URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

11. Mai 2022(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Der EZB übertragene besondere Aufsichtsaufgaben – Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen – Ablehnung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung – Rückwirkungsverbot – Rechtskraft – Anwendung nationaler Umsetzungsbestimmungen – Verteidigungsrechte – Recht auf Akteneinsicht – Anspruch auf rechtliches Gehör – Neue Klage- und Verteidigungsgründe – Vorrang des Unionsrechts – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“

In der Rechtssache T‑913/16,

Finanziaria d’investimento Fininvest SpA (Fininvest) mit Sitz in Rom (Italien),

Silvio Berlusconi, wohnhaft in Rom,

vertreten durch Rechtsanwälte R. Vaccarella, A. Di Porto, M. Carpinelli, A. Saccucci, B. Nascimbene, N. Ghedini und A. Baldaccini,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Hernández Saseta und G. Buono als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Lamandini,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses ECB/SSM/2016 – 7LVZJ6XRIE7VNZ4UBX81/4 der EZB vom 25. Oktober 2016, mit dem die EZB die Genehmigung des Erwerbs einer Beteiligung durch Fininvest und Herrn Silvio Berlusconi an dem Kreditinstitut Banca Mediolanum SpA versagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richter E. Buttigieg und F. Schalin, der Richterin M. J. Costeira (Berichterstatterin) und des Richters A. Kornezov,

Kanzler: M. Nuñez Ruiz, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2021

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Finanziaria d’investimento Fininvest SpA (Fininvest) ist eine Holdinggesellschaft italienischen Rechts, die zu 61,21 % von Herrn Silvio Berlusconi über Beteiligungen an vier Gesellschaften italienischen Rechts gehalten wird.

2        Mediolanum war eine börsennotierte gemischte Finanzholdinggesellschaft, die bis zum 30. Dezember 2015 100 % des Kapitals der Banca Mediolanum SpA hielt.

3        Fininvest hielt 30,1 % des Gesellschaftskapitals von Mediolanum und Fin. Prog Italia hielt 26,5 % des Kapitals dieser Gesellschaft.

4        Nach dem Inkrafttreten des Decreto legislativo no 53 – Attuazione della direttiva 2011/89/UE, che modifica le direttive 98/78/CE, 2002/87/CE, 2006/48/CE e 2009/138/CE, per quanto concerne la vigilanza supplementare sulle imprese finanziarie appartenenti a un conglomerato finanziario (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 53 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/89/EU zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/EG hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats) vom 4. März 2014 (GURI Nr. 76 vom 1. April 2014, S. 1790) leitete die Banca d’Italia (italienische Zentralbank) ein Verfahren zur Beurteilung der Kläger, Fininvest und Herrn Berlusconi, in ihrer Eigenschaft als qualifizierte Aktionäre von gemischten Finanzholdinggesellschaften ein.

5        Mit Beschluss vom 7. Oktober 2014 stellte die Banca d’Italia fest, dass Herr Berlusconi die im Decreto ministeriale no 144 – regolamento recante norme per l’individuazione dei requisesiti di onorabilità dei partecipanti al capitale social delle banche e fissazione della soglia rilevante (Ministerialdekret Nr. 144, Regelung mit Bestimmungen zur Feststellung der Anforderungen hinsichtlich des Leumunds der Teilhaber am Gesellschaftskapital der Banken und zur Festlegung des relevanten Schwellenwerts) vom 18. März 1998 (GURI Nr. 109 vom 13. Mai 1998, S. 101, im Folgenden: Decreto ministeriale Nr. 144) aufgestellte Leumundsanforderung aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Steuerbetrugs durch das Urteil Nr. 35729/13 der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) vom 1. August 2013 nicht mehr erfülle (im Folgenden: Beschluss vom 7. Oktober 2014).

6        Aus diesem Grund ordnete die Banca d’Italia zum einen die Aussetzung der Stimmrechte der Kläger und die Veräußerung ihrer 9,99 % übersteigenden Anteile an Mediolanum an und lehnte zum anderen den Antrag der Kläger auf Genehmigung des Haltens einer qualifizierten Beteiligung ab.

7        Die Kläger fochten den Beschluss vom 7. Oktober 2014 vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) an, das die Klage mit Urteil vom 5. Juni 2015 abwies.

8        Am 30. Dezember 2015 wurde Mediolanum im Rahmen einer umgekehrten Verschmelzung von ihrer Tochtergesellschaft, der Banca Mediolanum, übernommen.

9        Am 3. März 2016 gab der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) der von den Klägern gegen das Urteil des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) eingelegten Berufung statt und hob den Beschluss vom 7. Oktober 2014 auf.

10      Im Anschluss an die oben in Rn. 8 genannte Verschmelzung und das oben in Rn. 9 angeführte Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 vertraten die Banca d’Italia und die Europäische Zentralbank (EZB) die Auffassung, dass gemäß den Art. 22 ff. der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) sowie gemäß den Art. 19 ff. des Decreto legislativo n. 385 – Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 385 – Testo unico der Bestimmungen über das Bank- und Kreditwesen) vom 1. September 1993 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 230 vom 30. September 1993, im Folgenden: TUB) in der durch das Decreto legislativo no 72 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 72) vom 12. Mai 2015 geänderten Fassung ein neuer Antrag auf Genehmigung dieser qualifizierten Beteiligung erforderlich sei.

11      Mit Schreiben vom 14. Juli 2016 forderte die Banca d’Italia Fininvest auf, innerhalb von 15 Tagen einen Antrag auf Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung zu stellen. Da innerhalb der gesetzten Frist kein Antrag gestellt wurde, entschied die Banca d’Italia am 3. August 2016, von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren gegen Fininvest einzuleiten, nach dessen Abschluss sie der EZB gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) einen Beschlussvorschlag vom 23. September 2016 vorlegte, in dem die Beurteilung des Leumunds der Erwerber der fraglichen Beteiligung an der Banca Mediolanum negativ ausfiel und die EZB aufgefordert wurde, den Erwerb abzulehnen.

12      Mit ihrem Beschluss ECB/SSM/2016 – 7LVZJ6XRIE7VNZ4UBX81/4 vom 25. Oktober 2016 lehnte die EZB den Erwerb der qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch die Kläger mit der Begründung ab, dass sie die Leumundsanforderung nicht erfüllten und ernsthafte Zweifel an ihrer Fähigkeit bestünden, in Zukunft eine solide und umsichtige Führung dieses Kreditinstituts zu gewährleisten (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

13      Insbesondere war die EZB in Anwendung der Art. 19 und 25 TUB sowie des Art. 1 des Decreto ministeriale Nr. 144 zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36 der Auffassung, dass angesichts des Umstands, dass Herr Berlusconi, Mehrheitsaktionär und tatsächlicher Eigentümer von Fininvest, der indirekte Erwerber der Beteiligung an der Banca Mediolanum sei, und wegen Steuerbetrugs rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei, die an die Inhaber qualifizierter Beteiligungen gestellte Leumundsanforderung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/36, so wie sie umgesetzt worden sei, nicht erfüllt werde. Zudem habe Herr Berlusconi weitere Unregelmäßigkeiten begangen, und gegen ihn und andere Mitglieder der Leitungsorgane von Fininvest seien weitere Verurteilungen ergangen.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

14      Mit Klageschrift, die am 23. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

15      Mit am 19. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Europäische Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen zu werden.

16      Mit Schreiben vom 28. April 2017 haben die Kläger einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 69 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt, zu dem die EZB Stellung genommen hat.

17      Mit Entscheidung des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 15. Juni 2017 ist die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen worden. Am selben Tag hat er entschieden, das Verfahren nicht auszusetzen.

18      Das Gericht hat die Rechtssache auf Vorschlag der Zweiten Kammer gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

19      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufgefordert, zu den etwaigen Konsequenzen Stellung zu nehmen, die sich aus dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), für die vorliegende Rechtssache ergeben können. Die Parteien sind dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Fristen nachgekommen.

20      Mit Schriftsatz, der am 21. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger gemäß Art. 84 der Verfahrensordnung neue Klagegründe geltend gemacht, zu denen die EZB und die Kommission Stellung genommen haben.

21      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 7. Mai 2019 ist die vorliegende Rechtssache einem neuen, der Zweiten erweiterten Kammer angehörenden Berichterstatter zugewiesen worden.

22      Nachdem der Richter Berke am 1. August 2021 verstorben ist, ist die vorliegende Rechtssache durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 12. August 2021 einer neuen, der Neunten erweiterten Kammer angehörenden Berichterstatterin zugewiesen worden.

23      Der Präsident des Gerichts hat mit Entscheidung vom 12. August 2021 einen neuen beisitzenden Richter und Kammerpräsidenten zur Ergänzung des Spruchkörpers bestimmt.

