstigten angeschlossen waren, zulasten der Übertragungsnetzbetreiber oder der Verteilernetzbetreiber.

10      Nach § 19 Abs. 2 Sätze 6 und 7 StromNEV 2011 waren die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, den Verteilernetzbetreibern die aus der streitigen Befreiung resultierenden Mindererlöse zu erstatten, wobei sie die durch die Befreiung verursachten Kosten durch eine Ausgleichszahlung gemäß § 9 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vom 19. März 2002 (BGBl. 2002 I S. 1092) untereinander kompensieren mussten, so dass jeder Übertragungsnetzbetreiber gemessen an der Strommenge, die er den an sein Netz angeschlossenen Letztverbrauchern lieferte, die gleiche finanzielle Last trug.

11      Mit Beschluss der BNetzA vom 14. Dezember 2011 (BK8-11-024, im Folgenden: Beschluss der BNetzA von 2011) wurde von 2012 an ein Finanzierungsmechanismus eingeführt. Nach diesem Mechanismus erhoben die Verteilernetzbetreiber von den Letztverbrauchern oder den Stromversorgern eine Umlage (im Folgenden: streitige Umlage), deren Erlöse zum Ausgleich für die Mindereinnahmen wegen der streitigen Befreiung an die Übertragungsnetzbetreiber weitergeleitet wurden.

12      Die Höhe der Umlage wurde jedes Jahr von den Übertragungsnetzbetreibern im Voraus anhand einer von der BNetzA festgelegten Methode ermittelt. Den Betrag für das Jahr 2012, das erste Jahr, in dem das System durchgeführt wurde, setzte die BNetzA unmittelbar fest.

13      Diese Vorschriften galten nicht für die aus der Befreiung für das Jahr 2011 resultierenden Kosten, weshalb alle Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber die mit der Befreiung in diesem Jahr verbundenen Verluste selbst tragen mussten.

3.      Zum Netzentgeltsystem nach Erlass der streitigen Maßnahmen

14      Während des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte, wurde die streitige Befreiung zunächst durch Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Deutschland) vom 8. Mai 2013 und des Bundesgerichtshofs (Deutschland) vom 6. Oktober 2015 für nichtig erklärt und sodann durch die StromNEV in der Fassung der Verordnung vom 14. August 2013 zur Änderung von Verordnungen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts (BGBl. 2013 I S. 3250) (im Folgenden: StromNEV 2013) mit Wirkung vom 1. Januar 2014 abgeschafft. Mit der letztgenannten Verordnung wurden die nach der Methode des physikalischen Pfades berechneten individuellen Netzentgelte für die Zukunft wiedereingeführt, wobei anstelle des Mindestentgelts pauschalierte Netzentgelte in Höhe von 10 %, 15 % und 20 % der allgemeinen Netzentgelte je nach Stromabnahme (7 000, 7 500 bzw. 8 000 Stunden der Netznutzung pro Jahr) (im Folgenden: pauschalierte Netzentgelte) angewandt wurden.

15      Mit der StromNEV 2013 wurde eine Übergangsregelung eingeführt, die am 22. August 2013 in Kraft trat und rückwirkend für Bandlastverbraucher galt, denen die streitige Befreiung für die Jahre 2012 und 2013 noch nicht gewährt worden war (im Folgenden: Übergangsregelung). Diese Regelung sah anstelle der nach der Methode des physikalischen Pfades berechneten individuellen Netzentgelte und des Mindestentgelts allein die Anwendung der pauschalierten Netzentgelte vor.

C.      Zum Verwaltungsverfahren

16      Ab Ende des Jahres 2011 gingen bei der Kommission eine Beschwerde des Bundes der Energieverbraucher e. V. und Beschwerden mehrerer Verbraucher wegen der streitigen Befreiung ein. Daraufhin übermittelten die deutschen Behörden der Kommission zusätzliche Informationen.

17      Am 4. Mai 2013 veröffentlichte die Kommission ihren Beschluss, wegen der auf den streitigen Maßnahmen beruhenden Beihilferegelung das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (ABl. 2013, C 128, S. 43, im Folgenden: Einleitungsbeschluss).

18      Die Bundesrepublik Deutschland und eine Reihe von Beteiligten gaben Stellungnahmen ab; die Bundesrepublik Deutschland äußerte sich auch zu den Stellungnahmen der Beteiligten. In den Jahren 2013 bis 2017 fand sodann ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen der Kommission und den deutschen Behörden statt.

D.      Zum angefochtenen Beschluss

19      Am 28. Mai 2018 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2019/56 über die staatliche Beihilfe SA.34045 (2013/C) (ex 2012/NN) Deutschlands für Bandlastverbraucher nach Paragraf 19 StromNEV [2011] (ABl. 2019, L 14, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem sie feststellte, dass die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2013 staatliche Beihilfen in Form der streitigen Befreiung rechtswidrig durchgeführt habe.

20      Der Betrag der staatlichen Beihilfen entspreche den von den befreiten Bandlastverbrauchern in den Jahren 2012 und 2013 verursachten Netzkosten oder, wenn diese Kosten das Mindestentgelt unterschritten hätten, diesem Mindestentgelt.

21      Die fraglichen Beihilfen seien mit dem Binnenmarkt unvereinbar, da sie unter keine der in Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV vorgesehenen Ausnahmen fielen und auch nicht aus anderen Gründen als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet werden könnten.

22      Die Kommission stellte daher in ihrem Beschluss fest:

–        Die streitige Befreiung sei insofern eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, als die Bandlastverbraucher von Netzentgelten, die den von ihnen verursachten Netzkosten entsprochen hätten, oder, wenn die Netzkosten unter dem Mindestentgelt gelegen hätten, von diesem Mindestentgelt befreit worden seien;

–        die fragliche Beihilfe sei von Deutschland unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführt worden und sei nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar;

–        Einzelbeihilfen, die aufgrund der fraglichen Regelung gewährt worden seien, stellten keine staatlichen Beihilfen dar, sofern sie zum Zeitpunkt ihrer Bewilligung die Voraussetzungen erfüllten, die in einer nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. 1998, L 142, S. 1) erlassenen Verordnung über „De-minimis“-Beihilfen vorgesehen seien;

–        die Bundesrepublik Deutschland müsse die mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen, die aufgrund der fraglichen Beihilferegelung gewährt worden seien, zuzüglich Zinsen von den Empfängern zurückfordern und mit dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses alle aufgrund dieser Regelung ausstehenden Zahlungen einstellen.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

23      Mit Klageschrift, die am 20. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

24      Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 24. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Entscheidung vom 4. Juni 2019 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht; die Hauptparteien haben hierzu fristgerecht Stellung genommen.

25      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

26      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) das mündliche Verfahren eröffnet und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt, die sie fristgerecht beantwortet haben.

27      Die Parteien haben in der Sitzung vom 29. Oktober 2020 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

28      Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den ersten Klagegrund zurückgenommen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

29      Die Klägerin beantragt mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zulässigkeit der Klage

31      Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der Klage.

32      Sie trägt zum einen vor, die Klägerin beantrage, den angefochtenen Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären, wobei eine Nichtigerklärung dieses Beschlusses „keine Auswirkungen“ auf die Feststellung in dessen 161. Erwägungsgrund habe, der zufolge die streitige Befreiung für das Jahr 2011 keine staatliche Beihilfe darstelle. Sie hält daher zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit eine „ausdrückliche Feststellung“ zu diesem Punkt für wünschenswert.

33      Sie rügt zum anderen die Unzulässigkeit der Klage, weil sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Die Klägerin habe nämlich Kenntnis vom angefochtenen Beschluss erlangt, lange bevor dieser im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei, da sie von den deutschen Behörden im Rahmen des Schriftwechsels zur Rückforderung der Beihilfen und wahrscheinlich auch wegen ihrer Mitgliedschaft im deutschen Verband der chemischen Industrie, der aufgrund seiner Beteiligung am Verwaltungsverfahren eine Kopie dieses Beschlusses erhalten habe, darüber informiert worden sei. Die Kommission führt, gestützt auf das Urteil vom 17. Mai 2017, Portugal/Kommission (C‑339/16 P, EU:C:2017:384), den Beschluss vom 5. September 2019, Fryč/Kommission (C‑230/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:685), und die Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Georgsmarienhütte u. a. (C‑135/16, EU:C:2018:120) aus, dass die Anwendung des Kriteriums des Zeitpunkts der Bekanntgabe als Ausgangspunkt für die Klagefrist im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV nur dann gelte, wenn die Bekanntgabe eine Voraussetzung für das Inkrafttreten des Rechtsakts im Sinne von Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV sei, was hier nicht der Fall sei, da der angefochtene Beschluss für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt gewesen sei und dieser mitgeteilt worden sei.

34      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

35      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin nicht beanstandet, wie die Kommission die streitige Befreiung für das Jahr 2011 beurteilt. Diese Beurteilung ist daher nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache.

36      Zu der von der Kommission geltend gemachten Verspätung der Klage ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 6 AEUV binnen zwei Monaten zu erheben ist; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der angefochtenen Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.

37      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Klage innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen nach der Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses im Amtsblatt erhoben wurde, die am 16. Januar 2019 erfolgt ist.

38      Zu der Frage, ob die Klägerin von dem angefochtenen Beschluss vor dessen Bekanntgabe Kenntnis erlangt hat, ist darauf hinzuweisen, dass bereits nach dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 6 AEUV der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung in Betracht kommt (Urteile vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C‑122/95, EU:C:1998:94, Rn. 35, und vom 17. Mai 2017, Portugal/Kommission, C‑339/16 P, EU:C:2017:384, Rn. 39; vgl. auch Urteil vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T‑190/00, EU:T:2003:316, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung) und daher für Handlungen gilt, die weder Gegenstand einer Mitteilung noch einer Bekanntgabe sind (Urteil vom 1. Juli 2009, ISD Polska u. a./Kommission, T‑273/06 und T‑297/06, EU:T:2009:233, Rn. 55).

39      Im vorliegenden Fall war zwar die Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses keine Voraussetzung für sein Wirksamwerden, doch werden die Beschlüsse der Kommission über den Abschluss eines Verfahrens zur Untersuchung von Beihilfen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV gemäß Art. 32 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9) im Amtsblatt veröffentlicht. Nach ständiger Rechtsprechung durfte die Klägerin daher darauf vertrauen, dass der angefochtene Beschluss veröffentlicht werde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T‑11/95, EU:T:1998:199, Rn. 48 bis 51, und vom 1. Juli 2009, ISD Polska u. a./Kommission, T‑273/06 und T‑297/06, EU:T:2009:233, Rn. 57). Sie war daher berechtigt, den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Amtsblatt als Beginn der Klagefrist anzusehen.

40      Dieses Ergebnis wird durch die von der Kommission angeführte Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.

41      Der Gerichtshof hat im Urteil vom 17. Mai 2017, Portugal/Kommission (C‑339/16 P, EU:C:2017:384, Rn. 34 bis 40), entschieden, dass die Klagefrist für die Klägerin, d. h. die Portugiesische Republik, mit der Mitteilung des streitigen Beschlusses an sie, die Adressatin dieses Beschlusses, begann, während im vorliegenden Fall die Klägerin nicht Adressatin des an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten angefochtenen Beschlusses war und ihr dieser Beschluss nicht im Sinne von Art. 263 AEUV mitgeteilt wurde.

42      Die Schlussanträge von Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Georgsmarienhütte u. a. (C‑135/16, EU:C:2018:120) betrafen die Frage, ob Unternehmen, die eine staatliche Beihilfe erhielten, die Gegenstand eines Beschlusses der Kommission war, diesen Beschluss hätten anfechten können, was sie nach dem Urteil vom 9. März 1994, TWD Textilwerke Deggendorf (C‑188/92, EU:C:1994:90), daran gehindert hätte, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses vor den nationalen Gerichten im Rahmen einer Klage gegen die Maßnahmen anzufechten, die die nationalen Behörden zur Durchführung dieses Beschlusses getroffen hatten. Zur Berechnung der Frist für die Klage, die die klagenden Unternehmen bei den Gerichten der Europäischen Union gegen den streitigen Beschluss hätten erheben können, kam der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die Frist für die Anfechtung des Beschlusses am Tag der Kenntnisnahme von ihm begonnen habe, da seine Veröffentlichung keine Voraussetzung für seine Wirksamkeit gewesen sei, und es ausgereicht habe, dass die unmittelbar und individuell betroffenen Unternehmen nachweisbar von ihm Kenntnis gehabt hätten (Schlussanträge von Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Georgsmarienhütte u. a., C‑135/16, EU:C:2018:120, Nr. 63). Es ist jedoch festzustellen, dass der Gerichtshof dieses Ergebnis in dem die Rechtssache abschließenden Urteil (Urteil vom 25. Juli 2018, Georgsmarienhütte u. a., C‑135/16, EU:C:2018:582) nicht übernommen hat. Jedenfalls ist nicht dargetan worden, dass die Klägerin im vorliegenden Fall von dem angefochtenen Beschluss „nachweisbar“ Kenntnis hatte, anders als dies in jener Rechtssache der Fall war.

