Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 20. Oktober 2016(1)

Rechtssache C413/14 P

Intel Corporation Inc.

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Art. 102 AEUV – Missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung – Treuerabatte – Qualifizierung als Missbrauch – Anwendbare rechtliche Prüfkriterien – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Verteidigungsrechte – Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 – Befragung über den Gegenstand einer Untersuchung – Zuständigkeit der Kommission – Durchführung – Auswirkungen“






Inhaltsverzeichnis


I – Rechtlicher Rahmen

II – Vorgeschichte des Verfahrens

III – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

V – Würdigung der Rechtsmittelgründe

A – Einleitende Bemerkungen

B – Erster Rechtsmittelgrund: rechtliche Prüfkriterien für sogenannte „Ausschließlichkeitsrabatte“

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

a) Vom Gericht vorgenommene grundsätzliche Beurteilung der Rabatte und Zahlungen der Rechtsmittelführerin

i) Grundzüge der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Rabatten

ii) Umstände des Einzelfalls als Kriterium für die Entscheidung, dass das gerügte Verhalten sich wahrscheinlich auf den Wettbewerb auswirkt

iii) Nach der Rechtsprechung gibt es nur zwei Kategorien von Rabatten

– Eine Unzulässigkeitsvermutung, die auf die Form abstellt, lässt sich nicht widerlegen

– Treuerabatte sind nicht immer schädigend

– Die Auswirkungen von Treuerabatten sind kontextabhängig

– Bei Verhaltensweisen ähnlicher Natur ist die Berücksichtigung sämtlicher Umstände erforderlich

iv) Zwischenergebnis

b) Vom Gericht durchgeführte ergänzende Prüfung der Eignung

i) Eignung und/oder Wahrscheinlichkeit

ii) Vom Gericht berücksichtigte Faktoren zur Begründung der Feststellung des Vorliegens eines Missbrauchs

iii) Sonstige Umstände

– Markterfassung

– Dauer

– Marktleistung des Wettbewerbers und sinkende Preise

– AEC Test

c) Ergebnis

C – Zweiter Rechtsmittelgrund: Markterfassung als Kriterium für die Ermittlung, ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbraucht hat

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

D – Dritter Rechtsmittelgrund: Einstufung bestimmter Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

E – Vierter Rechtsmittelgrund: Verteidigungsrechte

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

a) Bei dem in Rede stehenden Treffen handelte es sich um eine Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003

b) Der interne Aktenvermerk hat den Verfahrensfehler nicht geheilt

c) Folge der Nichtaufzeichnung des in Rede stehenden Treffens

F – Fünfter Rechtsmittelgrund: Zuständigkeit

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

a) Allgemeine Bemerkungen: Durchführung und/oder Auswirkungen?

b) Beurteilung der Heranziehung der einschlägigen Zuständigkeitskriterien durch das Gericht

i) Durchführung

ii) „Qualifizierte“ Auswirkungen

G – Sechster Rechtsmittelgrund: Höhe der Geldbuße

1. Wesentliches Vorbringen der Parteien

2. Würdigung

VI – Konsequenzen der Würdigung

VII – Ergebnis


1.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel begehrt die Intel Corporation (im Folgenden: Intel oder Rechtsmittelführerin) die Aufhebung des Urteils vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission(2), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission C(2009) 3726 final vom 13. Mai 2009 in einem Verfahren nach Art. 82 [EG] (jetzt Art. 102 AEUV) und Art. 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/C‑3/37.990) (im Folgenden: streitige Entscheidung)(3) abgewiesen hat.

2.        Die Rechtssache wirft eine Reihe wichtiger Grundsatzfragen auf. Hierzu gehören u. a. die Anwendung des Begriffs „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ im Rahmen des jetzigen Art. 102 AEUV, der Ermessensspielraum, der der Kommission bei der Aufzeichnung der während der Untersuchung von ihr geführten Gespräche zuzubilligen ist, sowie die Reichweite der Zuständigkeit der Kommission zur Durchführung von Untersuchungen bezüglich im Ausland begangener Zuwiderhandlungen.

3.        Darüber hinaus hat der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV zu präzisieren. Insbesondere stellt sich die Frage, ob im Einklang mit der auf das Urteil Hoffmann-La Roche(4) zurückgehenden Rechtsprechung eine Differenzierung nach verschiedenen Arten von Rabatten angebracht ist. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung muss der Gerichtshof die rechtlichen Prüfkriterien bestimmen, die bei bestimmten Arten von Rabatten heranzuziehen sind, die das Gericht im angefochtenen Urteil als „Ausschließlichkeitsrabatte“ bezeichnet. 

4.        Insbesondere hat der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Gericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass Rabatte der hier in Rede stehenden Art ihrem Wesen nach wettbewerbswidrig sind. Wäre dies nämlich der Fall, würde sich bei der Beantwortung der Frage, ob das in Rede stehende Verhalten tatsächlich geeignet ist, den Wettbewerb auf einem bestimmten Markt zu beschränken, die Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erübrigen.

I –    Rechtlicher Rahmen

5.        Laut dem 25. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003(5) sollte die Kommission insbesondere alle Personen, die eventuell über sachdienliche Informationen verfügen, befragen und deren Aussagen zu Protokoll nehmen können.

6.        Art. 19 der Verordnung betrifft die Befugnis der Kommission zur Befragung. Abs. 1 dieses Artikels bestimmt:

„Zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben kann die Kommission alle natürlichen und juristischen Personen befragen, die der Befragung zum Zweck der Einholung von Information, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung bezieht, zustimmen.“

7.        Art. 27 Abs. 2 der Verordnung sieht vor:

„Die Verteidigungsrechte der Parteien müssen während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden. Die Parteien haben Recht auf Einsicht in die Akten der Kommission, vorbehaltlich des berechtigten Interesses von Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Von der Akteneinsicht ausgenommen sind vertrauliche Informationen sowie interne Schriftstücke der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten. …“

8.        Gemäß dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 773/2004(6) sollen, falls die Kommission Befragungen durchführt, den befragten Personen der Zweck der Befragung sowie die etwaige Aufzeichnung dieser Befragung mitgeteilt werden.

9.        Art. 3 der Verordnung betrifft die Befugnis der Kommission zur Befragung. Er lautet:

„(1) Befragt die Kommission eine Person mit deren Zustimmung nach Maßgabe von Artikel 19 der Verordnung [Nr. 1/2003], teilt sie ihr zu Beginn der Befragung die Rechtsgrundlage sowie den Zweck der Befragung mit und verweist auf den freiwilligen Charakter der Befragung. Sie teilt dem Befragten ferner ihre Absicht mit, die Befragung aufzuzeichnen.

(2) Die Befragung kann auf jedem Wege einschließlich per Telefon oder elektronisch erfolgen.

(3) Die Kommission kann die Aussagen des Befragten auf einen beliebigen Träger aufzeichnen. Dem Befragten wird eine Kopie der Aufzeichnung zur Genehmigung überlassen. Die Kommission setzt erforderlichenfalls eine Frist, innerhalb deren der Befragte seine Aussage berichtigen kann.“

II – Vorgeschichte des Verfahrens

10.      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

11.      Intel ist eine Gesellschaft amerikanischen Rechts, die CPU (Central Processing Units, im Folgenden: Prozessoren), Chipsätze und andere Halbleiterbauteile sowie Plattformlösungen für die Datenverarbeitung und für Kommunikationsgeräte konzipiert, entwickelt, herstellt und vertreibt.

12.      Am 18. Oktober 2000 reichte Advanced Micro Devices (AMD) bei der Kommission eine förmliche Beschwerde gemäß der Verordnung Nr. 17(7) ein, die sie mit einer ergänzenden Beschwerde vom 26. November 2003 durch neue Tatsachen und Behauptungen ergänzte.

13.      Im Mai 2004 leitete die Kommission Ermittlungen ein, die sich auf bestimmte, in der ergänzenden Beschwerde von AMD enthaltene Behauptungen konzentrierten.

14.      Am 17. Juli 2006 reichte AMD eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein, mit der sie geltend machte, Intel habe u. a. mit der Media-Saturn-Holding GmbH (im Folgenden: MSH), einem auf Mikroelektronikgeräte spezialisierten europäischen Einzelhandelsunternehmen, das in Europa im Bereich Bürocomputer führend ist, Vereinbarungen über einen ausschließlichen Vertrieb getroffen. Das Bundeskartellamt tauschte mit der Kommission Informationen über diese Sache aus.

15.      Am 23. August 2006 fand ein Treffen zwischen der Kommission und Herrn D1, einem hochrangigen Mitglied der Geschäftsleitung der Dell Inc. – einer Abnehmerin von Intel –, statt(8). Die Kommission nahm die unverbindliche Tagesordnung dieses Treffens nicht zu den Akten und fertigte kein Protokoll an. Ein Mitglied der bei der Kommission zuständigen Arbeitsgruppe erstellte einige Zeit nach dem Treffen einen Aktenvermerk, der von der Kommission als intern eingestuft wurde. Am 19. Dezember 2008 übermittelte die Kommission der Rechtsmittelführerin eine nicht vertrauliche Fassung dieses Aktenvermerks.

16.      Die Kommission stellte der Rechtsmittelführerin am 26. Juli 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007) über ihr Verhalten gegenüber fünf bedeutenden OEM (Original Equipment Manufacturers, im Folgenden: Computerhersteller), nämlich Dell, Hewlett-Packard Company (HP), Acer Inc., NEC Corp. und International Business Machines Corp. (IBM), zu.

17.      Am 17. Juli 2008 übersandte die Kommission der Rechtsmittelführerin eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte über ihr Verhalten gegenüber MSH und der Lenovo Group Ltd (im Folgenden: Lenovo). Sie enthielt neue Beweismittel über das Verhalten von Intel gegenüber bestimmten Computerherstellern, das Gegenstand der Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007 war; diese Beweismittel hatte die Kommission erst nach deren Veröffentlichung erlangt.

18.      Nach verschiedenen Verfahrensschritten nahm die Kommission die streitige Entscheidung an, der zufolge Intel von Oktober 2002 bis Dezember 2007 dadurch gegen Art. 82 EG und Art. 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) begangen hat, dass eine Strategie mit dem Ziel umgesetzt wurde, einen Wettbewerber – AMD – vom Markt der Prozessoren mit x86-Architektur (im Folgenden: x86-Prozessoren) auszuschließen.

19.      Aus den Erwägungsgründen dieser Entscheidung geht u. a. Folgendes hervor.

20.      Die relevanten Produkte sind Prozessoren. Die x86-Architektur ist ein von Intel für ihre Prozessoren entwickelter Standard. Sie ist mit den Betriebssystemen Windows und Linux kompatibel. Windows ist in erster Linie mit dem x86-Befehlssatz verknüpft. Vor 2000 gab es mehrere Hersteller von x86-Prozessoren. Die meisten sind inzwischen jedoch aus dem Markt ausgeschieden. Der streitigen Entscheidung zufolge sind Intel und AMD im Wesentlichen die beiden einzigen Unternehmen, die noch x86-Prozessoren herstellen.

21.      Ferner gelangt die Kommission in der streitigen Entscheidung zu dem Schluss, dass der relevante Produktmarkt nicht größer sei als der Markt für x86-Prozessoren. Gleichwohl ließ sie die Frage offen, ob es einen einheitlichen Markt für x86-Prozessoren für alle Computer gibt oder ob drei gesonderte Märkte für x86-Prozessoren zu unterscheiden sind, nämlich einer für Desktop-Computer, einer für Notebooks und einer für Server. Der streitigen Entscheidung zufolge ergeben sich in Anbetracht der jeweiligen Marktanteile von Intel für die beherrschende Stellung insofern aber keine Unterschiede.

22.      In der streitigen Entscheidung wird der räumliche Markt als der Weltmarkt definiert.

23.      Was die beherrschende Stellung angehe, habe Intel in dem von der Kommission geprüften Zehnjahreszeitraum (1997 bis 2007) einen Marktanteil von etwa 70 % oder mehr gehabt. Außerdem habe die Kommission auf dem Markt für x86-Prozessoren für Eintritt und Expansion signifikante Schranken bzw. Hemmnisse festgestellt, die insbesondere mit den verlorenen Investitionen in Forschung und Entwicklung, dem geistigen Eigentum und den für die Herstellung von x86-Prozessoren erforderlichen Produktionsanlagen zusammenhingen. Die Kommission gelangt wegen der Marktanteile von Intel und der auf dem relevanten Markt bestehenden Eintrittsschranken und Expansionshemmnisse zu dem Schluss, dass Intel auf diesem Markt zumindest in dem Zeitraum, auf den sich die angefochtene Entscheidung beziehe (Oktober 2002 bis Dezember 2007), eine beherrschende Stellung innegehabt habe.

24.      In der streitigen Entscheidung benennt die Kommission zwei Arten von Verhaltensweisen von Intel gegenüber ihren Geschäftspartnern: bedingte Rabatte und sogenannte reine Beschränkungen (naked restrictions).

25.      Was die erste Art angeht, habe Intel vier Computerherstellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte unter der Bedingung gewährt, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei ihr bezögen. Außerdem habe Intel Zahlungen an MSH unter der Bedingung geleistet, dass MSH ausschließlich Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkaufe.

26.      Der streitigen Entscheidung zufolge handelt es sich bei den bedingten Rabatten, die Intel gewährt habe, um Treuerabatte. Hinsichtlich der bedingten Zahlungen von Intel an MSH stellt die Kommission fest, dass deren wirtschaftlicher Mechanismus dem der den Computerherstellern gewährten bedingten Rabatte entspreche.

27.      Im Weiteren wird in der streitigen Entscheidung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten analysiert, ob die Rabatte und die an MSH geleisteten Zahlungen einen ebenso effizienten Wettbewerber wie Intel vom Markt hätten verdrängen können (sogenannter As-Efficient-Competitor-Test, im Folgenden: AEC‑Test)(9).

28.      Dementsprechend gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die von Intel gewährten bedingten Rabatte und Zahlungen eine Treuebindung der strategisch wichtigen Computerhersteller und von MSH erzeugt hätten. Die genannten Verhaltensweisen hätten Auswirkungen gehabt, die sich gegenseitig ergänzt und die Fähigkeit der Wettbewerber, einen auf der Leistung ihrer x86-Prozessoren beruhenden Wettbewerb auszutragen, in signifikanter Weise geschwächt hätten. Das wettbewerbswidrige Verhalten von Intel habe somit dazu beigetragen, die Auswahl der Verbraucher und die Anreize für Innovation zu verringern.

29.      Bezüglich der in der streitigen Entscheidung identifizierten zweiten Art von Verhaltensweisen, d. h. der reinen Beschränkungen, ist die Kommission der Ansicht, dass Intel an drei Computerhersteller, nämlich HP, Acer und Lenovo, unter der Bedingung, dass sie Markteinführung von Produkten mit einem Prozessor von AMD (im Folgenden: AMD-Prozessor) aufschieben oder aufgeben und/oder Beschränkungen für den Vertrieb solcher Produkte auferlegen, Zahlungen geleistet habe. Auch dieses Verhalten von Intel habe den Wettbewerb unmittelbar geschädigt, da den Kunden eine Wahlmöglichkeit genommen worden sei, die sie andernfalls gehabt hätten. Dies stelle keinen normalen Leistungswettbewerb dar.

30.      Die Kommission gelangt in der streitigen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Verhaltensweisen von Intel gegenüber den genannten Computerherstellern und MSH jeweils einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellten. Jeder dieser Missbräuche sei gleichzeitig aber auch Teil einer Gesamtstrategie mit dem Ziel, AMD, den einzigen signifikanten Wettbewerber von Intel, vom Markt für x86-Prozessoren zu verdrängen. Die Missbräuche stellten mithin eine einheitliche Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.

31.      Unter Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003(10) (im Folgenden: Leitlinien von 2006) verhängte die Kommission gegen die Rechtsmittelführerin eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro.

32.      Die streitige Entscheidung bestimmt:

„Artikel 1

Intel … hat von Oktober 2002 bis Dezember 2007 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. [102 AEUV] und Art. 54 EWR-Abkommen begangen, indem eine Strategie zur Verdrängung von Wettbewerbern vom Markt für x86-Prozessoren umgesetzt wurde. Sie bestand in:

a)      Rabatten für Dell von Dezember 2002 bis Dezember 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass Dell alle ihre x86-Prozessoren bei Intel bezieht;

b)      Rabatten für HP von November 2002 bis Mai 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass HP mindestens 95 % der x86-Prozessoren für ihre Business-Desktop-Computer bei Intel bezieht;

c)      Rabatten für NEC von Oktober 2002 bis November 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass NEC mindestens 80 % der x86-Prozessoren für ihre Client-PC bei Intel bezieht;

d)      Rabatten für Lenovo von Januar 2007 bis Dezember 2007, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass Lenovo alle x86-Prozessoren für ihre Notebooks bei Intel bezieht;

e)      Zahlungen an [MSH] von Oktober 2002 bis Dezember 2007, die in dieser Höhe unter der Bedingung geleistet wurden, dass [MSH] nur Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkauft;

f)      Zahlungen an HP von November 2002 bis Mai 2005, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass HP i) ihre mit einem x86-Prozessor von AMD ausgerüsteten Business-Desktop-Computer eher auf kleine und mittlere Unternehmen und Kunden des Regierungs-, Erziehungs- und Medizinbereichs ausrichtet als auf große Unternehmen, ii) ihren Vertriebspartnern untersagt, ihre Business-Desktop-Computer mit x86-Prozessoren von AMD zu lagern, so dass diese für Kunden nur verfügbar sind, wenn sie sie bei HP bestellen (entweder unmittelbar oder über die Vertriebspartner von HP als Handelsvertreter), iii) die Markteinführung ihres Business-Desktop-Computers mit einem x86-Prozessor von AMD für die Region [Europa, Mittlerer Osten und Afrika] um sechs Monate aufschiebt;

g)      Zahlungen an Acer von September 2003 bis Januar 2004, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass Acer die Markteinführung eines Notebooks mit einem x86-Prozessor von AMD aufschiebt;

h)      Zahlungen an Lenovo zwischen Juni 2006 und Dezember 2006, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass Lenovo die Markteinführung ihrer Notebooks mit x86-Prozessoren von AMD aufschiebt und letztlich aufgibt.“

III – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

33.      Mit am 22. Juli 2009 eingegangener Klageschrift beantragte die Rechtsmittelführerin, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären. Die Association for Competitive Technology Inc. (im Folgenden: ACT) trat dem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Intel bei.

34.      Das Gericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil insgesamt abgewiesen.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

35.      Mit ihrer am 26. August 2014 beim Gerichtshof eingegangenen Rechtsmittelschrift beantragt Intel,

–        das angefochtene Urteil in vollem Umfang oder teilweise aufzuheben,

–        die streitige Entscheidung in vollem Umfang oder teilweise für nichtig zu erklären,

–        die verhängte Geldbuße aufzuheben oder wesentlich herabzusetzen,

–        hilfsweise, die Sache zur Entscheidung nach Maßgabe des Urteils des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen,

–        der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

36.      Die ACT hat einen Schriftsatz zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin eingereicht.

37.      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

38.      In der Sitzung vom 21. Juni 2016 haben Intel, die ACT und die Kommission mündlich verhandelt.

V –    Würdigung der Rechtsmittelgründe

39.      Die Rechtsmittelführerin trägt sechs Rechtsmittelgründe vor. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler bei der vom Gericht vorgenommenen rechtlichen Einordnung der als „Ausschließlichkeitsrabatte“ bezeichneten Rabatte gerügt. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler bei der Feststellung, dass in den Jahren 2006 und 2007 eine Zuwiderhandlung vorgelegen habe, sowie bei der Beurteilung der Relevanz der Markterfassung geltend gemacht. Der dritte Rechtsmittelgrund betrifft die rechtsfehlerhafte Einstufung bestimmter Rabattabsprachen, die lediglich eine Minderheit der von den Kunden getätigten Einkäufe beträfen, als „Ausschließlichkeitsrabatte“. Gegenstand des vierten Rechtsmittelgrundes ist ein Verfahrensfehler, der in einer unzutreffenden Auslegung von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 in Bezug auf das Nichtbestehen einer Pflicht zur Aufzeichnung einer Befragung bestehen soll. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV gerügt; er betrifft die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung von Art. 102 AEUV auf die Absprachen der Rechtsmittelführerin mit Lenovo in China in den Jahren 2006 und 2007. Beim sechsten Rechtsmittelgrund schließlich geht es um die Höhe der Geldbuße infolge eines Rechtsfehlers wegen der rückwirkenden Anwendung der Leitlinien von 2006 zur Festsetzung von Geldbußen.

40.      Ich werde alle diese Problemkreise nacheinander behandeln. Zunächst sind meines Erachtens jedoch einige Vorbemerkungen zu Systematik und Regelungszweck von Art. 102 AEUV sachdienlich. Diese Bemerkungen bilden den Ausgangspunkt für die anschließende Prüfung der ersten drei Rechtsmittelgründe.

A –    Einleitende Bemerkungen

41.      Von Beginn an bezweckten die Wettbewerbsregeln der Union die Einrichtung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs als Bestandteil des von der Union errichteten Binnenmarkts(11). Insoweit lässt sich nicht deutlich genug betonen, dass die Wettbewerbsregeln der Union das Wirken des Wettbewerbs als solches und nicht etwa Wettbewerber schützen(12). Ebenso wenig werden Wettbewerber geschützt, die nicht aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern aufgrund intensiven Wettbewerbs zum Ausscheiden aus dem Markt gezwungen werden. Nicht jedes Ausscheiden aus dem Markt ist somit unbedingt ein Indiz für missbräuchliches Verhalten, sondern vielmehr für einen aggressiven, aber gesunden und zulässigen Wettbewerb(13). Angesichts seines ökonomischen Charakters zielt das Wettbewerbsrecht nämlich letztlich auf eine Effizienzsteigerung ab. Die Bedeutung, die der Effizienz beigemessen wird, kommt meiner Meinung nach auch deutlich in der Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Ausdruck.

42.      Dieser hohe Stellenwert hat naturgemäß zur Folge, dass eine beherrschende Stellung allein noch nicht gegen Art. 102 AEUV verstößt. Vielmehr ist nur ein Verhalten, das eine Ausprägung von Marktmacht zum Schaden des Wettbewerbs und damit der Verbraucher darstellt, verboten und wird dementsprechend als missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung geahndet.

43.      Aus dem Ziel, die Effizienz zu steigern, folgt logisch, dass die wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer bestimmten Vorgehensweise entscheidende Bedeutung erlangen. Unabhängig davon, ob wir es mit einer Vereinfachung der Rechtsdurchsetzung zu tun haben, wie sie etwa beim Begriff „zweckgerichtete Beschränkung“ im Rahmen von Art. 101 AEUV gegeben ist(14), oder mit dem unter Art. 102 AEUV fallenden Verhalten eines einzelnen Unternehmens, sollen mit den Wettbewerbsregeln der Union Verhaltensweisen mit wettbewerbswidrigen Auswirkungen erfasst werden. Bisher gilt die Form einer konkreten Vorgehensweise als unmaßgeblich.

44.      Im angefochtenen Urteil unterscheidet das Gericht drei Kategorien von Rabatten: Mengenrabatte, „Ausschließlichkeitsrabatte“ und Rabatte mit einem Mechanismus, der Kundenbindungswirkungen hat. Im Gegensatz zu einer Rabattregelung, die allein an den Umfang der getätigten Käufe anknüpft (Kategorie 1) und die den Zugewinn an Effizienz und Größenvorteile widerspiegelt, sind Ausschließlichkeitsrabattregelungen (Kategorie 2) nach der vom Gericht verwendeten Systematik mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt unvereinbar. Solche Rabatte werden unter der Bedingung gewährt, dass der Abnehmer seinen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt(15).

45.      Neben den beiden eben erwähnten Rabattkategorien verweist das angefochtene Urteil auf eine verbleibende Kategorie von Rabatten, die einen Kundenbindungswirkungen entfaltenden Mechanismus einsetzen, ohne dass sie unmittelbar an einen ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezug geknüpft wären (Kategorie 3). Zu dieser Kategorie gehören u. a. rückwirkend gewährte Rabatte(16). Nach Ansicht des Gerichts sind Rabatte der Kategorie 3 von „Ausschließlichkeitsrabatten“ zu unterscheiden, da sie nicht unmittelbar an eine Ausschließlichkeitsbedingung anknüpften. Aus diesem Grund geht das Gericht davon aus, dass eine Prüfung sämtlicher Umstände erforderlich sei, um entscheiden zu können, ob solche Rabatte geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken(17).

46.      Da die Rabatte an Bedingungen geknüpft seien, stuft das Gericht die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte und Zahlungen als „Ausschließlichkeitsrabatte“ ein. Gestützt auf die aus dem Urteil Hoffmann-La Roche hervorgegangene Rechtsprechung gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass zur Entscheidung der Frage, ob das betreffende Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, die Feststellung genüge, dass es sich bei den Rabatten um zur Kategorie 2 gehörende „Ausschließlichkeitsrabatte“ handle. Stehe dies fest, bedürfe es keiner Prüfung „sämtlicher Umstände“ mehr, um zu dem Schluss zu gelangen, dass das Verhalten zur Beschränkung des Wettbewerbs geeignet sei. Eine solche Eignung könne allein aufgrund der Form des Verhaltens angenommen werden. Solche Rabatte zielten nämlich in der Regel darauf ab, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und ihn insoweit vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten(18).

47.      Beruhend auf dieser Prüfmethode zieht sich die Annahme, dass von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährte „Ausschließlichkeitsrabatte“ stets und ausnahmslos zu einer wettbewerbswidrigen Verdrängung führen, durch das gesamte angefochtene Urteil. Aufgrund dieser Annahme verwirft das Gericht die Bedeutung des Kontexts und darüber hinaus die Notwendigkeit der Prüfung, ob das Verhalten wettbewerbswidrige Auswirkungen nach sich ziehen könne.

48.      Angesichts dessen hängt das Ergebnis der Prüfung des ersten, des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes letztlich davon ab, ob der Gerichtshof diese Annahme für richtig hält.

B –    Erster Rechtsmittelgrund: rechtliche Prüfkriterien für sogenannte „Ausschließlichkeitsrabatte“

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

49.      Intel, unterstützt von der ACT, macht in erster Linie geltend, dem Gericht sei mit der rechtlichen Einstufung dessen, was es „Ausschließlichkeitsrabatte“ nenne, d. h. „Treuerabatte im Sinne der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung“(19), ein Rechtsfehler unterlaufen. Das Gericht sei fälschlicherweise zu dem Ergebnis gelangt, dass solche Rabatte im Gegensatz zu anderen Rabatten und Preispolitiken ihrem Wesen nach geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken, und daher wettbewerbswidrig seien, ohne dass es einer Prüfung der relevanten Umstände der in Rede stehenden Rabatte oder der Wahrscheinlichkeit bedürfe, dass die Rabatte den Wettbewerb beschränken könnten(20). In diesem Zusammenhang rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht zu Unrecht der Feststellung eines Missbrauchs gefolgt sei, ohne die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer wettbewerbswidrigen Schädigung zu prüfen. Außerdem habe das Gericht jedenfalls zu Unrecht ergänzend festgestellt, dass die in Rede stehenden Rabatte im vorliegenden Fall zur Beschränkung des Wettbewerbs geeignet gewesen seien(21).

50.      Nach Ansicht der Kommission ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass dieser Rechtsmittelgrund auf der irrigen Annahme beruhe, bei den „Ausschließlichkeitsrabatten“ handle es sich um bloße Preispolitik. „Ausschließlichkeitsrabatte“ unterschieden sich ihrem Wesen nach von anderen Preispolitiken. Rabatte, die unter der Bedingung des ausschließlichen Bezugs gewährt würden, wiesen Merkmale auf, aufgrund deren sich eine Überprüfung erübrige, ob sie im Einzelfall geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken. Insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Rabatten spreche nicht für den Standpunkt der Rechtsmittelführerin, dem zufolge kein Unterschied zwischen „Ausschließlichkeitsrabatten“ und anderen Rabatten mit Kundenbindungswirkung oder auch Preispolitiken bestehe.

