URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

16. Juni 2021(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke CoolTUBE – Absolutes Eintragungshindernis – Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑481/20,

Magnetec – Gesellschaft für Magnettechnologie mbH mit Sitz in Langenselbold (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Kloth, R. Briske und D. Habel,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 15. Mai 2020 (Sache R 1755/2019-1) über die Anmeldung des Wortzeichens CoolTUBE als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov (Berichterstatter), des Richters E. Buttigieg und der Richterin K. Kowalik-Bańczyk,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 31. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 27. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Magnetec – Gesellschaft für Magnettechnologie mbH, meldete am 13. Februar 2019 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen CoolTUBE.

3        Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 6, 9 und 17 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 6: „Abschirmungen aus Metall [ausgenommen Möbel]“;

–        Klasse 9: „Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Induktive Komponenten zum Motorenschutz“;

–        Klasse 17: „Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Kabeln; Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Drähten“.

4        Mit Entscheidung vom 11. Juli 2019 wies der Prüfer die Anmeldung der in Rede stehenden Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 zurück.

5        Am 8. August 2019 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO eine Beschwerde gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

6        Mit Entscheidung vom 15. Mai 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde mit der Begründung zurück, der streitigen Marke fehle es an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten einschließlich derjenigen des Verfahrens vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke

9        Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 beantragte die Klägerin beim EUIPO gemäß Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 die Einschränkung des Verzeichnisses der von der angemeldeten Marke erfassten Waren.

10      Das EUIPO hält die Einschränkung des Verzeichnisses der von der angemeldeten Marke erfassten Waren für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens für unzulässig.

11      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich eine Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Unionsmarkenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001, die nach dem Erlass der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer erfolgt, grundsätzlich nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auswirken kann; nur über diese Entscheidung wird vor dem Gericht gestritten (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli (Mozart), T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      So ist, wenn die Einschränkung des Verzeichnisses der von der Klägerin angeführten Waren oder Dienstleistungen die vollständige oder teilweise Änderung der Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, nicht auszuschließen, dass sich diese Änderung auf die Prüfung der fraglichen Marke auswirkt, die die Dienststellen des EUIPO im Verwaltungsverfahren durchgeführt haben. Die betreffende Änderung im Stadium der Klage vor dem Gericht zuzulassen, hieße unter diesen Umständen, den Streitgegenstand im laufenden Verfahren zu ändern, was nach Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig ist (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008, Mozart, T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Da der Antrag auf Einschränkung des Verzeichnisses der von der angemeldeten Marke erfassten Waren nach Erlass der angefochtenen Entscheidung gestellt wurde, kann er vom Gericht daher nicht berücksichtigt werden und ist als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit der Klagegründe

14      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 rügt.

15      Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass der angemeldeten Marke die für die Eintragung als Unionsmarke erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

16      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

17      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bedeutet, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Im vorliegenden Fall vertrat die Beschwerdekammer erstens in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung die Ansicht, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren, wie sie oben in Rn. 3 aufgeführt sind, hauptsächlich an technische Spezialisten richteten und dass, wenn solche Waren von der breiten Öffentlichkeit erworben würden, diese beim Kauf wahrscheinlich von Fachexperten beraten werde. Diese Schlussfolgerungen der Beschwerdekammer werden von der Klägerin nicht beanstandet.

19      Zweitens stellte die Beschwerdekammer in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung fest, dass die beiden Wortbausteine, aus denen sich die angemeldete Marke zusammensetze, nämlich „cool“ und „tube“, der englischen Sprache entstammten, so dass auf die Wahrnehmung englischsprachiger Verbraucher sowie derjenigen Verbraucher, die Grundkenntnisse dieser Sprache hätten, abzustellen sei.

20      Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach sich die maßgeblichen Verkehrskreise aus allen technischen Fachkreisen zusammensetzten, einschließlich derjenigen, die keine oder nur schwache Englischkenntnisse hätten, da gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 die Vorschriften des Absatzes 1 dieses Artikels auch dann Anwendung finden, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Da die angemeldete Marke aus Wörtern der englischen Sprache zusammengesetzt ist, durfte die Beschwerdekammer ihre Prüfung somit auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise stützen, die diese Sprache beherrschen.