43      Schließlich hat der Gerichtshof im Beschluss vom 5. September 2019, Fryč/Kommission (C‑230/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:685), im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einiger Verordnungen festgestellt, dass für die Bestimmung des Beginns der Klagefrist gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV der Zeitpunkt der Bekanntgabe maßgeblich war, da die streitigen Rechtsakte im Amtsblatt veröffentlicht worden waren und diese Veröffentlichung das Inkrafttreten dieser Rechtsakte bedingt hatte. Diese Feststellung ist angesichts der unterschiedlichen Natur der fraglichen Handlungen nicht geeignet, das Vorbringen der Kommission im vorliegenden Fall zu stützen.

44      Die von der Kommission zur Verteidigung erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

B.      Begründetheit

45      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens die überlange Dauer des förmlichen Prüfverfahrens, zweitens das Fehlen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, drittens die Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV und viertens die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsanordnung zum einen wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot und zum anderen wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend macht.

46      Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, die im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist, hat die Klägerin den ersten Klagegrund zurückgenommen. Über diesen ist daher nicht mehr zu entscheiden.

1.      Zum zweiten Klagegrund: keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV

a)      Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: keine Begünstigung

47      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die streitige Befreiung stelle keine Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Sie wirft der Kommission vor, ausgeschlossen zu haben, dass die streitige Befreiung durch eine angemessene Gegenleistung ausgeglichen werden könne.

48      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

49      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Zur dritten dieser Voraussetzungen, dem Vorliegen eines Vorteils, ist anzumerken, dass nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung als staatliche Beihilfen Maßnahmen gleich welcher Art gelten, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Die Beurteilung der Voraussetzungen, unter denen ein solcher Vorteil gewährt wurde, erfolgt somit grundsätzlich unter Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers (vgl. Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 44 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Insbesondere geht aus der Rechtsprechung hervor, dass zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger von öffentlicher Gewalt knüpfen (vgl. Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hierzu hat die Rechtsprechung ausgeführt, dass dann, wenn der betroffene Mitgliedstaat einem Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt, die Anwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht von der Form der Gewährung eines Vorteils und der Art der eingesetzten Mittel abhängt, die unter die öffentliche Gewalt des Staates fallen können (vgl. Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Daher sind die Rollen des Staates als Anteilseigner eines Unternehmens auf der einen Seite und als Träger öffentlicher Gewalt auf der anderen Seite zu unterscheiden, und folglich hängt die Anwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers letztlich davon ab, ob der betroffene Mitgliedstaat einem ihm gehörenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 80 und 81, und vom 11. Dezember 2019, Mytilinaios Anonymos Etairia – Omilos Epicheiriseon, C‑332/18 P, EU:C:2019:1065, Rn. 133).

53      Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung auch, dass, wenn zweifelhaft ist, ob dieser Grundsatz anwendbar ist, insbesondere weil der betroffene Mitgliedstaat beim Erlass der fraglichen Maßnahmen von seinen hoheitlichen Befugnissen Gebrauch gemacht hat, der Mitgliedstaat eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise zu belegen hat, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als privater Wirtschaftsteilnehmer getroffen hat (vgl. Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 82 und 83 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 63).

54      Ist dagegen der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers anwendbar, so gehört er zu den Faktoren, die die Kommission berücksichtigen muss, um das Vorliegen einer Beihilfe festzustellen, und stellt somit keine Ausnahme dar, die nur zur Anwendung kommt, wenn sich ein Mitgliedstaat auf sie beruft und festgestellt worden ist, dass die in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltenen Tatbestandsmerkmale des Begriffs „staatliche Beihilfe“ vorliegen (vgl. Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 64). In einer solchen Situation liegt die Beweislast dafür, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers erfüllt sind oder nicht, bei der Kommission (vgl. Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Der vorliegende Teil des zweiten Klagegrundes ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

56      Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission erstens das Vorbringen, dass die streitige Befreiung dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers entspreche, mit folgenden drei Argumenten zurück:

–        Im 90. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stützte sich die Kommission auf die Tatsache, dass Netzbetreiber die streitige Befreiung gerichtlich angefochten hätten, und auf die Ergebnisse eines Evaluierungsberichts der BNetzA vom 30. März 2015 zu den Auswirkungen des Paragrafen 19 Absatz 2 StromNEV 2011 auf den Betrieb von Elektrizitätsversorgungsnetzen (im Folgenden: Evaluierungsbericht von 2015), um zu dem Schluss zu kommen, dass die Netzbetreiber über die Zweckdienlichkeit der Bandlastverbraucher für die Netzstabilität geteilter Meinung seien und keiner von ihnen die stabile Stromabnahme von den Bandlastverbrauchern zum Preis einer vollständigen Befreiung „gekauft“ hätte;

–        im 91. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Netzbetreiber, selbst wenn sie in einigen Fällen die in Rede stehende Dienstleistung von sich aus gekauft hätten, dies nur in dem für das Netzmanagement erforderlichen Maße und gegen einen Preis getan hätten, der dem differenzierten Beitrag zur Netzstabilität Rechnung trage;

–        im 92. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass einige deutsche Gerichte zu dem Schluss gelangt seien, dass die streitige Befreiung nicht als Gegenleistung für eine erbrachte Dienstleistung angesehen werden könne.

57      Zweitens wies die Kommission das Vorbringen einiger Beteiligter im Verwaltungsverfahren zurück, das diese auf den im 59. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zitierten Abschlussbericht vom 20. Januar 2012 im Rahmen der „Studie zur Ermittlung der technischen Mindesterzeugung des konventionellen Kraftwerksparks zur Gewährleistung der Systemstabilität in den deutschen Übertragungsnetzen bei hoher Einspeisung aus erneuerbaren Energien“ (im Folgenden: Studie von 2012) stützten. Nach Ansicht dieser Beteiligten zeigt die Studie, dass die Bandlastabnahme, die eine vollständige Befreiung ermögliche, eine Voraussetzung für eine kontinuierliche Stromerzeugung aus Kraftwerken mit Synchrongeneratoren sei und dass diese Kraftwerke für die Netzstabilität sehr wichtig seien, da sie dazu beitrügen, Frequenzsprünge zu vermeiden.

58      Die Kommission wies dieses Vorbringen mit folgenden Feststellungen zurück:

–        Im 94. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, dass die streitige Befreiung durch einen Regulierungsakt des Staates eingeführt worden sei, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Anteile an den Netzbetreibern halte und dass weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Beteiligten Unterlagen aus dem maßgeblichen Zeitraum vorgelegt hätten, denen kommerzielle Erwägungen zu entnehmen wären;

–        im 95. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass die Studie von 2012 erst nach der Einführung der streitigen Befreiung erstellt worden sei;

–        im 96. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses merkte die Kommission an, dass die Studie von 2012 die vorgebrachten Argumente nicht untermauere, da sie insbesondere nicht auf die Bedeutung der Bandlastverbraucher für die Aufrechterhaltung der für ein sicheres Netzmanagement notwendigen Mindesterzeugung konventioneller Kraftwerke eingehe, wofür vielmehr der Preis, zu dem der Strom verkauft werde, und der Umfang der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ausschlaggebend seien.

59      Drittens wies die Kommission das im 97. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zusammengefasste Argument zurück, dass die streitige Befreiung wegen der Einbindung der Bandlastverbraucher in den Lastabwurfplan der Übertragungsnetzbetreiber gerechtfertigt sei, der in dem Dokument „Transmission Code 2007“ dargelegt sei und mit dem Netzausfälle vermieden werden sollten, wenn das System überlastet sei. Im 98. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass keine Korrelation zwischen der vollständigen Befreiung und dem Lastabwurf bestehe, da die Einbindung in den Lastabwurfplan keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der vollständigen Befreiung sei und sie außerdem nur Bandlastverbrauchern gewährt worden sei und nicht allen anderen Verbrauchern, die ebenfalls in den Lastabwurfplan eingebunden gewesen seien.

60      Viertens wies die Kommission das Argument zurück, dass Bandlastverbraucher beim Netzanschluss spezifische technische Spezifikationen erfüllen und Investitionen tätigen müssten, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten. Im 100. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, dass diese technischen Spezifikationen für alle Verbraucher gälten, die einen Anschluss an das betreffende Netz erhalten wollten, um Störungen der Netzspannung zu vermeiden, und dass sie daher keine Dienstleistung darstellten, für die Netzbetreiber ein Entgelt entrichten würden.

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der oben in den Rn. 52 bis 54 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Anwendbarkeit des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers davon abhängt, dass der betreffende Mitgliedstaat einem ihm gehörenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt. Wie die Kommission im 94. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, führte im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland die streitige Befreiung durch einen Regulierungsakt ein, während sie keine Anteile an den Netzbetreibern – und im Übrigen auch nicht an den Bandlastverbrauchern – hielt.

62      Außerdem haben, wie die Kommission im 94. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorhebt, weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Beteiligten nachgewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland vor oder gleichzeitig mit dem Erlass der streitigen Befreiung die Entscheidung getroffen hätte, mit der durchgeführten Maßnahme eine Investition zu tätigen, und auch nicht, dass eine solche Entscheidung auf der Grundlage vorheriger wirtschaftlicher Bewertungen getroffen worden wäre, die mit jenen vergleichbar sind, die ein rational handelnder privater Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer Situation befindet, die derjenigen dieses Mitgliedstaats möglichst nahekommt, unter den Umständen des vorliegenden Falles vor dieser Investition vorgenommen hätte, um die künftige Rentabilität einer solchen Investition zu ermitteln.

63      Daraus folgt, dass der Staat die streitige Befreiung in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt erlassen hat und der Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

64      Zudem ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe zu Unrecht ausgeschlossen, dass die fragliche Befreiung durch eine angemessene Gegenleistung ausgeglichen werden könne, nicht überzeugen kann.

65      Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einbindung von Bandlastverbrauchern eine netzstabilisierende Wirkung hat, ist weder von der Klägerin bewiesen noch vernünftigerweise zu vertreten, dass ein Netzbetreiber den Bandlastverbrauchern als Gegenleistung für diese Wirkung die kostenlose Nutzung des Netzes gestattet hätte. Dies ist umso weniger überzeugend, als individuelle Netzentgelte, die der besonderen Situation der Bandlastverbraucher und den Vorteilen Rechnung tragen, die dieser Verbrauch für die Stabilität des Systems hat, bereits vor dem maßgeblichen Zeitraum, danach wieder und durchgehend für antizyklische Verbraucher angewandt worden waren (siehe oben, Rn. 6 bis 8).

66      Im Übrigen steht fest, dass in den beiden Jahren, in denen die auf die streitigen Maßnahmen gestützte Regelung angewandt wurde, durch die streitige Befreiung genau bezeichnete Unternehmen, nämlich die Bandlastverbraucher, vollständig von jedem Entgelt für die Dienstleistung des Anschlusses an das Stromnetz befreit wurden, die ihnen zugutegekommen ist und Kosten – wenn auch im Vergleich zu anderen Unternehmen geringere Kosten – verursacht hat. Folglich kann diese Befreiung nur einen Vorteil für die betreffenden Unternehmen darstellen. Dies gilt umso mehr, als die frühere Regelung die Zahlung von Netzentgelten vorsah und die streitige Befreiung von den nationalen Gerichten für rechtswidrig erklärt und durch eine Regelung ersetzt wurde, mit der wieder Netzentgelte eingeführt wurden.

67      Diesem Ergebnis stehen die weiteren Argumente der Klägerin nicht entgegen.

68      Mit dem ersten Argument macht die Klägerin geltend, die streitige Befreiung sei eine angemessene Gegenleistung für die mit der Stromabnahme seitens der Bandlastverbraucher verbundenen Vorteile, was nicht dadurch widerlegt werde, dass einige Netzbetreiber vor nationalen Gerichten gegen die Befreiung geklagt hätten. Denn jeder Marktteilnehmer werde darum bemüht sein, eine Leistung ohne Gegenleistung zu beziehen. Dies bedeute aber nicht, dass er nicht grundsätzlich bereit sei, eine Gegenleistung zu erbringen.

69      Es ist jedoch zu beachten, dass in der Systematik des angefochtenen Beschlusses die bestrittene Feststellung weder ein entscheidendes noch das wichtigste Argument ist, um die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers auszuschließen. Sie wurde von der Kommission getroffen, um darzutun, dass nicht alle Netzbetreiber bereit seien, die streitige Befreiung als Gegenleistung für die vermuteten Netzstabilisierungseffekte durch Bandlastverbraucher zu akzeptieren. Diese sachgerechte Schlussfolgerung stützt sich auch auf den Evaluierungsbericht von 2015 (siehe oben, Rn. 56, erster Gedankenstrich), der von der Klägerin im Übrigen nicht in Frage gestellt wird.