51.      Bezüglich der ergänzenden Beurteilung sämtlicher Umstände hat die Rechtsmittelführerin nach Ansicht der Kommission nichts vorgetragen, was die vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommene ergänzende Eignungsbeurteilung in Frage stellen könne.

2.      Würdigung

52.      Im Kern geht es bei der Behandlung des ersten Rechtsmittelgrundes um die Festlegung der richtigen rechtlichen Prüfkriterien für sogenannte „Ausschließlichkeitsrabatte“. Fraglich ist mit anderen Worten, ob das Gericht zu Recht festgestellt hat, dass es keiner Prüfung „sämtlicher Umstände“ bedürfe, um entscheiden zu können, ob die Rabatte geeignet seien, sich wettbewerbswidrig auszuwirken. Einfach ausgedrückt: Hat das Gericht zu Recht angenommen, dass „Ausschließlichkeitsrabatte“ aufgrund ihrer Form selbst bei Berücksichtigung des Kontexts auf jeden Fall zu beanstanden seien?

53.      Zunächst einmal sehe ich entgegen den Ausführungen der Kommission in ihren Schriftsätzen keinen Grund, weshalb der Gerichtshof den ersten Rechtsmittelgrund nicht in vollem Umfang soll prüfen dürfen. Im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes will die Rechtsmittelführerin eindeutig Rechtsfehler rügen, die ihrer Meinung nach der Einstufung der von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen als „Ausschließlichkeitsrabatte“, die sich von anderen Treuerabatten unterschieden, anhaften. Insbesondere wendet sie sich gegen die Auffassung des Gerichts, dass sich eine Beurteilung sämtlicher Umstände erübrige, und die vom Gericht daraus gezogene Schlussfolgerung, dass das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstelle. Darüber hinaus beanstandet Intel die vom Gericht vorgenommene ergänzende Beurteilung der „Eignung“(22). Bei dieser Beurteilung seien mehrere Umstände, die für die Entscheidung relevant seien, ob das gerügte Verhalten geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken, nicht sachgemäß berücksichtigt worden. Obwohl diese Frage eng mit einer Überprüfung der Tatsachenfeststellungen zusammenhängt, ist sie dennoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen, da der Gerichtshof nach Art. 256 AEUV zur Kontrolle der vom Gericht vorgenommenen rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt ist.

54.      Was die Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes angeht, werde ich zunächst prüfen, ob das Gericht zu Recht zu der Auffassung gelangt ist, dass bei der Beurteilung der „Ausschließlichkeitsrabatte“, die Intel den betreffenden Computerherstellern gewährt habe, und der Vermarktungsabsprachen mit MSH eine Prüfung „sämtlicher Umstände“ nicht notwendig sei, um entscheiden zu können, ob es sich bei dem gerügten Verhalten um die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV handle. In diesem Rahmen werde ich die Grundzüge der einschlägigen Rechtsprechung darstellen, um zu belegen, dass diese eine Beurteilung sämtlicher Umstände verlangt. In einem logisch daraus folgenden nächsten Schritt werde ich die vom Gericht vorgenommene ergänzende Beurteilung der Frage untersuchen, ob die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken.

a)      Vom Gericht vorgenommene grundsätzliche Beurteilung der Rabatte und Zahlungen der Rechtsmittelführerin

55.      Wie oben (Nrn. 44 bis 46) ausgeführt, unterscheidet das Gericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs drei Kategorien von Rabatten: Mengenrabatte (Kategorie 1), „Ausschließlichkeitsrabatte“, die unter der Bedingung gewährt werden, dass der Abnehmer seinen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt (Kategorie 2), und andere Arten von Rabatten, bei denen ein finanzieller Anreiz nicht unmittelbar an einen ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezug geknüpft ist (Kategorie 3)(23).

56.      Das Gericht stellt insbesondere fest, dass es sich bei den Dell, HP, NEC und Lenovo gewährten Rabatten, auf die die Kommission speziell in Art. 1 Buchst. a bis d der streitigen Entscheidung abstelle, um in die Kategorie 2 fallende „Ausschließlichkeitsrabatte“ handle. Sie seien nämlich unter der Bedingung gewährt worden, dass diese Unternehmen ihren Bedarf an x86-Prozessoren zumindest in einem bestimmten Segment ganz (Dell und Lenovo) oder zu einem beträchtlichen Teil (HP: 95 %, NEC: 80 %) bei Intel deckten(24). Hinsichtlich der Zahlungen an MSH stellt das Gericht fest, dass die Kommission keine Prüfung der Umstände des Einzelfalls habe vornehmen müssen, sondern lediglich habe nachweisen müssen, dass die Rechtsmittelführerin einen finanziellen Anreiz geschaffen habe, der an eine Ausschließlichkeitsbedingung geknüpft gewesen sei(25).

57.      Insbesondere gelangt das Gericht unter Verweis auf die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Hoffmann-La Roche(26) zu der Auffassung, dass die Beantwortung der Frage, ob ein „Ausschließlichkeitsrabatt“ als Missbrauch einzustufen ist, nicht von der Prüfung abhänge, ob die Rabatte nach den Umständen des Einzelfalls geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken(27).

58.      Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist dieses Ergebnis rechtlich fehlerhaft. Insbesondere habe das Gericht fälschlicherweise nicht nur die Bedeutung der Ausführungen des Gerichtshofs in anderen Fällen, in denen es um Rabatte nach Art. 102 AEUV gegangen sei, sondern auch in sonstigen die Preispolitik betreffenden Rechtssachen verkannt.

59.      Im Folgenden werde ich darlegen, weshalb ich der Rechtsmittelführerin zustimme.

i)      Grundzüge der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Rabatten

60.      In der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich ein generelles Misstrauen gegenüber verschiedenen Rabattmechanismen von Unternehmen in beherrschender Stellung erkennen. Das mag damit zu erklären sein, dass nach allgemeiner Auffassung Unternehmen in beherrschender Stellung eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass sie durch ihr Verhalten den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigen(28). Aus dieser besonderen Verantwortung folgt, dass Mechanismen, die auf die eine oder andere Weise bewirken, dass der Abnehmer bei der Deckung seines Bedarfs an das Unternehmen in beherrschender Stellung gefesselt wird, als Treuebindung erzeugende Mechanismen erachtet werden, bei denen somit die Vermutung des Vorliegens eines Missbrauchs gilt.

61.      Der auf das Grundsatzurteil Hoffmann-La Roche zurückgehenden Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass bei Rabatten, die unter der Bedingung gewährt werden, dass der Abnehmer seinen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt, eine Unzulässigkeitsvermutung gilt. Eine ebensolche Unzulässigkeitsvermutung greift auch bei anderen Rabatten ein, die ebenfalls eine Treuebindung erzeugen, auch wenn sie formal nicht auf einer Ausschließlichkeitsregelung beruhen. Der Gerichtshof hat Rabatte – seien sie nun wie in den Rechtssachen Michelin I(29), British Airways(30) und Tomra(31) rückwirkend und individualisiert ausgestaltet oder wie in der Rechtssache Hoffmann-La Roche(32) marktanteilbasiert und individualisiert – als wettbewerbswidrig angesehen. Die einzige Art von Rabatten, bei denen die Unzulässigkeitsvermutung nicht zum Tragen kommt, war bislang die der Mengenrabatte. Solche Rabatte sind allein an den Umfang der Käufe geknüpft, die bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung getätigt werden(33).

62.      Die von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen lassen sich als marktanteilbasierte Treuerabatte bezeichnen(34). Um einen Rabatt zu erlangen, muss der Abnehmer einen bestimmten Prozentsatz seines Bedarfs beim Unternehmen in beherrschender Stellung decken. Wie dargelegt, gelangt das Gericht unter Zugrundelegung der Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Hoffmann-La Roche zu der Ansicht, dass in Fällen, in denen es sich bei einem Rabatt um einen in die Kategorie 2 fallenden Ausschließlichkeitsrabatt handle, eine die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Prüfung, ob ein solcher Rabatt geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken, nicht erforderlich sei(35).

63.      In der Rechtssache Hoffmann-La Roche ging es um eine marktanteilbasierte Rabattregelung, die unter der Bedingung zur Anwendung kam, dass der Abnehmer einen bestimmten Prozentsatz seines Bedarfs bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung bezieht. Insbesondere stiegen die Rabatte je nach dem Prozentsatz des durch die Einkäufe erzielten Umsatzes(36). In jener Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, Treuerabatte nicht auf einer wirtschaftlichen Leistung beruhten, die die Belastung oder den Vorteil rechtfertige. Sie zielten vielmehr darauf ab, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren(37). Daher – so der Gerichtshof – „[nützt e]in Unternehmen, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt und Abnehmer … durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben bei ihm zu beziehen, an sich bindet, … seine Stellung im Sinne des Artikels [102 AEUV] missbräuchlich aus, ohne dass es darauf ankäme, ob die fragliche Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist“(38). Im Weiteren heißt es in der genannten Entscheidung: „Das Gleiche gilt, wenn ein solches Unternehmen die Abnehmer nicht durch eine förmliche Verpflichtung bindet, sondern kraft Vereinbarung mit den Abnehmern oder einseitig Treuerabatte gewährt, also Nachlässe, deren Gewährung voraussetzt, dass der Kunde – unabhängig von dem größeren oder geringeren Umfang seiner Käufe – seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil hiervon ausschließlich bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt.“(39)

64.      Bei dieser grundsätzlichen Aussage hat der Gerichtshof nicht die Notwendigkeit angesprochen, bei der Entscheidung, ob die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, sämtliche Umstände zu prüfen.

65.      Angesichts dessen ist es vielleicht nicht überraschend, dass das Gericht wie geschehen entschieden hat.

66.      Allerdings ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass im Urteil Hoffmann-La Roche das Ergebnis betreffend die Unzulässigkeit der in Rede stehenden Rabatte gleichwohl auf einer eingehenden Beurteilung u. a. der Bedingungen für die Gewährung der Rabatte und deren Markterfassung beruhte(40). Erst auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof entschieden, dass die in Rede stehenden Treuerabatte in jener Rechtssache darauf abzielten, die Abnehmer durch Gewährung eines finanziellen Vorteils von der Deckung ihres Bedarfs bei konkurrierenden Herstellern abzuhalten.

67.      Wie das Gericht zutreffend hervorhebt(41), ging es seit dem Urteil Hoffmann-La Roche in der Rechtsprechung in erster Linie um die Festlegung der angemessenen Kriterien, anhand deren zu bestimmen ist, ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, wenn es Rabattregelungen einsetzt, die nicht unmittelbar an einen ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezug anknüpfen. Hierbei handelt es sich um die Rabatte, die nach der im angefochtenen Urteil verwendeten Systematik in die Kategorie 3 fallen.

68.      In dieser Folgerechtsprechung hat der Gerichtshof durchgängig den auf das Urteil Hoffmann-La Roche zurückgehenden Grundsatz bezüglich der Missbrauchsvermutung bei Treuerabattregelungen wiederholt. Allerdings hat er, wie die ACT in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat, in der Praxis stets „sämtliche Umstände“ bei der Prüfung berücksichtigt, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV darstellt.

69.      In der Rechtssache Michelin I, in der es um einen Umsatzzielrabatt ging, hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass bei einem Rabattsystem, das nicht auf einer Ausschließlichkeitsbeziehung oder einer Verpflichtung zum Bezug eines bestimmten Anteils des Bedarfs beim Unternehmen in beherrschender Stellung beruhe, sämtliche Umstände zu prüfen seien(42). In weiteren späteren Urteilen zu Rabatten, die nicht unmittelbar an eine Ausschließlichkeitsbedingung anknüpfen, hat der Gerichtshof entschieden, dass bei der Prüfung, ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt habe, sachdienlich sei, die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung zu berücksichtigen und zu untersuchen, ob der Rabatt darauf abziele, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruhe, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken(43).

70.      Allerdings ist – wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dargelegt wird – die Wiederholung einer Grundsatzaussage zur Vermutung des Vorliegens eines Missbrauchs nicht gleichbedeutend mit der Nichtberücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Tatsächlich gehört das angefochtene Urteil zu den sehr wenigen Entscheidungen, in denen die Ausführungen des Gerichtshofs aus dem Urteil Hoffmann-La Roche wörtlich übernommen wurden, ohne die Umstände des Einzelfalls zu untersuchen, und dann im Ergebnis festgestellt wurde, dass ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat(44). Zur Rechtfertigung dieses strikten Ansatzes bei „Ausschließlichkeitsrabatten“ weist das Gericht im angefochtenen Urteil darauf hin, dass die Rabatte und Zahlungen von Intel unter der Bedingung der Ausschließlichkeit gewährt worden seien (in ähnlicher, wenngleich wegen des Fehlens einer förmlichen Ausschließlichkeitsverpflichtung nicht identischer Weise wie in der Rechtssache Hoffmann-La Roche). Aufgrund dieses Umstands wurde die vorliegende Sache von den im vorherigen Punkt angeführten Rechtssachen abgegrenzt.

71.      Man könnte daher ohne Weiteres meinen, dass das angefochtene Urteil auf den ersten Blick einfach nur die bisherige Rechtsprechung bestätige und auf das Verhalten von Intel übertrage.

72.      Dabei würde aber die Bedeutung des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts nach Maßgabe der angeführten Rechtsprechung übersehen.

ii)    Umstände des Einzelfalls als Kriterium für die Entscheidung, dass das gerügte Verhalten sich wahrscheinlich auf den Wettbewerb auswirkt

73.      In diesem Abschnitt werde ich erläutern, weshalb die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung niemals abstrakt bestimmt wird – selbst wenn die Vermutung gilt, dass eine Verhaltensweise unzulässig ist, untersucht der Gerichtshof stets den rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext des gerügten Verhaltens. Insoweit ist die Berücksichtigung des Kontexts des geprüften Verhaltens unerlässlich, um entscheiden zu können, ob es zu einer missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung gekommen ist. Das ist nicht überraschend. Voraussetzung für das Eingreifen des in Art. 102 AEUV festgelegten Verbots ist, dass das geprüfte Verhalten zumindest geeignet ist, Wettbewerber vom Markt auszuschließen(45).

74.      Selbst bei einem kurzen Blick auf die vorstehend (Nrn. 66 bis 69) angeführten Rechtssachen zeigt sich, dass in der Rechtsprechung bei der Entscheidung, ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, nicht auf die Untersuchung des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts des Verhaltens – oder, um die Standardformulierung in den Art. 102 AEUV betreffenden Rechtssachen zu verwenden – „sämtlicher Umstände“ verzichtet wird. Die gilt sowohl für Rabatte, die unter der Bedingung des ausschließlichen Bezugs gewährt werden, als auch für andere Arten von Regelungen, die eine Treuebindung erzeugen.

75.      Deshalb geht das Gericht bei der Auslegung des Urteils Hoffmann-La Roche meines Erachtens in einem wichtigen Aspekt fehl. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil(46) hat der Gerichtshof im Urteil Hoffmann-La Roche für die Feststellung, dass das betreffende Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, mehrere Umstände des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts der Rabatte berücksichtigt. In der genannten Entscheidung des Gerichtshofs heißt es zwar nicht ausdrücklich, dass eine Prüfung sämtlicher Umstände unerlässlich für die Bestimmung sei, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstelle. Dennoch ergibt sich, wie oben (Nr. 66) dargelegt, bei genauerer Analyse des Urteils, dass der Gerichtshof mit lobenswerter Detailliertheit die Besonderheiten des betroffenen Arzneimittelmarkts, die Markterfassung der Rabatte sowie die Geschäftsbedingungen der zwischen dem Unternehmen in beherrschender Stellung und seinen Abnehmern geschlossenen Verträge untersucht hat(47). Auf der Grundlage dieser detaillierten Untersuchung des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts der Rabatte, nämlich der Bedingungen, unter denen die Rabatte gewährt wurden, deren Markterfassung sowie der Dauer der Rabattabsprachen, ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass Treuerabatte von Ausnahmefällen abgesehen unzulässig seien(48).

76.      Wie das Gericht im angefochtenen Urteil erkennt(49), hat der Gerichtshof außer im Urteil Hoffmann-La Roche in seiner Rechtsprechung zu Rabattregelungen, die nicht allein auf der Bezugsmenge beruhen, durchgängig und ausdrücklich entschieden, dass bei der Entscheidung, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV sei, die Berücksichtigung sämtlicher Umstände von besonderer Bedeutung sei(50). Dies ist an sich nicht überraschend – meines Wissens war der Gerichtshof abgesehen vom Urteil Hoffmann-La Roche nicht mit Rechtssachen befasst, in denen es in ähnlicher Weise wie dort um Verpflichtungen zum ausschließlichen Bezug gegangen wäre. So verwundert es nicht weiter, dass im Urteil Post Danmark II erneut auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung sämtlicher Umstände hingewiesen wurde, also in einem Vorabentscheidungsverfahren, das nach dem angefochtenen Urteil ergangen ist und nicht an eine Ausschließlichkeitsverpflichtung gebundene rückwirkende Rabatte betraf(51).

77.      Was beinhaltet jedoch eine Beurteilung „sämtlicher Umstände“?

78.      Meiner Ansicht nach soll durch die Beurteilung des „Kontexts“ – bzw. „sämtlicher Umstände“, wie es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs heißt – einfach, aber ausschlaggebend ermittelt werden, ob rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, dass ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat(52). Selbst im Fall eines offenbar auf einen Ausschluss abzielenden Verhaltens, wie etwa bei nicht kostendeckenden Preisen, darf der Kontext nicht außer Acht gelassen werden(53). Andernfalls könnte ein Verhalten, das gar nicht geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, von einem Pauschalverbot erfasst werden. Bei einem solchen Pauschalverbot bestünde außerdem die Gefahr, dass auch wettbewerbsförderndes Verhalten erfasst und mit Sanktionen belegt wird.

79.      Aus diesem Grund ist der Kontext ein unerlässlicher Faktor.

iii) Nach der Rechtsprechung gibt es nur zwei Kategorien von Rabatten

80.      Im Rahmen von Art. 102 AEUV sind Treuerabatte meiner Ansicht nach nahezu gleichbedeutend mit einer zweckgerichteten Beschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV. Für Treuerabatte gilt nämlich ebenso wie für zweckgerichtete Beschränkungen die Vermutung der Unzulässigkeit. Wie jedoch oben (Nr. 61) bereits erwähnt, ist mit der Bezeichnung Treuerabatte gemeint, dass darunter nicht nur solche fallen, die unter der Bedingung gewährt werden, dass der Abnehmer seinen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt, sondern auch andere Preisgestaltungen, die darauf abstellen, ob der Abnehmer ein bestimmtes Ziel erfüllt.

81.      Entgegen den Ausführungen des Gerichts im angefochtenen Urteil wird in der Rechtsprechung nach zwei und nicht nach drei Kategorien von Rabatten unterschieden. Auf der einen Seite gilt für einige Rabatte, etwa für Mengenrabatte, die Vermutung der Zulässigkeit(54). Eine Prüfung der (Un‑)Zulässigkeit solcher Rabatte erfordert zwangsläufig eine umfassende Untersuchung ihrer tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen. Um diese Rabatte geht es hier nicht.

82.      Auf der anderen Seite verfolgt der Gerichtshof bei Treuerabatten (für die die Unzulässigkeitsvermutung gilt) – gleichviel, ob sie unmittelbar an die Ausschließlichkeit anknüpfen oder nicht – einen Ansatz, der eine gewisse Ähnlichkeit mit den Mechanismen zweckgerichteter Beschränkungen nach Art. 101 AEUV aufweist. Denn nach dieser Bestimmung muss zur Ermittlung, ob ein bestimmtes Verhalten eine zweckgerichtete Beschränkung darstellt, ebenfalls zunächst der rechtliche und wirtschaftliche Kontext des gerügten Verhaltens untersucht werden, um alle denkbaren anderen Erklärungsmöglichkeiten auszuschließen. Mit anderen Worten, der konkrete Kontext des gerügten Verhaltens wird nie außer Acht gelassen.

83.      Wie bereits oben ausgeführt, hat der Gerichtshof im Urteil Hoffmann-La Roche sehr wohl sämtliche Umstände berücksichtigt. Ein entsprechendes Erfordernis hat der Gerichtshof in der Folgezeit ausdrücklich im Urteil Michelin I für Rabatte formuliert, die nicht unmittelbar an die Ausschließlichkeit anknüpfen. Dieses Erfordernis wurde später in Urteilen wie British Airways, Michelin II und Tomra präzisiert. Mit einer Würdigung sämtlicher Umstände soll ermittelt werden, ob rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde, dass eine missbräuchliche Ausnutzung vorliegt und infolgedessen die Rabatte geeignet sind, einen wettbewerbswidrigen Ausschluss zu bewirken.

84.      Im angefochtenen Urteil geht das Gericht jedoch noch einen Schritt weiter. Durch eine buchstabengetreue Übernahme der Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Hoffmann-La Roche, ohne diese in einen angemessenen Zusammenhang zu stellen, unterscheidet es eine Unterart von Treuerabatten, die es als „Ausschließlichkeitsrabatte“ bezeichnet, von anderen eine Treuebindung erzeugenden Arten von Treuerabatten(55). Damit schafft es eine „Oberkategorie“ von Rabatten, bei der eine Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht erforderlich sein soll, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV darstellt. Vor allem aber wird die Missbräuchlichkeit solcher Rabatte abstrakt allein aufgrund ihrer Form angenommen.

85.      Methodisch ist dieser Schritt keineswegs selbstverständlich, und zwar aus vier Gründen nicht.

–       Eine Unzulässigkeitsvermutung, die auf die Form abstellt, lässt sich nicht widerlegen

86.      Wenn erstens davon auszugehen wäre, dass „Ausschließlichkeitsrabatte“ eine eigene Kategorie von Rabatten darstellen, die von Treuebindung erzeugenden Rabattregelungen anderer Art zu unterscheiden sind, könnte die zugrunde liegende Vermutung der Unzulässigkeit nicht mehr widerlegt werden(56). Ein solches Verbot stellt nämlich nicht auf die Form statt auf die Auswirkungen des Verhaltens ab.

87.      Tatsächlich scheint die Ausgangsthese des angefochtenen Urteils zu lauten, dass sich ein von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährter „Ausschließlichkeitsrabatt“ unter keinen Umständen positiv auf den Wettbewerb auswirken kann, da nach Ansicht des Gerichts der Wettbewerb durch das bloße Bestehen einer beherrschenden Stellung als solche eingeschränkt wird(57). Mit diesem Standpunkt wird jedoch die im Urteil Hoffmann-La Roche bereits angenommene(58) und im angefochtenen Urteil wiederholte(59) Möglichkeit bestritten, sich auf eine objektive (wettbewerbsfördernde) Rechtfertigung für die Verwendung der betreffenden Rabatte zu berufen.

88.      Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung gibt es keine Effizienz- oder sonstigen Gründe, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung zur Rechtfertigung von „Ausschließlichkeitsrabatten“ anführen könnte, wenn das entsprechende Verbot nicht auf die Auswirkungen, sondern auf die Form abstellt(60). Unabhängig von den Auswirkungen bleibt die Form nämlich stets unverändert. Das ist problematisch. Wie das Gericht im angefochtenen Urteil zutreffend hervorhebt(61) und die Kommission in ihren Schriftsätzen eingeräumt hat, muss das Unternehmen in beherrschender Stellung zur Rechtfertigung einer Rabattregelung den Nachweis erbringen dürfen, dass Effizienzvorteile die Ausschließlichkeitswirkung ausgleichen oder gar überwiegen(62).

–       Treuerabatte sind nicht immer schädigend

89.      Zweitens ist die Schaffung einer „Oberkategorie“ von Rabatten nur dann sinnvoll, wenn man annimmt, dass unabhängig von den Umständen des Einzelfalls Regelungen, die unter der Bedingung der Ausschließlichkeit gewährt werden, keine vorteilhaften Merkmale aufweisen können. Paradoxerweise räumt das Gericht selbst ein, dass Ausschließlichkeitsbedingungen auch positive Wirkungen haben könnten. Dennoch meint es, dass diese Wirkungen nicht geprüft werden müssten, da aufgrund der marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens der Wettbewerb ohnehin bereits unweigerlich beeinträchtigt sei(63).

90.      Die Erfahrungen und die wirtschaftlichen Analysen belegen nicht eindeutig, dass Treuerabatte in der Regel wettbewerbsschädigend oder wettbewerbswidrig sind, und zwar selbst dann nicht, wenn sie von Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden(64). Preisnachlässe steigern nämlich die Konkurrenz, die ja das eigentliche Wesen des Wettbewerbs ausmacht.

91.      Zwar wird vertreten, dass es aus wettbewerblicher Sicht am bedenklichsten sei, wenn die Kunden eines Unternehmens in beherrschender Stellung einen Prozentsatz von dessen Produkten abnehmen müssen und/oder wenn der Preisnachlass unter der Bedingung gewährt wird, dass der Kunde seinen Bedarf vollständig (oder zu einem beträchtlichen Teil) bei dem betreffenden Unternehmen deckt. Dies könnte dafür sprechen, „Ausschließlichkeitsrabatte“ strenger zu beurteilen. Doch auch andere Arten von Rabatten können eine ähnlich verfälschende Wirkung haben. Dies gilt selbst dann, wenn die Regelung nicht ausdrücklich an Ausschließlichkeit anknüpft(65).

92.      Wie sich nämlich der Rechtsprechung klar entnehmen lässt, können Treuebindung entfaltende Mechanismen in verschiedener Form auftreten. Wie bei den den Urteilen Hoffmann-La Roche(66) und Tomra(67) zugrunde liegenden Sachverhalten kann der Treuebindungsmechanismus der Vorgabe immanent sein, dass der Kunde seinen wesentlichen Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt. Der Mechanismus kann auch die Form individualisierter Absatzziele(68) oder Prämien(69) annehmen, die nicht unbedingt an einen bestimmten Bedarfs- oder Absatzanteil anknüpfen.

93.      Angesichts dessen gibt es keinen objektiven Grund, weshalb Rabatte der Kategorie 2 strenger beurteilt werden sollten als Rabatte der Kategorie 3.

–       Die Auswirkungen von Treuerabatten sind kontextabhängig

94.      Drittens wird in der aktuellen Wirtschaftsliteratur üblicherweise darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen der Ausschließlichkeit kontextabhängig seien(70). Umgekehrt bestreiten nur wenige Autoren, dass insbesondere Treuerabatte – je nach den Umständen – einen wettbewerbswidrigen Abschottungseffekt haben können.

95.      Die Erkenntnis, dass es auf den Kontext ankommt, mag auch erklären, weshalb der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung zu Art. 102 AEUV die Bedeutung einer Berücksichtigung sämtlicher Umstände hervorgehoben hat – so geschehen u. a. im Urteil Tomra. Wie das Gericht bemerkt(71), handelte es sich zwar bei den Rabatten, die in der Rechtssache Tomra im Rechtsmittelverfahren geprüft wurden, um individualisierte rückwirkende Rabatte, d. h. um Rabatte, die nach der im angefochtenen Urteil vom Gericht verwendeten Systematik zur Kategorie 3 gehören. Der Gerichtshof hat im Urteil Tomra jedoch nicht ausdrücklich zwischen Rabatten der Kategorie 2 und Rabatten der Kategorie 3 unterschieden. Er hat lediglich entschieden, dass in Fällen, in denen Rabatte unter der Bedingung gewährt würden, dass der Abnehmer seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil davon bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung decke, sämtliche Umstände für die Feststellung zu berücksichtigen seien, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstelle(72).