21      Drittens führte die Beschwerdekammer in den Rn. 15 und 16 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die angemeldete Marke aus zwei Wörtern bestehe, nämlich „cool“ und „tube“, wobei das zweite Wort in Großbuchstaben erscheine. Das erste Wort bedeute „kühl“, „geringe Temperatur“ oder „kühlen“. In Bezug auf das zweite Wort übernahm sie die Definition des Prüfers aus dem Oxford English Dictionary, in dem dieser Begriff als „ein Hohlkörper, gewöhnlich zylindrisch und lang im Verhältnis zu seinem Durchmesser, aus Holz, Metall, Glas oder anderem Material, der dazu dient, eine Flüssigkeit oder ein Fluid zu befördern oder zu enthalten, oder für andere Zwecke; ein Rohr“ definiert werde. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die maßgeblichen Verkehrskreise das Wort „cool“ eher im Sinne von „lässig“ verstünden, da diese Bedeutung lediglich eine positive, werbende Aussage darstelle, der angemeldeten Marke aber keine Unterscheidungskraft verleihe. Die angemeldete Marke werde somit im Sinne eines „Rohrs, das kühlt oder kühl bleibt“, verstanden werden.

22      Auf dieser Grundlage war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass diese Bedeutung der angemeldeten Marke in den Klassen 6, 9 und 17 „im Bereich der betroffenen Metallabschirmungen, Kabel, Schutzvorrichtungen und Isolierhüllen der unmittelbare Sinn“ sei. Ferner führte sie in den Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Marke im Hinblick auf die durch sie gekennzeichneten Waren als eine Art Rohrisolierung oder Isolierungsschlauch oder auch als Ware in Form eines Rohres, die einen Schutz gegen Überhitzung darstelle, verstanden werde, was einen engen Zusammenhang zu Waren herstelle, die überhitzen könnten, wie dies bei „Abschirmungen aus Metall“ der Klasse 6, „Schutzvorrichtungen und Schutzhüllen für Stromleitungen und elektronische Drähte“ der Klasse 9 und „Isolierhüllen zur Abschirmung von Kabeln und Drähten“ der Klasse 17 der Fall sei. Schließlich vertrat sie die Auffassung, dass diese Schlussfolgerung auch für „Kabel, Elektroleiter, Drosselspulen und induktive Komponenten“ der Klasse 9 gelte, „da diese in Verbindung mit einem ‚CoolTUBE‘ benutzt werden könnten, was sie vor erhöhten Temperaturen schütze“.

23      Die Klägerin macht geltend, dass die beiden Begriffe, aus denen sich die angemeldete Marke zusammensetze, mehrdeutig seien. Das erste Wort bedeute „lässig oder kühl bzw. kalt“; das zweite bedeute „Rohr“ oder „Röhre, Behälter, Schlauch, Trompete, Tuba oder auch eine (Ernährungs‑)Sonde“. Die Beschwerdekammer habe daher zu Unrecht angenommen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise diese Marke zwangsläufig als „kühlendes Roh[r]“ oder „kühlbleibendes Rohr“ verstünden. Darüber hinaus würde diese Bedeutung grammatikalisch korrekt als „cooling tube“ beschrieben. Die Wortbildung „cooltube“ sei daher eine ungewöhnliche Verbindung, die kein bekannter Ausdruck in der englischen Sprache sei, um die in Rede stehenden Waren zu beschreiben. Erst nach mehreren gedanklichen Zwischenschritten nähmen die genannten Verkehrskreise einen lediglich mittelbaren Zusammenhang zwischen der Bedeutung dieser Marke und den von ihr erfassten Waren wahr. Schließlich mache der Hinweis auf einen „coolen“, im Sinne von lässigen, Charakter das Zeichen CoolTUBE in Bezug auf die in Rede stehenden Warenkategorien zu einem originellen Kunstbegriff.

24      Das EUIPO ist der Ansicht, dass die Beschwerdekammer die Bedeutung der Bestandteile der angemeldeten Marke zutreffend bestimmt habe und dass kein Unterschied zwischen der Bedeutung des Zeichens „CoolTUBE“ und der Summe seiner Bestandteile bestehe, deren Aneinanderreihung grammatisch korrekt und gewöhnlich sei. Im Oxford English Dictionary seien gebräuchliche Kombinationen verzeichnet, die das Adjektiv „cool“ enthielten, wie etwa „cool box“, „cool chamber“ und „cool room“ oder auch Zusammenschreibungen wie „coolhouse“. So beschreibe das Wort „tube“ schlauchförmige Gebilde, als die „Abschirmungen aus Metall“ der Klasse 6, „Schutzvorrichtungen und Schutzhüllen für Stromleitungen und elektronische Drähte“ der Klasse 9 und „Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Kabeln; Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Drähten“ der Klasse 17 aufträten. Ferner dienten all diese Waren der Kühlung und dem Schutz vor Überhitzung von Drähten und Umwelteinflüssen. Zudem handele es sich, auch wenn dies nicht der primäre Zweck der Waren sein möge, um eine gewünschte zusätzliche Eigenschaft der Waren.