70      Mit dem zweiten Argument trägt die Klägerin vor, der Gesetzgeber habe im Rahmen einer „typisierenden Betrachtung“ davon ausgehen dürfen, dass Netzbetreiber bereit seien, Bandlastverbrauchern für ihren Beitrag zur Netzstabilität eine Vergünstigung bis hin zum vollständigen Verzicht auf Netzentgelte zu gewähren.

71      Es ist jedoch festzustellen, dass, wie die Kommission ausführt, eine „typisierende Betrachtung“, wie sie die Klägerin in Betracht zieht, selbst wenn sie angemessen wäre, im Kontext der Beurteilung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht relevant ist, da dieser Grundsatz auf einer individuellen Analyse der wirtschaftlichen Situation der betreffenden Betreiber beruht und weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Beteiligten im Verwaltungsverfahren oder die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit auch nur den geringsten Nachweis dafür erbracht haben, dass ein Netzbetreiber unter den Umständen des vorliegenden Falles den Netzzugang völlig kostenlos gewährt hätte.

72      Außerdem wurden, wie die Kommission anmerkt, individuelle Netzentgelte vor dem maßgeblichen Zeitraum und danach wieder sowie durchgehend bei der anderen Kategorie atypischer Nutzer – den antizyklischen Verbrauchern – erhoben (siehe oben, Rn. 7 und 65), was zeigt, dass ein individueller Ansatz nicht nur möglich war, sondern den „normalen“ Ansatz des Gesetzgebers darstellte, ganz abgesehen davon, dass die streitige Befreiung vor ihrer Aufhebung durch Gerichtsentscheidungen für nichtig erklärt worden war (siehe oben, Rn. 14).

73      Mit dem dritten Argument macht die Klägerin geltend, die Argumente, mit denen die Kommission den Hinweisen einiger Verfahrensbeteiligter auf die Studie von 2012 entgegentrete, „[könnten] … nicht überzeugen“.

74      Wie die Kommission geltend macht, ist dieses Argument nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung unzulässig, da sich die Klägerin auf die Behauptung beschränkt, dass die Argumente der Kommission zur Studie von 2012 „nicht überzeugen könnten“, ohne eine Erklärung, geschweige denn Beweise zu liefern, die geeignet wären, das gerügte Vorbringen in Frage zu stellen.

75      Mit dem vierten Argument macht die Klägerin geltend, es könne nicht von einer Begünstigung ausgegangen werden, soweit die nach der Methode des physikalischen Pfades berechneten individuellen Netzentgelte niedriger als das Mindestentgelt seien.

76      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Mindestentgelt Teil des früheren Systems war, das ohne die streitige Befreiung auf Bandlastverbraucher angewandt worden wäre. Wie die Kommission im 111. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, erscheint die Erhebung des Mindestentgelts angemessen, um zu gewährleisten, dass die atypischen Verbraucher einen Mindestbeitrag zur Vergütung des Vorteils leisten, der ihnen durch den Netzanschluss entsteht.

77      Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: keine aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe

78      Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die streitige Befreiung sei nicht aus staatlichen Mitteln finanziert worden.

79      Die streitige Umlage belaste nicht den Staatshaushalt, da sie ebenso wie das Netzentgelt eine Vergütung oder Übertragung von Geldern zwischen Privaten darstelle.

80      Die Gelder seien aus folgenden Gründen einer staatlichen Kontrolle entzogen:

–        Für die Feststellung einer staatlichen Kontrolle über die mit der streitigen Umlage erhobenen Gelder reiche es nicht aus, dass diese Umlage auf gesetzlicher Grundlage erhoben werde und dass sie einschließlich ihres Zwecks Teil einer vom Staat definierten Politik sei;

–        der die Anwendung der streitigen Umlage betreffende Überwachungsmechanismus lasse nur den Schluss zu, dass die öffentlichen Stellen den ordnungsgemäßen Vollzug des Systems kontrollierten, nicht aber den Schluss, dass die erwirtschafteten Gelder selbst unter staatlicher Kontrolle stünden;

–        der Betrag der streitigen Umlage sei nicht durch den Staat, sondern von den Übertragungsnetzbetreibern festgesetzt worden; nur im Jahr 2012, dem ersten Durchführungsjahr, habe ihn die BNetzA im Wege einer einmaligen Ausnahmeregelung festgesetzt;

–        die Tatsache, dass die mit der streitigen Umlage erhobenen Gelder ausschließlich zur Deckung der durch die streitige Befreiung verursachten Kosten verwendet worden seien, zeige, dass der Staat eben nicht über diese Gelder verfügen könne;

–        die Netzbetreiber seien nicht verpflichtet, die Kosten der Maßnahme auf die Letztverbraucher abzuwälzen.

81      Schließlich macht sie geltend, es gebe keine zwischengeschaltete Einrichtung, die vom Staat mit der Verwaltung der durch die Abgabe eingenommenen Mittel betraut worden wäre; die Übertragungsnetzbetreiber seien keine solchen Einrichtungen, da sie nur zur Umsetzung in das System einbezogen seien. Hilfsweise trägt sie vor, die mit der Verwaltung der fraglichen Gelder betrauten Übertragungsnetzbetreiber unterlägen keiner staatlichen Kontrolle.

82      Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt das Vorbringen der Klägerin mit drei Argumenten: Die streitige Umlage sei keine verbindlich vom Staat auferlegte Abgabe, die Netzbetreiber stellten keine mit der Verwaltung staatlicher Mittel betrauten Einrichtungen dar, und es gebe keinen gesetzlichen Mechanismus zum vollständigen Ausgleich der Mindereinnahmen. Außerdem bestätige das Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), dass eine staatliche Kontrolle und Verfügungsbefugnis über die betreffenden Gelder – woran es im vorliegenden Fall fehle – für deren Qualifizierung als staatliche Mittel entscheidend sei.

83      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

1)      Vorüberlegungen

84      Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

85      Damit Vorteile als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, müssen sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein (vgl. Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Was erstens die Beurteilung angeht, ob eine Maßnahme dem Staat zuzurechnen ist, ist zu prüfen, ob die öffentlichen Stellen am Erlass dieser Maßnahme beteiligt waren (vgl. Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Zweitens sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur solche Vorteile als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die in dieser Bestimmung getroffene Unterscheidung zwischen „staatlichen“ und „aus staatlichen Mitteln gewährten“ Beihilfen bedeutet nämlich nicht, dass alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen darstellen, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert werden oder nicht, sondern dient nur dazu, in den Beihilfebegriff die unmittelbar vom Staat gewährten Vorteile sowie diejenigen, die über eine vom Staat zur Durchführung der Beihilferegelung benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden, einzubeziehen (Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 58, vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 53, und vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 50).

88      Nach dem Unionsrecht kann es nämlich nicht zulässig sein, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen allein dadurch, dass unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird, umgangen werden können (Urteile vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 54, und vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 51).

89      In diesem Fall ist es für die Schlussfolgerung, dass Vorteile „über“ eine Einrichtung wie die oben in Rn. 87 genannten gewährt werden, nicht erforderlich, dass die Beträge, die der fraglichen Maßnahme entsprechen, auf Dauer dem Staat gehören, denn es genügt der Umstand, dass sie ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung stehen, um sie als staatliche Mittel zu qualifizieren (Urteile vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 57, und vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 53).

90      Der Gerichtshof hat insbesondere entschieden, dass Gelder, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats durch Zwangsbeiträge gespeist und gemäß diesen Rechtsvorschriften verwaltet und verteilt werden, als staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV betrachtet werden können, selbst wenn ihre Verwaltung nicht staatlichen Organen anvertraut ist (vgl. Urteile vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Entscheidend ist insoweit, dass diese Organe vom Staat mit der Verwaltung staatlicher Mittel beauftragt und nicht bloß zur Abnahme unter Einsatz ihrer eigenen finanziellen Mittel verpflichtet sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 74, vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 59, und vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 55).

91      Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein nach objektiven Kriterien festgelegter Tarifaufschlag auf übertragenen Strom, der den Stromverbrauchern gesetzlich auferlegt und von den Netzbetreibern erhoben wird, eine „Abgabe“ darstellt, deren Beträge aus staatlichen Mitteln stammen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 45 bis 47 und 66). Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass diese Abgabe von einem Unternehmen verwaltet wurde, das mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut war, über keine Möglichkeit verfügte, das Aufkommen aus der Abgabe für andere als die gesetzlich vorgesehenen Zwecke zu verwenden, und bei seiner Aufgabe streng kontrolliert wurde, und dass diese Abgabe Teil einer von den Behörden festgelegten Politik war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 67 bis 71).

92      Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass in einem Fall, in dem die Mehrkosten der Maßnahme nicht vollständig auf die Endnutzer abgewälzt wurden, für ihre Finanzierung keine verbindliche vom Staat auferlegte Abgabe erhoben wurde und es auch keinen Mechanismus für ihren vollständigen Ausgleich gab, die betroffenen Unternehmen vom Staat nicht mit der Verwaltung staatlicher Mittel beauftragt waren, sondern eine ihnen obliegende Abnahmepflicht unter Einsatz ihrer eigenen Mittel finanzierten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2017, ENEA, C‑329/15, EU:C:2017:671, Rn. 30).

93      In jüngerer Zeit hat der Gerichtshof zum einen in Bezug auf eine Fördermaßnahme für Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien, die durch eine Abgabe finanziert wird, die den Stromversorgern, die Letztverbraucher beliefern, anteilig zu den verkauften Mengen auferlegt wird (EEG-Umlage), im Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), unter folgenden Umständen ausgeschlossen, dass es sich um die Verwendung staatlicher Mittel handelt:

–        Die durch die Maßnahme erwirtschafteten Beträge waren nicht mit einer Abgabe gleichzusetzen, da die fragliche Maßnahme die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer nicht dazu verpflichtete, die Kosten auf die Letztverbraucher abzuwälzen (Rn. 65 bis 71 des genannten Urteils);

–        da mangels einer Verfügungsgewalt über die Gelder deren Verwaltung nicht unter dem beherrschenden Einfluss des Staates stand, bedeutete der Umstand, dass die Gelder allein zur Finanzierung der fraglichen Regelung verwendet wurden, nicht, dass der Staat darüber verfügen konnte, d. h., eine andere Verwendung dieser Gelder beschließen konnte (Rn. 74 bis 76 des Urteils), und, da keine staatliche Kontrolle über die mit der Verwaltung dieser Gelder betrauten Einrichtungen bestand, reichte die bloße Kontrolle des ordnungsgemäßen Vollzugs der fraglichen Regelung insoweit nicht aus (Rn. 77 bis 85 des Urteils).

94      Zum anderen hat der Gerichtshof in Bezug auf eine Fördermaßnahme für Stromerzeuger, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbringen, wobei die Maßnahme insbesondere durch eine von den Stromendkunden in Abhängigkeit vom verbrauchten Strom erhobene Abgabe finanziert wurde, im Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a. (C‑706/17, EU:C:2019:407), anerkannt, dass das Kriterium der staatlichen Mittel insbesondere unter Berücksichtigung folgender Umstände erfüllt ist:

–        Der Beitrag war für die Endverbraucher und die Selbsterzeuger von Strom (Rn. 57 des genannten Urteils) sowie für die mit seinem Einzug betrauten Netzbetreiber (Rn. 64 des Urteils) verpflichtend; seine Höhe wurde von einer öffentlichen Stelle festgesetzt (Rn. 58 des Urteils);

–        die Verteilung der Gelder erfolgte durch einen unmittelbar vom Staat kontrollierten Verwalter, der mit der Verwaltung des Beitrags beauftragt war und über keinerlei Ermessen bezüglich der Bestimmung und der Verwendung dieser Gelder verfügte (Rn. 59 und 66 des Urteils).

95      Die oben in den Rn. 93 und 94 angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt für die Beurteilung des staatlichen Charakters der Mittel im Wesentlichen auf zwei Hauptmerkmale ab: zum einen auf eine verpflichtende Belastung der Verbraucher oder Letztverbraucher, die normalerweise als „Abgabe“ bezeichnet wird, insbesondere als „parafiskalische Abgabe“, und zum anderen auf die staatliche Kontrolle über die Verwaltung des Systems, insbesondere durch die staatliche Kontrolle über die Gelder oder über die Verwalter (Dritte) dieser Gelder. Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Merkmale, die Teile einer Alternative sind.