24      Die Kläger beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

25      Die EZB und die Kommission beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

26      Zur Stützung ihrer Klage machen die Kläger zehn Klagegründe geltend.

27      Mit dem ersten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 EUV, gegen Art. 127 Abs. 6 AEUV, gegen Art. 1 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung 1024/2013, gegen die Art. 86 und 87 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (ABl. 2014, L 141, S. 1) sowie gegen die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, ein Rechtsfehler und ein Ermessensmissbrauch geltend gemacht, da die EZB diese Bestimmungen auf Personen angewandt habe, die bereits Inhaber einer qualifizierten Beteiligung seien. Der zweite Klagegrund betrifft die im Wege der Einrede geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Richtlinie 2013/36 im Hinblick auf den Grundsatz des Verbots der Rückwirkung von Sekundärrechtsakten. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtskraft in Bezug auf das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 geltend gemacht. Mit dem vierten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013, gegen Art. 23 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2013/36 sowie gegen die allgemeinen Grundsätze der Gesetzmäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird eine fehlende Beurteilung und Begründung durch die EZB in Bezug auf das Kriterium des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf das Kreditinstitut im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 gerügt. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) bemängelt. Mit dem siebten Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf Akteneinsicht beanstandet. Mit dem achten Klagegrund wird die im Wege der Einrede geltend gemachte Rechtswidrigkeit von Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 gerügt, wonach die betroffenen Personen über eine Frist von drei Tagen verfügen, um sich schriftlich zu den dem künftigen Beschluss der EZB zugrunde liegenden Gesichtspunkten zu äußern. Der neunte Klagegrund bezieht sich im Wesentlichen auf die Rechtswidrigkeit der von der Banca d’Italia erlassenen vorbereitenden Handlungen. Der zehnte Klagegrund betrifft die im Wege der Einrede geltend gemachte Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 3 und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

 Zum ersten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 EUV, gegen Art. 127 Abs. 6 AEUV, gegen Art. 1 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung 1024/2013, gegen die Art. 86 und 87 der Verordnung Nr. 468/2014 sowie gegen die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, ein Rechtsfehler und ein Ermessensmissbrauch geltend gemacht wird

28      Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Beschluss gegen Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 und die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 verstoße, da die EZB die Verschmelzung durch Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne dieser Bestimmungen eingestuft habe. Diese Bestimmungen gälten nur für Fälle, in denen es einen interessierten Erwerber und einen beabsichtigten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung gebe, nicht aber für Fälle, in denen die betreffenden natürlichen oder juristischen Personen bereits Inhaber einer qualifizierten Beteiligung seien.

29      Die Kläger machen ferner geltend, dass sie im vorliegenden Fall bereits vor der fraglichen Verschmelzung formell und materiell Eigentümer der qualifizierten Beteiligungen an der Banca Mediolanum gewesen seien, und leiten daraus ab, dass die EZB das Verfahren, das zu dem angefochtenen Beschluss geführt habe, nicht habe einleiten können. Darüber hinaus tragen die Kläger vor, dass die der EZB durch die Verträge zugewiesenen Zuständigkeiten und die ihr durch die Verordnung Nr. 1024/2013 und die Verordnung Nr. 468/2014 übertragenen besonderen Aufgaben es ihr nicht erlaubten, eine Beurteilung einer bereits an einem Kreditinstitut gehaltenen qualifizierten Beteiligung vorzunehmen, sondern nur, einen geplanten Erwerb abzulehnen oder nicht abzulehnen.

30      Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

31      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 vorsieht, dass die EZB ausschließlich für die Wahrnehmung der Aufgabe der „Beurteilung der Anzeige über den Erwerb oder die Veräußerung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten, außer im Fall einer Bankenabwicklung und vorbehaltlich des Artikels 15“ der Verordnung zuständig ist.

32      Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 bestimmt seinerseits, dass die EZB auf Grundlage der Beurteilungskriterien des Unionsrechts und im Einklang mit den darin geregelten Verfahren und innerhalb des darin festgelegten Beurteilungszeitraums beschließt, ob der Erwerb abzulehnen ist.

33      Darüber hinaus heißt es in Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 1024/2013: „Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden.“

34      Folglich ist die EZB verpflichtet, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1024/2013 und die Bestimmung des nationalen Rechts, durch die die Richtlinie 2013/36 umgesetzt wurde – im Licht dieser Richtlinie betrachtet – anzuwenden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 24. April 2018, Caisse régionale de crédit agricole mutuel Alpes Provence u. a./EZB, T‑133/16 bis T‑136/16, EU:T:2018:219, Rn. 47 bis 50).

35      Das Verfahren zur Beurteilung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen ist in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013, in den Art. 85 bis 87 der Verordnung Nr. 468/2014 und in Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 geregelt. Nach diesen Bestimmungen ist eine natürliche oder juristische Person, die beschlossen hat, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erwerben oder zu erhöhen, verpflichtet, den für das Kreditinstitut, an dem eine qualifizierte Beteiligung erworben oder erhöht werden soll, zuständigen Behörden diese Tatsache vor dem Erwerb schriftlich unter Angabe des Umfangs der geplanten Beteiligung zusammen mit den einschlägigen Informationen nach Art. 23 Abs. 4 dieser Richtlinie anzuzeigen.

36      Durch Art. 19 TUB in der durch das Decreto legislativo Nr. 72 geänderten Fassung, mit dem der Inhalt der Richtlinie 2013/36 in italienisches Recht umgesetzt wurde, wird der Banca d’Italia die Zuständigkeit für die Erteilung von Genehmigungen für den Erwerb qualifizierter Beteiligungen an Finanzinstituten übertragen. Art. 19 Abs. 5 TUB stellt außerdem klar, dass diese Genehmigungen erteilt werden, wenn „bei Würdigung der Eignung des potenziellen Erwerbers und der finanziellen Solidität des geplanten Erwerbs anhand nachstehender Kriterien geeignete Voraussetzungen für eine solide und umsichtige Führung der Bank vorliegen: der Leumund des potenziellen Erwerbers im Sinne von Art. 25“ TUB.

37      Gemäß Art. 25 („Kapitalbeteiligungen“) Abs. 1 TUB müssen die Inhaber von Beteiligungen im Sinne von Art. 19 TUB Leumundsanforderungen genügen sowie Kompetenz- und Zuverlässigkeitskriterien erfüllen, so dass eine solide und umsichtige Führung der Bank gewährleistet ist.

38      Art. 2 Abs. 8 des Decreto legislativo Nr. 72 sieht übergangsweise vor, dass die vor Erlass dieses Dekrets geltenden Bestimmungen über die Anforderungen an den Leumund der Inhaber von Beteiligungen an Finanzinstituten weiterhin anzuwenden sind.

39      Die fraglichen Bestimmungen wurden in das Decreto ministeriale Nr. 144 aufgenommen, in dessen Art. 1 die Verurteilungen aufgeführt waren, die dem Leumund des Betroffenen schaden und dazu führen, dass diese Anforderung nicht erfüllt ist.

40      Art. 2 des Decreto ministeriale Nr. 144 bestimmt übergangsweise, dass „[für] Rechtssubjekte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Regelung am Kapital einer Bank beteiligt sind, … die Nichterfüllung der in Art. 1 genannten Anforderungen, die in der bisher geltenden Regelung nicht vorgesehen waren, keine Rolle [spielt], wenn sie bereits vor diesem Zeitpunkt gegeben war; dies gilt jedoch nur für bereits gehaltene Beteiligungen“.

41      Für qualifizierte Teilhaber an gemischten Finanzholdinggesellschaften galten nach dem gemäß Art. 119 der Richtlinie 2013/36 erlassenen Art. 63 TUB dieselben Verpflichtungen wie für qualifizierte Teilhaber an Kreditinstituten.

42      Die Analyse des ersten Klagegrundes erfordert die Prüfung, ob die EZB, wie die Kläger geltend machen, bei der Anwendung von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 sowie des zur Umsetzung dieser Bestimmung erlassenen italienischen Rechts zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Kläger aufgrund der in Rede stehenden Verschmelzung und des Urteils des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016, mit dem u. a. die Beschränkung der Ausübung der mit ihrer Beteiligung verbundenen Stimmrechte und die Veräußerung ihrer 9,99 % übersteigenden Anteile an Mediolanum aufgehoben wurden, eine qualifizierte Beteiligung erworben haben.

43      Für die Zwecke dieser Prüfung ist in einem ersten Schritt der Begriff „Erwerb einer qualifizierten Beteiligung“ auszulegen und in einem zweiten Schritt die Rechtmäßigkeit der von der EZB vorgenommenen Einstufung der Verschmelzung als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36, so wie er in nationales Recht umgesetzt worden ist, zu beurteilen.

 Zur Auslegung des Begriffs des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung im Sinne von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36

44      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes folgt, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Vapenik, C‑508/12, EU:C:2013:790, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Urteil vom 11. April 2019, Tarola, C‑483/17, EU:C:2019:309, Rn. 36).