96.      Die Parteien ziehen unterschiedliche Schlüsse aus den Ausführungen des Gerichtshofs: Beide tragen vor, dass damit die Kontroverse bezüglich der rechtlichen Prüfkriterien, die bei „Ausschließlichkeitsrabatten“ anzuwenden seien, ein für alle Mal beigelegt sei. Sie sind jedoch weiterhin über das Wesen dieser Kriterien uneins.

97.      Meines Erachtens helfen die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Tomra hier nicht weiter. Wie die einander diametral entgegengesetzten Auslegungen der Parteien zeigen, sind die in dem genannten Urteil gewählten Formulierungen bezüglich der Art der Rabatte, bei denen sämtliche Umstände beurteilt werden müssen, schlichtweg zu mehrdeutig.

98.      Die Frage ist vielmehr, ob die vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Abgrenzung zwischen den Urteilen Tomra und Hoffmann-La Roche angebracht ist. Ich möchte insoweit auf zwei Gesichtspunkte hinweisen.

99.      Einerseits weisen ähnlich wie in der Rechtssache Tomra die in der Rechtssache Hoffmann-La Roche geprüften Rabatte bestimmte Merkmale individualisierter rückwirkender Rabatte auf. Mehrere der in der Rechtssache Hoffmann-La Roche untersuchten Verträge enthielten nämlich nicht nur Rabattklauseln für den überwiegenden Teil des Bedarfs des Abnehmers. Sie umfassten auch Rabattklauseln, die einen Preisnachlass vorsahen, dessen Prozentsatz sich in dem Maße erhöhte, wie der Prozentsatz des geschätzten Bedarfs des Abnehmers im Referenzzeitraum gedeckt wurde(73). Andererseits hat der Gerichtshof, selbst wenn man annimmt, dass eine Unterscheidung aufgrund des immanenten Unterschieds zwischen den in den beiden Rechtssachen in Rede stehenden Rabatten angebracht ist – was meines Erachtens nicht der Fall ist –, keineswegs den Kontext der beanstandeten Rabatte in der Rechtssache Hoffmann-La Roche außer Acht gelassen. Warum hätte er dies dann mehr als 30 Jahre später in der Rechtssache Tomra tun sollen?

100. Wenn überhaupt, ist der Unterschied zwischen den in der Rechtssache Tomra und den in der Rechtssache Hoffmann-La Roche in Rede stehenden Rabatten nicht grundsätzlicher, sondern gradueller Natur. Das Gleiche gilt für die Rechtssache Post Danmark II, in der die Bedeutung des Kontexts und sämtlicher Umstände bei der Entscheidung, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt, unlängst erneut bestätigt wurde(74).

–       Bei Verhaltensweisen ähnlicher Natur ist die Berücksichtigung sämtlicher Umstände erforderlich

101. Viertens und letztens ist, wie die Rechtsmittelführerin zutreffend vorträgt, nach der Rechtsprechung zu Preispolitik und Margenbeschneidungspraktiken bei der Entscheidung, ob das betreffende Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, eine Berücksichtigung sämtlicher Umstände erforderlich(75).

102. Das Gericht verneint die Relevanz dieser Rechtsprechung mit der Begründung, dass ein bestimmter Preis – im Gegensatz zu Anreizen für einen ausschließlichen Bezug – nicht als solcher missbräuchlich sein könne(76). Dennoch werden die von Intel gewährten Rabatte aufgrund des Preises für wettbewerbswidrig erachtet(77). Ich halte die Einstufung dieser Rechtsprechung als irrelevant für problematisch – sie führt zu einer unangebrachten Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Preispolitiken. Treuerabatten, Margenbeschneidungspraktiken und Kampfpreisen ist nämlich gemeinsam, dass sie eine „preisbasierte Verdrängung“ darstellen(78).

103. Selbstverständlich ist es von größter Bedeutung, dass die rechtlichen Prüfkriterien, die für eine Verhaltenskategorie herangezogen werden, mit den für vergleichbare Praktiken verwendeten in Einklang stehen. Eine gründliche und kohärente rechtliche Einstufung erhöht nicht nur die Rechtssicherheit für die Unternehmen, sondern erleichtert den Wettbewerbsbehörden auch die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts. Bei einer willkürlichen Einstufung ist dies nicht der Fall.

104. Dieser Meinung scheint auch der Gerichtshof zu sein. Zuletzt hat er im Urteil Post Danmark II die Rechtsprechung zu Preispolitik und Margenbeschneidungspraktiken herangezogen und darauf seine Feststellungen zu einem von einem Unternehmen in beherrschender Stellung angebotenen Rabattsystem gestützt(79). Allerdings könnte man das Urteil Post Danmark II aber auch dahin verstehen, dass bei „Ausschließlichkeitsrabatten“ möglicherweise keine Notwendigkeit zur Berücksichtigung sämtlicher Umstände besteht(80). Bezüglich jener Rechtssache lässt sich dies damit begründen, dass der Gerichtshof eine Unterscheidung zwischen den in Rede stehenden Rabatten und den auf einer Ausschließlichkeitsverpflichtung basierenden Rabatten getroffen und daraufhin entschieden hat, dass für die Feststellung, ob ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind. Wenn überhaupt ähnelten die vom Gerichtshof in jener Rechtssache geprüften rückwirkenden Rabatte nämlich denjenigen, die im angefochtenen Urteil als zur Kategorie 3 zählende Treuebindung erzeugende Rabatte betrachtet werden(81).

105. Wie vorstehend dargelegt, handelt es sich dabei jedoch um eine Unterscheidung, der kein Unterschied zugrunde liegt (da der Unterschied in der Form und nicht den Auswirkungen besteht). Vor allem aber stünde eine solche Auslegung des Urteils im Gegensatz zu dem Ansatz, den der Gerichtshof (Große Kammer) im Urteil Post Danmark I gewählt hat, in dem er entschieden hat, dass bei der Untersuchung der Preispolitik sämtliche Umstände zu berücksichtigen seien(82). Bezeichnenderweise hat der Gerichtshof an anderer Stelle seines Urteils Post Danmark II – und dort ohne Differenzierung nach verschiedenen Arten von Rabattregelungen – erneut hervorgehoben, dass „die Beurteilung, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände erfolgen muss“(83). Damit sollte sicherlich ein kohärenter Ansatz in der Rechtsprechung bei der Beurteilung eines in den Geltungsbereich von Art. 102 AEUV fallenden Verhaltens gewährleistet werden.

iv)    Zwischenergebnis

106. Angesichts all dessen sind „Ausschließlichkeitsrabatte“ nicht als besondere und eigenständige Kategorie von Rabatten anzusehen, bei denen für die Entscheidung, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt, die Beurteilung sämtlicher Umstände nicht erforderlich wäre. Meines Erachtens hat daher das Gericht rechtsfehlerhaft befunden, dass „Ausschließlichkeitsrabatte“ als missbräuchlich eingestuft werden können, ohne zu prüfen, ob die Rabatte nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken.

107. Allerdings prüft das Gericht im Weiteren ergänzend eingehend, ob die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte und Zahlungen geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Es untersucht also „sämtliche Umstände“. Deshalb bedeutet die im vorigen Punkt getroffene Feststellung, dass ein Rechtsfehler unterlaufen ist, nicht zwangsläufig, dass das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Dieses Ergebnis ist nur dann möglich, wenn die vom Gericht durchgeführte ergänzende Beurteilung rechtsfehlerhaft ist.

108. Daher ist als Nächstes diese ergänzende Beurteilung zu prüfen.

b)      Vom Gericht durchgeführte ergänzende Prüfung der Eignung

109. Die Rechtsmittelführerin führt im Wesentlichen drei Argumente an, mit denen sie die vom Gericht vorgenommene ergänzende Beurteilung in Frage stellt. Erstens trägt sie vor, das Gericht habe rechtsfehlerhaft die von der Kommission getroffene Feststellung des Vorliegens einer missbräuchlichen Ausnutzung gelten lassen, ohne die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsschädlicher Auswirkungen zu prüfen. Zweitens seien die vom Gericht berücksichtigten Tatsachen entweder irrelevant, oder sie seien fehlerhaft beurteilt worden. Drittens habe das Gericht mehrere andere Faktoren, die für eine Feststellung des Vorliegens einer missbräuchlichen Ausnutzung von entscheidender Bedeutung seien, nicht richtig beurteilt.

110. Nach Ansicht der Kommission ist für die Feststellung des Vorliegens einer missbräuchlichen Ausnutzung kein höherer Grad der „Wahrscheinlichkeit“ (als beim Maßstab der „Eignung“) erforderlich – die Eignung genüge. Die von der Rechtsmittelführerin vorgetragenen Argumente zögen die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung dass das Verhalten von Intel geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken, nicht in Zweifel.

111. Mit ihren Argumenten stellt die Rechtsmittelführerin die rechtlichen Prüfkriterien in Frage, die im angefochtenen Urteil für die Feststellung, dass das gerügte Verhalten zur Beschränkung des Wettbewerbs geeignet sei, herangezogen werden: Erstens: Welcher Wahrscheinlichkeitsgrad muss bei einer Prüfung der Eignung gegeben sein? Zweitens: Welche relevanten Umstände müssen für die Entscheidung, ob das betreffende Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, berücksichtigt werden? Ich werde diese Fragen nacheinander behandeln.

i)      Eignung und/oder Wahrscheinlichkeit

112. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist das Gericht rechtsfehlerhaft der Feststellung des Vorliegens einer missbräuchlichen Ausnutzung gefolgt, ohne die Wahrscheinlichkeit einer Wettbewerbsschädigung durch das beanstandete Verhalten zu prüfen.

113. Im Rahmen seiner ergänzenden Beurteilung führt das Gericht aus, dass sich die Kommission auf die Feststellung beschränken dürfe, dass das geprüfte Verhalten geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken. Darüber hinaus weist es darauf hin, dass die Kommission auch bei Prüfung sämtlicher Umstände keine konkreten Verdrängungswirkungen nachweisen müsse(84).

114. Gewiss brauchen keine Nachweise für tatsächliche Auswirkungen erbracht zu werden. In Bezug auf ein Verhalten, hinsichtlich dessen die Vermutung der Unzulässigkeit gilt, genügt es nämlich, dass das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Zu beachten ist jedoch, dass diese Eignung nicht bloß hypothetisch oder theoretisch möglich sein darf. Andernfalls wäre die Prüfung sämtlicher Umstände erst gar nicht notwendig.

115. Zwar finden sich in der Rechtsprechung einige terminologische Divergenzen. Es ist dort von Eignung und Wahrscheinlichkeit die Rede, mitunter sogar austauschbar(85). Nach meinem Verständnis bezeichnen diese Begriffe aber ein und denselben zwingend erforderlichen Schritt bei der Entscheidung, ob die Verwendung von Treuerabatten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt.

116. Welcher Grad der Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Verdrängung muss indes vorliegen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Meinungsverschiedenheit zwischen der Rechtsmittelführerin und der Kommission hinsichtlich der Angemessenheit der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung der Eignung: Während die Beurteilung nach Ansicht der Kommission angemessen ist, hat das Gericht nach Meinung von Intel zu untersuchen versäumt, ob das Verhalten der Rechtsmittelführerin nach den Umständen des Einzelfalls den Wettbewerb beschränken könnte.

117. Mit der Beurteilung der Eignung soll ermittelt werden, ob das gerügte Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung hat. Deshalb muss unter Wahrscheinlichkeit erheblich mehr als die bloße Möglichkeit verstanden werden, dass ein bestimmtes Verhalten den Wettbewerb beschränkt(86). Umgekehrt reicht der Umstand, dass der Eintritt einer Verdrängungswirkung wahrscheinlicher erscheint als deren Ausbleiben, schlicht nicht aus(87).

118. Obwohl der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung durchgehend auf die besondere Verantwortung von Unternehmen in beherrschender Stellung hingewiesen hat, kann aus dieser Verantwortung nicht abgeleitet werden, dass die Schwelle für das Eingreifen des in Art. 102 AEUV festgelegten Missbrauchsverbots so weit herabgesetzt werden darf, dass sie so gut wie gar nicht mehr existiert. So verhielte es sich, wenn der Wahrscheinlichkeitsgrad, der bei der Entscheidung verlangt wird, dass das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt, auf nicht mehr als die bloße theoretische Möglichkeit des Eintritts einer Verdrängungswirkung hinausliefe, wie dies die Kommission zu meinen scheint. Wollte man einen derart geringen Wahrscheinlichkeitsgrad zulassen, müsste man akzeptieren, dass das Wettbewerbsrecht der Union die Form und nicht die wettbewerbswidrigen Auswirkungen ahndet.

119. Eindeutig würde damit die Erreichung der mit dem Wettbewerbsrecht der Union verfolgten Ziele erheblich beeinträchtigt. Ginge man mit der Begründung, dass insgesamt gesehen eine wettbewerbswidrige Verdrängung wahrscheinlicher erscheint als ihr Ausbleiben, vom Vorliegen einer missbräuchlichen Ausnutzung aus, bestünde die Gefahr, dass nicht nur einzelne Verhaltensweisen erfasst würden, sondern auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Verhaltensweisen, die tatsächlich wettbewerbsfördernd sind. Die Nachteile, die dadurch entstehen, dass fälschlicherweise zu viele Fälle erfasst werden, wären bei einem solchen Ansatz ungebührlich hoch.

120. Damit nicht zu viele Fälle erfasst werden, muss die Beurteilung der Eignung im Hinblick auf das der Vermutung nach unzulässige Verhalten der Feststellung dienen, dass das in Rede stehende Verhalten unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht bloß gemischte Auswirkungen auf den Markt hat oder nur untergeordnete Beschränkungswirkungen hat, die zwangsläufig bei einer wettbewerbsfördernden Vorgehensweise auftreten, sondern dass tatsächlich beschränkende Wirkungen vorliegen. Ohne eine solche Feststellung muss eine umfassende Prüfung vorgenommen werden.

121. Infolgedessen stellt sich hier die Frage, ob die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Eignung insoweit zwingend ist, als auf der Grundlage dieser Beurteilung bestätigt werden kann, dass die Rechtsmittelführerin ihre beherrschende Stellung entgegen Art. 102 AEUV missbräuchlich ausgenutzt hat. Insbesondere muss nach Maßgabe der Rechtsprechung ermittelt werden, ob sich aufgrund der Beurteilung bestätigt, dass die Rabatte dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich machen oder erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehren oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb stärken(88).

ii)    Vom Gericht berücksichtigte Faktoren zur Begründung der Feststellung des Vorliegens eines Missbrauchs

122. Im angefochtenen Urteil stützt das Gericht die Feststellung, dass die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte und Zahlungen geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, auf folgende Faktoren: i) Die Rechtsmittelführerin war ein nicht zu übergehender Geschäftspartner der betreffenden Abnehmer, ii) die geringen Margen der Computerhersteller im operativen Geschäft machten die Rabatte attraktiv und erhöhten deren Anreiz, die Ausschließlichkeitsbedingung zu erfüllen, iii) die Rabatte der Rechtsmittelführerin wurden von ihren Abnehmern bei der Entscheidung berücksichtigt, ihren Bedarf vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil bei dem Unternehmen zu decken, iv) die beiden verschiedenen Verhaltensweisen der Rechtsmittelführerin ergänzten und verstärkten sich gegenseitig, v) die Rechtsmittelführerin zielte auf Unternehmen mit einer besonderen strategischen Bedeutung für den Zugang zum Markt ab, und schließlich vi) die Rabatte der Rechtsmittelführerin waren Teil einer langfristigen Strategie mit dem Ziel, AMD den Zugang zu den wichtigsten Vertriebskanälen zu versperren(89).

123. Nach Ansicht von Intel lässt sich durch diese Faktoren nicht rechtlich hinreichend nachweisen, dass ihre Rabatte und Zahlungen geeignet seien, eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung zu erzeugen. Insbesondere liefen die vom Gericht herangezogenen Faktoren letztlich auf zwei Punkte hinaus: Die Computerhersteller hätten die Rabatte von Intel deshalb berücksichtigt, weil diese attraktiv gewesen seien, und Intel habe zwei einander ergänzende Zuwiderhandlungen begangen, um AMD von wichtigen Kunden fernzuhalten.

124. Erstens bestreitet die Rechtsmittelführerin deshalb die Bedeutung des Umstands, dass die betreffenden Rabatte und Zahlungen von den dadurch begünstigten Unternehmen bei ihren geschäftlichen Entscheidungen berücksichtigt worden seien(90).

125. Ich stimme der Rechtsmittelführerin zu.

126. Ein attraktives Angebot, das einem finanziellen Anreiz entspricht, weiterhin die Beziehung zu dem das Angebot unterbreitenden Lieferanten zu unterhalten, mag ein Faktor sein, der auf eine Treuebindungswirkung auf der Ebene des individuellen Kunden hindeutet. Er ist aber nicht sachdienlich für die Feststellung, dass die Rabatte wahrscheinlich eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung entfalten. Wie die Rechtsmittelführerin nämlich zutreffend ausführt, gehört es zum Wesen des Wettbewerbs, dass Abnehmer bei ihren Kaufentscheidungen niedrigere Preise berücksichtigen. Anders ausgedrückt: Dass ein niedriger Preis tatsächlich berücksichtigt wird, spricht für die Möglichkeit einer Verdrängungswirkung, schließt aber auch das Gegenteil nicht aus. Mithin ist dieser Faktor schlichtweg nicht aufschlussreich für die Feststellung, dass das gerügte Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.

127. Zweitens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass eine Gesamtstrategie, die zwei Arten von Zuwiderhandlungen (Rabatte und Zahlungen sowie reine Beschränkungen) umfasse, die als sich gegenseitig ergänzend und verstärkend angesehen würden, keine Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs begründen könne(91).

128. Gewiss mag eine Verdrängungsstrategie ein Indiz für eine subjektive Absicht zur Verdrängung eines Wettbewerbers sein; ein bloßer Wille, entsprechend dieser Absicht zu handeln, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Eignung, den Wettbewerb zu beschränken. Die Begründung des Gerichts lässt jedoch ein grundlegenderes Problem erkennen. Bei näherer Betrachtung des angefochtenen Urteils stellt sich nämlich heraus, dass das Gericht das Pferd beim Schwanz aufzäumt: Es stützt sich auf die Existenz einer Gesamtstrategie, die auf zwei sich gegenseitig ergänzenden Zuwiderhandlungen beruhen soll, um zu entscheiden, dass das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Dabei geht es zur Begründung davon aus, dass die in Rede stehende Strategie missbräuchlich sei, anstatt sämtliche Umstände zu beurteilen, um zu ermitteln, ob eine Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen wurde.

129. Nachdem ich zunächst diese beiden konkreten Kritikpunkte abgehandelt habe, werde ich mich als Nächstes der allgemeineren Kritik der Rechtsmittelführerin bezüglich der Beurteilung der Eignung zuwenden. Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dass die als relevant geprüften Faktoren nicht für die Entscheidung hinreichten, dass das gerügte Verhalten geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken. Insbesondere habe es das Gericht versäumt, andere Faktoren als relevant zu berücksichtigen, die für eine solche Beurteilung von grundlegender Bedeutung seien.

130. Zur Erinnerung: Durch Berücksichtigung sämtlicher Umstände soll ermittelt werden, ob das gerügte Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer wettbewerbswidrigen Verdrängung führt. Angesichts dessen stellt sich folgende Frage: Sind die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen, dass Intel ein nicht zu übergehender Geschäftspartner war und dass die beanstandeten Rabatte und Zahlungen auf Unternehmen mit einer besonderen strategischen Bedeutung für den Zugang zum Markt abzielten, rechtlich hinreichend, um eine Verantwortung von Intel zu begründen? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob die nach Ansicht von Intel entscheidenden, vom Gericht aber als unerheblich erachteten Umstände die angenommene Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens von Intel in Zweifel ziehen können.

131. Ich werde mich nun mit dieser Problematik befassen.

iii) Sonstige Umstände

132. Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dem Gericht sei bei seiner Prüfung der Umstände des Einzelfalls dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass es folgende Umstände nicht berücksichtigt habe: i) die unzureichende Markterfassung der beanstandeten Rabatte und Zahlungen, ii) die kurze Dauer der beanstandeten Rabatte, iii) die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbers auf dem Markt und die sinkenden Preise und iv) den von der Kommission durchgeführten AEC‑Test.

133. Die Kommission ist ihrerseits der Auffassung, im angefochtenen Urteil werde rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen geeignet seien, eine wettbewerbswidrige Verdrängung zu bewirken. Die nicht beanstandeten Faktoren genügten zur Bestätigung des Ergebnisses, dass die Rabatte und Zahlungen von Intel geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken.

134. Ich kann der Kommission nicht folgen.

135. Wie bereits dargelegt, umfasst die Beurteilung sämtlicher Umstände im Rahmen von Art. 102 AEUV ähnlich wie die Vereinfachung der Rechtsdurchsetzung bei zweckgerichteten Einschränkungen nach Art. 101 AEUV die Untersuchung des Kontexts des gerügten Verhaltens, um zu ermitteln, ob dessen wettbewerbswidrige Wirkung bestätigt werden kann. Sollte einer der dabei untersuchten Umstände Zweifel an der Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens aufkommen lassen, ist eine eingehendere Wirkungsanalyse geboten.

136. Wie ich im Folgenden erläutern werde, hätte die Beurteilung sämtlicher Umstände das Gericht zu dem Ergebnis veranlassen sollen, dass zur Entscheidung, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV darstellt, eine Würdigung der tatsächlichen oder möglichen Auswirkungen des Verhaltens notwendig gewesen wäre.

–       Markterfassung

137. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass bei der Prüfung der wahrscheinlichen Auswirkung auf den Wettbewerb die Markterfassung der in Rede stehenden Rabatte zu berücksichtigen sei. Es sei unwahrscheinlich, dass Treuerabatte bei geringer Markterfassung den Wettbewerb beschränkten, da die Wettbewerber zur Erreichung höherer Marktanteile in der Lage seien, ohne dieselben Preisnachlässe gewähren zu müssen. Die Rechtsmittelführerin weist außerdem darauf hin, dass in ihrem Fall der gebundene Marktanteil im Vergleich durchschnittlich erheblich geringer gewesen sei als in Rechtssachen wie Tomra und Van den Bergh Foods(92). So habe z. B. in der Rechtssache Tomra, der gebundene Marktanteil (im Durchschnitt) 39 % betragen(93). Demgegenüber meint die Kommission, die Frage der Markterfassung sei für die Ermittlung, ob das gerügte Verhalten geeignet sei, eine wettbewerbswidrige Verdrängung zu bewirken, ohne Bedeutung.

138. Im Rahmen der ergänzenden Beurteilung der Eignung führt das Gericht aus, dass die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte und Zahlungen während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung im Durchschnitt etwa 14 % des Marktes erfasst hätten (wenn die Berechnung nicht allein auf den bestreitbaren Teil der Nachfrage beschränkt werde)(94). Ein solcher Anteil sei als signifikant anzusehen(95). Dem angefochtenen Urteil zufolge lassen sich die von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen von dem dem Urteil Van den Bergh Foods zugrunde liegenden Sachverhalt abgrenzen, da sich die Form der in jener Rechtssache in Rede stehenden Regelung von der Form der Regelung im vorliegenden Verfahren unterscheide(96).

139. Ich selbst bin nicht überzeugt, dass die von der Rechtsmittelführerin angeführte Rechtsprechung nicht einschlägig ist, wie dies das Gericht meint. Der Ausschließlichkeitsmechanismus, um den es in der Rechtssache Van den Bergh Foods ging, wirkte nämlich aufgrund der unentgeltlichen Bereitstellung einer Kühltruhe. Das ist jedoch eine Unterscheidung, der kein Unterschied zugrunde liegt. Die Kühltruhe wurde unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass sie ausschließlich für die Lagerung von Speiseeis des Unternehmens in beherrschender Stellung verwendet wird. Infolgedessen unterlagen 40 % der Wiederverkäufer von Speiseeis der Produktausschließlichkeit(97).

140. Wie dargelegt, konzentrieren sich die Wettbewerbsregeln der Union durchgängig auf die Auswirkungen und nicht auf die Form. Angesichts dessen ist der Umfang des gebundenen Marktanteils ebenfalls und unabhängig von der Form der Regelung von Bedeutung. Deshalb erhöht sich nach allgemeiner Meinung die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb entsprechend dem Umfang des gebundenen Marktanteils(98).

141. Allerdings ist die Bestimmung des Markterfassungsgrads, der wettbewerbswidrige Auswirkungen zur Folge haben könnte, keine reine Rechenoperation. Nicht überraschend hat der Gerichtshof daher die These verworfen, dass eine genaue Marktabschottungsschwelle festgelegt werden müsse, ab der die fraglichen Praktiken für die Zwecke der Anwendung des Art. 102 AEUV als missbräuchlich anzusehen wären. Dies hat der Gerichtshof auch im Urteil Tomra wiederholt(99).

142. Gewiss mögen Schwellenwerte aufgrund der Besonderheiten der verschiedenen Märkte und der Umstände des Einzelfalls problematisch sein. Zielen z. B. Treuerabatte auf Abnehmer ab, die für Wettbewerber, die in den Markt eintreten oder ihren Marktanteil erhöhen wollen, von besonderer Bedeutung sind, kann selbst eine nur mäßige Markterfassung sicherlich zu einer wettbewerbswidrigen Abschottung führen. Ob es tatsächlich dazu kommt, dürfte von einer Reihe insoweit spezifischer Faktoren abhängen.

143. So gesehen mag eine Markterfassung von 14 % eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung haben oder auch nicht. Fest steht jedoch, dass aufgrund einer solchen Markterfassung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die in Rede stehenden Rabatte keine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung entfalten. Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, dass die betreffenden Rabatte und Zahlungen auf wichtige Abnehmer ausgerichtet sind(100). Der Wert 14 % ist schlicht nicht aussagekräftig.

144. Diese fehlende Aussagekraft wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass im angefochtenen Urteil auf die festgestellte Tatsache abgestellt wird, dass die Rechtsmittelführerin ein nicht zu übergehender Geschäftspartner auf dem Prozessormarkt sei. Es ist zu beachten, dass dem Gericht zufolge der Umstand, dass ein Unternehmen ein nicht zu übergehender Geschäftspartner sei, zumindest ein Indiz dafür sein soll, dass von einem solchen Unternehmen gewährte „Ausschließlichkeitsrabatte“ oder Zahlungen geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken(101).

145. Diese Schlussfolgerung ist nur dann richtig, wenn man davon ausgeht, dass mit dem verlangten Wahrscheinlichkeitsgrad nicht mehr gemeint ist als die bloße Möglichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten wettbewerbswidrige Auswirkungen hat. Wie jedoch bereits dargelegt, soll mit der Beurteilung sämtlicher Umstände ermittelt werden, ob das gerügte Verhalten sich aller Wahrscheinlichkeit nach wettbewerbswidrig auswirkt.

146. Auf dieser Grundlage gelange ich zu dem Ergebnis, dass die im angefochtenen Urteil durchgeführte Beurteilung der Markterfassung nicht aussagekräftig ist. Vor allem lässt sich dadurch nicht rechtlich hinreichend nachweisen, dass der von den Rabatten und Zahlungen betroffene Marktanteil hoch genug war, um eine wettbewerbswidrige Verdrängung zu bewirken.

–       Dauer

147. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin ist die Dauer der Rabattregelung von maßgeblicher Bedeutung für die Prüfung der Eignung zur Wettbewerbsbeschränkung. Sie wendet sich insbesondere gegen die Beurteilung der Dauer im angefochtenen Urteil, die auf der Aneinanderreihung mehrerer kurzfristiger Vereinbarungen beruhe.

148. Die Kommission trägt demgegenüber vor, dass Intel irrig davon ausgehe, dass die potenzielle Ausschlusswirkung der Treuerabatte allein auf einer Vertragspflicht beruhen könne – ganz im Gegenteil sei aufgrund der Marktmacht des Unternehmens in beherrschender Stellung eine solche vertragliche Verpflichtung nicht erforderlich. Kurz gesagt, komme es auf die Dauer nicht an.