96      Dass es sich um Merkmale handelt, die Teile einer Alternative der beiden oben genannten Voraussetzungen sind, wird durch Rn. 72 des Urteils vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), bestätigt, in dem der Gerichtshof, nachdem er das Vorliegen einer „speziellen Abgabe“ verneint hatte, festgestellt hat, dass daher zu prüfen war, ob er aus den beiden anderen genannten Gesichtspunkten (d. h. der staatlichen Kontrolle über die Gelder oder über die Netzbetreiber) gleichwohl schließen durfte, dass die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder staatliche Mittel darstellten. Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a. (C‑706/17, EU:C:2019:407), festgestellt, dass Gelder, die von den Betreibern von Stromnetzen bei Wirtschaftsteilnehmern und Letztverbrauchern zwangsweise eingezogen werden, als staatliche Mittel angesehen werden können (Rn. 64 und 65 des genannten Urteils) und im Übrigen, also zusätzlich, dass bei diesen Geldern, die von einer staatlich kontrollierten Einrichtung, die über keinerlei Ermessen bezüglich der Bestimmung und der Verwendung dieser Gelder verfügt, zwischen den Begünstigten der Regelung verteilt werden, davon auszugehen ist, dass sie unter staatlicher Kontrolle verbleiben (Rn. 66 und 67 des Urteils).

97      Wie nämlich Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2000:585, Nr. 165) hervorgehoben hat, ist den Fällen, in denen der Gerichtshof das Vorliegen staatlicher Mittel bejaht hat, gemeinsam, dass der Staat in irgendeiner Form die Kontrolle über die fraglichen Mittel ausübte. Diese Kontrolle kann insbesondere mittels parafiskalischer Abgaben ausgeübt werden, ein Mechanismus, durch den nach Ansicht des Generalanwalts die Mittel in das Vermögen des Staates übergehen, bevor sie an die begünstigten Unternehmen ausgezahlt werden. Somit ist nach dieser Auslegung das Vorliegen einer parafiskalischen Abgabe eine der Situationen, in denen eine staatliche Kontrolle über die eingesetzten Mittel besteht.

98      Der vorliegende Teil des zweiten Klagegrundes ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

99      Vorab sind die wesentlichen Merkmale der auf der streitigen Befreiung beruhenden Beihilferegelung in Erinnerung zu rufen (siehe oben, Rn. 9 bis 13); sie umfasst:

–        erstens eine vollständige Befreiung von den individuellen Netzentgelten für die Bandlastverbraucher (d. h. die streitige Befreiung), die von der deutschen Regierung 2011 eingeführt wurde und bis 21. August 2013 in Kraft blieb und je nachdem, an welche Netzebene die Begünstigten angeschlossen waren, zulasten der Übertragungsnetzbetreiber oder der Verteilernetzbetreiber ging;

–        zweitens einen Ausgleichsmechanismus, durch den die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet waren, den Verteilernetzbetreibern die aus der vollständigen Befreiung resultierenden Mindererlöse zu erstatten und die durch die Befreiung verursachten Kosten gemessen an der gelieferten Strommenge untereinander auszugleichen;

–        drittens eine Umlage (d. h. die streitige Umlage), die die Verteilernetzbetreiber ab 2012 bis 2013 von den Letztverbrauchern oder den Stromversorgern erhoben und deren Erlöse zum Ausgleich für die durch die streitige Befreiung verursachten Mindereinnahmen an die Übertragungsnetzbetreiber weitergeleitet wurden; die Höhe der Umlage wurde jedes Jahr von den Übertragungsnetzbetreibern im Voraus auf der Grundlage einer von der BNetzA festgelegten Methode ermittelt, mit Ausnahme des Gesamtbetrags für das erste Jahr der Anwendung der Maßnahme, der direkt von der BNetzA pauschal festgesetzt wurde.

100    Im 136. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, der die Erwägungsgründe 49 bis 84 des Einleitungsbeschlusses zusammenfasst, weist die Kommission darauf hin, dass sie im Einleitungsbeschluss zu dem Schluss gekommen sei, dass die streitige Befreiung aus staatlichen Mitteln finanziert worden sei, und zwar aus folgenden Gründen:

–        Die streitige Befreiung habe einer politischen Zielsetzung des Staates entsprochen;

–        die aus der streitigen Befreiung resultierenden finanziellen Verluste seien zur Gänze durch die streitige Umlage ausgeglichen worden, die zulasten der Netznutzer und nicht der Netzbetreiber gegangen sei;

–        die Übertragungsnetzbetreiber seien mit der Verwaltung der aus der streitigen Befreiung und aus der streitigen Umlage resultierenden Finanzflüsse betraut gewesen und hätten die Erlöse aus der streitigen Umlage nicht nach eigenem Ermessen verwenden können;

–        die streitige Umlage habe keine Zahlung für eine Dienstleistung oder Ware dargestellt.

101    Im 137. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zurück, dass die Mittel zur Finanzierung der streitigen Befreiung nicht über den Staatshaushalt geflossen seien. Der Begriff der staatlichen Mittel sei auch erfüllt, wenn die Beihilfe aus privaten Mitteln finanziert werde, die aufgrund einer vom Staat auferlegten Pflicht zu zahlen seien und nach den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts verwaltet und verteilt würden, und zwar auch dann, wenn die Mittel nicht von Behörden verwaltet würden, sondern von nicht staatlichen Organen, die vom Staat benannt worden seien.

102    In den Erwägungsgründen 138 und 139 des angefochtenen Beschlusses hebt die Kommission hervor, dass die infolge der streitigen Befreiung in den Jahren 2012 und 2013 entgangenen Erlöse durch einen umfassenden Ausgleichsmechanismus, der über eine den Letztverbrauchern vom Staat auferlegte Abgabe finanziert worden sei, vollständig auf die Letztverbraucher abgewälzt worden sei.

103    In den Erwägungsgründen 140 bis 147 des angefochtenen Beschlusses führt die Kommission aus:

–        Die streitige Umlage sei eine vom Staat auferlegte, von den Letztverbrauchern erhobene parafiskalische Abgabe gewesen und kein allgemeines Netzentgelt;

–        die Netzbetreiber seien mit der Erhebung und Verwaltung der streitigen Umlage beauftragt worden und verpflichtet gewesen, diese Umlage von den Letztverbrauchern zu erheben; sie hätten die Erlöse aus der Umlage nur für den Ausgleich der infolge der streitigen Befreiung entgangenen Erlöse verwenden können;

–        die Umlage habe den Netzbetreibern Gewähr für den vollständigen Ausgleich der Mindererlöse geboten, die ihnen aufgrund der streitigen Befreiung entstanden seien, und die Höhe der Umlage sei auf der Grundlage der Befreiung berechnet worden.

104    Die Bewertung der Kommission stützt sich im Wesentlichen auf die folgenden beiden Umstände: Zum einen stelle die streitige Umlage eine „parafiskalische Abgabe“ dar, da sie eine vom Staat auferlegte und von „Letztverbrauchern“ erhobene Zwangsabgabe sei, und zum anderen seien die Netzbetreiber mit der Verwaltung der Umlage nach staatlich vorgeschriebenen Regeln betraut und handelten somit unter staatlicher Kontrolle.

105    Diese beiden Umstände werden von der Klägerin bestritten, die im Wesentlichen geltend macht, dass die streitige Umlage keine Abgabe oder Belastung des Staatshaushalts darstelle und dass der Staat weder über die mit der Umlage eingenommenen Gelder noch über die Netzbetreiber eine Kontrolle ausübe. Eine solche staatliche Kontrolle sei aber unabhängig von der Einstufung der streitigen Umlage als parafiskalische Abgabe eine unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen staatlicher Mittel.

106    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die streitige Umlage mit dem Beschluss der BNetzA von 2011 eingeführt wurde (siehe oben, Rn. 10 bis 13) und daher nach ständiger Rechtsprechung (siehe oben, Rn. 86) dem Staat zuzurechnen ist, was im Übrigen von der Klägerin nicht bestritten wird.

107    Dieses Ergebnis gilt unbeschadet der Frage, ob der Beschluss der BNetzA von 2011 nach deutschem Recht als Ultra-vires-Beschluss anzusehen ist, und unbeschadet der Frage nach der Erklärung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses durch die deutschen Gerichte und seiner anschließenden Abschaffung (siehe oben, Rn. 14), Fragen, die von den Parteien im Laufe des Verfahrens verspätet aufgeworfen wurden und nichts daran ändern, dass dieser Beschluss während des maßgeblichen Zeitraums tatsächlich angewandt wurde (siehe oben, Rn. 14 und 15). Wie in der Rechtsprechung festgestellt, wäre nämlich die Wirksamkeit des Rechts der staatlichen Beihilfen deutlich abgeschwächt, wenn seine Anwendung ausgeschlossen werden könnte, weil eine Beihilfe unter Verstoß gegen nationale Vorschriften gewährt wurde (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 36), und selbst wenn dieser Beschluss rechtswidrig sein sollte, ändert dies nichts daran, dass er so lange Auswirkungen haben kann, wie er nicht aufgehoben oder zumindest seine Rechtswidrigkeit nicht festgestellt worden ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 3. März 2005, Heiser, C‑172/03, EU:C:2005:130, Rn. 38).

108    Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin, dass der Beschluss der BNetzA von 2011, der am 21. Dezember 2011 im Amtsblatt der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht worden sei, erst am 4. Januar 2012 wirksam geworden sei und daher die Übertragungsnetzbetreiber am 15. Oktober 2011, dem letztmöglichen Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Preisliste für das Jahr 2012, die verbindlich gewesen sei und für alle Netznutzer gegolten habe, noch nicht gebunden habe. Dieses erstmals in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgebrachte Argument stellt nicht in Frage, dass dieser Beschluss während des maßgeblichen Zeitraums Anwendung gefunden hat.

109    Daher ist zu prüfen, ob der Mechanismus der streitigen Umlage die von der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Verwendung staatlicher Mittel erfüllt (siehe oben, Rn. 87 bis 97), und folglich, ob die streitige Umlage tatsächlich eine Zwangsabgabe darstellt und demnach einer parafiskalischen Abgabe gleichzustellen ist oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob der Staat zumindest über eine Kontrolle über die eingenommenen Gelder oder über die mit der Verwaltung dieser Gelder betrauten Einrichtungen verfügt.

2)      Zum Vorliegen einer Zwangsabgabe

110    In Bezug auf das erste Merkmal, d. h. das Vorliegen einer parafiskalischen Abgabe oder Zwangsabgabe, ist zunächst das Argument der Kommission zurückzuweisen, das Vorbringen der Klägerin zum Vorliegen einer Abgabe sei unzulässig, da es erstmals in der Erwiderung vorgebracht worden sei und die Klägerin in der Klageschrift die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses zum Vorliegen einer Abgabe nicht angegriffen, sondern sich darauf beschränkt habe, auf das damals anhängige Rechtsmittel in der Rechtssache zu verweisen, in der das Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), ergangen sei.

111    Die Klägerin hat nämlich in der Klageschrift die Anwendung des Kriteriums der staatlichen Mittel beanstandet, indem sie geltend gemacht hat, dass es sich bei den Netzentgelten um Vergütungen handele, die zwar in ihrer Bildung einer staatlichen Regulierung unterlägen, die aber von Privatrechtssubjekten einander auf rein privatrechtlicher Grundlage aus deren Vermögen gewährt würden und dass der Staat zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Netzentgelte habe, die somit keinerlei Berührungspunkte mit den öffentlichen Haushalten aufwiesen.

112    Diese Passagen reichen aus, um die Rügen nachzuvollziehen, über die die Unionsgerichte entscheiden sollen, und die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die diese Rügen gestützt sind, wenn auch in sehr knapper und oberflächlicher Form, zu untermauern. Die Klageschrift entspricht daher Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung.

113    Was die Begründetheit des Vorbringens der Klägerin zur Einstufung der streitigen Umlage als „parafiskalische Abgabe“ im Licht der angeführten Rechtsprechung betrifft, ist zu prüfen, ob diese vom Staat auferlegte Umlage durch eine gesetzliche Verpflichtung vollständig auf die Endschuldner dieser Umlage abgewälzt wurde.

114    Die Parteien sind sich insoweit uneinig, ob die streitige Umlage verpflichtend auf den „Letztverbraucher“ abgewälzt wurde, wie dies im angefochtenen Beschluss vertreten wird (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 135, 138, 140 und 143), und damit bei der Frage nach der Bestimmung der Endschuldner der streitigen Umlage.

115    Die Kommission schließt in diese Definition die Netznutzer ein, also die stromintensiven Unternehmen, die unmittelbar an das Netz angeschlossen sind, sowie die Stromversorger; diese Netznutzer sind verpflichtet, die Umlage zu zahlen, soweit sie Verträge mit den Netzbetreibern abschließen, um Strom zu kaufen (für sich selbst wie bei stromintensiven Unternehmen oder für ihre Kunden wie bei Stromversorgern), und damit „Letztverbraucher“ der Dienstleistung „Netznutzung“ sind.