25      Zunächst ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer anders als der Prüfer nicht davon ausgegangen ist, dass der angemeldeten Marke das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 entgegenstehe, von dem die Zeichen erfasst sind, die zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweisen, der es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteile vom 12. Januar 2005, Deutsche Post EURO EXPRESS/HABM [EUROPREMIUM], T‑334/03, EU:T:2005:4, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, EU:T:2005:247, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


26      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jedes der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 genannten Eintragungshindernisse unabhängig von den anderen ist und getrennt geprüft werden muss. Außerdem sind diese Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das bei der Prüfung jedes dieser Eintragungshindernisse berücksichtigte Allgemeininteresse kann oder muss sogar je nach dem betreffenden Eintragungshindernis in unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen (Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 25).

27      In Anbetracht des Umfangs des einer Marke durch die Verordnung 2017/1001 verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 23 und 27).

28      Im Übrigen genügt nach der Rechtsprechung ein Minimum an Unterscheidungskraft, um das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entfallen zu lassen (Urteile vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 39, und vom 23. September 2020, Tetra/EUIPO – Neusta next [Wave], T‑869/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:447, Rn. 17).

29      Was eine aus Wörtern zusammengesetzte Marke – wie diejenige, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist – angeht, kann eine eventuelle Unterscheidungskraft teilweise für jeden ihrer Begriffe oder ihrer Bestandteile getrennt geprüft werden, muss aber auf jeden Fall von einer Prüfung der Gesamtheit, die sie bilden, abhängen. Der Umstand allein, dass jeder dieser Bestandteile für sich genommen nicht unterscheidungskräftig ist, schließt nämlich nicht aus, dass deren Kombination unterscheidungskräftig sein kann (Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 28).

30      Ebenfalls nach der Rechtsprechung hängt die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht von der Feststellung eines bestimmten Maßes an sprachlicher oder künstlerischer Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der durch sie geschützten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 41, und vom 17. Januar 2019, Equity Cheque Capital Corporation/EUIPO [DIAMOND CARD], T‑91/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:17, Rn. 34).

31      Schließlich nimmt der Umstand, dass ein Zeichen eine Werbebotschaft ist, als solcher dem fraglichen Zeichen nicht die Unterscheidungskraft, wenn dieses Zeichen nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung besteht, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 57).

32      Im vorliegenden Fall ist erstens unstreitig, dass die Beschwerdekammer, wie oben in Rn. 25 ausgeführt, keinen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang zwischen der angemeldeten Marke und den von ihr erfassten Waren festgestellt hat, der es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer hierzu in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Schutz vor erhöhten Temperaturen, auf den sich das Wort „cool“ beziehe, nicht „die wirkliche Funktion der angemeldeten Waren“ sei.

33      Dass die angemeldete Marke aus Bestandteilen gebildet sein mag, die auf bestimmte Merkmale der in der Anmeldung bezeichneten Waren hinzuweisen geeignet sind, und dass diese Bestandteile sprachüblich miteinander kombiniert sind, genügt – unterstellt, dies träfe zu – nicht, um die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu begründen, es sei denn, es wird aufgezeigt, dass das in Rede stehende Zeichen in seiner Gesamtheit es den angesprochenen Verkehrskreisen nicht ermöglicht, die Waren des Anmelders von denen seiner Mitbewerber zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2002, EUROCOOL, T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 43).

34      Zweitens ist ebenfalls unstreitig, dass das Wort „cool“ in der englischen Sprache nicht nur „kühl“, „geringe Temperatur“ oder „kühlen“, sondern auch „lässig“ oder „angenehm“ bedeutet, wobei die letztere Bedeutung im Englischen sehr weit verbreitet ist.