149. Insbesondere habe das Gericht entschieden, dass es nicht auf die Dauer der Frist zur Kündigung eines Vertrags oder die Laufzeit eines Einzelvertrags, der in einer Reihe von aufeinanderfolgenden Verträgen stehe, ankomme. Entscheidend sei vielmehr die gesamte Dauer, während deren die Rechtsmittelführerin gegenüber einem Abnehmer Ausschließlichkeitsrabatte und ‑zahlungen anwende(102). Diese Dauer habe im Fall von MSH etwa fünf Jahre, bei Dell und NEC etwa drei Jahre, bei HP mehr als zwei Jahre und bei Lenovo etwa ein Jahr betragen. Die Gewährung von „Ausschließlichkeitsrabatten“ und ‑zahlungen während solcher Zeiträume werde im Allgemeinen als geeignet erachtet, den Wettbewerb zu beschränken. Dies gelte insbesondere für den Prozessormarkt, der durch eine hohe Dynamik und kurze Produktlebenszyklen gekennzeichnet sei(103).

150. Zunächst möchte ich anmerken, dass die kurze Dauer einer Absprache nicht ausschließt, dass die Absprache wettbewerbswidrige Auswirkungen hat. Ebenso ist die Frage, ob der Gesamtzeitraum abstrakt gesehen kurz oder lang ist, irrelevant.

151. In Fällen, in denen wie hier die Ausschließlichkeit letztlich von der Entscheidung des Abnehmers abhängt, seinen Bedarf überwiegend bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung zu decken, kann nicht einfach – im Nachhinein – angenommen werden, die Aneinanderreihung kurzfristiger Vereinbarungen belege, dass die Rabatte geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken.

152. Dafür sprechen mindestens zwei Gründe.

153. Erstens ist anders als im Fall ausschließlicher Geschäftsbeziehungen ein Wechsel des Lieferanten mit keinerlei Sanktionen verbunden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass ein Wettbewerber zumindest im Prinzip einen dem entgangenen Rabatt entsprechenden Vorteil bieten kann. Falls aber der Wettbewerber die betreffenden Waren nicht ohne Verlust verkaufen kann, ist der Abnehmer de facto an das Unternehmen in beherrschender Stellung gebunden. So gesehen kann auch die Höhe des Rabatts nicht als vollkommen unerheblich angesehen werden.

154. Im Einzelnen muss bei einer im Nachhinein vorgenommenen Prüfung der Dauer wie hier festgestellt werden, ob ein anderer Lieferant den Verlust der Rabatte hätte ausgleichen können. Andernfalls würde die Entscheidung des Kunden, die Beziehung zum Unternehmen in beherrschender Stellung fortzusetzen, zwangsläufig als Hinweis auf einen Missbrauch angesehen, auch wenn die Abnehmer die Vereinbarung mit dem Unternehmen in beherrschender Stellung kündigen könnten.

155. Offenkundig kann nicht einfach aufgrund der von einem Abnehmer getroffenen Entscheidung, die Beziehung zum Unternehmen in beherrschender Stellung fortzusetzen, angenommen werden, dass diese Entscheidung auf ein missbräuchliches Verhalten zurückzuführen ist. Möglicherweise sind nämlich andere Gründe für diese Entscheidung denkbar. Hierzu zählen insbesondere Qualitätsbedenken, die Versorgungssicherheit und die Präferenzen der Endnutzer.

156. Zweitens kann eine lange Gesamtdauer der Absprache sicherlich auf eine Treuebindungswirkung des Rabattmechanismus auf der Ebene des einzelnen Abnehmers hindeuten. Sofern jedoch nicht weitere zwingende Belege hierfür vorgelegt werden, kann der Umstand, dass sich ein Abnehmer zur Fortsetzung der Beziehung zum Unternehmen in beherrschender Stellung entschlossen hat, nicht als rechtlich hinreichender Nachweis genügen, dass die gewährten Rabatte geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Es ist nämlich zu beachten, dass in Fällen, in denen der Abnehmer die Option eines regelmäßigen Wechsels der Lieferanten hat, die Treuerabatte den Konkurrenzkampf selbst dann verstärken, wenn von dieser Option kein Gebrauch gemacht wird. Sie können mithin auch eine wettbewerbsfördernde Wirkung haben.

157. Meines Erachtens ist daher die im angefochtenen Urteil durchgeführte Beurteilung der Dauer – die sich auf die Prüfung der Gesamtdauer der untersuchten Absprachen beschränkt – nicht zwingend. Diese Beurteilung ist für die Feststellung, dass das Verhalten wettbewerbswidrige Auswirkungen hat, schlicht nicht sachdienlich.

–       Marktleistung des Wettbewerbers und sinkende Preise

158. Die Rechtsmittelführerin bemängelt, dass das Gericht die Marktleistung von AMD und Beweise für eine fehlende Verdrängung (sinkende Preise für x86-Prozessoren) im Rahmen der Beurteilung der Eignung als unerheblich zurückgewiesen habe.

159. Nach Ansicht des Gerichts können der Erfolg des Wettbewerbers und das Fallen der Preise nicht ausschließen, dass die Verhaltensweisen der Rechtsmittelführerin wirkungslos gewesen seien. Man dürfe annehmen, dass ohne diese Verhaltensweisen die Erhöhung der Marktanteile des Wettbewerbers und seiner Investitionen in Forschung und Entwicklung und der Rückgang des Preises für x86-Prozessoren noch höher ausgefallen wären(104).

160. Meines Erachtens ist das Gericht zu Recht der Auffassung, dass die Marktleistung von AMD und das Sinken der Preise für x86-Prozessoren keinen Aufschluss darüber geben, ob das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Diese Schlussfolgerung würde aber selbst bei geringer Leistungsfähigkeit des Wettbewerbers zutreffen. Meiner Ansicht nach kann die Berücksichtigung solcher Sachverhaltselemente nur im Rahmen einer eingehenden Prüfung der tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen auf den Wettbewerb sinnvoll sein. Für die Prüfung, ob eine der Vermutung nach unzulässige Rabattregelung geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, ist sie nicht sachdienlich.

–       AEC‑Test

161. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Kommission eine umfassende Würdigung der wirtschaftlichen Umstände in Bezug auf das angeblich missbräuchliche Verhalten vorgenommen habe, rechtsfehlerhaft sei, diese Würdigung allein deswegen außer Acht zu lassen, weil sie für die Feststellung einer Zuwiderhandlung nicht sachdienlich sei.

162. Die Kommission trägt vor, dass der AEC‑Test für die Feststellung, dass das gerügte Verhalten geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken, unerheblich sei. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs stütze nicht die Auffassung der Rechtsmittelführerin, wonach der AEC‑Test Bestandteil einer Beurteilung sämtlicher Umstände sein müsse.

163. Im angefochtenen Urteil bestreitet das Gericht die Erheblichkeit des AEC‑Tests für die im Rahmen einer Beurteilung sämtlicher Umstände durchzuführende Prüfung, ob das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Dementsprechend überprüft es die von der Kommission vorgenommene Anwendung des AEC‑Tests in der streitigen Entscheidung nicht. Erstens erachtet das Gericht den AEC‑Test für unerheblich, weil die Kommission aufgrund der Form der „Ausschließlichkeitsrabatte“ deren Verdrängungseignung nicht im Einzelfall nachweisen müsse. Im angefochtenen Urteil wird die Erheblichkeit des AEC‑Tests im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass dieser Test lediglich als Nachweis diene, dass das gerügte Verhalten den Zugang zum Markt unmöglich mache. Dem angefochtenen Urteil zufolge können „Ausschließlichkeitsrabatte“ den Zugang zum Markt für Konkurrenten des Unternehmens in beherrschender Stellung behindern, auch wenn dieser Zugang wirtschaftlich nicht vollkommen unmöglich sei, sondern lediglich erschwert werde(105). Zweitens verlange die Rechtsprechung selbst für Rabatte der Kategorie 3 nicht die Durchführung des AEC‑Tests. Drittens habe der Gerichtshof den Test lediglich bei Preispolitiken und Verhaltensweisen der Kosten-Preis-Schere betreffenden Rechtssachen als notwendig erachtet, die sich ihrem Wesen nach von Fällen der „Ausschließlichkeitsrabatte“ unterschieden(106).

164. Erstens müssen, wie ich oben (Nrn. 122 bis 160) dargelegt habe, sämtliche Umstände berücksichtigt werden, um zu ermitteln, ob das in Rede stehende Verhalten geeignet ist, Wettbewerber auch durch „Ausschließlichkeitsrabatte“ zu verdrängen. Die Verdrängungseignung muss also in jedem einzelnen Fall nachgewiesen werden. Sicherlich kann der AEC‑Test als unerheblich verworfen werden, wenn man davon ausgeht, dass die bloße hypothetische oder theoretische Möglichkeit, dass das gerügte Verhalten eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung entfaltet, für die Feststellung eines Missbrauchs genügt. Tatsächlich kann theoretisch jeder von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährte Rabatt unter bestimmten Umständen eine wettbewerbswidrige Wirkung haben.

165. Da jedoch eine Ausschlusswirkung gegeben sein muss, kann der AEC‑Test nicht außer Acht gelassen werden. Wie das Gericht anmerkt, dient der Test der Erkennung eines Verhaltens, das es einem ebenso effizienten Wettbewerber wirtschaftlich unmöglich macht, sich einen bestreitbaren Anteil an der Nachfrage des Abnehmers zu sichern. Der Test kann mit anderen Worten zur Erkennung eines Verhaltens beitragen, das aller Wahrscheinlichkeit nach wettbewerbswidrige Auswirkungen hat. Ergibt der Test hingegen, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber zur Deckung seiner Kosten in der Lage ist, verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Wirkung beträchtlich. Deshalb ist der AEC‑Test für die Erfassung eines Verhaltens, das eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung hat, besonders zweckdienlich.

166. Was die zweite und die dritte Erwägung betrifft, so habe ich oben (Nrn. 101 bis 105) dargelegt, weshalb die Rechtsprechung zu Preispolitik und Margenbeschneidungspraktiken nicht außer Acht gelassen werden darf. Jede in dieser Hinsicht möglicherweise verbliebene Ungewissheit wurde jedenfalls mit dem Urteil Post Danmark II beseitigt. Diesem Urteil lässt sich entnehmen, dass die Rechtsprechung zu anderen Arten von preisbasierten Ausschlüssen im Rahmen von Rabatt-Fällen nicht einfach unberücksichtigt bleiben darf. Wie der Gerichtshof durch Verweis auf u. a. diese Rechtsprechung bestätigt hat, kann sich der AEC‑Test auch bei der Beurteilung von Rabattregelungen als sachdienlich erweisen(107).

167. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Post Danmark II seinen Standpunkt zum AEC‑Test mit Bedacht qualifiziert hat. Er hat insbesondere dargelegt, dass der AEC‑Test sich in bestimmten Situationen als zweckdienlich erweisen könne, dass jedoch keine Rechtspflicht zur Anwendung des Tests bestehe(108). Dies steht im Einklang mit den entsprechenden Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Tomra. In jener Entscheidung ist der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass die Kommission nicht nachzuweisen brauche, dass Treuerabatte den Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung dazu zwingen, Preise unter den Gestehungskosten zu verlangen, um im Wettbewerb um den bestreitbaren Marktanteil bestehen zu können. Vielmehr genüge ein Nachweis der Kommission, dass die betreffenden Rabatte aufgrund qualitativer Elemente, die ein Indiz für ihren wettbewerbswidrigen Charakter lieferten, geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken(109).

168. Das Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Anwendung eines AEC‑Tests entbehrlich sei, erscheint insoweit durchaus verführerisch. Logischerweise wäre dann, wie die Kommission vorträgt, die vom Gericht vorgenommene Eignungsbeurteilung nicht wegen Außerachtlassens des AEC‑Tests unerheblich rechtsfehlerhaft.

169. Bei dieser Auffassung werden jedoch zwei Gesichtspunkte übersehen. Anders als in der Rechtssache Tomra hat die Kommission in der streitigen Entscheidung sehr wohl eine umfangreiche Würdigung des Kriteriums des ebenso effizienten Wettbewerbers vorgenommen. Von noch grundlegenderer Bedeutung ist, dass die anderen vom Gericht geprüften Umstände nicht eindeutig für eine wahrscheinliche Auswirkung auf den Wettbewerb sprechen. Angesichts dessen steht für mich klar fest, dass der AEC‑Test nicht einfach als unerheblich verworfen werden kann.

170. Daher ist dem Gericht dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass es die Prüfung des AEC‑Tests, den die Kommission in der streitigen Entscheidung im Rahmen der Berücksichtigung sämtlicher Umstände durchgeführt hatte, nicht kontrolliert hat.

171. Zum Abschluss meiner Würdigung der vom Gericht durchgeführten ergänzenden Beurteilung der Eignung merke ich Folgendes an.

172. Anhand der bei dieser Beurteilung geprüften Umstände lässt sich eine wahrscheinliche Auswirkung auf den Wettbewerb nicht bestätigen. Bestenfalls ergibt eine solche Beurteilung, dass eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung des gerügten Verhaltens theoretisch möglich ist, aber die Wirkung selbst wurde nicht bestätigt. Grundsätzlich müssen bei einer Beurteilung sämtlicher Umstände zumindest die Markterfassung und die Dauer des gerügten Verhaltens berücksichtigt werden. Darüber hinaus mögen andere Umstände zu berücksichtigen sein, die von Fall zu Fall verschieden sein können. Im vorliegenden Fall darf der AEC‑Test, eben weil er in der streitigen Entscheidung von der Kommission durchgeführt wurde, bei der Ermittlung, ob das gerügte Verhalten geeignet ist, eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung zu entfalten, nicht außer Acht gelassen werden. Die Beurteilung der relevanten Umstände dürfte insgesamt gesehen ermöglichen, rechtlich hinreichend die Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass das betreffende Unternehmen seine beherrschende Stellung entgegen Art. 102 AEUV missbräuchlich ausgenutzt hat. In Ermangelung eines solchen Nachweises – der z. B. durch Hinweis auf geringe Markterfassung, kurze Dauer des gerügten Verhaltens oder ein positives Ergebnis des AEC‑Tests erbracht werden kann – bedarf es für die Feststellung eines Missbrauchs einer gründlicheren wirtschaftlichen Prüfung der tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen auf den Wettbewerb.

c)      Ergebnis

173. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gericht erstens rechtsfehlerhaft entschieden hat, dass „Ausschließlichkeitsrabatte“ eine besondere und eigenständige Kategorie von Rabatten darstellten, bei denen für die Feststellung einer gegen Art. 102 AEUV verstoßenden missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung eine Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht erforderlich sei. Zweitens ist ihm bei seiner ergänzenden Beurteilung der Eignung dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass es auf der Grundlage sämtlicher Umstände nicht erkannt hat, dass die von der Rechtsmittelführerin gewährten Rabatte und Zahlungen aller Wahrscheinlichkeit nach eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung hatten.

174. Folglich greift der erste Rechtsmittelgrund durch.

C –    Zweiter Rechtsmittelgrund: Markterfassung als Kriterium für die Ermittlung, ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbraucht hat

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

175. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass sie unabhängig von dem hinsichtlich des ersten Rechtsmittelgrundes erzielten Ergebnisses aufgrund der durch ihr Verhalten erreichten Markterfassung jedenfalls nicht in der Lage gewesen sei, den Wettbewerb in den Jahren 2006 und 2007 zu beschränken. In dem genannten Zeitraum seien lediglich MSH und Lenovo von der Zuwiderhandlung betroffen gewesen. Das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass aufgrund der Feststellung der Kommission in der streitigen Entscheidung, in den Jahren 2002 bis 2007 habe eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorgelegen, die Feststellung einer Zuwiderhandlung in den Jahren 2006 und 2007 auf die durchschnittliche Markterfassung während des Zeitraums von 2002 bis 2007 (statt auf die Markterfassung des Verhaltens in den beiden in Rede stehenden Jahren) gestützt werden dürfe(110).

176. Die Kommission meint, dass es sich beim zweiten Rechtsmittelgrund lediglich um eine Ergänzung des ersten handle. Er basiere zur Gänze auf denselben Annahmen wie der erste Rechtsmittelgrund. Die Markterfassung sei unerheblich für die Ermittlung, ob die von Intel gewährten Rabatte geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken – die Markterfassung der Verhaltensweisen von Intel betreffe lediglich die Frage, inwieweit diese Verhaltensweisen den Wettbewerb tatsächlich beschränkten. Wegen der strategischen Bedeutung der in den Jahren 2006 und 2007 ins Visier genommenen Computerhersteller lasse sich die Signifikanz der Verhaltensweisen von Intel nicht einfach anhand der Markterfassung bemessen. Die Markterfassung in diesen beiden Jahren sei unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu sehen, die mit der Verfolgung einer Gesamtstrategie in Zusammenhang stehe, AMD vom Weltmarkt für Prozessoren zu verdrängen.

2.      Würdigung

177. Vorstehend bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Gericht bei seiner ergänzenden Beurteilung der Eignung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ein Fehler unterlaufen ist. Insbesondere hat es bei seiner Beurteilung der Markterfassung fälschlicherweise übersehen, dass sich anhand eines gebundenen Marktanteils von 14 % rechtlich nicht hinreichend nachweisen lässt, dass das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Bereits deshalb greift auch der zweite Rechtsmittelgrund durch.

178. Dennoch bin ich der Auffassung, dass der zweite Rechtsmittelgrund einer kurzen eigenständigen Erörterung bedarf. Die Feststellung des Gerichts bezüglich des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bildet nämlich die Grundlage für die Feststellung einer Zuwiderhandlung in den Jahren 2006 und 2007. Tatsächlich ist das Gericht der Auffassung, dass angesichts einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, die auf einer auf Verdrängung abzielenden Gesamtstrategie beruhe, eine Gesamtbeurteilung des durchschnittlichen Anteils an dem gebundenen Markt für die Feststellung genüge, dass das in Rede stehende Verhalten geeignet sei, eine wettbewerbswidrige Verdrängung zu bewirken(111).

179. Bei dem vorliegenden Rechtsmittelgrund geht es daher im Kern um die Funktion des Begriffs der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Frage, ob das Verhalten eines einzelnen Unternehmens zur Beschränkung des Wettbewerbs geeignet ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Rückgriff auf diesen Begriff ausgleichen kann, dass die Markterfassung zu gering ist, um allein aufgrund dieses Umstands feststellen zu können, dass das gerügte Verhalten geeignet war, den Wettbewerb während eines bestimmten Zeitraums zu beschränken.

180. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird die Bezeichnung „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ insbesondere im Rahmen von Art. 101 AEUV zur Erfassung mehrerer Teile eines wettbewerbswidrigen Verhaltens unter dem Oberbegriff einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Bezug auf die Durchsetzung verwendet. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine wirksame Rechtsdurchsetzung in Fällen gewährleistet werden soll, in denen sich Zuwiderhandlungen aus einem Geflecht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zusammensetzen, die im Lauf der Zeit verschiedene Formen annehmen und sich sogar fortentwickeln können(112).

181. Es soll mit anderen Worten bei der Rechtsdurchsetzung das missliche Ergebnis vermieden werden, dass verschiedene Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 AEUV, die eigentlich Teil eines Gesamtplans zur Beschränkung des Wettbewerbs sind, getrennt behandelt werden. Deshalb erleichtert der Rückgriff auf den Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung die Beweislast, die im Allgemeinen den Verfolgungsbehörden hinsichtlich des Nachweises des fortgesetzten Charakters der überprüften wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen obliegt. Insbesondere ist es in Fällen, in denen ein Geflecht von Vereinbarungen und Verhaltensweisen über einen langen Zeitraum umgesetzt wird, nicht ungewöhnlich, dass sich in dieser Zeitspanne Umfang, Form und Teilnehmer der Vereinbarungen und/oder Verhaltensweisen ändern. Ohne den Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung wären die an die Kommission gestellten Beweisanforderungen höher. Sie hätte das Vorliegen mehrerer eigenständiger wettbewerbswidriger Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen zu benennen und zu beweisen sowie die jeweils beteiligten Parteien einzeln zu identifizieren. Die jeweils gesonderte Behandlung der einzelnen gerügten Verhaltensweisen könnte in einigen Fällen auch dazu führen, dass ältere Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verjähren. Dadurch würde die Rechtsdurchsetzung an Effizienz einbüßen.

182. Bei der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung handelt es sich somit um einen verfahrensrechtlichen Begriff.

183. Durch Erleichterung der Beweislast der Wettbewerbsbehörden gewinnt der Begriff besondere Bedeutung bei der Verhängung von Geldbußen. Insbesondere kann, selbst wenn keine Nachweise für bestimmte Zeiträume erbracht wurden, davon ausgegangen werden, dass die Zuwiderhandlung während eines längeren Gesamtzeitraums fortbestand. Dies setzt jedoch voraus, dass die Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht. In der Regel bleibt im Rahmen einer Zuwiderhandlung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, die Tatsache, dass sich das Kartell während verschiedener Zeitabschnitte manifestiert, die durch mehr oder weniger lange Zwischenräume voneinander getrennt sein können, ohne Einfluss auf den Bestand dieses Kartells als solches, sofern mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil dieser Zuwiderhandlung sind, im Rahmen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird(113). Von besonderer Signifikanz ist insoweit, dass die Kommission das Vorliegen eines Gesamtplans nachweisen kann(114).

184. Andererseits ist zu beachten, dass die Reichweite der in den Verträgen festgelegten Verbote durch den Begriff einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht erweitert wird und auch nicht erweitert werden kann.

185. Im vorliegenden Fall wird der Begriff einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in einem vollkommen anderen Zusammenhang verwendet(115). Im angefochtenen Urteil dient er zur Feststellung einer Zuwiderhandlung, die sich auf das von einem einzelnen Unternehmen ausgehende Verhalten bezieht, das nach den Feststellungen für sich genommen nicht geeignet ist, den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu beschränken.

186. Meines Erachtens ist diese Vorgehensweise zweifelhaft.

187. Grundsätzlich kann, wie die Rechtsmittelführerin anmerkt, die Verwendung des Begriffs der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung aus einem rechtmäßigen Verhalten keine Zuwiderhandlung machen.

188. Da die Kommission jedoch eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung festgestellt hatte, hielt das Gericht eine Gesamtwürdigung des von 2002 bis 2007 im Durchschnitt abgeschotteten Teils des Marktes für ausreichend(116). Infolgedessen erachtet es das Gericht für unerheblich, dass die Markterfassung in den Jahren 2006 und 2007 erheblich geringer gewesen ist als der durchschnittliche gebundene Marktanteil (14 %).

189. Das Gericht ersetzt mit anderen Worten ein materiell-rechtliches Kriterium durch ein verfahrensrechtliches. Es gibt das Kriterium der hinreichenden Markterfassung – die es paradoxerweise für die Feststellung erheblich hält, dass das gerügte Verhalten geeignet ist, eine wettbewerbswidrige Verdrängung zu bewirken – auf und setzt an dessen Stelle das Kriterium der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung. Das ist schlicht unzulässig. Entweder geht man davon aus, dass es auf die Markterfassung überhaupt nicht ankommt und dass die Wettbewerbsregeln der Union nicht die Auswirkungen, sondern die Form sanktionieren (ich habe oben dargelegt, weshalb diese Lösung unhaltbar ist), oder man nimmt dieses Kriterium im Rahmen einer Prüfung sämtlicher Umstände ernst.

190. Aufgrund seines vorstehend beschriebenen Vorgehens ist das Gericht nicht zu der Feststellung gelangt, dass das in Rede stehende Verhalten geeignet war, den Wettbewerb während des gesamten fraglichen Zeitraums zu beschränken.

191. Hätte es nicht versäumt, festzustellen, dass dies der Fall war, hätte es jedenfalls zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass ein so geringer gebundener Marktanteil nicht den Schluss zulässt, dass das gerügte Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.

192. Entsprechend den Ausführungen oben, Nr. 143, zu einem Marktanteil von 14 % ist nicht auszuschließen, dass auch ein gebundener Marktanteil von weniger als 5 % unter bestimmten Umständen für den Ausschluss von Wettbewerbern genügen kann. Wie dem auch sei, im Rahmen einer Beurteilung der Eignung gibt solch ein Marktanteil einfach keinen Aufschluss. Es kann, wie dargelegt (auf der Grundlage der Form des Verhaltens), nicht davon ausgegangen werden, dass bestimmte Absprachen von dem in Art. 102 AEUV festgelegten Verbot erfasst werden, wenn der gebundene Marktanteil nicht gebührend berücksichtigt wird. Falls der gebundene Marktanteil eine wahrscheinliche Auswirkung auf den Wettbewerb nicht schlüssig belegt, bedarf es für die Entscheidung, dass es zu einem Missbrauch gekommen ist, einer Prüfung der tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen des in Rede stehenden Verhaltens.

193. Um es noch einmal zu sagen: Wird die Markterfassung als nicht aufschlussreich für die Feststellung einer wahrscheinlichen Auswirkung auf den Wettbewerb in einem bestimmten Zeitraum erachtet, lässt sich diesem Mangel nicht durch Heranziehung des Begriffs einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung abhelfen. Vielmehr muss, wie schon der Begriff selbst nahelegt, als Voraussetzung dafür, dass mehrere Handlungen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellen, jede Handlung selbst bereits eine Zuwiderhandlung sein. Anders formuliert muss das Verhalten während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums eine Zuwiderhandlung darstellen.

194. Damit greift auch der zweite Rechtsmittelgrund durch.

D –    Dritter Rechtsmittelgrund: Einstufung bestimmter Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

195. Die Rechtsmittelführerin trägt, unterstützt von der ACT, vor, dass das Gericht rechtsfehlerhaft die Rabattabsprachen mit HP und Lenovo als „Ausschließlichkeitsrabatte“ eingestuft habe. Diese Rabatte hätten zwar 95 % der Business-Desktop-Computer von HP und 80 % der Notebooks von Lenovo erfasst, sie beträfen aber insgesamt nur eine Minderheit der Prozessorkäufe dieser beiden Unternehmen. Intel macht im Wesentlichen geltend, dass aufgrund der mit diesen Rabatten verbundenen Ausschließlichkeitsbedingung bezüglich bestimmter Segmente des Prozessorbedarfs dieser Computerhersteller die Einstufung der in Rede stehenden Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“ rechtsfehlerhaft sei. Das Gericht sei zu Unrecht der Auffassung, dass dies dieselbe Auswirkung habe, wie wenn der gesamte Bedarf des Abnehmers „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ gedeckt werde. Insbesondere werde durch diesen Ansatz das Erfordernis „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ aufgeweicht: Er führe zu einer unangemessenen Erweiterung der Tragweite des Begriffs „Ausschließlichkeitsrabatte“, die nach der vom Gericht zu Art. 102 AEUV vertretenen Auffassung ohne Weiteres zu verurteilen seien.

196. Nach Auffassung der Kommission ist der vorliegende Rechtsmittelgrund aus zwei Gründen zurückzuweisen. Zum einen könne die Beschaffungsfreiheit der Computerhersteller in bestimmten Segmenten nicht die Beschränkung ihrer Freiheit kompensieren, ihre Bezugsquelle in einem Segment des Prozessormarkts zu wählen. Zum anderen macht die Kommission geltend, dass Intel die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs falsch ausgelegt habe, wonach die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung die Möglichkeit haben müssten, auf dem gesamten Markt in Leistungswettbewerb zu treten.

2.      Würdigung

197. Ebenso wie der zweite Rechtsmittelgrund ist auch der dritte Rechtsmittelgrund eng mit dem ersten verbunden. Im Wesentlichen wird damit die Frage aufgeworfen, ob das Gericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Rabatte, die HP und Lenovo von der Rechtsmittelführerin gewährt wurden, als „Ausschließlichkeitsrabatte“ eingestuft werden können(117).