116    Die Klägerin und die Bundesrepublik Deutschland schließen in diesen Begriff nur die Stromletztverbraucher und nicht die Stromversorger ein und machen geltend, dass die streitige Umlage, die nur von den Netznutzern erhoben werde, nicht verpflichtend auf alle Stromletztverbraucher abgewälzt werde. Sie bestreiten auch, dass die Netzbetreiber verpflichtet seien, die streitige Umlage bei den Netznutzern zu erheben. Nach dieser Auslegung stellt die streitige Umlage keine Belastung des Staatshaushalts dar, sondern vielmehr ein „Entgelt“, d. h. eine Übertragung von Geldern zwischen Privaten.

117    Somit sind die Endschuldner der streitigen Umlage zu ermitteln und festzustellen, ob diese Umlage für sie verbindlich ist.

118    Für die Frage nach den Endschuldnern der streitigen Umlage ist das Verhältnis zwischen den Netzbetreibern und den Netznutzern (meist Stromversorger, aber auch stromintensive Unternehmen) von dem Verhältnis zwischen den Stromversorgern und den Stromverbrauchern zu unterscheiden: Die streitige Umlage betrifft nur das erste Verhältnis, das zwischen den Betreibern und den Nutzern, da die Umlage infolge der Nutzung des Netzes und nicht infolge des Stromverbrauchs erhoben wird.

119    Vor diesem Hintergrund ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage (siehe oben, Rn. 116), ob die Stromversorger ihrerseits verpflichtet gewesen seien, die fragliche Umlage auf ihre Kunden, also auf alle Stromletztverbraucher, abzuwälzen, nicht erheblich, da Endschuldner dieser Umlage die Netznutzer waren, d. h. die Stromversorger selbst und die unmittelbar an das Netz angeschlossenen Letztverbraucher, nicht aber die übrigen Letztverbraucher.

120    Zur Verbindlichkeit der streitigen Umlage ist als Erstes festzustellen, dass der angefochtene Beschluss klar von einer Verpflichtung zur Erhebung und Abwälzung der streitigen Umlage auf die „Letztverbraucher“ ausgeht, indem u. a. auf den Beschluss der BNetzA von 2011 verwiesen wird (vgl. Erwägungsgründe 135, 138, 140, 141 und 143 des angefochtenen Beschlusses), in dem in den Nrn. 3 und 5.2 als Endschuldner der Umlage die Letztverbraucher zusammen mit den Stromversorgern in ihrer Eigenschaft als Netznutzer genannt werden. Diese Auslegung wird durch die Erwägungen in Rn. 20 des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 6. Oktober 2015 bestätigt (siehe oben, Rn. 14), die im 140. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben werden. Darin ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitige Umlage keine Gegenleistung für die Netznutzung sei, sondern eine Abgabe, mit der die Mindererlöse der Netzbetreiber gedeckt werden sollten.

121    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es für die Einstufung einer Maßnahme als „Abgabe“ im Sinne von Art. 30 oder 110 AEUV genügt, dass sie auf Zwischenerzeugnisse oder -dienstleistungen erhoben wird, ohne dass sie zwangsläufig auf die Letztverbraucher der nachgelagerten Erzeugnisse oder Dienstleistungen abgewälzt wird, da die Rechtsprechung bestätigt hat, dass für die Anwendung dieser Bestimmungen die Eigenschaft des Abgabenschuldners unerheblich ist, soweit sich die Abgabe auf das Erzeugnis oder eine im Zusammenhang mit dem Erzeugnis erforderliche Tätigkeit bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 49). Wie die oben in Rn. 90 angeführte Rechtsprechung bestätigt hat, ist insoweit entscheidend, dass die betreffenden Organe vom Staat mit der Verwaltung staatlicher Mittel beauftragt und nicht bloß zur Abnahme unter Einsatz ihrer eigenen finanziellen Mittel verpflichtet sind.

122    Als Zweites ist anzumerken, dass die Kommission im vorliegenden Fall, nachdem sie klargestellt hatte, dass die streitige Umlage durch den Beschluss der BNetzA von 2011 rechtlich verbindlich angeordnet worden sei, im 143. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 die Verteilernetzbetreiber verpflichtet habe, die streitige Umlage von allen Letztverbrauchern oder Stromversorgern zu erheben, und dass dieser Beschluss auch vorsehe, dass die mit dieser Umlage erzielten Einnahmen monatlich an die verschiedenen Übertragungsnetzbetreiber weitergeleitet würden.

123    In Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 5.2 des Beschlusses der BNetzA von 2011 ist nämlich vorgesehen, dass die Verteilernetzbetreiber verpflichtet sind, die streitige Umlage „von allen Letztverbrauchern bzw. Lieferanten zu erheben und an den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber monatlich weiterzuleiten“. Somit war die von einer Verwaltungsbehörde im Wege einer Regulierungsmaßnahme eingeführte streitige Umlage für die Letztverbraucher als Netznutzer verbindlich, da dieser Beschluss die Verteilernetzbetreiber dazu verpflichtete, die mit der streitigen Umlage verbundenen Mehrkosten auf die Letztverbraucher abzuwälzen – anders als in der Situation, die dem Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 70), zugrunde lag.

124    Außerdem beruht diese Schlussfolgerung der Kommission zum einen auf der von den deutschen Behörden im Verwaltungsverfahren vertretenen Auslegung, aus der klar hervorgeht, dass die Verteilernetzbetreiber verpflichtet waren, die streitige Umlage von den Letztverbrauchern oder Stromversorgern zu erheben und monatlich an die verschiedenen Übertragungsnetzbetreiber weiterzuleiten. Zum anderen haben die deutschen Behörden, obwohl die Kommission im Einleitungsbeschluss klar festgestellt hatte, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 den Verteilernetzbetreibern die Verpflichtung auferlegt habe, die streitige Umlage von den Letztverbrauchern als Netznutzern zu erheben (vgl. u. a. Nr. 14 des Einleitungsbeschlusses), im Verwaltungsverfahren nichts vorgetragen, um dieser Feststellung entgegenzutreten.

125    Was ferner das Vorbringen betrifft, der Beschluss der BNetzA von 2011 sei nicht verbindlich gewesen, da sich die den Netznutzern obliegende Zahlungsverpflichtung ausschließlich aus privatrechtlichen Verträgen zwischen den Netzbetreibern und den Netznutzern ergebe, und die BNetzA habe keine Verpflichtung auferlegen können, die nicht dem Rechtsrahmen, d. h. der StromNEV-Verordnung 2011 und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 19. März 2002, auf das diese Verordnung verweise, entsprochen habe, ist unabhängig von der Zulässigkeit dieses in der Erwiderung vorgebrachten Arguments festzustellen, dass den Verteilernetzbetreibern in Nr. 3 des Beschlusses der BNetzA von 2011 die Verpflichtung auferlegt wird, die streitige Umlage zu erheben, und diese daher verpflichtet sind, die Umlage von ihren Kunden einzuziehen. Da dieser Beschluss zu der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Regelung gehörte und verbindliche Wirkungen entfaltet hat, die im Übrigen nicht durch die Bestimmungen zurückgenommen wurden, mit denen die Regelung später abgeschafft wurde (siehe oben, Rn. 14 und 15), ist der Schluss zu ziehen, dass die auf der streitigen Umlage beruhende Regelung Rechtsverbindlichkeit erzeugt hat.

126    Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 39, 144 und 145 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass der Mechanismus der streitigen Umlage den Netzbetreibern Gewähr für den vollständigen Ausgleich der Mindererlöse geboten habe, da die Höhe der Umlage an die Höhe der aufgrund der streitigen Befreiung benötigten Mittel angepasst gewesen sei.

127    Diese Auslegung der Kommission wird durch die Nrn. 2 und 6 des Beschlusses der BNetzA von 2011 bestätigt, in denen verlangt wird, dass die Übertragungsnetzbetreiber bei der Berechnung der streitigen Umlage die prognostizierten infolge der streitigen Befreiung entgangenen Erlöse berücksichtigen und dass die Differenz zwischen den prognostizierten entgangenen Erlösen und den tatsächlich entgangenen Erlösen von jedem Netzbetreiber individuell ausgeglichen wird.

128    Das übrige Vorbringen der Klägerin vermag diese Feststellungen nicht zu entkräften.

129    Erstens genügt hinsichtlich des Arguments, dass die Höhe der streitigen Umlage nicht vom Staat, sondern von den Übertragungsnetzbetreibern festgesetzt werde, der Hinweis, dass der Beschluss der BNetzA von 2011, wie die Kommission im 37. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, für das erste Jahr der Anwendung der Regelung den ursprünglichen Betrag der streitigen Umlage auf 440 Mio. Euro festgesetzt hatte, wovon schätzungsweise 140 Mio. Euro auf die individuellen Entgelte für die antizyklischen Verbraucher und 300 Mio. Euro auf die streitige Umlage entfielen. Für das zweite Jahr der Anwendung der Regelung wurde im genannten Beschluss der BNetzA eine sehr detaillierte Methode für die Berechnung der Umlage festgelegt. Wie sich aus den Nrn. 1, 2 und 5.2 dieses Beschlusses ergibt, mussten die Übertragungsnetzbetreiber zum einen die prognostizierten Mindererlöse aufgrund der Befreiung im Vergleich zur vollständigen Zahlung der Netzentgelte und zum anderen den erwarteten Verbrauch ermitteln, um die Höhe der streitigen Umlage pro Kilowattstunde unter Berücksichtigung der im vorletzten Jahr erzielten Erlöse zu bestimmen. Außerdem mussten die Übertragungsnetzbetreiber, wie die Kommission im 39. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, gemäß dem Beschluss der BNetzA von 2011 die streitige Umlage jedes Jahr auf der Grundlage des tatsächlichen Finanzbedarfs für das vorhergehende Jahr anpassen.

130    Zweitens ist das Argument zurückzuweisen, dass es keinen gesetzlichen Mechanismus zum vollständigen Ausgleich der Mindereinnahmen gegeben habe, insbesondere, weil es unmöglich gewesen sei, die Kosten der streitigen Umlage bei Forderungsausfällen abzuwälzen. Die Einstufung der streitigen Umlage als parafiskalische Abgabe reicht nämlich aus, um die Erlöse aus dieser Abgabe als staatliche Mittel anzusehen, ohne dass sich der Staat verpflichten müsste, die durch die Nichtzahlung der Umlage – insbesondere bei Forderungsausfällen – entstehenden Verluste auszugleichen. Auch wenn, wie die Kommission einräumt, die Verluste aus Forderungsausfällen wirtschaftlich von den Verteilernetzbetreibern getragen werden, stellen aufgrund von Insolvenz entgangene Erlöse keine entgangenen Erlöse im Sinne der fraglichen Regelung dar und rechtfertigen sich dadurch, dass die Beziehungen zwischen den Netzbetreibern und den Endschuldnern der streitigen Umlage privatrechtliche Beziehungen sind.

131    Drittens ist zu dem Argument, der Staat habe aufgrund der Zweckbindung der Mittel aus der streitigen Umlage keine Verfügungsgewalt über die Gelder gehabt, was gemäß dem Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 76), ausschließe, dass die streitige Umlage die Verwendung staatlicher Mittel impliziere, festzustellen, dass das Vorliegen einer Zweckbindung der Mittel in Rn. 76 des genannten Urteils im Rahmen der Prüfung der staatlichen Kontrolle über die Netzbetreiber bewertet wurde und nicht, wie im vorliegenden Fall, im Rahmen der Prüfung, ob eine parafiskalische Abgabe vorliegt. Dieses Argument wird daher im Zusammenhang mit der Prüfung der staatlichen Kontrolle über die Netzbetreiber geprüft (siehe unten, Rn. 144 und 145). Jedenfalls wird die Einstufung der streitigen Umlage als parafiskalische Abgabe, wenn sie auf der Grundlage der vorstehenden Beurteilung bestätigt wird, nicht durch das Vorliegen einer Zweckbindung der Mittel in Frage gestellt. Dieser letzte Gesichtspunkt bestätigt vielmehr, dass der Mechanismus der Umlage durch staatliche Vorschriften geregelt ist.

132    Aus alledem ist zu folgern, dass der Beschluss der BNetzA von 2011, mit dem den Verteilernetzbetreibern in rechtlich verbindlicher Weise die Verpflichtung auferlegt wurde, die streitige Umlage von den Letztverbrauchern als Netznutzern zu erheben, eine parafiskalische Abgabe oder Zwangsabgabe im Sinne der oben in Rn. 121 angeführten Rechtsprechung darstellt und somit die Verwendung staatlicher Mittel impliziert.