35      Ebenso wenig wird bestritten, dass der Begriff „cooltube“ in Wörterbüchern der englischen Sprache nicht vorkommt und in der Branche, zu der die von der angemeldeten Marke erfassten Waren gehören, nicht verwendet wird. Dieser Begriff gehört auch nicht zu den oben in Rn. 24 angeführten Beispielen gebräuchlicher Kombinationen mit dem Adjektiv „cool“, auf die sich das EUIPO beruft. Zwar ist es entsprechend den Ausführungen der Beschwerdekammer in Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung für die Feststellung der fehlenden Unterscheidungskraft eines Zeichens nicht „zwingend erforderlich“, dass dieses Zeichen bereits verwendet wird oder im „normalen Sprachgebrauch“ der Fachkreise benutzt wird; gleichwohl ist der Umstand, dass es sich nicht um einen in der Branche, zu der die in Rede stehenden Waren gehören, üblichen Begriff handelt, der zu ihrer Identifizierung oder Charakterisierung verwendet wird, ein relevanter Faktor, der u. a. bei der Prüfung der Unterscheidungskraft des fraglichen Zeichens zu berücksichtigen ist. Nach der Rechtsprechung ist nämlich jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der Ausdrucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder der Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendet wird, geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen (Urteil vom 20. September 2001, Procter & Gamble/HABM, C‑383/99 P, EU:C:2001:461, Rn. 40).

36      Unter diesen Umständen ist mangels eines hinreichend direkten und konkreten Zusammenhangs zwischen der angemeldeten Marke im Sinne von „Rohr, das kühlt oder kühl bleibt“, und den von dieser Marke erfassten Waren völlig vertretbar, wie die Klägerin davon auszugehen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in der angemeldeten Marke auch einen Hinweis auf ein „lässiges“ oder „angenehmes“ Rohr erkennen können.

37      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrdeutigkeit der angemeldeten Marke ein relevanter Faktor ist, der im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu berücksichtigen ist. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist nämlich die Rechtsprechung, wonach ein Zeichen als beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung eingestuft wird, wenn mindestens eine seiner potenziellen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren bezeichnet, im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung nicht entsprechend anwendbar, wenn die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Sinne der letzteren Bestimmung aus anderen Gründen als ihrem beschreibenden Charakter in Frage gestellt wird. Im vorliegenden Fall ist der beschreibende Charakter der angemeldeten Marke aber weder dargetan noch auch nur geprüft worden. Folglich kann die Klägerin zum Nachweis der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke mit Erfolg ein auf deren Mehrdeutigkeit gestütztes Argument anführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, achtung!/EUIPO, C‑214/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:632, Rn. 35).

38      Drittens hat die Beschwerdekammer auch zu Unrecht festgestellt, dass das Wort „cool“ im Sinne von „lässig“ lediglich eine positive und werbende Aussage darstellte, der angemeldeten Marke aber keine Unterscheidungskraft verleihe. Zum einen beruht diese Feststellung nämlich auf einer isolierten Beurteilung der Unterscheidungskraft dieses Wortes und nicht auf einer Gesamtbeurteilung der Unterscheidungskraft des in Rede stehenden Zeichens, was den Anforderungen der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung zuwiderläuft.


39      Zum anderen kann der Begriff „cooltube“ in seiner Gesamtheit nicht als gewöhnliche Werbebotschaft angesehen werden, da die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klassen 6, 9 und 17 im Allgemeinen nicht als lässig oder angenehm beworben, vermarktet oder angepriesen werden.

40      Nach alledem kann der Begriff „cooltube“ die maßgeblichen Verkehrskreise an zwei Bedeutungen denken lassen, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Er kann daher im Hinblick auf die von der angemeldeten Marke erfassten Waren als ambivalente Botschaft, ja sogar als überraschendes und unerwartetes Wortspiel wahrgenommen werden und somit leicht einprägsam sein, so dass er seinem Wesen nach geeignet ist, von den angesprochenen Verkehrskreisen für die in Rede stehenden Waren als unterscheidungskräftiges Zeichen wahrgenommen zu werden.

41      Somit hat die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass der angemeldeten Marke das Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehle, das erforderlich sei, damit das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 nicht gegeben sei.

42      Daher ist dem ersten Klagegrund stattzugeben.

43      Folglich ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass der zweite Klagegrund geprüft werden müsste, da die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nur das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geprüft hat, und ohne dass über die Zulässigkeit der Anlagen A. 15 bis A. 17 zur Klageschrift entschieden werden müsste, da das vorliegende Urteil in keiner Weise auf Angaben in diesen Anlagen gestützt ist.

 Kosten

44      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

45      Zu den Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten.

46      Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin zum einen seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin im Verfahren vor dem Gericht und zum anderen die Aufwendungen der Klägerin, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 15. Mai 2020 (Sache R 1755/2019-1) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Magnetec – Gesellschaft für Magnettechnologie mbH, einschließlich der Aufwendungen, die für das Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren.

Kornezov

Buttigieg

Kowalik-Bańczyk

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 2021.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.