198. Ich habe oben begründet, weshalb es keine eigenständige Kategorie von „Ausschließlichkeitsrabatten“ gibt. Für Treuerabatte, einschließlich insbesondere derer, die das Gericht als „Ausschließlichkeitsrabatte“ bezeichnet, gilt die Vermutung der Unzulässigkeit. Einer der Gründe, weshalb ein Rabatt möglicherweise als Treuerabatt angesehen wird, besteht darin, dass der Rabatt an die Bedingung geknüpft ist, dass der Abnehmer seinen Bedarf „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt(118). Allerdings ist die Form solcher Rabatte allein nicht entscheidend. Es müssen nämlich sämtliche Umstände berücksichtigt werden, bevor im Ergebnis festgestellt werden kann, dass das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt. Wenn der Gerichtshof daher entsprechend meinem Vorschlag entscheidet, dass der erste Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin durchgreift, erübrigt sich eine Prüfung des dritten.

199. Auf den dritten Rechtsmittelgrund kommt es jedoch dann weiterhin an, wenn der Gerichtshof den ersten Rechtsmittelgrund zurückweisen und zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass „Ausschließlichkeitsrabatte“ von anderen Arten von Treuerabatten unterschieden werden müssen.

200. Falls der Gerichtshof zu diesem Ergebnis kommt, gewinnt das Erfordernis „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung dieser Rabatte. Nur Rabatte, die an die Bedingung anknüpfen, dass der Abnehmer seinen Bedarf „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung bezieht, fallen nämlich unter den Oberbegriff der „Ausschließlichkeitsrabatte“.

201. Unter Berücksichtigung des Vorstehenden möchte ich Folgendes anmerken.

202. Im Fall von HP z. B. betraf die Ausschließlichkeitsbedingung die HP obliegende Verpflichtung, 95 % ihres Bedarfs an x86-Prozessoren für Business-Desktop-Computer bei der Rechtsmittelführerin zu decken. Das entspricht sicherlich „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ dem Bedarf in diesem Segment. Die Situation ist jedoch insofern nicht ganz eindeutig, als diese 95 % offenbar 28 % des gesamten Prozessorbedarfs von HP entsprechen(119). Wie die Rechtsmittelführerin vorträgt, lässt sich schwerlich behaupten, dass dieser Prozentsatz diesen Bedarf „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ darstellt.

203. Insoweit führt das Gericht im angefochtenen Urteil aus, dass es unerheblich sei, ob die Bedingung, dass der Abnehmer seinen Bedarf „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt, den gesamten Markt oder ein bestimmtes Segment dieses Marktes betreffe(120). Zur Begründung verweist das Gericht auf das Urteil Tomra. Der Aussage des Gerichtshofs in jenem Urteil zufolge sollen die Wettbewerber auf dem gesamten Markt und nicht nur auf einem Teil davon in Leistungswettbewerb treten können. Diese Aussage besagt jedoch nichts über die Auslegung des Kriteriums „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“. Sie bezieht sich vielmehr auf die Frage, ob die Abschottung eines erheblichen Teils des Marktes durch ein beherrschendes Unternehmen gleichwohl gerechtfertigt werden kann, wenn der Teil des Marktes, der noch gewonnen werden kann, noch ausreichend Platz für eine begrenzte Zahl von Wettbewerbern bietet(121).

204. Darum geht es hier aber nicht. Vielmehr geht es hier darum, ob sich das Erfordernis „vollständig oder zu einem beträchtlichen Teil“ auch auf einen bestimmten Teil des relevanten Produktmarkts beziehen kann.

205. In der streitigen Entscheidung wird bei der Bestimmung des relevanten betroffenen Produktmarkts nicht nach Prozessoren für Business-Desktop-Computer und solchen für Consumer-Computer differenziert, da bei einer bestimmten Art von Computern dieselben Prozessoren sowohl im Business- bzw. Geschäftssegment als auch im Privat- bzw. Consumer-Segment verwendet werden können(122). Die Möglichkeit, die Segmente gegeneinander auszutauschen, spricht wohl dafür, dass der Markt nicht unterteilt werden kann.

206. Hierzu bemerkt das Gericht im angefochtenen Urteil, dass es auf die Frage, ob sich die für das Business-Segment verwendeten Prozessoren von x86-Prozessoren für Consumer-Computer unterscheiden, hier nicht ankomme. Selbst wenn – so das Gericht – die Prozessoren gegeneinander austauschbar wären, sei die Wahl der betroffenen Computerhersteller beim Einkauf in dem betreffenden Segment erheblich eingeschränkt(123).

207. Dieses Argument ist auf den ersten Blick überzeugend.

208. Allerdings wird dabei ein wichtiger Punkt übersehen: Ausgangspunkt der Begründung im angefochtenen Urteil ist der von HP (und Lenovo) eingenommene Standpunkt und nicht der von AMD. Aus der Sicht von AMD ist es vollkommen irrelevant, ob die Wahlmöglichkeiten von HP und Lenovo in einem Segment erheblich eingeschränkt sind, da HP und Lenovo Abnehmer von Intel und nicht von deren Wettbewerber sind.

209. Es ist nämlich hervorzuheben, dass wir es hier mit einem Ausschlussverhalten gegenüber dem Wettbewerber der Rechtsmittelführerin – AMD – zu tun haben und nicht mit einer Ausnutzung ihrer Abnehmer. Entscheidend aus der Sicht von AMD (und somit für die Entscheidung, ob das gerügte Verhalten eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV darstellt) ist der Gesamtprozentsatz des Bedarfs, der aufgrund der von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen gebunden wird.

210. Wie die ACT hervorhebt, spielt es keine Rolle, ob ein Teil des Bedarfs für ein bestimmtes Segment bezogen wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die betroffenen Computerhersteller trotzdem noch signifikante Mengen bei Wettbewerbern von Intel beziehen können. Das scheint hier der Fall zu sein: HP und Lenovo waren noch in der Lage, signifikante Mengen von x86-Prozessoren bei AMD einzukaufen. Ob ein Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, kann nicht von einer offenbar willkürlichen Segmentierung des Marktes abhängen.

211. Angesichts dessen lässt sich kaum behaupten, dass, was HP betrifft, die für 95 % der Business-Desktop-Computer geltende Ausschließlichkeitsbedingung einen Gesamtbedarf von HP von mehr als 28 % erfasst. Entsprechend ist auch die die Notebooks von Lenovo betreffende Ausschließlichkeit nicht gleichbedeutend mit einer generellen Ausschließlichkeit. Unter solchen Umständen kann das Erfordernis „vollständig oder zu einen beträchtlichen Teil“ schlicht nicht erfüllt sein.

212. Auch auf die Gefahr hin, das Offensichtliche zu konstatieren: Der im angefochtenen Urteil verfolgte Ansatz führt zu einem Ergebnis, das kaum angemessen ist, da selbst ein „Ausschließlichkeitsrabatt“, der ein Segment des relevanten Marktes betrifft und der einen unerheblichen Teil des Gesamtbedarfs des Abnehmers (nehmen wir etwa an: 3 %) erfasst, automatisch als unzulässig angesehen werden könnte.

213. Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass dem Gericht bei der Einstufung der von der Rechtsmittelführerin HP und Lenovo gewährten Rabatte ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

214. Unabhängig davon, ob sich der Gerichtshof meiner Meinung zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund anschließt, greift der dritte Rechtsmittelgrund also durch.

E –    Vierter Rechtsmittelgrund: Verteidigungsrechte

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

215. Beim vierten Rechtsmittelgrund geht es um die in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin. Intel macht geltend, das Gericht sei rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass bezüglich des Treffens mit dem Dell-Mitarbeiter Herrn D1 im Jahr 2006 im Zuge der Ermittlungen, die zu der streitigen Entscheidung geführt hätten (im Folgenden: in Rede stehendes Treffen), kein Verfahrensfehler aufgetreten sei.

216. Hierzu trägt die Rechtsmittelführerin erstens vor, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass es sich bei dem in Rede stehenden Treffen nicht um eine Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 gehandelt habe. Zweitens sei das Gericht zu Unrecht zu der Auffassung gelangt, dass trotz der Verpflichtung der Kommission, dieses Treffen wegen seiner Bedeutung aufzuzeichnen, diese aufgrund der Unterlassung begangene Verletzung des Grundsatzes der guten Verwaltung dadurch geheilt worden sei, dass eine nicht vertrauliche Fassung des internen Aktenvermerks (interne Gedankenstütze der Kommission, im Folgenden: interner Aktenvermerk) zu den Akten genommen worden und der Rechtsmittelführerin zugänglich gemacht worden sei. Drittens sei dem Gericht ein Fehler bei der ergänzenden Prüfung der Frage unterlaufen, ob ein Verfahrensfehler der im angefochtenen Urteil erkannten Art einen Grund für die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit sie das Verhalten der Rechtsmittelführerin gegenüber Dell betreffe, darstelle.

217. Die Kommission wendet in erster Linie ein, dass der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere gehe, da Intel nicht die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung bestreite, dass es sich bei den Dell gewährten Rabatten um „Ausschließlichkeitsrabatte“ handle. Der Rechtsmittelgrund sei außerdem auch unzulässig, da die Antwort auf die Frage, ob der Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung dadurch habe geheilt werden können, dass Intel Zugang zu der nicht vertraulichen Fassung des internen Aktenvermerks erhalten habe, von einer Prüfung der Bedeutung des in Rede stehenden Treffens sowie der Angemessenheit des erstellten Vermerks abhänge. Hierbei handle es sich um Tatsachenfragen, die im Rechtsmittelverfahren nicht überprüfbar seien.

218. Hilfsweise vertritt die Kommission die Ansicht, dass das Vorbringen von Intel unbegründet sei; die Rechtsmittelführerin habe nichts Relevantes vorgetragen, was die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beurteilung bezüglich des internen Aktenvermerks in Frage stellen könnte. Zudem sei die streitige Entscheidung in erster Linie auf schriftliche Beweise gestützt worden, die keinesfalls aufgrund des in Rede stehenden Treffens in einem anderen Licht hätten erscheinen können.

2.      Würdigung

219. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der vierte Rechtsmittelgrund keineswegs ins Leere geht und auch nicht unzulässig ist, wie dies die Kommission geltend macht.

220. Mit diesem Rechtsmittelgrund rügt Intel konkret, dass die Feststellung einer Zuwiderhandlung in Bezug auf Dell aufzuheben sei, da die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin mangelhaft seien. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, über die der Gerichtshof entscheiden kann und muss. Die im angefochtenen Urteil erfolgte Einstufung, dass Dell die Rabatte von Intel unter der Bedingung der Ausschließlichkeit gewährt worden seien, spielt, ob bestritten oder nicht, insoweit keine Rolle. Ich habe oben dargelegt, dass eine Feststellung, wonach die in Rede stehenden Rabatte (wie auch immer man sie bezeichnen mag) unzulässig sind, nicht ohne Prüfung sämtlicher relevanten Umstände getroffen werden kann. Die Kommission selbst hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass grundsätzlich sogar „Ausschließlichkeitsrabatte“ von dem betreffenden Unternehmen gerechtfertigt werden könnten. Auch dass die Parteien sich darin einig sind, dass sich die Kommission zur Belastung von Intel nicht auf bei dem in Rede stehenden Treffen erlangte Informationen gestützt hat, ist ohne Belang, da dies dem Treffen keinen möglichen Entlastungswert verleiht(124). Noch grundsätzlicher ist hervorzuheben, dass sich die Frage, ob die Verteidigungsrechte verletzt worden sind, vollkommen unabhängig von der Frage stellt, ob diese (potenzielle) Verletzung sich auf den sachlichen Inhalt der streitigen Entscheidung ausgewirkt hat.

221. Wenn die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin verletzt worden sind, spielt es, wenn überhaupt, schlicht kaum eine Rolle, wie die von Intel gewährten Rabatte eingestuft oder welche Beweismittel zur Belastung der Rechtsmittelführerin herangezogen worden sind. Der Gerichtshof muss sich lediglich darüber Klarheit verschaffen, ob die Rechtsmittelführerin dargetan hat, dass sie sich besser hätte verteidigen können, wenn sie Zugang zu einer Aufzeichnung des in Rede stehenden Treffens gehabt hätte. Zur Entscheidung dieser Frage hat der Gerichtshof u. a. auch zu prüfen, ob der interne Aktenvermerk, der der Rechtsmittelführerin verspätet erst im ersten Rechtszug zur Kenntnis gebracht wurde, einen etwaigen zuvor erfolgten Verfahrensfehler, der auf der Entscheidung der Kommission beruht, das in Rede stehende Treffen nicht aufzuzeichnen, „geheilt“ haben könnte. Deshalb überzeugt mich das Vorbringen der Kommission nicht, die Rechtsmittelführerin greife mit ihrer Argumentation bezüglich der Angemessenheit des internen Aktenvermerks in Wahrheit eine Tatsachenfeststellung an.

222. Wie ich im Folgenden erläutern werde, greift der vierte Rechtsmittelgrund tatsächlich durch.

a)      Bei dem in Rede stehenden Treffen handelte es sich um eine Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003

223. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist dem Gericht ein Rechtsfehler mit der Entscheidung unterlaufen, dass kein Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 vorliege(125). Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Unterscheidung zwischen „förmlichen“ und „informellen“ Befragungen sei rechtsfehlerhaft. Dies gelte auch für die Feststellung, dass die Kommission nicht zur Aufzeichnung „informeller“ Befragungen verpflichtet sei(126).

224. Bevor ich mich der Prüfung dieser Unterscheidung zuwende, ist es sachdienlich, kurz die (Verfahrens‑)Schritte in Erinnerung zu rufen, die zur Mitteilung des internen Aktenvermerks über das in Rede stehende Treffen an die Rechtsmittelführerin geführt haben.

225. Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren zunächst bestritten hatte, dass ein Treffen mit Herrn D1 stattgefunden hat. Sie räumte dies erst ein, nachdem Intel das Vorliegen einer unverbindlichen Tagesordnung für das in Rede stehende Treffen nachgewiesen hatte. Gleichzeitig bestritt die Kommission weiterhin, dass ein Protokoll des Treffens aufgenommen worden sei. Einige Monate später räumte der Anhörungsbeauftragte ein, dass ein interner Aktenvermerk existiere, erklärte aber, dass die Rechtsmittelführerin insofern kein Recht auf Akteneinsicht habe. Gleichwohl übermittelte die Kommission Intel im Dezember 2008 „aus Gründen der Höflichkeit“ eine Kopie der nicht vertraulichen Fassung des internen Aktenvermerks, in der viele Stellen unkenntlich gemacht waren. Auf entsprechenden Antrag beim Gericht wurde die vertrauliche Fassung des Vermerks der Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht schließlich im Januar 2013 mitgeteilt(127).

226. Was nun die Auslegung von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft, so ist die Befugnis zur Durchführung von Befragungen eine logische Nebenfolge der der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden weitgehenden Ermittlungsbefugnisse. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob diese Befugnisse dennoch Grenzen unterliegen.

227. Diese Grenzen lassen sich ohne Weiteres dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entnehmen. Zunächst einmal sieht Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Kommission alle (natürlichen und juristischen) Personen befragen kann, die der Befragung zum Zweck der Einholung von Information, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung bezieht, zustimmen. Während Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 eine Rechtspflicht zur Aufzeichnung von Befragungen festlegt, bestimmt Art. 3 Abs. 3 dieser Verordnung, dass die Kommission frei entscheiden kann, wie sie die Aussagen der Befragten aufzeichnet.

228. Angesichts dessen scheint mir auf der Hand zu liegen, dass die Kommission in Fällen, in denen sie sich zur Durchführung einer Befragung entschließt, nicht die Aufzeichnung des Inhalts der Befragung unterlassen darf. Hingegen bleibt ihr freigestellt, wie (d. h. auf welchem Träger) sie die Befragung aufzeichnen will.

229. Hierzu steht das angefochtene Urteil an sich nicht im Widerspruch(128).

230. Das Problem ist vielmehr, dass das Gericht im angefochtenen Urteil zwischen förmlichen und informellen Befragungen unterscheidet. Im legislativen Rahmen der Verordnung Nr. 1/2003 existiert eine solche Unterscheidung nicht.

231. Diese Unterscheidung ist meines Erachtens höchst problematisch. Ein im Wege richterlicher Auslegung geschaffenes neues Instrumentarium der Kommission zur Durchführung ihrer Ermittlungen würde dieser die Möglichkeit zur Umgehung der Vorschriften eröffnen, die der Gesetzgeber eigens zur Regelung der ihr bei Ermittlungen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln zustehenden Befugnisse vorgesehen hat.

232. Zu diesen Regeln gehört – wie sich eindeutig aus Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 ergibt –, dass Informationen, die bei Befragungen betreffend den Gegenstand einer Untersuchung eingeholt werden, aufzuzeichnen sind. Meiner Ansicht nach muss jedes Treffen mit einem Dritten, das eigens zu dem Zweck angesetzt wird, inhaltliche Informationen einzuholen, die für die Beurteilung der Sache verwendet werden sollen, in den Geltungsbereich von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 fallen.

233. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Kommission sich niemals informell an Dritte wenden dürfte. Wie sich bereits dem Wortlaut von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 entnehmen lässt, fällt unter diese Bestimmung nur der Austausch solcher Informationen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen. In Fällen, in denen sich der Informationsaustausch zwischen der Kommission und Dritten nicht auf den Gegenstand einer konkreten (in der Regel noch laufenden) Untersuchung bezieht, besteht keine Verpflichtung zur Aufzeichnung dieses Austauschs.

234. Im vorliegenden Fall kann ich jedoch nicht erkennen, wie das in Rede stehende Treffen anders denn als eine Befragung im Sinne von Art. 19 der der Verordnung Nr. 1/2003 verstanden werden könnte.

235. Das Treffen wies nicht nur einen Bezug zum Gegenstand der laufenden Untersuchung der Kommission wegen der Verhaltensweisen von Intel auf. Wie aus dem internen Aktenvermerk hervorgeht, betrafen die bei dem offenbar fünfstündigen Treffen behandelten Themen genau den Kern der untersuchten Sache (nämlich die Frage, ob die Dell von Intel gewährten Rabatte an eine Ausschließlichkeitsbedingung geknüpft waren). Noch bedeutsamer ist, dass der Befragte zu den höchstrangigen Mitgliedern der Geschäftsleitung von Dell gehörte(129).

236. Insoweit ist unerheblich, ob mit dem Treffen die Beschaffung von Beweisen in Form eines gegengezeichneten Protokolls oder einer Aussage bezweckt wurde oder, wie die Kommission geltend macht, nicht(130).

237. Ginge man davon aus, dass nur solche Kontakte mit Dritten von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 erfasst werden, würde der Ermessensspielraum der Kommission bei der Durchführung von Befragungen ohne Aufzeichnungspflicht erheblich erweitert. Sie hätte dann auch die Möglichkeit, bei der Auswahl der Beweismittel, die sie dem unter dem Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union stehenden Unternehmen mitteilt, selektiv vorzugehen: Die für die Ladung des Befragten zuständigen oder die an dem Treffen teilnehmenden Bediensteten der Kommission könnten dann je nach ihrer subjektiven Meinung entscheiden, was in die Akte aufgenommen wird und was nicht.

238. So hat der Unionsgesetzgeber das Recht auf „Akteneinsicht“ jedoch nicht konzipiert. Die Offenlegung des gesamten Beweismaterials ist die Regel, die Nichtoffenlegung spezifischen Beweismaterials ist – wie aus Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hervorgeht – die Ausnahme. Bei der von der Kommission vorgeschlagenen Auslegung von Art. 19 liefe Art. 27 Abs. 2 ins Leere.

239. In der mündlichen Verhandlung war die Kommission bemüht, zu erläutern, welche Kontakte mit Dritten sie aufzuzeichnen habe und bei welchen sie hierzu nicht verpflichtet sei. Erstaunlicherweise schien sie beim Versuch, ihren Standpunkt zu erläutern, die Auffassung zu vertreten, dass die Anwendung von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 vollkommen in ihr Ermessen gestellt sei. Dass die Kommission dem Gerichtshof insoweit keine klare Antwort zu geben vermochte, ist verständlich: Nur mit großen Schwierigkeiten ist ein Kriterium zur Differenzierung nach förmlichen und informellen Befragungen vorstellbar, das sich von dem in den Rechtsvorschriften festgelegten Kriterium unterscheidet, dem Kriterium nämlich, dass sich die Befragung auf den Gegenstand der Untersuchung bezieht.

240. Ebenso bedeutsam ist, dass die Entscheidung, ob eine Befragung aufgezeichnet wird, auch einer etwaigen gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre. Wenn kein schriftliches Protokoll existiert, wie sollen dann die Unionsgerichte überprüfen, ob die Kommission die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 eingehalten hat und ob ganz allgemein die Rechte der an den Ermittlungen beteiligten Unternehmen und natürlichen Personen in vollem Umfang gewahrt wurden?

241. Letztlich gilt nämlich das in Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 festgelegte Erfordernis der Aufzeichnung von Befragungen aus zwei ineinandergreifenden Gründen. Durch das Erfordernis wird sichergestellt, dass zum einen Unternehmen, die eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union verdächtigt werden, ihre Verteidigung vorbereiten können und dass zum anderen die Unionsgerichte im Nachhinein kontrollieren können, ob die Kommission ihre Ermittlungsbefugnisse innerhalb der rechtlichen Grenzen ausgeübt hat.

242. Aus diesen Gründen bin ich der festen Überzeugung, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat mit seiner Entscheidung, die Kommission habe dadurch, dass sie das in Rede stehende Treffen nicht als Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 durchgeführt und nicht angemessen aufgezeichnet habe, nicht gegen die genannte Bestimmung verstoßen.

b)      Der interne Aktenvermerk hat den Verfahrensfehler nicht geheilt

243. Wie oben (Nr. 216) ausgeführt, erkennt das Gericht im angefochtenen Urteil nicht auf einen Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003. Es stellt jedoch fest, dass das in Rede stehende Treffen in Anbetracht seines Inhalts und der Bedeutung der dabei erhaltenen Informationen von der Kommission hätte aufgezeichnet werden müssen. Nach Ansicht des Gerichts stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung dar. Insoweit gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass nach den Umständen des vorliegenden Falls zumindest ein knapper Vermerk über die Namen der Teilnehmer und eine kurze Zusammenfassung der besprochenen Themen zu den Akten zu nehmen gewesen wären. Die Rechtsmittelführerin hätte dann Einsicht in dieses Dokument beantragen können(131).

244. Nach Ansicht des Gerichts wurde dieser Verfahrensfehler jedoch dadurch geheilt, dass Intel im Verwaltungsverfahren eine nicht vertrauliche Fassung des internen Aktenvermerks zur Verfügung gestellt und ihr Gelegenheit gegeben worden sei, zu diesem Dokument Stellung zu nehmen. Dieser Vermerk, der als interne Zusammenfassung der erörterten Themen für die Bediensteten der mit der Sache befassten Stellen der Kommission gedacht gewesen sei, habe die Namen der Teilnehmer und „eine kurze Zusammenfassung der angesprochenen Themen“ enthalten(132).

245. Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dass dem Gericht damit ein Rechtsfehler unterlaufen sei, und zwar nicht nur deshalb, weil die Kommission zur Aufzeichnung des Inhalts des in Rede stehenden Treffens verpflichtet gewesen sei, sondern auch deshalb, weil der Vermerk entgegen den Ausführungen des Gerichts keine „kurze Zusammenfassung der angesprochenen Themen“ protokolliert habe.

246. Dem stimme ich zu.

247. Grundsätzlich kann ein Vermerk der im angefochtenen Urteil beschriebenen Art unter keinen Umständen einen Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift heilen. Wie das Gericht im angefochtenen Urteil erkennt, handelt es sich bei dem Vermerk im Kern nur um eine kurze Zusammenfassung der bei dem Treffen erörterten Themen(133). Der Inhalt der Befragung wird hingegen nicht wiedergegeben. Dies räumt die Kommission auch selbst ein. Vor allem aber besagt der Vermerk nichts über den Inhalt der Informationen, die Herr D1 während des Treffens zu den darin angegebenen Fragekomplexen geliefert hat.

248. Meines Erachtens kann ein solcher Vermerk einen Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 nicht heilen.

249. Es kann nicht genug betont werden, dass die in den Akten befindlichen Informationen hinreichend gewährleisten müssen, dass die Verteidigungsrechte der Unternehmen, denen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union zur Last gelegt wird, gewahrt werden. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Ich werde die Erörterung dieser Problematik in den Nrn. 257 ff. vertiefen.

250. Folglich stellt sich die Frage, ob der Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 zur Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung im Hinblick auf die Dell betreffenden Feststellungen führen kann. Anders als das Gericht(134) meint die Rechtsmittelführerin, dass diese Frage zu bejahen sei. Die ACT schließt sich dieser Auffassung an. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin bezieht sich zwar auf Ausführungen, die der Vollständigkeit halber in die Begründung des angefochtenen Urteils aufgenommen wurden. Daher ließe sich argumentieren, dass dieses Vorbringen ins Leere gehe und nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könne(135). Soweit sich jedoch der Gerichtshof meiner Auffassung anschließen sollte, dass das Gericht zu Unrecht entschieden hat, dass erstens das in Rede stehende Treffen keine Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 war und dass zweitens der interne Aktenvermerk den Verfahrensfehler geheilt hat, der in der Entscheidung der Kommission bestand, keine Aufzeichnung von dem Treffen zu erstellen, muss der Gerichtshof auch die Begründung betreffend die Folgen eines möglichen Verfahrensfehlers im angefochtenen Urteil prüfen.

c)      Folge der Nichtaufzeichnung des in Rede stehenden Treffens

251. Dem angefochtenen Urteil zufolge lässt sich die hier vorliegende Situation vom Sachverhalt in der Rechtssache Solvay(136) unterscheiden, auf die sich die Rechtsmittelführerin in erster Linie stützt. In jener Rechtssache hatte die Kommission nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens mehrere Aktenstücke verlegt. Das betreffende Unternehmen hatte im Verfahren vor der Kommission keinen Zugang zu den Unterlagen gehabt. Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Verfahrensfehler dieser Art die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung rechtfertige. Der Maßstab für die Prüfung, ob eine Nichtigerklärung erfolgen kann, wurde wie folgt formuliert: Die Nichtigerklärung kann auf einen Verfahrensfehler gestützt werden, wenn nicht auszuschließen ist, dass die (verlegten) Unterlagen dem betreffenden Unternehmen erlaubt hätten, die Fakten anders zu interpretieren als die Kommission, was seiner Verteidigung hätte dienlich sein können(137).

252. Nach Ansicht des Gerichts lassen sich die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Solvay aber nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Im Gegensatz zu jener Rechtssache habe sich der Inhalt des in Rede stehenden Treffens rekonstruieren lassen(138). Aus diesem Grund verlangt das Gericht, gestützt auf die Rechtsprechung zur Akteneinsicht(139), von Intel ein erstes Indiz dafür, dass die Kommission „entlastendes Material nicht aufgenommen hat, das der Aussage der unmittelbaren schriftlichen Beweise, auf die sich die Kommission in der [streitigen] Entscheidung gestützt hat, widerspricht oder sie zumindest in einem anderen Licht erscheinen lässt“. Eine bloße Hypothese bezüglich der Relevanz der bei dem in Rede stehenden Treffen gelieferten Informationen genüge nicht(140).

253. Tatsächlich ist nach ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen im Verwaltungsverfahren die Einsicht in einen Teil der Akten verweigert, im Gerichtsverfahren aber gewährt wird, grundsätzlich als Maßstab heranzuziehen, ob die vorenthaltenen Informationen auf die eine oder andere Weise der Verteidigung des Unternehmens hätten dienlich sein können. Nicht erforderlich ist, dass die Informationen zu einer inhaltlich anderen Entscheidung geführt hätten(141). Es muss vielmehr belegt werden, dass sich das Unternehmen ohne den Fehler besser hätte verteidigen können(142).