3)      Zum Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die Gelder aus der Umlage oder über die Netzbetreiber

133    Was das zweite Merkmal betrifft, d. h. das Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die Gelder aus der Umlage oder über die Netzbetreiber, ist festzustellen, dass zwar entgegen dem Vorbringen der Kommission keine staatliche Kontrolle über die Netzbetreiber vorliegt, wie es den Grundsätzen entspricht, die der Gerichtshof im Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), das im Übrigen dieselben Betreiber des deutschen Stromnetzes betraf, entwickelt hat. Der Umstand, dass die Netzbetreiber einem Genehmigungs- bzw. Zertifizierungserfordernis unterliegen und Inhaber von Konzessionen sind, reicht nämlich nicht aus, um darzutun, dass sie gänzlich unter staatlicher Kontrolle handeln. Der Gerichtshof hat zudem klargestellt, dass eine bloße Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der fraglichen Regelung insoweit nicht ausreicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 77 bis 85).

134    Das Fehlen einer ständigen staatlichen Kontrolle über die Netzbetreiber ist jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidend, da es eine staatliche Kontrolle über die Gelder gibt, d. h. über den gesamten Mechanismus für die Erhebung und Zuteilung der streitigen Umlage (vgl. auch die oben in Rn. 89 angeführte Rechtsprechung).

135    Insoweit ist noch einmal hervorzuheben, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 die Netzbetreiber verpflichtet, die streitige Umlage, wie sie von der BNetzA (für das Jahr 2012) oder nach der von dieser festgelegten Methode (für das Jahr 2013) berechnet wurde, von den Netznutzern, einschließlich der Letztverbraucher, zu erheben, und dass die erzielten Erlöse an die Übertragungsnetzbetreiber zum Ausgleich der durch die streitige Befreiung entstandenen Mehrkosten gezahlt werden. Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die mit der streitigen Umlage erwirtschafteten Erlöse nach den geprüften Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausschließlich für die Zwecke der Regelung verwendet werden. Oben in Rn. 129 ist auch darauf hingewiesen worden, dass die Netzbetreiber nach dem Beschluss der BNetzA von 2011 einen Betrag erhielten, der den durch die streitige Befreiung entstandenen Mehrkosten entsprach, da die Höhe der streitigen Umlage an die Höhe der aufgrund der streitigen Befreiung benötigten Mittel angepasst wurde.

136    Demnach ist festzustellen, dass eine Entsprechung zwischen der streitigen Umlage und den durch die streitige Befreiung entstandenen Mehrkosten besteht und die Netzbetreiber als bloße zwischengeschaltete Stellen bei der Durchführung eines Mechanismus gehandelt haben, der gänzlich durch staatliche Vorschriften geregelt ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 20. September 2019, FVE Holýšov I u. a./Kommission, T‑217/17, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2019:633, Rn. 115 und 116).

137    Dieses Ergebnis kann durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt werden.

138    Erstens ist die Tatsache, dass die streitige Umlage in Verfolgung staatlicher Ziele oder einer mit dem Beschluss der BNetzA von 2011 umgesetzten staatlichen Politik erhoben wird, zwar für sich genommen kein entscheidender Faktor für die Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Kontrolle, doch ändert dies nichts daran, dass es sich um einen der Faktoren handelt, aus denen sich ergibt, dass es eine staatliche Kontrolle über das System der Erhebung und Zuteilung der streitigen Umlage gibt.

139    Zweitens vermag das Argument, die Netzbetreiber seien keine vom Staat mit der Verwaltung der Erlöse aus der streitigen Umlage beauftragten Einrichtungen, sondern ausschließlich in die Durchführung des Systems einbezogen, nicht zu überzeugen. Nach der Rechtsprechung ist nämlich insoweit keine ausdrückliche „Beauftragung“ erforderlich, wenn auf der Grundlage der oben dargelegten Erwägungen dargetan wird, dass eine staatliche Kontrolle über den gesamten Mechanismus zur Erhebung der streitigen Umlage und zur Zuteilung der erwirtschafteten Gelder besteht. In den Rechtssachen, in denen das Fehlen einer solchen staatlichen „Beauftragung“ ein entscheidender Faktor war, um die staatliche Natur der fraglichen Mittel auszuschließen, bestand nämlich entweder eine bloße Abnahmepflicht privatrechtlicher Unternehmen unter Einsatz ihrer eigenen finanziellen Mittel (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 58 bis 61, und vom 13. September 2017, ENEA, C‑329/15, EU:C:2017:671, Rn. 26 und 30), oder es fehlte zugleich an einer den Letztverbrauchern zwingend auferlegten Abgabe und an einer staatlichen Kontrolle der durch die fragliche Umlage erwirtschafteten Gelder (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 65 bis 86).

140    Drittens ist der Umstand, dass die Netzbetreiber privatrechtliche Einrichtungen sind und auf der Grundlage privatrechtlicher Rechtsbeziehungen handeln, insbesondere in Bezug auf die Einziehung der mit der streitigen Umlage zusammenhängenden Forderungen, ohne über Vollstreckungsbefugnisse zu verfügen, für sich genommen nicht entscheidend, da es darauf ankommt, ob diese Einrichtungen vom Staat mit der Verwaltung staatlicher Mittel beauftragt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a., C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 20, und vom 20. September 2019, FVE Holýšov I u. a./Kommission, T‑217/17, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2019:633, Rn. 126). Im Übrigen ist das Vorbringen, dass einer der Übertragungsnetzbetreiber, TransnetBW, mehrheitlich in staatlichem Eigentum gestanden habe, auch wenn es begründet ist, insoweit unerheblich.

141    Viertens trifft es zwar zu, dass nach der Rechtsprechung die Überwachung des Vollzugs des Umlagesystems durch die Behörden nicht ausreicht, um das Vorliegen einer Kontrolle über die fraglichen Netzbetreiber oder Gelder darzutun (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 77).

142    Im Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 82), lässt der Gerichtshof jedoch seine Rechtsprechung unangetastet, wonach Gelder, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats durch Zwangsabgaben gespeist und gemäß diesen Rechtsvorschriften verwaltet und verteilt werden, als staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV betrachtet werden können, selbst wenn ihre Verwaltung nicht staatlichen Organen anvertraut ist (Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a., C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 25), und hebt vielmehr hervor, dass in diesem anderen Fall zwei wesentliche Gesichtspunkte fehlten, nämlich das Bestehen eines Grundsatzes der vollständigen Deckung der Abnahmepflicht durch den fraglichen Mitgliedstaat und der Umstand, dass die fraglichen Beträge der Caisse des dépôts et consignations anvertraut worden waren, d. h. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die unter staatlicher Aufsicht handelte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 83 bis 85). Dieses Argument kann somit nicht überzeugen, wenn auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen (siehe oben, Rn. 135) nachgewiesen ist, dass die staatliche Kontrolle, wie die Kommission ausführt, den gesamten Mechanismus für die Erhebung der streitigen Umlage und die Zuteilung der Erlöse aus der Umlage, einschließlich der vollständigen Deckung der durch diese Umlage entstandenen Mehrkosten, betrifft.

143    Fünftens ist das Argument, der Staat garantiere nicht die Deckung etwaiger Erlösausfälle, da die Mehrkosten nicht abgewälzt werden könnten und die Betreiber geschlossener Verteilernetze verpflichtet seien, die streitige Befreiung ohne Erstattung zu gewähren, im Rahmen der Einstufung der streitigen Umlage als parafiskalische Abgabe zurückgewiesen worden (siehe oben, Rn. 130).

144    Sechstens ist zu dem Vorbringen, die Zweckbindung der fraglichen Mittel schließe jede Verfügungsgewalt des Staates über die mit der streitigen Umlage erwirtschafteten Gelder aus, darauf hinzuweisen, dass es zwar zutrifft, dass die Unionsgerichte unter bestimmten Umständen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a., C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 69, vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 66, und vom 11. Dezember 2014, Österreich/Kommission, T‑251/11, EU:T:2014:1060, Rn. 70) die gesetzlich vorgeschriebene Zweckbindung der Mittel als ein Indiz dafür angesehen haben, dass die Gelder oder ihre Verwalter unter staatlicher Kontrolle standen, und damit als ein Indiz für die Verwendung staatlicher Mittel, und dass unter anderen Umständen der Gerichtshof auch bei Vorliegen einer Zweckbindung der Mittel einen beherrschenden Einfluss der Behörden und damit die Verwendung staatlicher Mittel ausgeschlossen hat, weil es an einer Verfügungsgewalt über die Gelder, d. h. die Möglichkeit einer anderen Verwendung dieser Gelder durch die Behörden, fehlte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 76).

145    Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission (C‑405/16 P, EU:C:2019:268), diesen Gesichtspunkt entgegen der früheren Rechtsprechung geprüft hat, um zu beurteilen, ob in einem Fall, in dem er das Vorliegen einer Zwangsabgabe verneint hatte, eine staatliche Kontrolle über die Gelder vorlag, wobei er jedoch klarstellte, dass die Zweckbindung der Mittel mangels gegenteiliger Gesichtspunkte vielmehr dafür gesprochen hat, dass der Staat eben nicht über diese Gelder verfügen konnte, d. h., keine andere als die in den fraglichen Rechtsvorschriften vorgesehene Verwendung beschließen konnte. Daher hat sich der Gerichtshof, statt die frühere Rechtsprechung zu überprüfen, die zudem kurz darauf durch das Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a. (C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 66), bestätigt wurde, bewusst auf die Feststellung beschränkt, dass in Ermangelung anderer Gesichtspunkte dieser Gesichtspunkt allein nicht entscheidend für den Nachweis einer solchen Kontrolle war.

146    Nach alledem ist festzustellen, dass die streitige Umlage gemäß der einschlägigen Rechtsprechung eine parafiskalische Abgabe oder eine Zwangsabgabe darstellt, deren Höhe von einer Behörde (für das Jahr 2012) oder nach einer von dieser Behörde festgelegten Methode (für das Jahr 2013) festgesetzt wurde, die im öffentlichen Interesse liegende Ziele verfolgt, dass die streitige Umlage den Netzbetreibern nach objektiven Kriterien auferlegt und durch diese gemäß den von den nationalen Behörden vorgegebenen Regeln erhoben worden ist.

147    Folglich ist die streitige Befreiung eine aus staatlichen Mitteln gewährte Maßnahme.

148    Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

2.      Zum dritten Klagegrund: Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt

149    Mit dem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, selbst wenn die streitigen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe darstellen sollten, sei diese entweder nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV oder nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

a)      Zur Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV

150    Die Klägerin wirft der Kommission vor, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, da sie nicht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die streitige Befreiung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die Bundesregierung habe nach dem Reaktorunfall von Fukushima (Japan) im Frühjahr 2011 mit einem Regulierungspaket, insbesondere mit der streitigen Befreiung, die Energiewende zum Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie und zur Stärkung erneuerbarer Energien eingeleitet, was einen Netzausbau erforderlich gemacht und einen Anstieg der Stromversorgungskosten verursacht habe, wodurch die Gefahr entstanden sei, dass energieintensive Industrieunternehmen ihre Produktion verlagerten.

151    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

152    Nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV können u. a. Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

153    Da es sich bei Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV um eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt handelt, ist diese Bestimmung eng auszulegen (vgl. Urteil vom 19. September 2018, HH Ferries u. a./Kommission, T‑68/15, EU:T:2018:563, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).

154    Außerdem kann die Kommission nach der Rechtsprechung eine Beihilfe nur dann für mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV vereinbar erklären, wenn sie feststellen kann, dass die Beihilfe zur Verwirklichung eines der genannten Ziele beiträgt, die das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen durch eigene Maßnahmen nicht erreichen könnte. Den Mitgliedstaaten darf mit anderen Worten nicht erlaubt werden, Zahlungen zu leisten, die die finanzielle Lage des begünstigten Unternehmens verbessern würden, ohne zur Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ziele notwendig zu sein (Urteile vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission, T‑371/94 und T‑394/94, EU:T:1998:140, Rn. 105, und vom 19. September 2018, HH Ferries u. a./Kommission, T‑68/15, EU:T:2018:563, Rn. 143).

155    Ferner räumt Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV der Kommission ein Ermessen ein, das sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt. Die gerichtliche Nachprüfung der Ausübung dieses Ermessens ist auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen oder von Ermessensmissbrauch beschränkt (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung des Urhebers des Beschlusses nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2018, Stena Line Scandinavia/Kommission, T‑631/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:944, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    Darüber hinaus liegt die Beweislast für die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt bei dem betreffenden Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 1993, Italien/Kommission, C‑364/90, EU:C:1993:157, Rn. 20).

157    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 167. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die streitige Befreiung nicht an ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse gebunden sei und dass die Bundesrepublik Deutschland keine Informationen vorgelegt habe, die belegen würden, dass diese Befreiung eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens in Deutschland behebe.