45      Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 der Richtlinie 2013/36 verweisen für die Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung des Begriffs des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten.

46      Zwar sieht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 vor, dass die EZB zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, das einschlägige Unionsrecht und, wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, die nationalen Rechtsvorschriften anwendet, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Wenn das einschlägige Unionsrecht aus Verordnungen besteht und den Mitgliedstaaten durch diese Verordnungen derzeit ausdrücklich Wahlrechte eingeräumt werden, wendet die EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Wahlrechte ausgeübt werden.

47      Diese Bestimmung enthält zwar einen allgemeinen Verweis auf das zur Durchführung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts erlassene nationale Recht, sie kann jedoch nicht im Sinne der oben in Rn. 44 angeführten Rechtsprechung als ausdrücklicher Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten für die Auslegung des Begriffs des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung verstanden werden.

48      Wenn nämlich die Anwendbarkeit der Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen von der Auslegung dieses Begriffs in den nationalen Rechtsordnungen abhinge, würde der obligatorische Charakter dieser Beurteilung in Frage gestellt.

49      Dieser Begriff ist daher für die Anwendung von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 der Richtlinie 2013/36 als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 33).

50      Zweitens ist dieser Begriff mangels einer Definition im Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und entsprechend dem Sinn, den er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch hat, zu bestimmen. Im Übrigen sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts die Ziele, die mit der betreffenden Regelung verfolgt werden, und deren praktische Wirksamkeit zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil 13. Dezember 2012, BLV Wohn- und Gewerbebau, C‑395/11, EU:C:2012:799, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Erwerbs von Wertpapieren oder Beteiligungen im üblichen Sinne nicht auf Kassageschäfte beschränkt ist, sondern auch verschiedene Arten von Vorgängen umfassen kann, wie z. B. Termingeschäfte, Optionsgeschäfte oder den Austausch von Aktien gegen andere Vermögenswerte.

52      Was sodann den Kontext, in den sich das Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung einfügt, und die mit ihm verfolgten Ziele angeht, ist darauf hinzuweisen, dass, wie im 22. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 ausgeführt wird, eine Beurteilung der Eignung eines neuen Eigentümers im Vorfeld des Erwerbs einer Beteiligung an einem Kreditinstitut ein unverzichtbares Mittel ist, um die Eignung und finanzielle Solidität der Eigentümer von Kreditinstituten sicherzustellen.

53      Darüber hinaus geht aus dem 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 hervor, dass die Einhaltung von Unionsvorschriften, die Kreditinstitute dazu verpflichten, gegen die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit Eigenmittel in bestimmter Höhe vorzuhalten, die Höhe der Forderungen zu begrenzen, Informationen zu ihrer Finanzlage zu veröffentlichen, ausreichend liquide Aktiva vorzuhalten, um Spannungen an den Märkten standhalten zu können, und den Verschuldungsgrad zu begrenzen, Voraussetzung für die aufsichtsrechtliche Solidität von Kreditinstituten ist. Die Einhaltung dieser Vorschriften hängt jedoch auch eng von der Eignung der Eigentümer von Kreditinstituten und der eines neuen Eigentümers ab, der einen erheblichen Anteil an einem solche Institut zu erwerben beabsichtigt.

54      Schließlich stellt Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 klar, dass das Ziel des Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten darin besteht, eine solide und umsichtige Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, sowie die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf dieses Kreditinstitut zu gewährleisten.

55      Daher kann dieser Begriff entgegen dem Vorbringen der Kläger im Licht des Kontexts, in den sich das Verfahren zur Genehmigung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen einfügt, und der mit ihm verfolgten Ziele nicht restriktiv dahin ausgelegt werden, dass er nur auf Erwerbe anwendbar ist, die sich aus dem Kauf von Aktien am Markt ergeben, und andere Arten von Transaktionen, die Personen den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung ermöglichen, wie z. B. ein Aktientausch, ausschließt.

56      Eine solche enge Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass das Beurteilungsverfahren umgangen würde, indem bestimmte Formen des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen der Kontrolle der EZB entzogen würden, und diese Ziele somit in Frage gestellt würden.

57      Außerdem ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36, dass das Verfahren zur Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an einem Kreditinstitut sowohl für direkte als auch für indirekte Erwerbe gilt. Wird also bei einem bestimmten Geschäft eine indirekte qualifizierte Beteiligung zu einer direkten qualifizierten Beteiligung oder ändert sich der Grad der indirekten Kontrolle dieser qualifizierten Beteiligung, insbesondere wenn eine indirekt über zwei Gesellschaften gehaltene Beteiligung dann indirekt über eine einzige Gesellschaft gehalten wird, so kommt es zu einer Veränderung der rechtlichen Struktur der qualifizierten Beteiligung, so dass ein solcher Vorgang als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. Jede andere Lösung könnte die oben in den Rn. 52 bis 56 genannten Ziele der Unionsregelung in Frage stellen.

58      Drittens kann in Anbetracht des Wortlauts von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie von Art. 22 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36, ihres Kontexts und ihrer Ziele die Anwendbarkeit des Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung auf ein bestimmtes Geschäft nicht von einer Änderung des voraussichtlichen Einflusses abhängig gemacht werden, den der Erwerber einer qualifizierten Beteiligung auf das von dem Geschäft betroffene Kreditinstitut ausüben könnte.

59      Aus Art. 23 („Beurteilungskriterien“) Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 geht nämlich hervor, dass der voraussichtliche Einfluss eines interessierten Erwerbers auf das betreffende Kreditinstitut zu den Faktoren gehört, die allein bei der Beurteilung der Eignung dieses interessierten Erwerbers und der finanziellen Solidität des beabsichtigten Erwerbs zu berücksichtigen sind. In Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie, der die Anzeige des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung regelt, wird dieser Faktor hingegen nicht erwähnt. Mithin ist er für die Einstufung eines Vorgangs als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung nicht relevant.

60      Folglich ist die Anwendbarkeit des Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung entgegen dem wesentlichen Vorbringen der Kläger nicht von einer Änderung des voraussichtlichen Einflusses abhängig, den der interessierte Erwerber auf das Kreditinstitut ausüben könnte.

61      Viertens machen die Kläger geltend, dass die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 eng auszulegen seien, so dass sie nur den geplanten Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten beträfen. Die der EZB durch die Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen besonderen Aufgaben im Sinne von Art. 127 Abs. 6 AEUV sollten nur die Aufgabe umfassen, einen geplanten Erwerb abzulehnen oder nicht abzulehnen. Außerdem stelle die der EZB übertragene Befugnis, Anzeigen des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen selbst in Bezug auf weniger bedeutende Kreditinstitute wie die Banca Mediolanum zu beurteilen, eine Ausnahme von dem allgemeinen Kriterium der Bedeutung von Kreditinstituten dar, auf dem die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden beruhe.

62      Die Ziele des Verfahrens zur Beurteilung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen implizieren jedoch, dass die dieses Verfahren regelnden Bestimmungen nicht eng ausgelegt werden dürfen.

63      Zwar sehen Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 der Richtlinie 2013/36 eine Vorabkontrolle des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten vor, weshalb der Wortlaut dieser Bestimmungen auf einen „geplanten“ Erwerb (acquisition „proposée“ bzw. „envisagée“) und einen „interessierten Erwerber“ Bezug nimmt. Diese Bestimmungen können jedoch nicht so ausgelegt werden, dass sie nur deshalb nicht auf Vorgänge anwendbar sind, die als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung eingestuft werden können, weil ein solcher Vorgang bereits durchgeführt wurde, ohne dass die Erwerber die zuständigen Behörden davon in Kenntnis gesetzt hätten und ohne dass sie deren Genehmigung abgewartet hätten. Eine solche Auslegung würde nämlich den oben genannten Bestimmungen jede praktische Wirkung nehmen und das mit ihnen verfolgte Ziel beeinträchtigen.

64      Darüber hinaus geht aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 4 und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 hervor, dass der Unionsgesetzgeber der EZB die ausschließliche Zuständigkeit für die Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an allen Kreditinstituten übertragen hat. Diese Befugnis kann daher nicht als Ausnahme von dem allgemeinen Kriterium der Bedeutung von Kreditinstituten angesehen werden.

65      Fünftens machen die Kläger geltend, dass die von der EZB vorgenommene Auslegung der Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 gegen Art. 127 Abs. 6 AEUV verstoße, der ausschließe, dass dieser Institution Aufsichtsaufgaben im Hinblick auf Versicherungsgesellschaften übertragen werden könnten.

66      Die Ziele der in Rede stehenden Bestimmungen könnten jedoch nicht erfüllt werden, wenn der bloße Umstand, dass ein Kreditinstitut auch Versicherungstätigkeiten betreibt, dazu führen würde, dass es der Kontrolle durch die EZB entzogen wird.

67      Das in Rede stehende Beurteilungsverfahren findet somit auf den Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an einem Kreditinstitut unabhängig davon Anwendung, dass dieses auch Versicherungstätigkeiten betreibt, und die EZB hat insoweit keinen Rechtsfehler begangen.