254. Diese Regel gilt jedoch nur, wenn keine unmittelbaren schriftlichen Beweise verwendet worden sind. Hat sich die Kommission in einer angefochtenen Entscheidung auf unmittelbare schriftliche Beweise gestützt, muss das betreffende Unternehmen nachweisen, dass die Kommission entlastendes Material nicht aufgenommen hat, das der Aussage der unmittelbaren schriftlichen Beweise widerspricht oder sie zumindest in einem anderen Licht erscheinen lässt(143). Soweit die Kommission unmittelbare schriftliche Beweise zur Belastung des betreffenden Unternehmens verwendet, ist die Erfüllung der Beweisanforderungen also besonders schwierig.

255. Die Frage, ob dieser Ansatz im Allgemeinen angemessen ist, liegt außerhalb der Thematik der vorliegenden Schlussanträge. Allerdings ist eine solche der Rechtsmittelführerin auferlegte Beweisanforderung meines Erachtens eindeutig rechtlich fehlerhaft. Sie kann nämlich von dem betreffenden Unternehmen schlicht nicht erfüllt werden. Richtigerweise muss entsprechend den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Solvay die Frage gestellt werden, ob von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Informationen, zu denen das betreffende Unternehmen keinen Zugang hatte, seiner Verteidigung hätten dienlich sein können.

256. Im vorliegenden Fall ist diese Frage zu verneinen.

257. In der Rechtssache Solvay gab es keine denkbare Möglichkeit, den Inhalt der fehlenden Aktenstücke aus anderen Quellen zu rekonstruieren. Außerdem hatte die Kommission selbst eingeräumt, dass die fehlenden Aktenstücke aller Wahrscheinlichkeit nach für die Verteidigung des Unternehmens erhebliche Informationen (insbesondere Antworten auf Auskunftsersuchen) enthielten(144).

258. Wie oben dargelegt, wurde im vorliegenden Fall das in Rede stehende Treffen nicht angemessen aufgezeichnet. Dennoch erhielt die Rechtsmittelführerin im Verwaltungsverfahren Einsicht in die nicht vertrauliche Fassung des internen Aktenvermerks und den sogenannten Nachtrag. Dieses Dokument enthielt schriftliche Antworten von Dell auf Fragen, die Herrn D1 bei dem in Rede stehenden Treffen gestellt worden waren. Später wurde der Rechtsmittelführerin im Verfahren vor dem Gericht die vertrauliche Fassung des Vermerks zugänglich gemacht. Nach Ansicht des Gerichts lassen diese beiden Dokumente hinreichend erkennen, was bei dem Treffen erörtert wurde. Gestützt auf diese Dokumente gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass bei dem Treffen keine neuen entlastenden Beweise aufgetaucht seien, die die Rechtsmittelführerin für ihre Verteidigung hätte verwenden können(145).

259. Allerdings bleiben, wie das angefochtenen Urteil nur zu deutlich zeigt, die Informationen, die sich diesen Dokumenten in Bezug auf das Geschehen bei dem in Rede stehenden Treffen entnehmen lassen, reine Spekulation(146). Wie sich aus der Analyse der Informationen im angefochtenen Urteil ergibt, lässt sich, wenn keine angemessene Aufzeichnung des Treffens vorliegt, nicht mit Bestimmtheit sagen, was erörtert wurde und inwieweit dies entlastend, belastend oder auch neutral gewesen sein mag(147).

260. Eine gerichtliche Kontrolle kann nicht auf Vermutungen über Beweismittel gründen.

261. Zwar stehen, wie die Kommission hervorhebt, am Anfang einer Prüfung der Frage, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte zur Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung führen muss, die gegen das betreffende Unternehmen vorgebrachten Beschwerdepunkte und die Beweise, die zur Begründung dieser Beschwerdepunkte offengelegt wurden(148). Andernfalls könnte stets eingewandt werden, dass die nicht zu den Akten genommenen Informationen dem betreffenden Unternehmen von Nutzen hätten sein können(149).

262. Angesichts der Beschwerdepunkte, die die Kommission im vorliegenden Fall gegen Intel anführt, bestehen kaum Zweifel an der Erheblichkeit des in Rede stehenden Treffens. Wie das Gericht feststellt, belegen nämlich sowohl der interne Aktenvermerk als auch der Nachtrag, dass bei dem Treffen Fragen erörtert wurden, die für die Feststellung erheblich waren, ob Dell von Intel wettbewerbswidrige Treuerabatte erhielt(150).

263. In solchen Fällen verbleibt die Beweislast im Allgemeinen bei dem betreffenden Unternehmen(151). Wie die Kommission ausführt, hat das Unternehmen die Tatsachen zu benennen und Beweis dafür zu erbringen, dass es die Dokumente, zu denen ihm im Verwaltungsverfahren der Zugang verweigert wurde, zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Dokumente im Verwaltungsverfahren vorenthalten wurden und sich ihr Inhalt später feststellen lässt und vom Gerichtshof überprüft werden kann(152). Wie Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Solvay ausgeführt hat, besteht der Grund hierfür darin, dass das betreffende Unternehmen in solchen Fällen in der Lage ist, die Autoren und das Wesen des ihm vorenthaltenen Dokuments zu benennen. Das ist aber nicht der einzige Grund. Vor allem vermag das betreffende Unternehmen in solchen Fällen den Inhalt der Dokumente anzugeben(153).

264. Hier verhält es sich anders. Die Identität des Verfassers und das Wesen des Treffens sind aufgrund des internen Aktenvermerks bekannt. Der Inhalt der Antworten, die Herr D1 auf die ihm von der Kommission gestellten Fragen gegeben hat, bleibt aber trotzdem im Dunklen. Es ist zwar, wie das Gericht anmerkt, einzuräumen, dass der interne Aktenvermerk und der Nachtrag in gewissem Grad die bei dem in Rede stehenden Treffen angesprochenen konkreten Themen erkennen lassen. Die Dokumente genügen jedoch nicht, um im Nachhinein die gelieferten Beweise, d. h. die bei dem Treffen tatsächlich gemachten Aussagen, zu rekonstruieren.

265. Das angefochtene Urteil geht auf diese Problematik zwar nicht ausdrücklich ein, jedoch kann man zu einem gegenteiligen Ergebnis nur dann gelangen, wenn man annimmt, dass Herr D1 und Dell identisch sind und dass Herr D1 nur den Standpunkt von Dell zu den erörterten Themen wiederholen konnte. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei Herrn D1 um ein höchstrangiges Mitglied der Geschäftsleitung von Dell handelte, mag diese Annahme durchaus zutreffen.

266. Möglicherweise ist sie aber auch falsch.

267. Entgegen dem, was die Kommission in der mündlichen Verhandlung nahegelegt zu haben scheint, ist es ebenso denkbar, dass Herr D1 seine persönliche Meinung zu den bei dem in Rede stehenden Treffen erörterten Themen geäußert hat(154). Wir wissen es einfach nicht. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass das Treffen ein anderes oder sogar neues Licht auf die Bedingtheit der Dell gewährten Rabatte geworfen hat. Statt diese Möglichkeit einzuräumen, verlangt das Gericht von der Rechtsmittelführerin den wohl unmöglich zu erbringenden Nachweis, dass bei dem nicht aufgezeichneten Treffen Entlastungsbeweise aufgetaucht sind, die die von der Kommission zur Begründung ihrer Beschwerdepunkte herangezogenen Beweise in einem anderen Licht hätten erscheinen lassen können. Aus naheliegenden Gründen ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rechtsmittelführerin dieser Beweis nicht gelungen sei.

268. Infolgedessen muss ich zu dem Ergebnis kommen, dass der vierte Rechtsmittelgrund ebenfalls durchgreift.

269. Sollte sich der Gerichtshof meiner Auffassung nicht anschließen, möchte ich gleichwohl aus folgenden Gründen davon abraten, den vierten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

270. Nehmen wir einmal an, dass das in Rede stehende Material im Nachhinein mit rechtlich hinreichender Sicherheit rekonstruiert werden kann, wie dies das Gericht im angefochtenen Urteil befunden hat. Dem Gericht zufolge hat die Rechtsmittelführerin deshalb nachzuweisen, dass das in Rede stehende Material die „unmittelbaren schriftlichen Beweise“ in Frage stellen könnte, die nach den Feststellungen bereits genügten, um Intel der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung bezüglich der Dell gewährten Rabatte zu überführen(155). Dieser Ansatz beruht auf einem Irrtum. Es wird dabei nämlich fälschlich davon ausgegangen, dass die im Verwaltungsverfahren vorenthaltenen Beweismittel zwangsläufig einen geringeren Beweiswert haben als die Beweismittel, die die Kommission zur Begründung ihrer Feststellung des Vorliegens eines Missbrauchs vorgelegt hat. Genauer gesagt ist Ursache des Problems die allzu weite Auslegung des Begriffs „unmittelbare schriftliche Beweise“ im angefochtenen Urteil.

271. Meines Wissens hat der Gerichtshof diesen Begriff nicht ausdrücklich definiert. Die Rechtsprechung enthält jedoch sachdienliche Anhaltspunkte für seine Tragweite.

272. Im Allgemeinen dient der Begriff der unmittelbaren schriftlichen Beweise in der Rechtsprechung im Rahmen von Art. 101 AEUV zur Bezeichnung bestimmter Arten von Beweismitteln (z. B. im Gegensatz zu Indizien oder wirtschaftlichen Belegen), die die Kommission zur Feststellung einer Zuwiderhandlung verwenden darf, z. B. einer Beteiligung konkreter Unternehmen an einem Kartell oder einer ähnlichen gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Verhaltensweise(156).

273. Anders als bei Indizien(157) stammen unmittelbare schriftliche Beweise in der Regel von den Unternehmen, die einer Verletzung der Wettbewerbsregeln der Union und insbesondere eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV verdächtigt werden. Üblicherweise hat das Beweismittel die Form eines Schriftstücks, das seinerseits auf das Bestehen eines Kartells (oder die Beteiligung konkreter Unternehmen an einem solchen Kartell) hindeutet. Als Beispiele hierfür wären etwa der Fall eines Vermerks über eine Vereinbarung zwischen Teilnehmern, der E‑Mail-Verkehr zwischen Teilnehmern über Preispolitik oder auch Protokolle von Treffen hinsichtlich solcher Verhaltensweisen zu nennen(158). Hat die Kommission solche Beweismittel zum Beleg einer Zuwiderhandlung oder der Beteiligung von Unternehmen an einer Zuwiderhandlung herangezogen, müssen die Unternehmen, um eine Nichtigerklärung der betreffenden Entscheidung zu erwirken, dartun, dass das Material, das ihnen im Verwaltungsverfahren nicht zugänglich war, der Aussage der vorgelegten unmittelbaren schriftlichen Beweise widerspricht(159).

274. Die Beweismittel, die die Kommission in der streitigen Entscheidung zum Beleg der Bedingtheit der Dell gewährten Rabatte heranzieht, lassen sich bestenfalls als Indizien bzw. als Vermutungen bezeichnen(160). Was tatsächlich nicht übersehen werden darf, ist der Umstand, dass im vorliegenden Fall die in Rede stehenden „Ausschließlichkeitsrabatte“ (einschließlich der Dell gewährten Rabatte) als de facto an die Bedingung der Ausschließlichkeit geknüpft angesehen wurden, weil die Rabatte nicht auf einer förmlichen ausschließlichen Bezugsverpflichtung beruhten(161). Die Bedingtheit der Dell gewährten Rabatte wurde eher (indirekt) aus deren Höhe geschlossen(162). Besondere Berücksichtigung fand auch, dass Dell den Eindruck hatte, es sei mit Risiken verbunden, wenn sie zur Deckung eines Teils ihres Bedarfs zu einem Wettbewerber wechseln würde(163). Auch wenn dies selbstverständlich klingen mag: Solches Material lässt sich kaum als „unmittelbarer schriftlicher Beweis“ für die Bedingtheit der in Rede stehenden Rabatte bezeichnen.

275. Mangels jedweden Schriftstücks, das die Existenz einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung belegt, würde, wollte man beliebiges schriftliches Beweismaterial als „unmittelbaren schriftlichen Beweis“ für die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV akzeptieren, meines Erachtens die Verteidigungsrechte des betreffenden Unternehmens schwerwiegend beeinträchtigt: Es genügte dann nicht, dass ein Unternehmen dartut, dass ein Beweismittel, das ihm im Verwaltungsverfahren nicht zugänglich war, seiner Verteidigung dienlich hätte sein können. Das Unternehmen hätte außerdem darzutun (wie dies das Gericht im angefochtenen Urteil verlangt hat), dass das vorenthaltene Material der Aussage der von der Kommission zur Begründung ihrer Feststellung eines Missbrauchs vorgelegten Beweise widerspricht.

276. Angesichts dessen bin ich der festen Überzeugung, dass Indizien der in der streitigen Entscheidung beschriebenen Art in ihrer Gesamtheit geprüft werden müssen (bevor entschieden werden kann, ob der Großteil der vorgelegten Beweise in seiner Gesamtheit zum Nachweis des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung genügt). Zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung muss das betreffende Unternehmen unter diesen Umständen einfach nur dartun, dass das vorenthaltene Material auf die eine oder andere Weise seiner Verteidigung hätte dienlich sein können, nicht aber, dass dieses Material der Aussage der von der Kommission zur Begründung ihrer Feststellung der Zuwiderhandlung vorgelegten Beweise widerspricht(164).

277. Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass selbst bei dieser hilfsweise geprüften Variante der vierte Rechtsmittelgrund durchgreift.

F –    Fünfter Rechtsmittelgrund: Zuständigkeit

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

278. Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht Intel, unterstützt von der ACT, geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Kommission für die Anwendung von Art. 102 AEUV auf die Vereinbarungen von Intel mit Lenovo aus den Jahren 2006 und 2007 (im Folgenden: Vereinbarung von 2006 bzw. von 2007 oder zusammen Lenovo-Vereinbarungen) zuständig gewesen sei. Zum einen wurde Lenovo aufgrund der Vereinbarung von 2006 durch finanzielle Anreize dazu angehalten, die Markteinführung von zwei AMD-basierten Produkten auf den Weltmarkt zu verschieben (und schließlich aufzugeben)(165). Zum anderen bezog sich die Vereinbarung von 2007 auf die Rabatte, die Intel gewähren würde, falls sich Lenovo dazu entschlösse, die Prozessoren für ihre Notebooks ausschließlich von Intel zu beziehen(166). Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dass die reinen Beschränkungen und Rabatte betreffend Lenovo weder zu irgendeinem Zeitpunkt im EWR durchgeführt worden seien noch irgendwelche vorhersehbaren, unmittelbaren oder wesentlichen Auswirkungen im EWR gehabt hätten.

279. Die Kommission hält den fünften Rechtsmittelgrund für unbegründet, da das Gericht zu Recht entschieden habe, dass die Kommission zur Anwendung von Art. 102 AEUV auf die Lenovo-Vereinbarungen befugt gewesen sei. Nach Ansicht der Kommission kann die Zuständigkeit völkerrechtlich aufgrund mehrerer Faktoren gegeben sein, sofern ein hinreichender Bezug zwischen dem beanstandeten Verhalten und den einschlägigen Vorschriften des betreffenden Gebiets bestehe. Insoweit seien das Kriterium der Durchführung und das Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen nur zwei der Möglichkeiten, einen solchen Bezug herzustellen. Das angefochtene Urteil sei, was die Heranziehung dieser Kriterien betreffe, nicht rechtsfehlerhaft.

2.      Würdigung

280. Der vorliegende Rechtsmittelgrund ist keineswegs von geringerer Bedeutung als die bisher geprüften Rechtsmittelgründe. Er gibt dem Gerichtshof die willkommene Gelegenheit, die auf das Urteil ICI zurückgehende und anschließend im Zellstoff-Urteil(167) weiterentwickelte Rechtsprechung zur territorialen Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union klarzustellen. Der Gerichtshof wird die Möglichkeit haben, diese Rechtsprechung zu präzisieren und den heutigen Gegebenheiten anzupassen, die durch eine Globalwirtschaft, integrierte Märkte und ausgeklügelte Handelsmuster gekennzeichnet sind.

281. An dieser Stelle sind die breiteren Auswirkungen zu beachten, die die Entscheidung des Gerichtshofs wahrscheinlich haben wird. Eine zu großzügige Auslegung der Regeln über die territoriale Zuständigkeit ist im Völkerrecht, in dessen Licht das Unionsrecht auszulegen ist, nicht unumstritten(168). Deshalb ist es angebracht, diesen Rechtsmittelgrund in einen größeren Rahmen zu stellen.

282. Im Allgemeinen gibt es (mindestens) drei verschiedene Zuständigkeitsformen: Rechtsetzungsbefugnis, Durchsetzungsbefugnis und Rechtsprechungsbefugnis. Intel bezweifelt die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union auf ein einseitiges Verhalten, das auf Vereinbarungen beruhe, die sich wohl außerhalb der Union auswirkten. Das vorliegende Verfahren betrifft also nicht die praktische Durchsetzung außerhalb des Unionsgebiets, eine Problematik, die völkerrechtlich eine Vielzahl von Schwierigkeiten bereitet.

283. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass das Völkerrecht den Staaten erlaubt, in bestimmten Fällen eine Zuständigkeit exterritorial wahrzunehmen. Obwohl keine entsprechende Rechtspflicht als solche besteht(169), gebietet allerdings die gegenseitige Beachtung der Zuständigkeitsbereiche der Union und der betreffenden Drittstaaten(170) bzw. die Courtoisie, bei der Ausübung extraterritorialer Zuständigkeit Zurückhaltung zu üben. So überrascht es nicht, dass die Union selbst der extraterrorialen Anwendung der Rechtsvorschriften von Drittstaaten entgegentritt, wenn sie eine solche Rechtsanwendung für rechtswidrig erachtet(171).

284. Bei einer Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Anwendung des Unionsrechts einen angemessenen Bezug zum Unionsgebiet voraussetzt(172). Damit wird der völkerrechtliche Grundsatz der Territorialität gewahrt. Dennoch ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Staat oder eine internationale Organisation bei der Ausübung von Hoheitsgewalt Umstände mit berücksichtigt, die sich außerhalb seines bzw. ihres territorialen Zuständigkeitsbereichs abspielen oder abgespielt haben(173).

285. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt, dass das Wettbewerbsrecht der Union unter der Voraussetzung gilt, dass ein angemessener Bezug zum Unionsgebiet besteht, sei es in Form der Präsenz einer Tochtergesellschaft oder sei es in Form der Durchführung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens in diesem Gebiet. In früheren Rechtssachen war dieser Bezug allerdings viel deutlicher zu erkennen als im gegenwärtigen Fall.

286. Vorliegend meint das Gericht, dass zwei alternative Anknüpfungspunkte zur Geltendmachung der Zuständigkeit bestünden, nämlich das Kriterium der Durchführung und das Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen der Verhaltensweisen im EWR(174). Die Heranziehung dieser Kriterien führe jeweils zum selben Ergebnis, nämlich dass die Kommission die Zuständigkeit in Sachen der Lenovo-Vereinbarungen besessen habe(175).

287. Im Folgenden werde ich erstens meinen Standpunkt zur Frage der Zuständigkeit bei der öffentlich-rechtlichen Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union darlegen(176). Sodann werde ich erläutern, weshalb meines Erachtens der Rechtsmittelgrund durchgreift.

a)      Allgemeine Bemerkungen: Durchführung und/oder Auswirkungen?

288. Der erste Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist einfach und liegt auf der Hand. Zur Bestimmung, ob die Kommission die Wettbewerbsregeln der Union auf ein bestimmtes Verhalten anwenden darf, ist vom Wortlaut der Art. 101 und 102 AEUV auszugehen. Weit davon entfernt, der Kommission einen Freibrief auszustellen zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union auf ein Verhalten unabhängig davon, wo es stattfindet und ob es einen deutlichen Bezug zum Unionsgebiet aufweist, betreffen die genannten Vorschriften ein kollektives oder auch einseitiges Verhalten auf dem Binnenmarkt, denn Art. 101 AEUV verbietet Vereinbarungen und Verhaltensweisen, „welche … eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken“; Art. 102 AEUV seinerseits verbietet „die missbräuchliche Ausnutzung … auf dem Binnenmarkt“.

289. Die für die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union geltende Zuständigkeitsregelung ist somit in den genannten Bestimmungen klar verankert. Während Art. 102 AEUV etwas weniger deutlich formuliert ist, ist der Wortlaut von Art. 101 AEUV insofern sehr eindeutig, als er auf ein Verhalten abstellt, das wettbewerbswidrige Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hat.

290. Außerdem verstehe ich ebenso wie die Kommission das Zellstoff-Urteil des Gerichtshofs nicht im Sinne einer implizierten Aussage dahin gehend, dass die Durchführung das einzige gültige Zuständigkeitskriterium sei. Vielmehr meine ich, dass im Fall der Durchführung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens in der Union die Anwendbarkeit der Art. 101 und 102 AEUV außer Zweifel steht. Es ist mit anderen Worten unbestreitbar, dass ein in der Union durchgeführtes Verhalten Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hat und daher nicht der Kontrolle anhand der Wettbewerbsregeln der Union entzogen ist. Insoweit darf nicht übersehen werden, dass das Durchführungskriterium fest auf dem Territorialitätsgrundsatz aufbaut und dementsprechend, wenn es erfüllt ist, einen entscheidenden Faktor für die Begründung der Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung dieser Regeln auf ein konkretes Verhalten darstellt(177).

291. Unerheblich ist insoweit, dass nur ein Teil des relevanten Verhaltens in der Union stattfindet(178). In der Zellstoff-Rechtssache war der Gerichtshof mit einer Serie von – von der Kommission als Verstoß gegen den jetzigen Art. 101 AEUV gewerteten – Verhaltensweisen zur Festsetzung der Preise für Zellstoff befasst, die außerhalb der (jetzigen) Union von ausländischen Zellstoffherstellern beschlossen worden waren. In diesem Kontext erläuterte der Gerichtshof, weshalb es nicht auf den Abschluss einer Vereinbarung bzw. die Bildung eines Kartells ankomme, sondern auf dessen Durchführung. Falls die in den Verträgen festgelegten Verbote – so der Gerichtshof – nur dann anwendbar wären, wenn das Kartell im Unionsgebiet gebildet wird, würde den Unternehmen ein einfaches Mittel an die Hand gegeben, sich der Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union zu entziehen. In der genannten Rechtssache war das Durchführungskriterium aufgrund des Direktverkaufs der vom Kartell erfassten Erzeugnisse erfüllt, da die betreffenden Unternehmen Zellstoff unmittelbar an Abnehmer in der Union veräußert hatten(179).

292. Anders als Intel meine ich jedoch nicht, dass nur bei Direktverkäufen des betreffenden Unternehmens in der Union das Durchführungskriterium im Sinne der Zellstoff-Rechtsprechung als erfüllt gelten kann. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch ist unter „Durchführung“ ein Umsetzen oder Inkraftsetzen zu verstehen. Zur Erfüllung des Kriteriums muss einer der wesentlichen Bestandteile des wettbewerbswidrigen Verhaltens in der Union stattfinden. Ob dies der Fall ist, hängt in erster Linie von Wesen, Form und Umfang des in Rede stehenden Verhaltens ab. Zur Überprüfung, ob das Verhalten in der Union durchgeführt wird, ist eine Einzelfallbeurteilung des rechtswidrigen Verhaltens notwendig. So bin ich z. B. nicht überzeugt, dass der indirekte Absatz des relevanten Erzeugnisses niemals als Durchführung angesehen werden kann(180). Meines Erachtens hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu den dabei zu berücksichtigenden Faktoren zählt z. B., ob eines der Unternehmen, die ein Erzeugnis einem Kartell unterstellen, und das Unternehmen, das das Erzeugnis in ein anderes Erzeugnis einbaut, das dann in der Union verkauft wird, eine wirtschaftliche Einheit bilden oder, wenn das nicht der Fall ist, ob andere unternehmerische oder strukturelle Beziehungen zwischen den betreffenden Unternehmen bestehen.

293. Abschließend zu diesem Punkt bleibt festzuhalten, dass die Durchführung eines kollektiven oder auch einseitigen Verhaltens auf dem Binnenmarkt vorliegt – was fraglos die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV begründet –, wenn ein innerterritoriales Verhaltenselement gegeben ist(181), d. h. mit anderen Worten, wenn das rechtswidrige Verhalten zum Teil auf dem Binnenmarkt durchgeführt, umgesetzt oder in Kraft gesetzt wird, weil ein wesentlicher Bestandteil des Verhaltens dort stattfindet.

294. Würde die Durchführung jedoch als alleiniges Zuständigkeitskriterium gelten, bei dessen Erfüllung die Wettbewerbsregeln der Union eingreifen, so würden verschiedene Arten von Verhalten, die durchaus eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken mögen, dem Geltungsbereich dieser Regeln entzogen. Dabei denke ich an ein Verhalten, das in einer rechtswidrigen Unterlassung, etwa in einer Geschäftsverweigerung oder einem Boykott, besteht. Wie oben, Nrn. 288 und 289, ausgeführt, liefe eine solche Auslegung der Art. 101 und 102 AEUV dem Wortlaut dieser Bestimmungen zuwider.

295. Tatsächlich haben bereits mehrere Generalanwälte dem Gerichtshof die Verfolgung eines auf die Auswirkungen abstellenden Ansatzes bei Entscheidungen über die Zuständigkeit im Bereich des Wettbewerbsrechts empfohlen(182). Bisher hat der Gerichtshof einen solchen Ansatz weder übernommen noch ausdrücklich verworfen(183).

296. Vor diesem Hintergrund sollte sich der Gerichtshof meiner Meinung nach in der vorliegenden Rechtssache ausdrücklich mit dieser Problematik befassen und entsprechend den Vorschlägen der vorstehend genannten Generalanwälte einen auf die Auswirkungen abstellenden Ansatz bei der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV verfolgen.

297. Ob ein solcher Ansatz auf einem (weiten) Begriff der Territorialität beruht oder stattdessen eine extraterritoriale Anwendung der Unionsregeln beinhaltet, ist nicht entscheidend(184). Worauf es vielmehr ankommt, ist, dass unter bestimmten Umständen die Auswirkungen ein Zuständigkeitskriterium darstellen, das bei Rechtsvorschriften dieser Art im Völkerrecht allgemein anerkannt ist(185) und das weltweit von zahlreichen Rechtsordnungen angenommen wurde(186). Tatsächlich wird in der Literatur vielfach die Auffassung vertreten, dass alle Kontroversen bezüglich der Akzeptanz des Ansatzes mittlerweile der Vergangenheit angehören(187).

298. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass mehrere andere unionsrechtliche Bestimmungen ausländisches Verhalten von Rechtssubjekten, die weder Angehörige eines Mitgliedstaats der Union noch physisch oder rechtlich in der Union präsent sind, regeln, weil das Verhalten Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hervorruft. Dies gilt z. B. für eine Reihe von Bestimmungen über Geschäfte mit Finanzinstrumenten oder andere Arten von Wirtschaftsverhalten(188).

299. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede Auswirkung, wie gering oder mittelbar sie auch sein mag, zur Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union führen kann. In einer Globalwirtschaft dürfte jedes Verhalten, das irgendwo in der Welt stattfindet, fast zwangsläufig irgendwelche Auswirkungen auf die Union haben. Dennoch darf die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV nicht auf zu entfernten oder rein hypothetischen Bezügen oder Auswirkungen beruhen.