158    Die Klägerin tritt dieser Feststellung entgegen und macht geltend, dass einige Verfahrensbeteiligte und die Bundesrepublik Deutschland, wie aus den Erwägungsgründen 64 und 79 des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, auf das Vorliegen einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Deutschlands hingewiesen hätten.

159    Im 64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hebt die Kommission aber nur ganz allgemein hervor, dass einige Beteiligte erklärt hätten, dass die streitige Befreiung mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, da sie die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen verstärke und die Auslagerung ihrer Tätigkeiten in Drittstaaten verhindere. Im 79. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist sie auf die Ausführungen der Bundesrepublik Deutschland hin, wonach die streitige Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Binnenmarkt führe. Aus diesen Erwägungsgründen ist nicht ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland oder die anderen Verfahrensbeteiligten Beweise insbesondere dafür beigebracht hätten, dass im vorliegenden Fall eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Deutschlands im Sinne der geltend gemachten Bestimmung vorliegt.

160    In den Erwägungsgründen 80 und 165 des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission hingegen darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland im Laufe des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht habe, dass die streitige Befreiung auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b oder c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne, weil mit ihr die nachstehenden Ziele verfolgt würden: die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, die Förderung der erneuerbaren Energien, die Einführung eines Systems für den Netzzugang ohne Diskriminierung zwischen den Netznutzern gemäß Art. 32 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55) und die Gewährleistung gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. 2009, L 211, S. 15), dass die Netzentgelte die tatsächlich angefallenen Kosten widerspiegelten. Diese Argumente hat die Kommission in den Rn. 163 bis 216 des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen.

161    Darüber hinaus hat die Kommission, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, ausgeführt, dass die Bundesrepublik Deutschland Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV im Verwaltungsverfahren ein einziges Mal erwähnt habe und seine Anwendung mit einem Verweis auf den Atomausstieg im Kontext der damaligen Wirtschafts- und Finanzkrise sowie auf die von der Kommission vermeintlich geforderte Reindustrialisierung der Union begründet habe.

162    In Anbetracht dieser sehr allgemeinen Verweise und mangels anderer relevanter Anhaltspunkte in den Akten war die Kommission nicht verpflichtet, die Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV im vorliegenden Fall eingehend zu prüfen.

163    Jedenfalls reichen die von der Klägerin vorgebrachten Argumente nicht aus, um die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im vorliegenden Fall zu rechtfertigen.

164    Die Klägerin beschränkt sich nämlich darauf, den Reaktorunfall in Fukushima von 2011 zu erwähnen und geltend zu machen, dass die deutsche Bundesregierung die streitige Befreiung neben anderen Maßnahmen erlassen habe, um die Energiewende zum Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie und zur Stärkung erneuerbarer Energien einzuleiten. Dies habe einen Netzausbau erfordert und zu einem Anstieg der Kosten der Stromversorgung geführt, wodurch die Gefahr einer Verlagerung der Produktion energieintensiver Industrien entstanden sei.

165    Diese Behauptungen, die im Übrigen nicht durch konkrete Beweise untermauert werden, reichen jedoch nicht aus, um im vorliegenden Fall eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben darzutun, ganz abgesehen davon, dass es keinen Zusammenhang zwischen der streitigen Befreiung, die Bandlastverbraucher mit dem erklärten Ziel begünstigt, die Netzstabilität zu gewährleisten, und der behaupteten Störung im Wirtschaftsleben, die allgemeiner Natur sein müsste, gibt und es an einem Nachweis für die Verhältnismäßigkeit der streitigen Befreiung im Hinblick auf das verfolgte Ziel im Sinne der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung fehlt.

166    Folglich ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

b)      Zur Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV

167    Die Klägerin wirft der Kommission vor, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, da sie nicht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die streitige Befreiung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die streitige Befreiung erfülle die vier nach der Rechtsprechung insoweit erforderlichen Voraussetzungen, da sie erstens zur Verwirklichung von Zielen von gemeinsamem Interesse beitrage, insbesondere zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zur Förderung erneuerbarer Energien, zweitens notwendig sei und einen Anreizeffekt habe, weil die Maßnahme einen Anreiz für die energieintensiven Industrien geschaffen habe, Betriebsstätten nicht wegen der hohen Stromkosten aus Deutschland bzw. der Union abzuziehen, sie drittens in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehe, eine Frage, die die Kommission nicht einmal geprüft habe, und viertens keine negativen Effekte für den Binnenmarkt mit sich bringe.

168    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

169    Nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV können u. a. Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

170    Da es sich bei Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV um eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt handelt, ist diese Bestimmung eng auszulegen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2017, Griechenland/Kommission, T‑314/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:903, Rn. 160 und die dort angeführte Rechtsprechung).

171    Nach der Rechtsprechung kann die Kommission eine Beihilfe zudem nur dann für mit dem Binnenmarkt vereinbar im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV erklären, wenn sie feststellen kann, dass die Beihilfe zur Verwirklichung eines der in dieser Bestimmung genannten Ziele beiträgt, die das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen durch eigene Maßnahmen nicht erreichen könnte. Mit anderen Worten muss eine Beihilfe, damit sie unter eine der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ausnahmen fallen kann, nicht nur einem der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. a, b, c oder d AEUV genannten Ziele entsprechen, sondern auch zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sein. Die Beihilfe muss nämlich den Empfänger dazu veranlassen, durch sein Verhalten zur Erreichung dieser Ziele beizutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2019, Achemos Grupė und Achema/Kommission, T‑417/16, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2019:597, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

172    Außerdem verfügt die Kommission bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf Unionsebene vorzunehmen sind. Das Gericht darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Stelle nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist. Da das weite Ermessen der Kommission, das gegebenenfalls durch die von ihr erlassenen Orientierungsregeln näher bestimmt wird, komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen impliziert, die auf Unionsebene vorzunehmen sind, führen die Gerichte in Bezug auf diese Wertungen nur eine beschränkte Kontrolle durch. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteil vom 19. September 2018, HH Ferries u. a./Kommission, T‑68/15, EU:T:2018:563, Rn. 87 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

173    Zudem liegt, wie oben in Rn. 156 ausgeführt, die Beweislast für die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt bei dem betreffenden Mitgliedstaat.

174    Im vorliegenden Fall kam die Kommission in den Erwägungsgründen 168 bis 215 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die streitige Befreiung nicht die vier Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfülle, nämlich erstens das Vorliegen eines Ziels von gemeinsamem Interesse und die Geeignetheit der Beihilfe (Erwägungsgründe 171 bis 194 des angefochtenen Beschlusses), zweitens die Erforderlichkeit der Beihilfe (Erwägungsgründe 195 bis 202 des angefochtenen Beschlusses), drittens den Anreizeffekt der Beihilfe (Erwägungsgründe 203 und 204 des angefochtenen Beschlusses) und viertens die Angemessenheit der Beihilfe und das Fehlen überwiegender negativer Auswirkungen (Erwägungsgründe 205 bis 215 des angefochtenen Beschlusses).

175    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, wie die Kommission hervorhebt, kein konkretes Argument gegen die Schlussfolgerungen der Kommission zur vierten Voraussetzung vorträgt. Dies genügt, um ihr übriges Vorbringen als ins Leere gehend und damit den fraglichen Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

176    Jedenfalls können die Argumente der Klägerin nicht durchgreifen.

177    Erstens ist zu dem Argument, die streitige Befreiung trage zur Verwirklichung von Zielen von gemeinsamem Interesse bei, nämlich zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zur Förderung erneuerbarer Energien, darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 173 und 174 des angefochtenen Beschlusses, nachdem sie eingeräumt hatte, dass diese beiden Ziele als Ziele von gemeinsamem Interesse anerkannt worden seien, festgestellt hat, dass die streitige Befreiung weder dazu habe beitragen können, diese Ziele zu erreichen, noch dafür geeignet gewesen sei, da sie zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt und möglicherweise sogar ein Hindernis für deren Verwirklichung dargestellt habe.

178    Die Klägerin entgegnet insoweit, dass die Bandlastverbraucher einen positiven Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien leisteten, da ihr Verbrauch im Wesentlichen zur Entlastung des Netzes beitrage, indem er die Wahrscheinlichkeit von Abregelungen von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien verringere, wodurch diesen Anlagen weniger Ausgleich für Abregelungen gewährt werden müsse.

179    Dieses Argument greift das in den Erwägungsgründen 172 und 175 des angefochtenen Beschlusses zusammengefasste Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auf, dass die kontinuierliche und konstante Stromabnahme der Bandlastverbraucher das Netz „entlastet und stabilisiert“, denn die Prognostizierbarkeit der befreiten Bandlastabnahme trage zu einer effizienten Nutzung der Erzeugungskapazitäten bei, da weniger Ausgleichs- und Umverteilungsmaßnahmen sowie Reserven erforderlich seien.

180    Zunächst ist festzustellen, dass die netzstabilisierende Wirkung zwar bei der möglichen Festsetzung individueller Netzentgelte für die Bandlastverbraucher berücksichtigt werden kann, dass aber nicht nachgewiesen ist, dass diese Wirkung eine vollständige Befreiung von diesen Entgelten wie die streitige Befreiung rechtfertigt.

181    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass selbst unter Berücksichtigung des von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Umstands, dass bei den Standorten von Bandlastverbrauchern geringere Transportverluste anfielen, da sie näher an Kraftwerken lägen, eine vollständige Befreiung aller dieser Verbraucher nicht der Entfernung zwischen den einzelnen Bandlastverbrauchern und den Kraftwerken und damit nicht dem – zwangsläufig unterschiedlichen – Beitrag Rechnung trägt, den jeder von ihnen für das Gleichgewicht des Systems leistet.

182    Schließlich ist auch anzumerken, dass die streitige Befreiung, wie die Kommission im 171. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit einer Feststellung, die von der Klägerin nicht bestritten worden ist, geltend macht, die Bandlastverbraucher auch von den Netzkosten befreit, die sie, wenn auch in geringerem Umfang als andere Unternehmen, auf jeden Fall verursachen, was dem im 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/72 verankerten Grundsatz widerspricht, dass die Netzentgelte kostenorientiert sein müssen.

183    Was zweitens das Argument betrifft, die streitige Befreiung sei erforderlich, um die Ziele der Förderung erneuerbaren Stroms und der Gewährleistung der Versorgungssicherheit zu erreichen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 195 bis 202 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht den Nachweis erbracht habe, dass Bandlastverbraucher ohne die streitige Befreiung das öffentliche Netz verlassen hätten und entweder eine Direktleitung zu einem Kraftwerk errichtet hätten, zu Eigenversorgern geworden wären oder ihr Verbrauchsverhalten geändert hätten und ein variables und unvorhersehbares Lastprofil angenommen hätten.

184    Die Klägerin macht insoweit geltend, dass die streitige Befreiung einen weiteren Anreiz für die energieintensiven Industrien geschaffen habe, Betriebsstätten nicht wegen der hohen Stromkosten aus Deutschland oder der Union abzuziehen.

185    Dieses Argument stützt sich auf keine tatsächliche Grundlage und betrifft zudem ein Ziel – die Vermeidung der Abwanderung von Unternehmen –, das sich von dem zur Begründung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt angeführten Ziel von gemeinsamem Interesse – der Förderung erneuerbaren Stroms und der Gewährleistung der Versorgungssicherheit – unterscheidet und kaum als Ziel von gemeinsamem Interesse der Union eingestuft werden könnte. Im Übrigen bestreitet die Klägerin nicht die Ausführungen in den Erwägungsgründen 203 und 204 des angefochtenen Beschlusses zum Fehlen eines Anreizeffekts der streitigen Befreiung, mit denen die Kommission u. a. festgestellt hat, dass die streitige Befreiung in vielen Fällen Bandlastverbrauchern für ein Abnahmeverhalten gewährt worden sei, das ihrem üblichen Abnahmeverhalten entsprochen habe, da ihr Produktionsprozess einen kontinuierlichen Stromverbrauch erforderlich mache, was im Übrigen eine logische Feststellung ist.

186    Drittens ist zur Verhältnismäßigkeit der streitigen Befreiung im Hinblick auf die verfolgten Ziele darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 205 bis 215 des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss gekommen ist, dass die negativen Auswirkungen der Beihilfe den hypothetischen positiven Beitrag überwögen, den sie möglicherweise zur Förderung erneuerbaren Stroms oder zur Versorgungssicherheit geleistet habe.

187    Insoweit beschränkt sich die Klägerin darauf, der Kommission vorzuwerfen, dass sie das Verhältnis zwischen dem verfolgten Ziel und der streitigen Befreiung nicht geprüft habe, und geltend zu machen, dass diese Befreiung, die weiter gehe als die individuellen Netzentgelte, nicht außer Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zielen stehe, sondern im Gegenteil ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieser Ziele darstelle.