 Zur Einstufung der Verschmelzung durch Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 sowie des aus der Umsetzung dieser Bestimmung hervorgegangenen italienischen Rechts

68      Es ist zu prüfen, ob die EZB, wie die Kläger geltend machen, zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass sie infolge der Verschmelzung durch Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum und des Urteils des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 eine qualifizierte Beteiligung im Sinne von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 sowie des aus der Umsetzung dieser Bestimmung hervorgegangenen italienischen Rechts erworben haben.

69      Insoweit ist unstreitig, dass die Verschmelzung durch Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum in einem Austausch von Aktien bestand, durch den Fininvest die Aktien von Banca Mediolanum in rechtlicher Hinsicht erwarb, wobei sie vor der Verschmelzung keine Aktien besaß.

70      Vor der Verschmelzung und dem Beschluss vom 7. Oktober 2014, mit dem die Banca d’Italia die Stimmrechte der Kläger ausgesetzt und die Veräußerung ihrer 9,99 % übersteigenden Anteile an Mediolanum angeordnet hatte, verfügten Fininvest und Herr Berlusconi – über Fininvest – über 30,16 % der Anteile an Mediolanum, die ihrerseits 100 % der Anteile an der Banca Mediolanum hielt.

71      Da der Anteil der Stimmrechte, die von Fininvest indirekt über Mediolanum ausgeübt werden konnten, über der in Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Schwelle von 20 % lag, hielten Fininvest und folglich Herr Berlusconi, wie sie geltend machen, indirekt eine qualifizierte Beteiligung an der Banca Mediolanum.

72      Nach dem Beschluss vom 7. Oktober 2014, mit dem die Banca d’Italia die Stimmrechte der Kläger aussetzte, die Erteilung der Genehmigung einer qualifizierten Beteiligung an Mediolanum verweigerte und ihnen die Veräußerung ihrer 9,99 % übersteigenden Anteile an der Mediolanum auferlegte, war die indirekte Beteiligung der Kläger keine qualifizierte Beteiligung mehr.

73      Infolge der Verschmelzung durch Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum vom 30. Dezember 2015 wurde Fininvest direkte Inhaberin von 9,99 % der Aktien der Banca Mediolanum.

74      Fininvest, die zentrale Erwerberin im Rahmen des in Rede stehenden Vorgangs, deren indirekter Mehrheitsaktionär Herr Berlusconi ist, hielt vor der umgekehrten Verschmelzung keine Aktien der Banca Mediolanum und wurde dann infolge dieses Vorgangs Eigentümerin von Aktien der Banca Mediolanum.

75      So wurde zum einen die indirekte Beteiligung von Fininvest an der Banca Mediolanum zu einer direkten Beteiligung.

76      Zum anderen wurde Fininvest nach der Aufhebung des Beschlusses vom 7. Oktober 2014 durch das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 zur direkten Inhaberin von 30,16 % der Aktien der Banca Mediolanum.

77      Daher ist die indirekte Beteiligung von Fininvest an der Banca Mediolanum, wie die EZB im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, infolge der in Rede stehenden Verschmelzung und des Urteils des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 zu einer direkten qualifizierten Beteiligung geworden.

78      Da das von Herrn Berlusconi kontrollierte Unternehmen eine direkte qualifizierte Beteiligung an der Banca Mediolanum erworben hat, muss auch die rechtliche Struktur der indirekten qualifizierten Beteiligung von Herrn Berlusconi an der Banca Mediolanum als verändert angesehen werden.

79      Während Herr Berlusconi nämlich zunächst über Fininvest und dann über Mediolanum indirekt an der Banca Mediolanum beteiligt war, hält er nunmehr eine indirekte Beteiligung an der Banca Mediolanum ausschließlich über Fininvest.

80      Daraus folgt, dass die in Rede stehende Verschmelzung im Anschluss an das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 eine Veränderung der rechtlichen Struktur der qualifizierten Beteiligung der Kläger an der Banca Mediolanum bewirkte und dass die EZB diesen Vorgang daher zu Recht als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne von Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 22 der Richtlinie 2013/36 einstufen konnte, auch wenn sich die Höhe der qualifizierten Beteiligung der Kläger im Vergleich zu derjenigen, über die sie zuvor über Mediolanum verfügten, nicht geändert hat.

81      In dieser Hinsicht kann der Umstand, dass die Kläger bereits eine qualifizierte Beteiligung an der Banca Mediolanum hielten, was durch die Existenz einer Aktionärsvereinbarung zwischen Fininvest und Fin. Prog. Italia, die ihnen vor der in Rede stehenden Verschmelzung die gemeinsame Kontrolle über Mediolanum und Banca Mediolanum ermöglicht habe, und die Unterzeichnung einer neuen, am 14. September 2016 nach der fraglichen Verschmelzung abgeschlossenen Vereinbarung, durch die erneut eine gemeinsame Kontrolle von Fininvest und Fin. Prog. Italia über die Banca Mediolanum begründet worden sei, bestätigt werde, keinen Nachweis dafür bieten, dass der angefochtene Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Kläger eine qualifizierte Beteiligung erworben haben, da diese Vereinbarungen nicht in Frage stellen, dass die rechtliche Struktur der qualifizierten Beteiligung der Kläger verändert wurde.

82      Unter diesen Umständen ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, dass die EZB unter Verstoß gegen die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, die nur eine vorausschauende Beurteilung zuließen, mehr als ein Jahr nach der Verschmelzung eine Überprüfung vorgenommen habe.

83      Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass das Überprüfungsverfahren nur wenige Monate nach dem Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 eingeleitet wurde, das zur Folge hatte, dass die Beteiligung der Kläger an der Banca Mediolanum in eine qualifizierte Beteiligung umgewandelt wurde.

84      Zum anderen – und grundlegender – kann, da die Veränderung der rechtlichen Struktur der qualifizierten Beteiligung der Kläger, die sich aus der Verschmelzung und dem Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 ergibt, als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut einzustufen ist, die der in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und in Art. 22 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Genehmigung bedarf, die ohne Genehmigung erfolgte Durchführung dieses Vorgangs nicht dazu führen, dass die Kläger von der Genehmigung freigestellt werden.

85      Wäre dies nicht der Fall, liefe dies darauf hinaus, dass die EZB allein deshalb nicht tätig werden könnte, weil der Erwerb bereits stattgefunden hat, was dem Zweck dieser Bestimmungen und dem obligatorischen Charakter der Beurteilung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an einem Kreditinstitut zuwiderlaufen würde (vgl. oben, Rn. 63).

86      Darüber hinaus machen die Kläger geltend, dass die Verschmelzung nach nationalem Recht und nationaler Rechtsprechung nicht dazu geführt habe, dass ein Rechtsträger erlösche oder ein anderer entstehe. Sie folgern daraus, dass die Verschmelzung nicht zur Folge gehabt habe, dass sie selbst eine neue Beteiligung an der Banca Mediolanum erworben hätten.

87      Wie sich jedoch aus den vorstehenden Rn. 48 und 49 ergibt, ist der Begriff des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut ein autonomer Begriff, der nicht von der Qualifizierung des italienischen Gesellschaftsrechts abhängen kann. Zwar besteht also das die Überprüfung durch die EZB auslösende Ereignis in der Durchführung einer nach italienischem Recht vorgenommenen Verschmelzung durch Aufnahme, die Wirkungen eines solchen Vorgangs müssen jedoch anhand von Kriterien beurteilt werden, die sich allein aus der Anwendung des Unionsrechts ergeben. Die Parteien können sich daher nicht darauf berufen, dass die Anwendung des italienischen Rechts insoweit dazu führe, dass die in Rede stehende Verschmelzung dem in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie in den Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Verfahren entzogen würde.

88      Außerdem führte der Verschmelzungsvorgang unabhängig davon, ob er nach italienischem Recht zum Erlöschen eines Rechtsträgers und zum Entstehen eines anderen Rechtsträgers geführt hat, in jedem Fall zu einer Veränderung der rechtlichen Struktur der Beteiligung der Kläger.

89      Das Vorbringen der Kläger zum italienischen Recht oder zur Verpflichtung, das italienische Recht im Einklang mit den Richtlinien zum Gesellschaftsrecht auszulegen, geht daher ins Leere.

90      Folglich ist das Vorbringen der Kläger, mit dem sie einen Verstoß gegen die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, gegen Art. 1 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013, gegen die Art. 86 und 87 der Verordnung Nr. 468/2014 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 EUV sowie gegen Art. 127 Abs. 6 AEUV rügen, zurückzuweisen.

 Zum Ermessensmissbrauch

91      Was schließlich die Berufung auf einen Ermessensmissbrauch betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung eine Maßnahme nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest hauptsächlich zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil vom 10. März 2005, Spanien/Rat, C‑342/03, EU:C:2005:151, Rn. 64).