300. Ich halte es für besonders wichtig, dass bei einem Verhalten, das nicht im eigentlichen Sinne im Unionsgebiet stattgefunden hat, die Zuständigkeit mit Zurückhaltung geltend gemacht wird. Um nämlich bestimmten Geboten der Courtoisie zu entsprechen und auch um sicherzustellen, dass Unternehmen in einem vorhersehbaren rechtlichen Umfeld tätig werden können, können die Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens als Maßstab dafür dienen, dass die Zuständigkeit nur mit äußerster Vorsicht wahrgenommen wird. Dies ist in der heutigen Zeit von umso größerer Bedeutung. Es gibt weltweit mehr als 100 nationale oder supranationale Behörden, die eine Zuständigkeit in Sachen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen für sich beanspruchen.

301. Wie das Gericht im Urteil Gencor entschieden hat, lässt sich die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union auf ein konkretes Verhalten nur rechtfertigen, wenn das Verhalten vorhersehbare, unmittelbare und wesentliche Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hat(189). Insoweit lassen sich offensichtliche Parallelen zu den in den Vereinigten Staaten von Amerika geltenden Wettbewerbsregeln ziehen: In Section 1 des Sherman Act ist ein allgemeines Verbot von Handelsbeschränkungen vorgesehen, das ohne geografische Grenzen gilt. Deshalb erließ der US Congress im Jahr 1982 den Foreign Trade Antitrust Improvement Act(190) (FTAIA), um die extraterritoriale Anwendung des Sherman Act klarzustellen (und möglicherweise zu beschränken). Der FTAIA besagt u. a. im Wesentlichen, dass die US-amerikanischen Wettbewerbsregeln nicht auf ausländisches Verhalten Anwendung finden, es sei denn, das Verhalten hat unmittelbare, wesentliche und hinreichend vorhersehbare Auswirkungen in den USA. Im Urteil Empagran hat der US Supreme Court im Rahmen der Auslegung des Sherman Act und des FTAIA entschieden, dass die Anwendung US-amerikanischer Rechtsvorschriften auf ausländisches Verhalten unangemessen sei, wenn der gerügte Auslandsschaden unabhängig von einem Inlandsschaden eintrete(191).

302. Von ähnlichen Grundsätzen sollte sich der Gerichtshof leiten lassen bei der Auslegung und Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV auf ein kollektives oder auch einseitiges Verhalten von Unternehmen, das vollständig außerhalb der Grenzen der Union stattfindet. Meiner Ansicht nach wird ein solches Verhalten von den genannten Bestimmungen nur erfasst, soweit eine unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare wettbewerbswidrige Auswirkung auf dem Binnenmarkt erkennbar ist. Dieses Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen (also, wie ich es verstehe, von Auswirkungen, die signifikant genug sind, um die Zuständigkeit zu begründen) ist nicht erfüllt, wenn z. B. die Wirkung in der Union lediglich hypothetisch eintritt oder jedenfalls nur von geringfügiger Signifikanz ist. Es ist auch dann nicht erfüllt, wenn die Wettbewerbsverfälschung auf dem Binnenmarkt dem betreffenden Unternehmen nicht zugerechnet werden kann, weil es die schädlichen Wirkungen nicht vorhersehen konnte.

303. Der Wortlaut der Art. 101 und 102 AEUV deckt nicht die Anwendung der Unionsregeln durch die Kommission bei einem Verhalten, das keine „qualifizierte“ Auswirkung im Unionsgebiet hat. Ein anderslautendes Ergebnis wäre auch völkerrechtlich problematisch. Bei einer übermäßigen Reichweite der Wettbewerbsregeln der Union bestünde die Gefahr, souveräne Belange anderer Staaten zu beeinträchtigen; außerdem stieße die Durchsetzung auf rechtliche und praktische Schwierigkeiten(192). Ferner käme es zu wesentlich mehr Überschneidungen von Zuständigkeitsbereichen verschiedener Staaten oder Gemeinwesen, was bei den Unternehmen große Unsicherheit schaffen und das Risiko erhöhen könnte, dass für ein und dasselbe Verhalten kollidierende Regeln (oder Gerichtsurteile) gelten. Schließlich, aber nicht weniger bedeutsam, könnten Fragen im Rahmen des Grundsatzes der guten Verwaltung aufgeworfen werden: Welches Interesse bestünde an der Durchsetzung von Unionsregeln bei einem Verhalten, das keinerlei signifikante Auswirkungen in der Union hat? Wäre dies eine gerechtfertigte und effektive Nutzung der begrenzten Mittel der Union?

304. Angesichts dessen ist meines Erachtens entgegen der Auffassung von Intel nicht zu beanstanden, dass das Gericht die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung von Art. 102 AEUV sowohl anhand des Durchführungskriteriums als auch des Kriteriums der „qualifizierten“ Auswirkungen geprüft hat. Sicherlich wäre es logisch zwingender gewesen, zunächst zu untersuchen, ob das Verhalten von Intel in der Union durchgeführt wurde, und nur in dem Fall, dass dies zu verneinen wäre, zu beurteilen, ob das Verhalten dennoch „qualifizierte“ Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hatte.

305. Dass Intel im Verwaltungsverfahren die Zuständigkeit der Kommission nicht in Frage gestellt hatte – worauf das Gericht in Rn. 246 des angefochtenen Urteils hinweist –, ist indessen ohne Belang. Wie der Gerichtshof durchgängig entschieden hat, erstreckt sich die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle insoweit auf sämtliche Bestandteile der Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der von den betreffenden Klägern geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von ihnen vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem Erlass der Entscheidung –, unabhängig davon, ob sie vorab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens oder zum ersten Mal im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht wurden, soweit diese Umstände für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission maßgeblich sind(193).

306. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der vom Gericht herangezogene rechtliche Rahmen nicht zu beanstanden ist. Gleichwohl veranlasst mich die Anwendung dieser Zuständigkeitskriterien auf die von den Lenovo-Vereinbarungen ausgehenden behaupteten Missbräuche im angefochtenen Urteil zu folgenden kritischen Anmerkungen.

b)      Beurteilung der Heranziehung der einschlägigen Zuständigkeitskriterien durch das Gericht

307. Zu Beginn werde ich die Feststellungen des Gerichts hinsichtlich der von den Lenovo-Vereinbarungen ausgehenden Durchführung der reinen Beschränkungen und der Ausschließlichkeitsrabatte im EWR untersuchen.

i)      Durchführung

308. Im angefochtenen Urteil(194) stellt das Gericht fest, dass die Lenovo-Vereinbarungen von Lenovo weltweit durchgeführt werden sollten, u. a. auch im EWR. Angesichts dieser Vereinbarungen könne Intel nicht geltend machen, sie habe keinen Einfluss auf die Verwendung der Intel-Prozessoren durch Lenovo gehabt. Intel sei auch bekannt gewesen, dass Lenovo auf dem Binnenmarkt präsent gewesen sei und dort ihre Notebooks verkauft habe.

309. Meines Erachtens ist diese Begründung mit einem Rechtsfehler behaftet. Wäre die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass Intel gemeinsam mit Lenovo gegen Art. 101 AEUV verstoßen habe, hätte das Gericht zu Recht darauf abstellen dürfen, ob die Vereinbarungen dazu bestimmt waren, von einer Vertragspartei im EWR durchgeführt zu werden. Gegenstand der streitigen Entscheidung ist jedoch ein Verhalten, das die Kommission gemäß Art. 102 AEUV rügt, nämlich ein einseitiges Verhalten von Intel. Voraussetzung ist folglich, dass dieses einseitige Verhalten – der gerügte Missbrauch – im EWR durchgeführt werden sollte.

310. Dennoch findet sich im angefochtenen Urteil an keiner Stelle ein Hinweis auf ein Verhalten, das von Intel im EWR-Gebiet ausgeht oder durchgeführt wird und das die Durchführung des Inhalts der Lenovo-Vereinbarungen bezweckt. Dies ist nicht verwunderlich. Diese Vereinbarungen zwischen einem US-amerikanischen und einem chinesischen Unternehmen betrafen den Absatz von außerhalb der Union hergestellten und veräußerten Prozessoren, die für den Einbau in in China gefertigte Computer bestimmt waren. Die Vereinbarungen schränkten lediglich die Möglichkeiten von AMD, einem anderen US-amerikanischen Unternehmen, zum Verkauf von Prozessoren auf dem chinesischen Markt ein.

311. Anstatt sich auf eine mögliche Durchführung durch Intel zu konzentrieren, stellt das Gericht auf das Abnehmerverhalten auf einem nachgeschalteten Markt ab, um einen Bezug zum EWR-Gebiet herzustellen. Die bloße Tatsache, dass Lenovo für einen gewissen Zeitraum ein bestimmtes Computermodell weltweit nicht, möglicherweise auch nicht im EWR, verkaufte, stellt für das Gericht einen Fall der Missbrauchsdurchführung durch Intel dar.

312. Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen. Knüpft man die Durchführung an das Verhalten des Abnehmers des Unternehmens, dem ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV zur Last gelegt wird, so könnte nahezu jedes Verhalten – wie entfernt auch immer es mit dem Unionsgebiet zu tun haben mag – als ein Verhalten ausgelegt werden, das aufgrund des Durchführungskriteriums in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fällt. Ebenso wenig einleuchtend sind die anderen vom Gericht berücksichtigten Gesichtspunkte. Erstens spielt der bloße Umstand, dass Intel Einfluss auf die Verwendung der Intel-Prozessoren durch Lenovo hatte, meines Erachtens insoweit keine Rolle. Etwas anderes würde vielleicht gelten, wenn Lenovo irgendwelche unternehmerischen oder strukturellen Beziehungen zu Intel gehabt hätte. Zweitens ist die Tatsache, dass Intel bekannt war, dass Lenovo auf dem Binnenmarkt präsent war und dort Notebooks verkaufte, meiner Meinung nach ebenfalls unerheblich. Ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass das rechtswidrige Verhalten nicht im Verkauf von Notebooks besteht, sondern im Ausschluss von AMD vom Prozessormarkt. Das bloße Wissen um die Präsenz eines Abnehmers im EWR kann nicht als Fall der Missbrauchsdurchführung auf einem vorgeschalteten Markt angesehen werden.

313. Angesichts der im angefochtenen Urteil angeführten Gesichtspunkte bin ich daher nicht überzeugt, dass der gerügte Missbrauch seitens Intel als im Sinne des Zellstoff-Urteils im EWR durchgeführt gelten kann. Soweit ich sehe, kann kein Aspekt des in Rede stehenden Verhaltens dahin verstanden werden, dass er auf dem Binnenmarkt durchgeführt, ausgeführt oder in Kraft gesetzt worden wäre.

314. Das schließt jedoch nicht aus, dass das Verhalten von Intel wettbewerbswidrige Auswirkungen auf dem Binnenmarkt haben kann, die von Art. 102 AEUV erfasst werden. Deshalb wende ich mich nunmehr den Feststellungen des Gerichts zu den Auswirkungen des von Intel begangenen Missbrauchs im EWR zu.

ii)    „Qualifizierte“ Auswirkungen

315. Im angefochtenen Urteil(195) legt das Gericht zunächst dar, dass die Prüfung anhand des Kriteriums vorzunehmen sei, ob das Verhalten von Intel unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen auf dem Binnenmarkt haben könnte. Dies bedeute nicht, dass die Wirkung auf dem Markt auch konkret sein müsse; zu verlangen sei lediglich, dass das in Rede stehende Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Markt spürbar und nicht unerheblich beeinflussen könne. Sodann untersucht das Gericht die Auswirkungen der beiden Arten von Verhalten getrennt.

316. Zu den reinen Beschränkungen stellt das Gericht fest, dass bei den beiden Notebooks, die von dem Verschieben der Markteinführung betroffen gewesen seien, von einem Verkauf von 5 400 bzw. 4 250 Stück in der Region EMOA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) im vierten Quartal 2006 ausgegangen worden sei. Der EWR sei ein bedeutender Teil dieser Region. Da Intel keine Nachweise für ihr Vorbringen erbracht habe, wonach es durchaus denkbar sei, dass alle diese Computer für Gebiete außerhalb des EWR bestimmt gewesen seien, meint das Gericht, es könnten zumindest potenzielle Auswirkungen im EWR bestehen. Im Weiteren räumt das Gericht ein, dass die betroffenen Stückzahlen eher gering gewesen seien, jedoch sei das Verhalten von Intel Bestandteil einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gewesen(196). Mit dem Verhalten von Intel sei bezweckt worden, unmittelbare Auswirkungen im EWR (wo eine bestimmte Zeit lang kein Computer mit AMD-Prozessor erhältlich gewesen sei und das Verhalten von Intel den Verkauf von Computern durch Lenovo unmittelbar betroffen habe) hervorzurufen(197).

317. Zu den Ausschließlichkeitsrabatten stellt das Gericht fest, dass die Auswirkungen unmittelbar gewesen seien, da weltweit und damit auch im EWR kein Lenovo-Notebook mit einem x86-Prozessor eines Wettbewerbers von Intel verfügbar gewesen sei. Die wettbewerbswidrige Wirkung sei für Intel vorhersehbar und sogar beabsichtigt gewesen. Was die Wesentlichkeit der Auswirkungen angehe, sei festzustellen, dass die Ausschließlichkeitsrabatte Bestandteil einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gewesen seien(198).

318. Die Begründung des Gerichts ist nicht nur knapp. Sie ist vor allem auch mit einem Rechtsfehler behaftet.

319. Bei beiden Arten von Verhalten lautet das einzige Argument des Gerichts zur Wesentlichkeit der Wirkung auf dem Binnenmarkt, dass sie Bestandteil einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gewesen seien. Wie jedoch oben, Nrn. 179 ff., dargelegt, handelt es sich beim Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung lediglich um ein verfahrensrechtliches Institut, mit dessen Hilfe den Wettbewerbsbehörden die Beweislast erleichtert werden soll. Die Reichweite der in den Verträgen festgelegten Verbote wird durch den Begriff nicht erweitert und kann auch nicht erweitert werden.

320. Genau dies hat das Gericht im angefochtenen Urteil jedoch getan. Statt zu prüfen, ob die Ausschließlichkeitsrabatte und die reinen Beschränkungen jeweils eine spürbare wettbewerbswidrige Wirkung auf dem Binnenmarkt hätten hervorrufen können, was die Anwendung von Art. 102 AEUV zur Folge hätte, fasst das Gericht lediglich beides mit einem außerhalb der Union erfolgten Verhalten zu einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zusammen, deren Wirkung nach Ansicht des Gerichts signifikant war. Zwei unterschiedliche Arten ausländischen Verhaltens, die grundsätzlich durchaus außerhalb des Geltungsbereichs von Art. 102 AEUV hätten liegen können, wurden daher plötzlich von dieser Bestimmung erfasst, weil sie zusammen mit anderweitem Verhalten als Bestandteile eines Gesamtplans zur Beschränkung des Wettbewerbs geprüft wurden.

321. Hätte das Gericht das Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen sachgerecht angewandt (d. h., hätte es geprüft, ob jede einzelne Art von Verhalten jeweils für sich in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fällt), wäre das Ergebnis der Prüfung möglicherweise anders ausgefallen. So erklärt das Gericht z. B. selbst, dass die Anzahl der von den reinen Beschränkungen betroffenen Computer „eher gering“ gewesen sei und dass unklar sei, ob sämtliche oder einige dieser Computer für den Verkauf im EWR bestimmt gewesen seien. Was den letztgenannten Gesichtspunkt betrifft, ist auch auf einen weiteren Rechtsfehler hinzuweisen, der dem Gericht unterlaufen ist: Es ist eindeutig Sache der Kommission, nachzuweisen, dass die Auswirkungen eines gerügten Verhaltens auf dem Binnenmarkt spürbar sein könnten. Nach ständiger Rechtsprechung obliegt nämlich der Kommission die Beweislast dafür, dass im Einzelfall sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV vorliegen(199). Somit wurde Intel zu Unrecht aufgegeben, die von der Kommission aufgestellte Vermutung bezüglich des möglichen Verkaufs von Computern im EWR, die für eine viel größere Region bestimmt waren, zu widerlegen.

322. Gewiss entfalteten die Lenovo-Vereinbarungen eine unmittelbare Wirkung, wenn man darunter versteht, dass diese Vereinbarungen das Verhalten von Lenovo hinsichtlich des Bezugs von Prozessoren und den anschließenden Verkauf von mit x86-Prozessoren ausgestatteten Notebooks beeinflussten. Die entscheidende Frage lautet hier jedoch, ob die von diesen Vereinbarungen ausgehenden wettbewerbswidrigen Auswirkungen unmittelbar im EWR eintraten. Das Gericht hätte also vielmehr Folgendes prüfen müssen: Waren diese Vereinbarungen geeignet, die Möglichkeiten der Konkurrenten von Intel unmittelbar zu beschneiden, auf dem Binnenmarkt in den Wettbewerb um x86-Prozessoren zu treten? Das Gericht untersucht diesen Aspekt überhaupt nicht. Es stellt lediglich fest, dass die Vereinbarungen die geschäftlichen Entscheidungen von Lenovo beeinflusst hätten. Allerdings dürfte wohl jede Geschäftsvereinbarung eine solche Beeinflussung zum Ziel haben.

323. Dieselbe fehlerhafte Begründung gibt das Gericht in Bezug auf die Vorhersehbarkeit der durch die Lenovo-Vereinbarungen verursachten Auswirkungen. Auch dabei konzentriert sich das Gericht wieder auf den Einfluss, den die Vereinbarungen auf die Geschäftsentscheidungen von Lenovo ausübten (oder ausüben sollten). Im angefochtenen Urteil wird die Vorhersehbarkeit der (behaupteten) wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarungen auf dem Binnenmarkt nicht untersucht.

324. Aufgrund der im angefochtenen Urteil angeführten Gesichtspunkte sind etwaige durch die Lenovo-Vereinbarungen verursachte wettbewerbswidrige Wirkungen keineswegs als unmittelbar, wesentlich und vorhersehbar anzusehen, sondern wohl eher als hypothetisch, spekulativ und unsubstantiiert. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Lenovo-Vereinbarungen keine solchen „qualifizierten“ Auswirkungen auf dem Binnenmarkt hatten oder hätten haben können.

325. Einerseits darf wohl zu Recht bezweifelt werden, ob z. B. von einem Verhalten, das den Absatz von wenigen Tausend Computern im EWR, die einen äußerst geringen Prozentsatz des weltweiten Prozessormarkts ausmachen, für einen ausgesprochen kurzen Zeitraum beeinflusst, behauptet werden kann, dass es unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen im EWR hat. Andererseits lässt sich nicht ausschließen, dass die Fähigkeit von AMD, weiterhin Prozessoren weltweit, also auch im EWR, zu entwickeln, herzustellen und zu vertreiben, durch die Lenovo-Vereinbarungen möglicherweise signifikant beeinträchtigt wurde. Aus der Sicht von Intel lässt sich der Ausschluss des einzigen existenzfähigen Wettbewerbers vom Prozessormarkt unabhängig davon bewerkstelligen, ob Intel auf Kunden abzielt, die Betriebsstätten im EWR oder andernorts unterhalten. Die erwünschte Wirkung bleibt jeweils dieselbe.

326. Bedauerlicherweise hat das Gericht keine solche Prüfung vorgenommen. Die grundsätzliche Frage, ob die Lenovo-Vereinbarungen geeignet waren, im EWR unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare wettbewerbswidrige Wirkungen hervorzurufen, bleibt daher unbeantwortet, obwohl eine Entscheidung über die Anwendung von Art. 102 AEUV auf den Missbrauch, der von den Vereinbarungen ausgehen soll, von entscheidender Bedeutung ist.

327. Infolgedessen bin ich der Meinung, dass dem Gericht ein Rechtsfehler dadurch unterlaufen ist, dass es sowohl das Kriterium der Durchführung als auch das Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen herangezogen hat, um die Zurückweisung des Vorbringens von Intel (und der ACT) zur fehlenden Zuständigkeit für die Anwendung von Art. 102 AEUV bezüglich der von den Lenovo-Vereinbarungen ausgehenden Missbräuche zu begründen. Somit greift der fünfte Rechtsmittelgrund durch.

G –    Sechster Rechtsmittelgrund: Höhe der Geldbuße

1.      Wesentliches Vorbringen der Parteien

328. Der sechste Rechtsmittelgrund betrifft die Höhe der im ersten Rechtszug festgesetzten Geldbuße. Er ist in zwei Teile untergliedert. Intel macht erstens geltend, dass die Geldbuße ungeachtet einer etwaigen weiteren Herabsetzung infolge der vom Gericht begangenen Rechtsfehler unangemessen sei. Zweitens sei dem Gericht bei der Anwendung der Leitlinien von 2006 auf ein zeitlich vorgelagertes Verhalten ein Fehler unterlaufen. Eine rückwirkende Anwendung der Leitlinien von 2006 zur Rechtfertigung einer Geldbuße, die 50-mal höher sei als diejenige, die nach den zum Zeitpunkt des wesentlichen Teils des Verhaltens geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen gewesen sei, widerspreche den Grundsätzen des Unionsrechts. Insbesondere bezweifelt die Rechtsmittelführerin die Vereinbarkeit dieser Vorgehensweise mit Art. 7 EMRK und Art. 49 der Charta.

329. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen, da er teilweise unzulässig sei und teilweise ins Leere gehe oder, hilfsweise, unbegründet sei.

2.      Würdigung

330. Die Rechtsmittelführerin führt diesen Rechtsmittelgrund als eigenständigen Grund für die Aufhebung des angefochtenen Urteils an. Sie rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine fehlerhafte (rückwirkende) Anwendung der Geldbußen-Leitlinien der Kommission seitens des Gerichts bei der Festsetzung der Geldbuße.

331. Der erste Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes bezieht sich auf die (Un‑)Verhältnismäßigkeit der Geldbuße, die mit der streitigen Entscheidung gegen die Rechtsmittelführerin verhängt und anschließend vom Gericht bestätigt wurde. Im Wesentlichen wird folgende Frage aufgeworfen: Welches sind die angemessenen Kriterien für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer von der Kommission im Rahmen ihrer Ermittlungen verhängten Geldbuße?

332. Diese Frage ist keineswegs uninteressant. Sie betrifft im Grunde den Wesenskern der der Kommission verliehenen Befugnisse zur Ermittlung und zur Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union. Darüber hinaus ergeben sich Konsequenzen für die Unionsgerichte bei der Wahrnehmung ihrer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf dem Gebiet der Geldbußenfestsetzung.

333. Eine ausführliche Antwort auf diese Frage bedürfte der Prüfung eines weiten Spektrums sensibler Problemkreise. Ich denke insbesondere an die Wechselbeziehung zwischen Abschreckung und Höhe der Geldbußen, den relevanten Bezugspunkt bei der Messung der Verhältnismäßigkeit (d. h. im Verhältnis wozu?) sowie die Grenzen, die Art. 49 Abs. 3 der Charta gegebenenfalls der Höhe der Geldbußen setzt, die gegen Unternehmen verhängt werden, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen haben.

334. Leider eignet sich aber das vorliegende Rechtsmittelverfahren nicht für eine solche Diskussion. Abgesehen von vereinzelten Bemerkungen zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße insbesondere im Vergleich zu den Geldbußen, die in früheren Rechtssachen, in denen es um Rabatte ging, nach Art. 102 AEUV verhängt wurden, legt die Rechtsmittelführerin nicht dar, inwieweit die Beurteilung des Gerichts gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen soll(200). Intel beantragt einfach nur, dass der Gerichtshof selbst bestimmen möge, welche Sanktion – wenn überhaupt – nach den Umständen des vorliegenden Falls verhältnismäßig ist.

335. Insoweit ist anerkannt, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, die Beurteilung des Gerichts, das über den Betrag der Geldbuße entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen. Nur wenn der Gerichtshof ausnahmsweise der Ansicht ist, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch so überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig ist, kann er einen Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße feststellen(201). Dass die mit der streitigen Entscheidung festgesetzte Geldbuße (1,06 Mrd. Euro) seinerzeit eine Rekordhöhe erreichte, begründet allein noch nicht ihre Unangemessenheit oder gar Unverhältnismäßigkeit, wie dies die Rechtsmittelführerin vorzutragen scheint.

336. Tatsächlich werden mit dem Vorbringen zur Verhältnismäßigkeit bestimmte Tatsachenfeststellungen und insbesondere die Beweiswürdigung im ersten Rechtszug angezweifelt(202). Anders als bei den anderen Rechtsmittelgründen im vorliegenden Fall ist hier der Rechtsfehler, der dem Gericht vorgeworfen wird, aus den Erklärungen der Rechtsmittelführerin nicht ohne Weiteres ersichtlich. Wie bereits dargelegt, ist der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht zur Überprüfung von Tatsachen oder Beweismitteln befugt. Im vorliegenden Fall wurden keine substantiierten Argumente zu einem offensichtlichen Fehler bei der Sachverhaltsbeurteilung vorgebracht. Den Schriftstücken in den Akten lässt sich auch keine Verfälschung der Beweise entnehmen, wie sie von Intel behauptet wird. Eine Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren ist aber nur möglich, wenn die gerügte Verfälschung ohne neue Sachverhaltsbeurteilung erkennbar ist(203).

337. Deshalb teile ich die Auffassung der Kommission, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur Verhältnismäßigkeit der Geldbuße für unzulässig zu erklären ist.

338. Der zweite Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes bezieht sich auf die rückwirkende Anwendung der von der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen herausgegebenen Leitlinien von 2006 auf ein Verhalten, das zum Teil zeitlich vor diesen Leitlinien stattgefunden hatte. Er wirft folgende Frage auf: Inwieweit ist die Kommission an ihre Leitlinien für die Geldbußenfestsetzung gebunden?

339. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs in dieser Frage ist klar und hilft der Rechtsmittelführerin nicht weiter.

340. Nach ständiger Rechtsprechung ist es der Kommission nicht verwehrt, die Höhe der Geldbußen in den durch die Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen (nach oben) anzupassen, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Denn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann(204). In diesem Rahmen kann das Rückwirkungsverbot das Ermessen der Kommission zur Festsetzung der Geldbuße nur dann begrenzen, wenn die fragliche Änderung zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war(205).

341. Noch grundsätzlicher hat der Gerichtshof entschieden, dass Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, nicht darauf vertrauen dürfen, dass eine bestimmte Methode zur Berechnung der Geldbußen eingesetzt wird. Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anheben kann. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch deren Verhängung in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Geldbußen-Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden(206).

342. Diese Ausführungen legen meines Erachtens nahe, dass sich die Rechtsmittelführerin, sofern sich die verhängte Geldbuße in den Grenzen von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hält, nicht mit Erfolg auf das Rückwirkungsverbot berufen kann, um die auf der Grundlage der Geldbußen-Leitlinien von 2006 verhängte Geldbuße anzufechten. Der Grund hierfür liegt nicht zuletzt darin, dass diese Leitlinien zum Zeitpunkt der Beendigung des gerügten Verhaltens bereits in Kraft waren. Die Grenzen, die dem Ermessen der Kommission bei der Festsetzung einer Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union gesetzt sind, werden nämlich durch die Verordnung Nr. 1/2003 als den einschlägigen Rechtsakt und nicht durch die Geldbußen-Leitlinien bestimmt, in denen im Einzelnen dargelegt wird, wie die Kommission ihr Ermessen auszuüben gedenkt.

343. Angesichts dessen ist der zweite Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen. Dementsprechend ist der sechste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

VI – Konsequenzen der Würdigung

344. Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Er kann die Sache auch an das Gericht zurückverweisen.

345. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtsmittelgründe 1 bis 5 durchgreifen. Demzufolge ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

346. Angesichts des Wesens der vom Gericht begangenen Fehler, die mit den Rechtsmittelgründen 1, 2, 3 und 5 gerügt werden, ist meines Erachtens eine endgültige Entscheidung nicht möglich, da eine Entscheidung in der Sache (ob die von Intel gewährten Rabatte und Zahlungen eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung entgegen Art. 102 AEUV darstellen und ob die Lenovo-Vereinbarungen unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare wettbewerbswidrige Auswirkungen im EWR hatten) von einer Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und gegebenenfalls der tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen des Verhaltens von Intel auf den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts abhängt. Das wiederum impliziert eine Beurteilung des Sachverhalts, zu der das Gericht besser in der Lage ist.