188    Selbst wenn dieses Vorbringen den in Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung aufgestellten Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit genügen würde, trägt die Klägerin nichts vor, was ihre Schlussfolgerungen stützen könnte.

189    Was viertens die Prüfung der negativen Auswirkungen der streitigen Befreiung auf den Binnenmarkt betrifft, trägt die Klägerin lediglich vor, dass diese Maßnahme keine negativen Effekte für den Binnenmarkt mit sich bringe und weder zum Aufbau von Marktmacht führe noch eine Markzugangsbarriere erzeuge oder sonstige negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zeitige.

190    Diese Ausführungen erfüllen nicht die Voraussetzungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung und erlauben es jedenfalls nicht, die beanstandeten Passagen des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, die dieselben zu sein scheinen wie die, die die Klägerin mit dem vorhergehenden Argument beanstandet.

191    Daher ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes und damit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.      Zum vierten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Rückforderungsanordnung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot und wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

a)      Zum ersten Teil: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

192    Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen das in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2015/1589 sowie in den Art. 14 und 32 der Richtlinie 2009/72 verankerte Diskriminierungsverbot wegen einer Ungleichbehandlung erstens zwischen Bandlastverbrauchern mit mehr als 7 000 Vollbenutzungsstunden, zweitens gegenüber Bandlastverbrauchern mit mehr als 7 500 Vollbenutzungsstunden und drittens zwischen Bandlastverbrauchern und antizyklischen Verbrauchern.

193    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

194    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von der Kommission in den Erwägungsgründen 101 bis 121 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Beurteilung, dass die streitige Befreiung selektiv und damit diskriminierend sei, nicht beanstandet. Sie erläutert jedoch nicht, inwiefern die Anordnung der Rückforderung einer Maßnahme, deren diskriminierenden Charakter sie nicht bestreitet, ihrerseits diskriminierend sein könnte.

195    Das Vorbringen der Klägerin geht daher ins Leere.

196    Jedenfalls ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin zum Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auch unbegründet ist.

197    Mit ihrem ersten Argument rügt die Klägerin, Bandlastverbraucher mit mehr als 7 000 Vollbenutzungsstunden würden insoweit ungleich behandelt, als mindestens ein Betrag in Höhe des Mindestentgelts zurückzufordern sei. Im Wesentlichen wendet sich die Klägerin erstens gegen den Rückgriff auf eine Vorgängerfassung der streitigen Befreiung zur Anordnung des Mindestentgelts, zweitens trägt sie vor, dass nur bei Anwendung der Methode des physikalischen Pfades, ohne Anwendung des Mindestentgelts, die Einhaltung der Grundsätze der Verursachungsgerechtigkeit und der Angemessenheit sowie des Gleichheitssatzes gewährleistet sei, und macht drittens geltend, dass nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe auf die tatsächlich gewährte Beihilfe beschränkt sei, was eine Nachforderung von Mindestentgelten verbiete.

198    Im Übrigen weise der angefochtene Beschluss auch einen Begründungsmangel auf, da die Kommission nicht erläutert habe, warum im Zuge der Rückforderung Mindestentgelte anzusetzen seien.

199    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

200    Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission nämlich ausgeführt, dass das vor Einführung der streitigen Maßnahmen bestehende System, das auf der Erhebung individueller, nach der Methode des physikalischen Pfades berechneter Netzentgelte beruht habe und auch die Anwendung des Mindestentgelts beinhaltet habe, keine staatliche Beihilfe aufgewiesen habe. Dabei habe die Anwendung des Mindestentgelts insofern eine wichtige Rolle gespielt, als sie es ermöglicht habe, den Vorteilen Rechnung zu tragen, die diesen Verbrauchern durch den Netzanschluss entstünden, wenn die nach der Methode des physikalischen Pfades berechneten individuellen Netzentgelte wegen der Nähe der Anlagen zu den Kraftwerken gleich null oder fast null gewesen seien (vgl. insbesondere 111. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

201    Im Übrigen ist der Rückgriff auf das vor der Einführung der streitigen Maßnahmen geltende System für die Berechnung des Vorteils, den die streitige Befreiung gewährt hat, nichts Außergewöhnliches, da die Kommission überprüfen muss, ob die neue Maßnahme im Vergleich zu den Vorschriften, die ohne sie angewandt worden wären und nach Ansicht der Kommission keine Merkmale staatlicher Beihilfen aufweisen, zu einem Vorteil geführt hat.

202    Zu dem im Rahmen dieses Arguments geltend gemachten Begründungsmangel geht aus dem angefochtenen Beschluss, insbesondere aus den Erwägungsgründen 226 bis 228, klar hervor, dass die Kommission erläutert hat, dass die rechtswidrige Beihilfe anhand des Unterschieds zwischen der vor und der nach Einführung der streitigen Befreiung anwendbaren Regelung zu beziffern sei und somit der Befreiung von den Netzentgelten entspreche, die auf der Grundlage der Methode des physikalischen Pfades und unter Berücksichtigung des Mindestentgelts berechnet worden seien, das, wie ausgeführt, grundlegender Bestandteil der vorherigen Regelung gewesen sei (siehe oben, Rn. 200).

203    Mit dem zweiten Argument rügt die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber Bandlastverbrauchern mit mehr als 7 500 Vollbenutzungsstunden. Da für die Rückforderung nicht auf die in der Übergangsregelung vorgesehenen pauschalierten Netzentgelte (siehe oben, Rn. 15) abgestellt worden sei, würden Bandlastverbraucher, die vor Inkrafttreten der StromNEV 2013 die streitige Befreiung erhalten hätten, gegenüber Bandlastverbrauchern diskriminiert, die diese Befreiung noch nicht erhalten hätten und denen daher die pauschalierten Netzentgelte zugutegekommen seien.

204    Insoweit ist festzustellen, dass die von der Klägerin angeführte Übergangsregelung nach der Veröffentlichung des Einleitungsbeschlusses rückwirkend für die Jahre 2012 und 2013 als Übergangsmaßnahme eingeführt und nicht angemeldet wurde. Außerdem war sie auf die Bandlastverbraucher, um die es im angefochtenen Beschluss ging, nicht anwendbar (auch nicht ex post). Daher geht jeder Hinweis auf die frühere Regelung, die nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses war, im Hinblick auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der auf die streitigen Maßnahmen gestützten Regelung ins Leere.

205    Mit dem dritten Argument wirft die Klägerin der Kommission vor, Bandlastverbraucher und antizyklische Verbraucher gleich behandelt zu haben, obwohl beide gänzlich unterschiedliche Profile der Netznutzung aufwiesen und ihr jeweiliger Anspruch auf individuelle Netzentgelte auf völlig unterschiedlichen Grundlagen beruhe.

206    Denn obwohl für diese beiden Gruppen von Netznutzern ein und dieselbe Vorschrift gelte, nämlich § 19 Abs. 2 StromNEV 2011, sei diese keine homogene Regelung, sondern sehe zwei verschiedene Arten der Netznutzung vor. Den beiden Gruppen würden individuelle Netzentgelte aus unterschiedlichen Gründen gewährt, da antizyklische Verbraucher durch einen Stromverbrauch außerhalb der Spitzenlastzeiten zur Netzstabilität beitrügen, während Bandlastverbraucher zwar ebenfalls zur Netzstabilität beitrügen, jedoch durch ein hohes, konstantes Abnahmeverhalten.

207    Wie die spätere Einführung der pauschalierten Netzentgelte und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigten, sei zudem die Anwendung des Mindestentgelts willkürlich; jedenfalls sei sie nur für antizyklische Netznutzer Teil des Referenzsystems. Bei der Ermittlung der Netzentgelte anhand der Methode des physikalischen Pfades könnten alle relevanten Kostenbestandteile berücksichtigt werden.

208    Insoweit ist festzustellen, dass die beiden fraglichen Gruppen – die Bandlastverbraucher und die antizyklischen Verbraucher – trotz eines unterschiedlichen Verbrauchsprofils, d. h. eines Verbrauchs außerhalb der Spitzenzeiten bei den einen, eines hohen und gleichbleibenden Verbrauchs bei den anderen, hinsichtlich ihres Beitrags zur Netzstabilität vergleichbar sind und dass in beiden Fällen die individuellen Netzentgelte, die nach der Methode des physikalischen Pfades berechnet werden, gleich null oder fast null sein können und somit die Anwendung des Mindestentgelts gerechtfertigt ist, um den Vorteilen Rechnung zu tragen, die diesen Verbrauchern durch den Netzanschluss entstehen.

209    Im Übrigen geht die Gleichstellung dieser beiden Gruppen zum Zweck der Erhebung individueller Netzentgelte nicht auf die Kommission zurück, sondern auf den deutschen Gesetzgeber, der nach der Aufhebung der streitigen Maßnahmen zu einer Regelung zurückgekehrt ist, die der vorhergehenden sehr ähnlich und für beide Gruppen identisch ist.

210    Der erste Teil des vierten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

211    Die Klägerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zum einen wegen der überlangen Verfahrensdauer und zum anderen, weil es für die Begünstigten der streitigen Befreiung nicht vorhersehbar gewesen sei, dass die Rückforderung mindestens in Höhe des Mindestentgelts erfolgen würde, das in einer vor über sieben Jahren außer Kraft getretenen Bestimmung vorgesehen sei.

212    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

213    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, nach ständiger Rechtsprechung voraussetzt, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben. Auf dieses Recht kann sich nämlich jeder berufen, bei dem ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (vgl. Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

214    Da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Art. 108 AEUV zwingend vorgeschrieben ist, dürfen nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung zum einen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde; zum anderen ist es einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde. Insbesondere kann der Empfänger einer Beihilfe, wenn sie ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewährt wurde, so dass sie gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ist, in diesem Moment kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben (vgl. Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

215    In den Erwägungsgründen 221 bis 223 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, da ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage gewesen wäre, vorherzusehen, dass eine Maßnahme wie die auf der streitigen Befreiung beruhende als staatliche Beihilfe angesehen werden könne, und die im Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160), aufgestellten und im Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413), präzisierten Grundsätze keine berechtigten Erwartungen in die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme hätten wecken können.

216    Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

217    Es genügt nämlich die Feststellung, dass eine überlange Dauer des förmlichen Prüfverfahrens, selbst wenn sie erwiesen wäre, nicht mit „klaren, unbedingten und übereinstimmenden Zusicherungen“ gemäß der oben in Rn. 213 angeführten Rechtsprechung gleichgestellt werden kann, die der Klägerin von der Kommission erteilt wurden, zumal die Klägerin bei Erlass des Einleitungsbeschlusses über die Gefahr einer Rückforderungsanordnung unterrichtet worden war und das fragliche Verfahren rechtswidrige Beihilfen betraf. Vielmehr könnte, wie die Kommission ausgeführt hat, die Dauer des förmlichen Prüfverfahrens eher ein Zeichen für die Schwierigkeiten sein, auf die sie bei ihrer Prüfung gestoßen ist, und somit dafür, dass es Probleme mit der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme gab.

218    Zu dem Umstand, dass die Höhe der Beihilfe anhand einer Maßnahme bemessen wurde, die seit mehr als sieben Jahren nicht mehr in Kraft war, genügt der – auch von der Kommission gegebene – Hinweis, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit der streitigen Befreiung und damit die Berechnung des durch diese Befreiung entstandenen Vorteils gerade anhand der Regelung zu erfolgen hatte, die vor der Befreiung galt und die ohne die Befreiung angewandt worden wäre, zumal die Kommission der Ansicht war, dass die frühere Regelung keinen Anlass zu Zweifeln im Hinblick auf das Recht der staatlichen Beihilfen gab (vgl. insbesondere 111. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

219    Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

IV.    Kosten

220    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

221    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland hat daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Covestro Deutschland AG trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Collins

Kreuschitz

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Oktober 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      A. M. Collins


Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. Zur Klägerin

B. Zu den in Rede stehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften

1. Zum Netzentgeltsystem vor Einführung der streitigen Maßnahmen

2. Zu den streitigen Maßnahmen

3. Zum Netzentgeltsystem nach Erlass der streitigen Maßnahmen

C. Zum Verwaltungsverfahren

D. Zum angefochtenen Beschluss

II. Verfahren und Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zulässigkeit der Klage

B. Begründetheit

1. Zum zweiten Klagegrund: keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV

a) Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: keine Begünstigung

b) Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: keine aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe

1) Vorüberlegungen

2) Zum Vorliegen einer Zwangsabgabe

3) Zum Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die Gelder aus der Umlage oder über die Netzbetreiber

2. Zum dritten Klagegrund: Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt

a) Zur Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV

b) Zur Vereinbarkeit der mutmaßlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV

3. Zum vierten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Rückforderungsanordnung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot und wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

a) Zum ersten Teil: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

b) Zum zweiten Teil: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

IV. Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Das vorliegende Urteil wird auszugsweise veröffentlicht.