92      Die Kläger beschränken sich jedoch darauf, in der Überschrift ihres ersten Klagegrundes einen Ermessensmissbrauch zu erwähnen, ohne näher darzulegen, inwiefern der angefochtene Beschluss einen solchen Ermessensmissbrauch darstelle, und ohne ein objektives Indiz für einen solchen Ermessensmissbrauch im Sinne der oben in Rn. 91 angeführten Rechtsprechung geltend zu machen.

93      Es ist daher festzustellen, dass die Kläger nicht nachweisen können, dass die EZB einen Ermessensmissbrauch begangen hat.

94      Folglich ist der erste Klagegrund unbegründet.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Richtlinie 2013/36 im Sinne von Art. 277 AEUV

95      Die Kläger machen geltend, dass, sollten die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 dahin auszulegen sein, dass ihr Anwendungsbereich Anteile am Gesellschaftskapital umfasse, die vor mehr als zwanzig Jahren erworben worden seien, die Richtlinie rechtswidrig sei, da der Unionsgesetzgeber den Grundsatz des Verbots der Rückwirkung von Sekundärrechtsakten missachtet hätte.

96      Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

97      Insoweit sieht Art. 22 („Anzeige und Beurteilung eines geplanten Erwerbs“) der Richtlinie 2013/36 im Wesentlichen vor, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass eine Person, die beschlossen hat, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erwerben, den zuständigen Behörden diese Tatsache vor dem Erwerb schriftlich anzuzeigen hat und dass dieser Erwerb nur genehmigt werden kann, wenn diese Person die in Art. 23 dieser Richtlinie vorgesehenen Kriterien erfüllt.

98      Somit ist klar, dass der Anwendungsbereich der Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 keine qualifizierten Beteiligungen umfasst, deren Erwerb vor dem Inkrafttreten der Richtlinie erfolgt ist und die somit bereits gehalten wurden, sondern nur die nach dem Inkrafttreten der Richtlinie geplanten Entscheidungen über den Erwerb qualifizierter Beteiligungen.

99      Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber nicht gegen den Grundsatz des Verbots der Rückwirkung von Sekundärrechtsakten verstoßen hat.

100    Soweit dieser Klagegrund darauf abzielt, die Anwendung der Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 auf Situationen wie die vorliegende in Frage zu stellen, genügt der Hinweis, dass eine Veränderung der rechtlichen Struktur einer qualifizierten Beteiligung infolge einer Verschmelzung durch einen Austausch von Aktien und einer gerichtlichen Entscheidung, wie im vorliegenden Fall das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016, mit dem die Veräußerung der 9,99 % übersteigenden Anteile für nichtig erklärt wurde, als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung im Sinne der genannten Bestimmungen einzustufen ist.

101    Der zweite Klagegrund ist folglich nicht begründet.

 Zum dritten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen eine Missachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtskraft geltend gemacht wird

102    Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass die EZB den Grundsatz der Rechtskraft in Bezug auf das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 und folglich den Grundsatz der Rechtssicherheit missachtet habe.

103    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

104    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 in Verbindung mit deren Art. 15 Abs. 3 und mit Art. 87 der Verordnung Nr. 468/2014 nur die EZB unter der Kontrolle der Unionsgerichte dafür zuständig ist, nach Abschluss des u. a. in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und in den Art. 85 und 86 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Verfahrens den beabsichtigten Erwerb zu genehmigen oder nicht zu genehmigen.

105    Die rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts kann daher nicht herangezogen werden, um die Ausübung der ausschließlichen Zuständigkeit eines Unionsorgans zu behindern (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Juli 2007, Lucchini, C‑119/05, EU:C:2007:434, Rn. 62 und 63).

106    Folglich kann die Rechtmäßigkeit des von der EZB in Ausübung ihrer ausschließlichen Zuständigkeit erlassenen angefochtenen Beschlusses nicht unter Berufung auf das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 in Frage gestellt werden.

107    Daraus folgt, dass das auf einen Verstoß gegen die Rechtskraft dieses Urteils und gegen den damit einhergehenden Grundsatz der Rechtssicherheit gestützte Vorbringen zurückzuweisen ist.

108    Der dritte Klagegrund ist demzufolge nicht begründet.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013, gegen Art. 23 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2013/36 sowie gegen die allgemeinen Grundsätze der Gesetzmäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit

109    Die Kläger machen geltend, der angefochtene Beschluss sei unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 23 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2013/36 erlassen worden, da erstens Art. 23 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht in italienisches Recht umgesetzt worden sei, zweitens die in Art. 23 Abs. 4 dieser Richtlinie genannte Liste nicht, wie in dieser Bestimmung vorgeschrieben, in Italien veröffentlicht worden sei, und drittens die von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) erlassenen und im angefochtenen Beschluss angewandten Gemeinsamen Leitlinien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor (im Folgenden: Gemeinsame Leitlinien von 2008) nicht auf sie anwendbar seien.

110    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Zur ersten Rüge: fehlende Umsetzung von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 in italienisches Recht

111    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 nicht in italienisches Recht umgesetzt worden sei, und leiten daraus ab, dass die EZB die in diesem Artikel genannten Kriterien nicht habe anwenden können, indem sie sich zur Anwendung dieser Kriterien, wie sie im italienischen Recht festgelegt seien, auf das Decreto ministeriale Nr. 144 und das Decreto ministeriale Nr. 675 vom 27. Juli 2011, das vom Wirtschaftsminister in seiner Eigenschaft als Präsident des Comitato Interministeriale per il Credito ed Risparmio (im Folgenden: Interministerieller Ausschuss für Kredit- und Sparwesen, Italien) zeitlich vor der Richtlinie erlassen worden seien, gestützt habe.

112    Die EZB habe daher einen Rechtsfehler begangen, indem sie die oben in Rn. 111 genannten Bestimmungen des Decreto ministeriale Nr. 144 und des Decreto ministeriale Nr. 675 angewandt habe, die nicht die Richtlinie 2013/36 umsetzten.

113    Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die EZB nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 1024/2013 zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, das einschlägige Unionsrecht und, wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, die nationalen Rechtsvorschriften anwendet, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden.

114    Zweitens hat die EZB in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 im angefochtenen Beschluss mehrere Vorschriften des nationalen Rechts, u. a. die Art. 19 und 25 TUB in Verbindung mit dem Decreto ministeriale Nr. 144, angewandt.

115    Drittens wurde die Richtlinie 2013/36 durch den Erlass des Decreto legislativo Nr. 72 zur Änderung des TUB in italienisches Recht umgesetzt.

116    Art. 19 TUB sieht vor, dass die Banca d’Italia die Genehmigung für den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut erteilt, wenn nach Beurteilung der Eignung des interessierten Erwerbers und der finanziellen Solidität des geplanten Erwerbs u. a. nach Maßgabe des Kriteriums des Leumunds des interessierten Erwerbers geeignete Voraussetzungen für eine solide und umsichtige Führung der Bank vorliegen.

117    Im Hinblick auf dieses Kriterium bestimmt Art. 25 TUB, dass die Leumundsanforderungen und die Kompetenzkriterien durch ein Dekret des Ministers für Wirtschaft und Finanzen festgelegt werden müssen.

118    Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses war das in Art. 25 TUB vorgesehene Dekret des Ministers für Wirtschaft und Finanzen zur Festlegung der Leumundsanforderungen und der Kompetenzkriterien noch nicht erlassen worden.

119    Art. 2 Abs. 8 des Decreto Legislativo Nr. 72 sah jedoch vor, dass Art. 25 TUB in seiner früheren Fassung sowie die Durchführungsbestimmungen für diesen Artikel in ihrer früheren Fassung bis zum Inkrafttreten der nach Art. 25 TUB erlassenen Durchführungsbestimmungen weiterhin anwendbar waren.

120    Diese Durchführungsbestimmungen für Art. 25 TUB waren in den Bestimmungen des Decreto ministeriale Nr. 144 festgelegt worden, die in Anwendung von Art. 25 TUB in seiner am 1. Januar 2004 geltenden Fassung erlassen wurden.

121    Das Decreto ministeriale Nr. 144 sah in seinem Art. 1 u. a. vor, dass ein Inhaber einer Beteiligung von mehr als 5 % am durch Stimmrechtsaktien repräsentierten Kapital einer Bank keine mit überschüssigen Aktien oder Anteilen verbundenen Stimmrechte ausüben kann, wenn er u. a. durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, unbeschadet der Wirkungen einer Rehabilitierung, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat gegen die oder einer Veruntreuung gegenüber der öffentlichen Verwaltung, wegen eines Eigentumsdelikts, einer Störung der öffentlichen Ordnung, einer Wirtschaftsstraftat oder einer Steuerstraftat verurteilt worden war.