347. Was hingegen den vierten Rechtsmittelgrund betrifft, der sich auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin bezieht, dürfte der Gerichtshof vorderhand hinreichend informiert sein, um über die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung entscheiden zu können. Dennoch veranlassen mich die vorliegenden Sachverhaltsangaben und die Verhandlung vor dem Gerichtshof dazu, auch in diesem Punkt eine Rückverweisung an das Gericht vorzuschlagen. Insbesondere ist den Parteien hinreichend Gelegenheit zu geben, sich zu den Konsequenzen, die sich aus dem betreffenden Verfahrensfehler ergeben, und insbesondere zu der Frage zu äußern, ob die streitige Entscheidung in vollem Umfang (wie in der Rechtssache Solvay(207)) oder nur insoweit für nichtig zu erklären ist, als sie das Verhalten von Intel gegenüber Dell betrifft.

348. Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, die Sache zur erneuten Prüfung an das Gericht zurückzuverweisen.

VII – Ergebnis

349. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission (T‑286/09), aufzuheben,

2.      die Sache an das Gericht zurückzuverweisen,

3.      die Kostenentscheidung vorzubehalten.


1      Originalsprache: Englisch.


2      T‑286/09, EU:T:2014:547 (im Folgenden: angefochtenes Urteil).


3      Eine Zusammenfassung dieser Entscheidung findet sich im ABl. 2009, C 227, S. 13.


4      Vgl. Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36, im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Hoffmann-La Roche).


5      Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).


6      Verordnung der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18).


7      Erste Durchführungsverordnung vom 6. Februar 1962 des Rates zu den Artikeln [101] und [102 AEUV] (ABl. 1962, 13, S. 204).


8      Vertrauliche Informationen ausgelassen. Zur Wahrung der Anonymität wird – ebenso wie im ersten Rechtszug – der Name der betreffenden Person ersetzt durch den Anfangsbuchstaben der Firma des Unternehmens, für das sie tätig ist, gefolgt von einer Nummer.


9      Bei diesem Test wird der Preis ermittelt, zu dem ein ebenso effizienter Wettbewerber wie Intel seine Prozessoren hätte anbieten müssen, um einen Computerhersteller für den Verlust der Rabatte, die ihm Intel gewährt hätte, zu entschädigen.


10      ABl. 2006, C 210, S. 2.


11      Vgl. Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil TeliaSonera], Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Wettbewerbsregeln der Union sollen dem Gerichtshof zufolge verhindern, dass der Wettbewerb entgegen dem öffentlichen Interesse und zum Schaden der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher verfälscht wird, und sollen damit zum wirtschaftlichen Wohl in der Union beitragen.


12       Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, soll Art. 102 AEUV nicht gewährleisten, dass sich Wettbewerber, die weniger effizient als das Unternehmen in beherrschender Stellung sind, weiterhin auf dem Markt halten – vgl. Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark (C‑209/10, EU:C:2012:172 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Post Danmark I], Rn. 21 und 22).


13      Urteil Post Danmark I (Rn. 21 und 22).


14      Zu den Vorteilen der Nutzung einer solchen Vereinfachung vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 35).


15      Angefochtenes Urteil (Rn. 76 und 77). Vgl. auch Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89).


16      Angefochtenes Urteil (Rn. 75 und 78).


17      Angefochtenes Urteil (Rn. 78 und 82).


18      Angefochtenes Urteil (Rn. 76 und 77).


19      Angefochtenes Urteil (Rn. 76).


20      Angefochtenes Urteil (Rn. 99).


21      Angefochtenes Urteil (Rn. 172 bis 197).


22      Siehe näher hierzu unten, Nrn. 110 ff.


23      Angefochtenes Urteil (Rn. 74 bis 78).


24      Angefochtenes Urteil (Rn. 79).


25      Angefochtenes Urteil (Rn. 171).


26      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89 und 90).


27      Angefochtenes Urteil (Rn. 81).


28      Vgl. Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission (322/81, EU:C:1983:313 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Michelin I], Rn. 57); vgl. auch Urteile vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission (C‑202/07 P, EU:C:2009:214, Rn. 105), vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, EU:C:2010:603 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Deutsche Telekom], Rn. 176), und Urteil TeliaSonera (Rn. 24).


29      Urteil Michelin I (Rn. 66 bis 71 in Bezug auf Rabatte, die von Absatzzielen abhängig sind).


30      Vgl. Urteil vom 15. März 2007, British Airways/Kommission (C‑95/04 P, EU:C:2007:166 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil British Airways], Rn. 52), betreffend Prämien, die auf der Grundlage des Gesamtumsatzes gewährt werden.


31      Vgl. Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission (C‑549/10 P, EU:C:2012:221 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Tomra], Rn. 75), bezüglich der im Rechtsmittelverfahren in Rede stehenden Rabatte.


32      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 92 bis 100).


33      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 90). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission (T‑203/01, EU:T:2003:250 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Michelin II], Rn. 58). In der letztgenannten Entscheidung hat das Gericht die Unzulässigkeitsvermutung insofern qualifiziert, als diese seiner Ansicht nach nicht gilt, wenn Mengenrabatte eine Treuebindung erzeugen.


34      Nach einer möglichen Definition werden Treuerabatte unter der Bedingung gewährt, dass ein Abnehmer einen hohen oder steigenden Anteil seines Bedarfs beim Rabattgeber deckt. Diese Rabatte finden Anwendung, wenn ein Abnehmer ein bestimmtes Absatzziel in einem festgelegten Zeitraum übererfüllt. Das Ziel kann sich auf den Einkaufszuwachs oder auf den Einkauf (oder den Einkauf eines bestimmten Prozentsatzes) bei einem Anbieter beziehen oder auf Einkäufe, die über einem bestimmten auf der Grundlage des Abnehmerbedarfs festgelegten Schwellenwert liegen. Beim Treuerabatt handelt es sich also um einen Preisnachlass, den der Anbieter dem Abnehmer als Belohnung dafür gewährt, dass dieser dem Anbieter die Treue hält. Vgl. OECD Policy roundtables, Fidelity and Bundled Rebates and Discounts, DAF/COMP(2008)29, 2008, S. 97 – abrufbar unter https://www.oecd.org/competition/abuse/41772877.pdf.


35      Angefochtenes Urteil (Rn. 80 und 81).


36      Vgl. z. B. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 97).


37      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 90).


38      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89).


39      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89).


40      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 92 ff.).


41      Angefochtenes Urteil (insbesondere Rn. 82 und 83).


42      Vgl. Urteil Michelin I (Rn. 73).


43      Vgl. insbesondere Urteile British Airways (Rn. 67) und Tomra (Rn. 71).


44      Bezüglich der beiden anderen Einzelfälle vgl. Urteile vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C‑62/86, EU:C:1991:286, Rn. 149), und vom 27. April 1994, Gemeente Almelo u. a. (C‑393/92, EU:C:1994:171, Rn. 44). Die vom Gerichtshof vorgenommene Einstufung der ausschließlichen Bezugsverpflichtung in der Rechtssache AKZO/Kommission ist jedoch im Kontext einer Vielzahl missbräuchlicher Verhaltensweisen von AKZO zu sehen. Ähnlich erfolgten auch die kategorischen Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Gemeente Almelo u. a. in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens mit seinen offenkundig bezüglich der Sachverhaltsangaben vorgegebenen Grenzen.


45      Siehe näher unten, Nrn. 109 ff., zu der Frage, wie hoch der Grad der Wahrscheinlichkeit sein muss, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass ein Verhalten bestimmter Art eine missbräuchliche Ausnutzung darstellt.


46      Angefochtenes Urteil (Rn. 81).


47      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 82).


48      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 90).


49      Angefochtenes Urteil (Rn. 82 bis 84).


50      Vgl. Urteile Michelin I (Rn. 73), British Airways (Rn. 67) und Tomra (Rn. 71). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, Tomra Systems u. a./Kommission (T‑155/06, EU:T:2010:370, Rn. 215).


51      Urteil vom 6. Oktober 2015, Post Danmark (C‑23/14, EU:C:2015:651 [im Folgenden: Post Danmark II], Rn. 68).


52       Siehe unten, Nrn. 168 ff.


53      Vgl. in diesem Sinne Urteil Post Danmark I (Rn. 44).


54      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 90). Vgl. auch Urteil Michelin II (Rn. 58).


55      Angefochtenes Urteil (Rn. 92 und 93). Diese Unterart von Treuerabatten wird auch als durch Hebelwirkung funktionierende „Ausschließlichkeitsoptionen“ bezeichnet – Petit, N., „Intel, Leveraging Rebates and the Goals of Article 102 TFEU“, European Competition Journal, Bd. 11, Heft 1, 2015, S. 26.


56      Vgl. angefochtenes Urteil (Rn. 94).


57      Vgl. angefochtenes Urteil (Rn. 89).


58      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89).


59      Vgl. Ausführungen im angefochtenen Urteil (Rn. 81).


60      Angefochtenes Urteil (Rn. 89).


61      Angefochtenes Urteil (Rn. 81).


62      Vgl. Urteile British Airways (Rn. 85 und 86 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Post Danmark I (Rn. 40 und 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 90). Dort hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass ein Unternehmen die Verwendung von Rabatten rechtfertigen könne, wenn eine Vereinbarung zwischen den Unternehmen in Ausnahmefällen unter die in Art. 101 Abs. 3 AEUV vorgesehene Zulässigkeitsmöglichkeit falle.


63      Angefochtenes Urteil (Rn. 89 bis 94).


64      OECD Policy roundtables, Fidelity and Bundled Rebates and Discounts, a. a. O., S. 9 und 21. Vgl. auch Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. 2009, C 45, S. 7), Nr. 37, zu bedingten Rabatten. Die Kommission merkt an, dass solche Preisnachlässe angeboten würden, um mehr Nachfrage zu sichern, und dass diese Rabatte als solche nachfragestimulierend wirken und für den Verbraucher von Vorteil sein könnten. Vgl. auch Neven, D., „A structured assessment of rebates contingent on exclusivity“, Competition Law & Policy Debate, Bd. 1, Heft 1, 2015, S. 86.


65      OECD Policy roundtables, Fidelity and Bundled Rebates and Discounts, a. a. O., S. 9.


66      Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 89).


67      Urteil Tomra (Rn. 70).


68      Vgl. Urteil Michelin I (Rn. 72).


69      Vgl. Urteil British Airways (Rn. 75).


70      Vgl. z. B. Neven, D., a. a. O., S. 39. Maßgebliche Faktoren bei einer Verdrängung sind u. a. unbestreitbare Absatzzahlen, die Anreizkraft, die auf dem Ausschließlichkeitserfordernis bezüglich der unbestreitbaren Absatzzahlen beruht, der Grad des Wettbewerbs unter den Abnehmern, die Bedeutung der Größenvorteile sowie die Frage, ob die Rabatte auf Abnehmer abzielen, die im Wettbewerb zu Firmen stehen, die bei Konkurrenten einkaufen.


71      Angefochtenes Urteil (Rn. 97).


72      Vgl. Urteil Tomra (Rn. 70 und 71) unter Verweis auf das Urteil Michelin I (Rn. 71 und 73).


73      Vgl. Urteil Hoffmann-La Roche (Rn. 97).


74      Urteil Post Danmark II (Rn. 68).


75      Vgl. Urteile Deutsche Telekom (Rn. 175), TeliaSonera (Rn. 76) und Post Danmark I (Rn. 26).


76      Angefochtenes Urteil (Rn. 99).


77      Angefochtenes Urteil (Rn. 93).


78      DG Competition discussion paper on the application of Article [102 TFEU] to exclusionary abuses, 2005, S. 23 – abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/antitrust/art82/discpaper2005.pdf. Vgl. auch OECD Policy roundtables, Fidelity and Bundled Rebates and Discounts, a. a. O., S. 26. Auch in diesem Dokument werden Rabatte als eine Form der Preispolitik eingestuft.


79      Urteil Post Danmark II (Rn. 55 zum AEC‑Test und die dort angeführte Rechtsprechung).


80      Urteil Post Danmark II (Rn. 27 bis 29).


81      Vgl. Urteil Post Danmark II (Rn. 23 bis 25).


82      Urteil Post Danmark I (Rn. 26).


83      Urteil Post Danmark II (Rn. 68).


84      Angefochtenes Urteil (Rn. 177). Andernfalls könnten die Wettbewerbsbehörden nämlich nur eingreifen, wenn der mutmaßliche Missbrauch zu einer wettbewerbswidrigen Verdrängung geführt hat.


85      Vgl. Urteil Post Danmark II (Rn. 68 und 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. andererseits Urteil Tomra (Rn. 68). Dort hat der Gerichtshof ausgeführt, für den Beweis des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung reiche aus, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf ausgerichtet sei, den Wettbewerb zu beschränken, oder dass es eine solche Wirkung haben könne.


86      Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil Post Danmark II (Rn. 69) und Post Danmark I (Rn. 44).


87      Vgl. jedoch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Post Danmark II (C‑23/14, EU:C:2015:343, Nr. 82).


88      Vgl. Urteil Michelin I (Rn. 73). Vgl. auch Urteil Post Danmark II (Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


89      Angefochtenes Urteil (Rn. 178 bis 184).


90      Angefochtenes Urteil (Rn. 180).


91      Angefochtenes Urteil (Rn. 181).


92      Vgl. Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission (T‑65/98, EU:T:2003:281 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Van den Bergh Foods]).


93      Urteil Tomra (Rn. 34).


94      Darüber hinaus weist das Gericht in Bezug auf den Marktanteil von Dell darauf hin, dass die diesem Unternehmen gewährten Rabatte zwischen 14,58 % und 16,34 % des Marktes abgeschottet hätten, was ebenso signifikant sei – vgl. angefochtenes Urteil (Rn. 190 und 191).


95      Angefochtenes Urteil (Rn. 194).


96      Angefochtenes Urteil (Rn. 121 und 122).


97      Urteil Van den Bergh Foods (Rn. 98).


98      Commission Discussion Paper on Article [102 TFEU], a. a. O., S. 18, 19 und 41.


99      Urteil Tomra (Rn. 46).


100      Den Ausführungen des Gerichts zufolge durfte die Kommission zu dem Ergebnis gelangen, dass aufgrund der Konzentration auf Unternehmen mit besonderer strategischer Bedeutung für den Zugang zum Markt die Rabatte und Zahlungen auf wichtige Computerhersteller und einen großen Einzelhändler ausgerichtet gewesen seien – angefochtenes Urteil (Rn. 182 und 183). Vgl. auch Rn. 1507 bis 1511 in Bezug auf MSH.


101      Angefochtenes Urteil (Rn. 178).


102      Angefochtenes Urteil (Rn. 112, 113 und 195).


103      Angefochtenes Urteil (Rn. 195).


104      Angefochtenes Urteil (Rn. 186).


105      Angefochtenes Urteil (Rn. 93 und 150).


106      Angefochtenes Urteil (Rn. 143, 144 und 152).


107      Urteil Post Danmark II (Rn. 55 bis 58).


108      Urteil Post Danmark II (Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


109      Urteil Tomra (Rn. 73 bis 80).


110      Angefochtenes Urteil (Rn. 192 und 193).


111      Angefochtenes Urteil (Rn. 193, 1561 und 1562).


112      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


113      Vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Aalborg], Rn. 260).


114      Vgl. z. B. Urteil Aalborg (Rn. 260).


115      Zur Verwendung dieses Begriffs im Rahmen der Zuständigkeitsfrage siehe unten, Nrn. 319 ff.


116      Angefochtenes Urteil (Rn. 193).


117      Angefochtenes Urteil (Rn. 134 und 137).


118      Vgl. Urteile Hoffmann-La Roche (Rn. 89) und Tomra (Rn. 70).


119      Vgl. angefochtenes Urteil (insbesondere Rn. 126 und 129 betreffend HP sowie Rn. 137 betreffend Lenovo).


120      Angefochtenes Urteil (insbesondere Rn. 132 und 133).


121      Urteil Tomra (Rn. 42).


122      Streitige Entscheidung (831. Erwägungsgrund). Vgl. auch angefochtenes Urteil (Rn. 133).


123      Angefochtenes Urteil (Rn. 133).


124      Vgl. zu dieser Problematik angefochtenes Urteil (Rn. 611).


125      Angefochtenes Urteil (Rn. 612).


126      Angefochtenes Urteil (Rn. 614 und 615).


127      Angefochtenes Urteil (Rn. 601 und 606).


128      Angefochtenes Urteil (Rn. 617).


129      Angefochtenes Urteil (Rn. 621). Vgl. auch Rn. 636 zu den bei diesem Treffen angesprochenen Themen.


130      Vgl. auch angefochtenes Urteil (Rn. 617).


131      Angefochtenes Urteil (Rn. 621).


132      Angefochtenes Urteil (Rn. 622).


133      Angefochtenes Urteil (Rn. 635 und 636).


134      Angefochtenes Urteil (Rn. 664).


135      Vgl. z. B. Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Dansk Rørindustri], Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).


136      Vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:686 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Solvay]).


137      Urteil Solvay (Rn. 57 bis 62).


138      Angefochtenes Urteil (Rn. 630).


139      Vgl. insbesondere Urteil Aalborg (Rn. 133).


140      Angefochtenes Urteil (Rn. 629).


141      Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij], Rn. 318 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil Aalborg (Rn. 75).


142      Vgl. Urteil vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission (C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


143      Vgl. Urteil Aalborg (Rn. 133). Vgl. auch Urteil vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission (C‑407/08 P, EU:C:2010:389 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Knauf Gips], Rn. 23 und 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


144      Urteil Solvay (Rn. 62 und 64).


145      Vgl. angefochtenes Urteil (z. B. Rn. 631, 644, 658 und 660).


146      Vgl. angefochtenes Urteil (insbesondere Rn. 646 und 658).


147      Angefochtenes Urteil (Rn. 632 bis 660).


148      Vgl. Urteil Solvay (Rn. 59).


149      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:256, Nr. 191).


150      Angefochtenes Urteil (Rn. 632 ff.).


151      Kritisch dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache SKW Stahl-Metallurgie und SKW Stahl-Metallurgie Holding/Kommission (C‑154/14 P, EU:C:2015:543, Nrn. 76 und 77).


152      Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij (Rn. 318 und 324), Aalborg (Rn. 74, 75 und 131) und Knauf Gips (Rn. 23 und 24).


153      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:256, Nr. 193).


154      Vgl. insoweit angefochtenes Urteil (Rn. 572 bis 575).


155      Vgl. angefochtenes Urteil (insbesondere Rn. 651 bis 653).


156      Eine Erörterung der Verwendung unmittelbarer schriftlicher Beweise in Kartellsachen findet sich bei Guerrin, M., und Kyriazis, G., „Cartels: Proof and Procedural Issues“, Fordham International Law Journal, Bd. 16, Heft 2, 1992, S. 266, 299.


157      Vgl. z. B. Urteile vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission (48/69, EU:C:1972:70, Rn. 65 bis 68 [im Folgenden: Urteil ICI]), und vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission (40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, EU:C:1975:174, Rn. 164 und 165), betreffend die Verwertung von zwischen Dritten geführtem Schriftverkehr als Beweismittel.


158      Vgl. z. B. Urteil Aalborg (Rn. 158) unter Verweis auf das in jener Rechtssache angefochtene Urteil. Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission (T‑213/00, EU:T:2003:76, Rn. 136 ff.).


159      Vgl. Urteil Aalborg (Rn. 133), in dem der Gerichtshof diese Regel deutlich formuliert.


160      Zum Beleg der Bedingtheit der in Rede stehenden Rabatte in der streitigen Entscheidung zieht die Kommission bestimmte interne Dokumente von Intel, nämlich Präsentationen und E‑Mails (Erwägungsgründe 238 bis 242 der streitigen Entscheidung), die Antwort von Dell gemäß Art. 18 (Erwägungsgründe 233 und 234 der streitigen Entscheidung) sowie bestimmte interne Dokumente von Dell, nämlich interne Präsentationen und E‑Mails (insbesondere Erwägungsgründe 222 bis 227, 229 und 231 der streitigen Entscheidung), heran. Vgl. auch angefochtenes Urteil (Rn. 444 bis 515).


161      In Bezug auf Dell vgl. angefochtenes Urteil (Rn. 440).


162      Streitige Entscheidung (950. Erwägungsgrund) und angefochtenes Urteil (Rn. 504 bis 514).


163      Streitige Entscheidung (insbesondere Erwägungsgründe 221 und 323).


164      Urteil vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission (C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


165      Streitige Entscheidung (560. Erwägungsgrund).


166      Streitige Entscheidung (561. Erwägungsgrund).


167      Urteil vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, EU:C:1988:447 [im Folgenden: Zellstoff-Rechtssache oder -Urteil]).


168      Vgl. u. a. Urteil vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation (C‑286/90, EU:C:1992:453 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil Poulsen], Rn. 9).


169      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission (C‑308/04 P, EU:C:2006:433, Rn. 34).


170      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1972, Geigy/Kommission (52/69, EU:C:1972:73, Rn. 11).


171      Ich verweise z. B. auf die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (ABl. 1996, L 309, S. 1), insbesondere Erwägungsgründe 3 und 4.


172      Vgl. u. a. Urteile Poulsen (Rn. 28), vom 29. Juni 1994, Aldewereld (C‑60/93, EU:C:1994:271, Rn. 14), vom 9. November 2000, Ingmar (C‑381/98, EU:C:2000:605, Rn. 25), vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer (C‑188/07, EU:C:2008:359, Rn. 60 bis 63), vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864 [im Folgenden: Rechtssache oder Urteil ATAA], Rn. 125), und vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google (C‑131/12, EU:C:2014:317, Rn. 54 und 55). Vgl. auch Urteil vom 23. April 2015, Zuchtvieh-Export (C‑424/13, EU:C:2015:259, Rn. 56).


173      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:637, Nrn. 148 und 149).


174      Angefochtenes Urteil (Rn. 231 bis 236 und 244).


175      Angefochtenes Urteil (Rn. 296 und 310).


176      In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich mich weder mit der Zuständigkeit der Unionsgerichte für die Entscheidung von Rechtssachen, bei denen es um die privatrechtliche Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union geht, noch mit der Befugnis des Unionsgesetzgebers zur Rechtsetzung in Wettbewerbsangelegenheiten befassen.


177      Vgl. Zellstoff-Urteil (Rn. 16 und 18).


178      Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof nach diesem Lösungsansatz in einer Reihe von Rechtssachen verfahren ist, in denen die Anwendbarkeit der einschlägigen Unionsregeln von einigen privaten Beteiligten unter Hinweis auf eine angeblich extraterritoriale Wirkung bestritten wurde – vgl. Urteile Poulsen, ATAA sowie Google Spain und Google (C‑131/12, EU:C:2014:317).


179      Zellstoff-Urteil (Rn. 12 bis 18).


180      In dieser Frage bin ich anderer Meinung als Generalanwalt Wathelet – vgl. Nr. 46 seiner Schlussanträge in der Rechtssache InnoLux/Kommission (C‑231/14 P, EU:C:2015:292).


181      Vgl. Lowe, V., und Staker, C., „Jurisdiction“ in Evans, M. D., (Hrsg.), International Law, 3. Aufl., Oxford University Press, 2010, S. 322 und 323.


182      Einen auf die Auswirkungen abstellenden Ansatz bei Entscheidungen über die Zuständigkeit befürworten insbesondere Generalanwalt Mayras in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Imperial Chemical Industries/Kommission (48/69, EU:C:1972:32, Nrn. 693 ff.) und Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission (89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, EU:C:1988:258 [im Folgenden: Schlussanträge in der Zellstoff-Rechtssache], Nrn. 19 ff.). Ähnlich Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache InnoLux/Kommission (C‑231/14 P, EU:C:2015:292, Nrn. 49 ff.).


183      Die Parteien haben ausführlich erörtert, ob das unlängst ergangene Urteil vom 9. Juli 2015, InnoLux/Kommission (C‑231/14 P, EU:C:2015:451), einen solchen Ansatz, und wenn auch nur konkludent, stützt. Nach meinem Verständnis wollte sich der Gerichtshof zur Zuständigkeitsfrage aber nicht äußern, da er sie für die Entscheidung der Rechtssache als unerheblich angesehen hat – vgl. Rn. 71 bis 73 des Urteils.


184      Diese Frage wird im Schrifttum in der Tat erörtert – vgl. u. a. International Bar Association, Report of the Task Force on Extraterritorial Jurisdiction, 2009, S. 12 und 13.


185      Vgl. OECD Revised recommendation of the Council Concerning Cooperation between Member countries on Anticompetitive Practices affecting International Trade, 1995, abrufbar unter https://www.oecd.org/daf/competition/21570317.pdf. Vgl. auch Schlussanträge in der Zellstoff-Rechtssache (Nrn. 19 bis 31) und Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission (T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 90).


186      Vgl. z. B. International Bar Association, Report of the Task Force on Extraterritorial Jurisdiction, 2009, S. 39.


187      Vgl. u. a. Wagner-von Papp, F., „Competition Law, Extraterritoriality & Bilateral Agreements“, Research handbook on International Competition Law, Edward Elgar Publishing 2012, S. 41 mit weiteren Nennungen.


188      Ein Überblick über diese Bestimmungen und eine kritische Würdigung findet sich bei Scott, J., „The New EU ‚Extraterritoriality‘“, Common Market Law Review, Bd. 51, Wolters Kluwer Law and Business, 2014, S. 1343.


189      Angefochtenes Urteil (Rn. 243).


190      15 U.S.Code, Titel 15, Kapitel 1, § 6a.


191      Urteil des US Supreme Court in der Rechtssache Hoffmann-La Roche Ltd./Empagran S. A., 124 S.Ct. 2359 (2004).


192      Aus eben diesen Gründen haben die Unionsorgane Abkommen mit den Behörden mehrerer Länder außerhalb der Union geschlossen, um Kooperationsformen im Bereich des Wettbewerbsrechts aufzubauen. So wurden z. B. sogar zwei solcher Abkommen mit der US-Regierung geschlossen; interessanterweise geht es bei beiden um die Zuständigkeitsfrage. Der Wortlaut dieser Abkommen und weitere Nachweise finden sich unter http://ec.europa.eu/competition/international/bilateral.


193      Vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission (C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72).


194      Angefochtenes Urteil (Rn. 310 bis 314).


195      Angefochtenes Urteil (Rn. 250 bis 258 und 283 bis 297).


196      Angefochtenes Urteil (Rn. 290).


197      Angefochtenes Urteil (Rn. 277 und 278).


198      Angefochtenes Urteil (Rn. 293 bis 295).


199      Vgl. Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003.


200      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Entscheidungspraxis der Kommission im Allgemeinen nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen im Wettbewerbsrecht dienen kann, da die Kommission im Bereich der Festsetzung der Höhe der Geldbußen über ein weites Ermessen verfügt und bei dessen Ausübung nicht an frühere eigene Wertungen gebunden ist – vgl. u. a. Urteil vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission (C‑510/06 P, EU:C:2009:166, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).


201      Vgl. u. v. a. Urteile vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission (C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteile vom 29. April 2004, British Sugar/Kommission (C‑359/01 P, EU:C:2004:255, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 19. Dezember 2013, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission (C‑586/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:863, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


202      Insoweit verweist die Rechtsmittelführerin auf eine Reihe von Gesichtspunkten, die ihrer Ansicht nach im angefochtenen Urteil falsch beurteilt worden sind. Darüber hinaus wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Beweise bezüglich der Verschleierung, mit der die Erhöhung der Geldbuße begründet worden sei.


203      Vgl. z. B. Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission (C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 51 bis 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission (C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


204      Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission (C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).


205      Vgl. Urteil Dansk Rørindustri (Rn. 224).


206      Urteil Dansk Rørindustri (Rn. 228 bis 231).


207      Urteil Solvay (Rn. 71 und 72).