122    Zur Umsetzung von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 in italienisches Recht sah das Decreto legislativo Nr. 72 daher vor, dass die nach diesem Art. 23 zu beurteilenden Leumundsanforderungen bis zum Erlass des in der Neufassung von Art. 25 TUB vorgesehenen Dekrets die in Art. 1 des Decreto ministeriale Nr. 144 festgelegten Anforderungen seien.

123    In diesem Zusammenhang machen die Kläger geltend, dass das Decreto ministeriale Nr. 144 lediglich eine abschließende Liste von Verurteilungen aufstelle, die es ermöglichten, die Ausübung von Stimmrechten, nicht aber den Erwerb qualifizierter Beteiligungen zu untersagen, und daher nicht als Maßnahme zur Umsetzung der in Rede stehenden Bestimmungen angesehen werden könne.

124    Es genügt jedoch die Feststellung, dass die in Art. 1 des Decreto ministeriale Nr. 144 in Anwendung des Decreto legislativo Nr. 72 vorgesehene Liste der Verurteilungen auch die Kriterien festlegt, anhand derer der Leumund einer am Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut interessierten Person beurteilt werden kann.

125    Daraus folgt, dass entgegen dem Vorbringen der Kläger die in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 festgelegten Kriterien in italienisches Recht umgesetzt worden sind.

126    Die EZB hat daher bei der Anwendung der in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 festgelegten Kriterien, wie sie durch die Art. 19 und 25 TUB umgesetzt wurden, keinen Rechtsfehler begangen, indem sie sich auf das Decreto ministeriale Nr. 144 gestützt hat.

127    Viertens machen die Kläger in der Erwiderung geltend, dass der im Decreto ministeriale Nr. 144 vorgesehene Automatismus zwischen einer Verurteilung und einem Verbot, eine qualifizierte Beteiligung an einem Kreditinstitut zu erwerben, mit dem Ziel und dem Zweck der Richtlinie 2013/36 sowie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sei.

128    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig ist, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

129    Jedoch muss ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits direkt oder implizit in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und das in engem Zusammenhang mit diesem steht, für zulässig erklärt werden.

130    Um als Erweiterung eines zuvor vorgebrachten Angriffsmittels oder einer zuvor vorgebrachten Rüge angesehen werden zu können, muss ein neues Vorbringen einen hinreichend engen Zusammenhang mit den ursprünglich in der Klageschrift vorgebrachten Angriffsmitteln oder Rügen aufweisen (Urteil vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 111, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. November 2009, SGL Carbon/Kommission, C‑564/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:703, Rn. 20 bis 34).

131    In der Klageschrift machten die Kläger jedoch im Wesentlichen geltend, dass Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 nicht in italienisches Recht umgesetzt worden sei.

132    Das in der Erwiderung vorgebrachte Argument, dass die Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36 in italienisches Recht mit dem Ziel und dem Zweck dieser Richtlinie und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar seien, weist somit einen hinreichend engen Zusammenhang mit dem Vorbringen in der Klageschrift auf, da es ebenfalls darauf abzielt, die Umsetzung dieser Richtlinie in italienisches Recht zu beanstanden. Dieses Vorbringen ist daher zulässig.

133    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Automatismus zwischen der Verurteilung wegen einer Straftat von besonderer Schwere, wie der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für bestimmte, genau definierte Straftaten, und dem Verlust des von den Anteilseignern von Kreditinstituten geforderten Leumunds geeignet ist, die Erreichung des Ziels der Richtlinie 2013/36 zu ermöglichen, nämlich sicherzustellen, dass Personen, die eine qualifizierte Beteiligung an einem Kreditinstitut halten, ausreichend gut beleumundet sind.

134    Es ist nämlich festzustellen, dass Inhaber qualifizierter Beteiligungen an Kreditinstituten, die wegen Straftaten gegen die oder Veruntreuungen gegenüber der öffentlichen Verwaltung, wegen Eigentumsdelikten, Störungen der öffentlichen Ordnung und Wirtschaftsstraftaten oder Steuerstraftaten zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind, die solide und umsichtige Führung dieser Kreditinstitute gefährden und folglich das ordnungsgemäße Funktionieren des Bankensystems beeinträchtigen könnten.

135    Im Übrigen werden nach italienischem Recht nur in rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen ausgesprochene Verurteilungen berücksichtigt, und nur bestimmte, genau umschriebene Straftaten, die den Leumund einer Person in Frage stellen können, werden als für die Beurteilung des Leumunds eines interessierten Erwerbers relevant angesehen.

136    Somit ist der vom italienischen Recht vorgesehene Automatismus zwischen der Verurteilung wegen einer Straftat von besonderer Schwere und dem Verlust des von Anteilseignern von Kreditinstituten geforderten Leumunds angesichts der Schwere solcher Verurteilungen und ihrer genauen Definition im italienischen Recht entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht geeignet, den Zweck und das Ziel der Richtlinie 2013/36 in Frage zu stellen, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.

137    Dieses Vorbringen der Kläger ist daher zurückzuweisen.

138    Fünftens machen die Kläger in der Erwiderung geltend, dass die Beurteilung der Verurteilung von Herrn Berlusconi durch die EZB nach nationalem Recht fehlerhaft sei, da er Gegenstand einer Entscheidung gewesen sei, die einer Rehabilitierung gleichkomme.

139    Die Kläger haben in der Klageschrift jedoch weder einen Klagegrund noch ein Argument vorgebracht, mit dem sie einen Beurteilungsfehler der EZB in Bezug auf die Verurteilung von Herrn Berlusconi und insbesondere die unterbliebene Berücksichtigung der Entscheidung Nr. 2412/2015 des Tribunale di sorveglianza di Milano (Aufsichtsgericht Mailand, Italien) vom 9. April 2015, zugestellt am 14. April 2015, oder der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof), mit der diese Art von Entscheidung einer Rehabilitierung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Decreto ministeriale Nr. 144 gleichgesetzt würde, geltend machen.

140    Das auf einen Beurteilungsfehler der EZB in Bezug auf die Verurteilung von Herrn Berlusconi gestützte Argument stellt somit keine Erweiterung eines Arguments dar, das bereits direkt oder implizit in der Klageschrift vorgebracht wurde und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist.

141    Da die oben in Rn. 139 angeführte Entscheidung des Tribunale di sorveglianza di Milano (Aufsichtsgericht Mailand) und die von den Klägern angeführte Rechtsprechung zeitlich vor dem angefochtenen Beschluss ergangen sind, können sie außerdem nicht als rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte im Sinne von Art. 84 der Verfahrensordnung angesehen werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

142    Dieses Vorbringen ist somit unzulässig.

143    Folglich ist die erste Rüge des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: fehlende Veröffentlichung der in Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Liste durch den betreffenden Mitgliedstaat

144    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass die Liste der für die Durchführung der in Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Beurteilung erforderlichen Informationen in Italien zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht veröffentlicht worden sei. Da diese Liste „einen unerlässlichen Schutz der Rechtssicherheit und der Rechtmäßigkeit darstelle“, verstoße der angefochtene Beschluss gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 und gegen Art. 23 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2013/36.

145    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die zuständigen Behörden nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs zu prüfen haben.

146    Damit die zuständigen Behörden diese Beurteilung durchführen können, veröffentlichen die Mitgliedstaaten eine in Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2013/36 vorgesehene Liste, in der die Informationen aufgeführt sind, die für die Vornahme der Beurteilung erforderlich sind und die den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Mitteilung zu übermitteln sind. Es zeigt sich somit, dass diese Liste zwar die Funktion hat, die Informationen zu präzisieren, die das betreffende Kreditinstitut den nationalen Behörden zu übermitteln hat, damit diese die genannte Beurteilung vornehmen können, dass sie aber nicht die materiellen Kriterien für die Beurteilung des Leumunds der interessierten Erwerber durch die zuständigen Behörden festlegen soll.

147    Hierzu ist festzustellen, dass die Kriterien für die Beurteilung des Leumunds zuvor durch das Decreto ministeriale Nr. 144, auf das Art. 25 TUB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 8 des Decreto legislativo Nr. 72 verweist, im italienischen Recht festgelegt und veröffentlicht wurden, so dass davon auszugehen ist, dass die Kläger von diesen Kriterien Kenntnis hatten und daher in der Lage waren, ihren Standpunkt geltend zu machen und die insoweit einschlägigen Informationen vorzulegen. Folglich können sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit berufen.

148    Außerdem hatten die Kläger Gelegenheit, die Informationen, die sie für relevant hielten, vorzulegen, so dass die fehlende Veröffentlichung der Liste der für die Durchführung der Beurteilung erforderlichen Informationen sie nicht daran gehindert hat, die von ihnen gewünschten Informationen vorzulegen.

149    Unter diesen Umständen kann der fehlenden Veröffentlichung der Liste der für die Durchführung der Beurteilung erforderlichen Informationen durch den betreffenden Mitgliedstaat kein Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Beurteilung des Leumunds der Kläger zukommen.

150    Die Rüge, die Liste der für die Beurteilung erforderlichen Informationen sei nicht veröffentlicht worden, geht daher ins Leere.

 Zur dritten Rüge, die auf die Unanwendbarkeit der Gemeinsamen Leitlinien von 2008 und das Rundschreiben der Banca d’Italia von 1999 gestützt wird

151    Die Kläger werfen der EZB vor, sie habe bei ihrer Beurteilung die Gemeinsamen Leitlinien von 2008 und das Rundschreiben der Banca d’Italia von 1999 angewandt und in Anwendung dieser Rechtsakte die Herrn Berlusconi und die Mitglieder des Verwaltungsrats sowie das Rechnungsprüfungskollegium von Fininvest betreffenden laufenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie nicht endgültigen Sanktionen berücksichtigt, um den Leumund der Kläger zu beurteilen.

152    Insoweit ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss auf die Begründung gestützt ist, dass die Kläger gemäß Art. 19 und 25 TUB sowie Art. 1 des Decreto ministeriale Nr. 144, mit denen die Richtlinie 2013/36 umgesetzt werde, wegen der rechtskräftigen Verurteilung von Herrn Berlusconi zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Steuerbetrugs das Leumundskriterium nicht erfüllten.

153    Der angefochtene Beschluss beruht auch auf anderen Gründen, die im Wesentlichen auf den fehlenden Leumund der Kläger auf der Grundlage von in den Gemeinsamen Leitlinien von 2008 und dem Rundschreiben der Banca d’Italia von 1999 vorgesehen Kriterien gestützt sind, insbesondere auf die zahlreichen Verurteilungen und Unregelmäßigkeiten, die im Hinblick auf Herrn Berlusconi, ein weiteres Mitglied des Verwaltungsrats und ein Mitglied des Rechnungsprüfungskollegium der Fininvest SpA sowie Fininvest selbst festgestellt worden seien.

154    Diese Gründe werden von den Klägern im Rahmen der dritten Rüge des vierten Klagegrundes beanstandet.

155    Sofern jedoch bestimmte Gründe einer Entscheidung diese bereits für sich allein rechtlich hinreichend rechtfertigen können, haben etwaige Mängel anderer Gründe des Rechtsakts keinesfalls Einfluss auf dessen verfügenden Teil (Urteil vom 15. Januar 2015, Frankreich/Kommission, T‑1/12, EU:T:2015:17, Rn. 73).

156    Nach den anwendbaren italienischen Rechtsvorschriften genügt jedoch die Verurteilung von Herrn Berlusconi zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Steuerbetrugs als solche, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass er das Leumundskriterium nicht erfüllt.

157    Dieser Grund, der in der Klageschrift nicht bestritten wurde, ist daher für sich genommen geeignet, den angefochtenen Beschluss rechtlich hinreichend zu rechtfertigen.

158    Daraus folgt, dass die Rüge der Unanwendbarkeit der Gemeinsamen Leitlinien von 2008 und des Rundschreibens der Banca d’Italia von 1999 ins Leere geht, da die Mängel, mit denen die Begründung des angefochtenen Beschlusses aufgrund der Anwendung der Gemeinsamen Leitlinien von 2008 und des Rundschreibens der Banca d’Italia von 1999 möglicherweise behaftet sein könnte, keinesfalls Einfluss auf den verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses hätten.

159    Folglich ist die dritte Rüge und damit der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund, mit dem eine fehlende Beurteilung und Begründung durch die EZB in Bezug auf das Kriterium des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 gerügt wird

160    Die Kläger tragen vor, die EZB habe zum einen gegen die Pflicht zur Begründung des Kriteriums des voraussichtlichen Einflusses auf die Banca Mediolanum im Anschluss an die in Rede stehende Verschmelzung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 verstoßen und zum anderen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, dass dieses Kriterium erfüllt sei, obwohl sie im Wesentlichen keinen konkreten Einfluss auf die Banca Mediolanum ausübten.

161    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

162    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die zuständigen Behörden nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, und unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf jenes Kreditinstitut, die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs anhand der fünf in diesem Artikel genannten Kriterien zu beurteilen haben.

163    Daraus folgt, wie oben in Rn. 58 ausgeführt worden ist, dass das Kriterium des voraussichtlichen Einflusses eines interessierten Erwerbers bei der Beurteilung seiner Eignung zu berücksichtigen ist und nicht, um einen Erwerb als Erwerb einer qualifizierten Beteiligung einzustufen.

164    Darüber hinaus ist der voraussichtliche Einfluss kein eigenständiges Kriterium, das zu den fünf anderen in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis e der Richtlinie 2013/36 aufgeführten Kriterien hinzutritt. Der voraussichtliche Einfluss wird nämlich im Satz vor der Nennung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien erwähnt, wobei sich dieser Satz auf den Hinweis beschränkt, dass die zuständigen Behörden bei der Beurteilung der Eignung des interessierten Erwerbers und der finanziellen Solidität des beabsichtigten Erwerbs u. a. dessen voraussichtlichen Einfluss auf das in Rede stehende Kreditinstitut „berücksichtigen“.

165    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Auswirkungen der Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers je nach dem spezifischen Beurteilungskriterium unterschiedlich ausfallen können. So kann die Beurteilung des in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Kriteriums des Leumunds des interessierten Erwerbers nicht abhängig vom voraussichtlichen Einfluss dieses Bewerbers auf das in Rede stehende Kreditinstitut zu einem anderen Ergebnis führen. Der Leumund des interessierten Erwerbers hängt nämlich nicht vom Ausmaß seines voraussichtlichen Einflusses auf dieses Kreditinstitut ab.

166    Die EZB war daher nicht verpflichtet, den voraussichtlichen Einfluss des interessierten Erwerbers auf das fragliche Kreditinstitut zu prüfen, um dessen Leumund zu bewerten.

167    Unter diesen Umständen kann mit dem Vorbringen der Kläger zum Fehlen bedeutender wirtschaftlicher und finanzieller Beziehungen zwischen Fininvest und der Banca Mediolanum sowie zu den Modalitäten der Unternehmensführung der Banca Mediolanum und zu den internen Kontrolleinrichtungen nicht dargetan werden, dass die EZB einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

168    Darüber hinaus kann der EZB kein Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung des Kriteriums des voraussichtlichen Einflusses vorgeworfen werden, da sie nicht verpflichtet war, dieses zu prüfen.

169    Folglich ist der fünfte Klagegrund in jedem Fall zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Art. 16 und 17 der Charta

170    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Art. 16 und 17 der Charta betreffend die Achtung des Eigentumsrechts und die unternehmerische Freiheit verstoße, da er gemäß Art. 25 TUB die Zwangsveräußerung der überschüssigen Anteile der Kläger zur Folge habe, was einer Enteignung gleichkomme. Die EZB hätte diese unverhältnismäßige Wirkung des angefochtenen Beschlusses berücksichtigen müssen.

171    Die Banca d’Italia habe Fininvest und Herrn Berlusconi nämlich am 21. Dezember 2016 über die Einleitung eines Verfahrens zur Vollstreckung der im italienischen Recht vorgesehenen Verpflichtung, ihre überschüssige Beteiligung infolge des angefochtenen Beschlusses zu veräußern, unterrichtet.

172    Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 2013/36 für den Fall, dass eine Beteiligung trotz Einspruchs der zuständigen Behörden erworben wird, die Mitgliedstaaten unbeschadet der von ihnen zu verhängenden Sanktionen vorsehen, dass die Ausübung der entsprechenden Stimmrechte ausgesetzt wird oder dass die Stimmrechtsausübung ungültig ist oder für nichtig erklärt werden kann.

173    Zweitens ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss keine Maßnahme enthält, mit der die EZB die Kläger anweisen würde, die von ihnen gehaltenen überschüssigen Anteile zu veräußern.

174    Da die Verpflichtung zur Veräußerung der überschüssigen Anteile nicht durch den angefochtenen Beschluss auferlegt wird, kann der EZB mit dieser Begründung kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Art. 16 und 17 der Charta vorgeworfen werden.

175    Außerdem muss die EZB nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe, Anträge auf Erwerb qualifizierter Beteiligungen an einem Kreditinstitut zu beurteilen, das nationale Recht zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36 anwenden.

176    Nach dem anwendbaren italienischen Recht verfügte die EZB jedoch über keinen Ermessensspielraum. Nachdem die EZB nämlich das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung von Herrn Berlusconi zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Steuerbetrugs zur Kenntnis genommen hatte, musste sie feststellen, dass diese Verurteilung nach Art. 25 TUB und Art. 1 des Decreto ministeriale Nr. 144 automatisch bedeutete, dass er nicht das Leumundskriterium erfüllen konnte.

177    Die EZB hatte daher keine andere Wahl, als den Antrag der Kläger auf Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum abzulehnen, und es kann ihr kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgeworfen werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 25. September 2015, VECCO u. a./Kommission, T‑360/13, EU:T:2015:695, Rn. 73, und vom 19. Juni 2018, Le Pen/Parlament, T‑86/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:357, Rn. 198 bis 202).

178    Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 und 17 der Charta vorgenommen hat.

179    Außerdem ist das Vorbringen, die EZB hätte den Erlass eines Genehmigungsbeschlusses unter Auflagen in Betracht ziehen müssen, unerheblich, da keine von den Klägern benannte Bestimmung des Unionsrechts oder des nationalen Rechts die Möglichkeit für die EZB vorsieht, einen solchen Beschluss zu erlassen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. Juni 2015, CO Sociedad de Gestión y Participación u. a., C‑18/14, EU:C:2015:419, Rn. 34, 37, 38 und 46).

180    Folglich ist der sechste Klagegrund unbegründet.

 Zum siebten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf Akteneinsicht

181    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass die Wahrung ihrer Verteidigungsrechte nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt habe, nicht gewährleistet worden sei.

182    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

183    Nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 muss die EZB Personen, auf die sich ein aufsichtsrechtliches Verfahren bezieht, die Gelegenheit geben, vor dem Erlass von Beschlüssen gehört zu werden, und sie darf ihre Beschlüsse nur auf die Beschwerdepunkte stützen, zu denen sich die betreffenden Parteien äußern konnten.

184    Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 sieht vor, dass die Parteien nach der Eröffnung eines EZB-Aufsichtsverfahrens vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer juristischer und natürlicher Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse das Recht haben, die Akten der EZB einzusehen, und stellt klar, dass sich dieses Recht auf Akteneinsicht nicht auf vertrauliche Informationen erstreckt.

185    Erstens machen die Kläger geltend, Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 seien nicht eingehalten worden, weil die Banca d’Italia ihnen den Zugang zu den Akten erst ab dem 14. September 2016 gewährt habe, d. h. am Tag des Ablaufs der Frist für die Vorlage von Beweisen dafür, dass die Voraussetzungen für den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung erfüllt gewesen seien.

186    In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das Verfahren von der Banca d’Italia mit einer Mitteilung vom 3. August 2016 von Amts wegen eingeleitet wurde. Die Kläger wurden aufgefordert, spätestens am 14. September 2016 die erforderlichen Dokumente vorzulegen, um nachzuweisen, dass sie die nach den geltenden Vorschriften erforderliche Eignung besitzen.

187    Gerade an diesem Tag gewährte die Banca d’Italia den Klägern Akteneinsicht. Am 6. Oktober 2016 übermittelte die EZB Fininvest und Herrn Berlusconi bei Fininvest einen Beschlussentwurf, der darauf gerichtet war, die Genehmigung zum Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum zu verweigern, und teilte ihnen mit, dass sie über eine Frist von drei Tagen, d. h. bis spätestens 11. Oktober 2016, verfügten, um Stellung zu nehmen.

188    Somit wurde den Klägern von der Banca d’Italia mehr als drei Wochen vor der Zustellung des Beschlussentwurfs und der Aufforderung zur Stellungnahme zu diesem Entwurf Akteneinsicht gewährt, und sie erhielten Gelegenheit, sich zu den Beschwerdepunkten, die dem angefochtenen Beschluss zugrunde lagen, vor ihrem Erlass zu äußern.

189    Im vorliegenden Fall hat die EZB den Klägern somit in Übereinstimmung mit Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 die Möglichkeit gegeben, vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses gehört zu werden.

190    Darüber hinaus erhielten die Kläger nach der Eröffnung des Verfahrens gemäß Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 Einsicht in die Akten der EZB.

191    Demzufolge können sie der EZB nicht vorwerfen, nicht im Einklang mit diesen Bestimmungen gehandelt zu haben.

192    Sollte das Vorbringen der Kläger auch dahin zu verstehen sein, dass die Einsicht in die Verwaltungsakte erforderlich gewesen sei, um bis zum 14. September 2016 die Dokumente vorzulegen, die erforderlich waren, um nachzuweisen, dass sie die Voraussetzungen der Richtlinie 2013/36 erfüllten, kann es keinen Erfolg haben. Keine Bestimmung der Verordnung Nr. 468/2014 verpflichtet nämlich die EZB oder die Banca d’Italia, vor der Einreichung dieser Unterlagen Akteneinsicht zu gewähren. Außerdem haben die Kläger nicht erläutert, weshalb der vorherige Zugang zur Akte erforderlich gewesen sein soll, damit sie diese Unterlagen vorlegen konnten.

193    Zweitens ist das Vorbringen zu prüfen, die EZB habe dadurch, dass sie den Klägern den Zugang zum Schreiben der Banca d’Italia vom 4. April 2016 und zu ihrem Vermerk vom 24. Juni 2016 verweigert habe, ihr Recht auf Akteneinsicht und ihre Verteidigungsrechte verletzt. Diese Verweigerungen hätten die Kläger daran gehindert, sich effektiv an der nationalen Phase des komplexen Verfahrens zu beteiligen und ihre Verteidigungsrechte in vollem Umfang auszuüben.

194    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Zugang zum Schreiben der Banca d’Italia vom 4. April 2016 und zu dem Vermerk der EZB vom 24. Juni 2016 mit der Begründung verweigert wurde, dass es sich bei diesen um vertrauliche Dokumente handele, da sie zur internen Kommunikation im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus nach Art. 32 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014 gehörten, wonach vertrauliche Informationen gegebenenfalls interne Dokumente der EZB oder der nationalen zuständigen Behörden sowie die Korrespondenz zwischen der EZB und einer nationalen zuständigen Behörde oder zwischen den nationalen zuständigen Behörden umfassten.

195    Die beiden vorgenannten Dokumente stammen jedoch aus einem Schriftwechsel zwischen der EZB und der Banca d’Italia zur Problematik eines etwaigen Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch die Kläger.

196    Da der Beschlussentwurf der EZB und der angefochtene Beschluss eine klare und erschöpfende Darstellung der den Klägern zur Last gelegten Gründe und Beschwerdepunkte enthielten und den angefochtenen Beschluss stützten, die Kläger zu diesen Gründen und Beschwerdepunkten Stellung nehmen konnten und die EZB alle von den Klägern vorgebrachten Argumente, insbesondere in dem dem angefochtenen Beschluss beigefügten Anhang, eingehend geprüft hat, kann entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die unterbliebene Übermittlung dieser in einem frühen Stadium des Verfahrens ausgetauschten internen Dokumente sie daran gehindert hat, ihre Verteidigungsrechte in vollem Umfang auszuüben.

197    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen, die Verweigerung des Zugangs zu diesen Dokumenten habe zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Kläger geführt, zurückzuweisen.

198    Sodann tragen die Kläger vor, dass die ihnen von der EZB erteilte Zugangsverweigerung keine Begründung zur Rechtfertigung der Vertraulichkeit enthalte und die EZB Art. 32 Abs. 1 und 5 der Verordnung Nr. 468/2014 mithin fehlerhaft angewandt habe.

199    Da sich das von den Klägern geltend gemachte Fehlen einer Begründung auf das Schreiben der EZB vom 13. September 2016 und nicht auf den angefochtenen Beschluss bezieht, geht die Frage, ob die den Klägern entgegengehaltene Zugangsverweigerung begründet ist oder nicht, ins Leere.

200    Unter diesen Umständen kann der EZB nicht vorgeworfen werden, gegen ihre Begründungspflicht oder gegen Art. 32 Abs. 1 und 5 der Verordnung Nr. 468/2014 verstoßen zu haben.

201    Schließlich machen die Kläger geltend, dass der Zugang zum Schreiben der Banca d’Italia vom 4. April 2016 umso mehr gerechtfertigt gewesen sei, als dieses Schreiben der EZB eine verzerrte Darstellung des Inhalts des Urteils des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 gegeben habe.

202    Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass das Schreiben der Banca d’Italia vom 4. April 2016 unrichtige oder unvollständige Informationen enthielt, hat die den Klägern eingeräumte Möglichkeit, zum Beschlussentwurf der EZB, der sich auf die in diesem Schreiben enthaltenen Informationen stützt, Stellung zu nehmen, es ihnen gerade ermöglicht, die in diesem Beschlussentwurf enthaltenen Angaben zu ergänzen oder ihnen entgegenzutreten.

203    Nach alledem und da die Kläger jedenfalls bei der Mitteilung des Beschlussentwurfs am 6. Oktober 2016 über den Standpunkt der EZB informiert wurden, ist ihr Vorbringen zu einer Verweigerung der Akteneinsicht nicht geeignet, eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte darzutun.

204    Drittens machen die Kläger geltend, dass Herr Berlusconi nicht in der Lage gewesen sei, eine Stellungnahme abzugeben, da ihm der Beschlussentwurf erst am Tag des Ablaufs der Frist für die Abgabe einer Stellungnahme an seinen privaten Wohnsitz geschickt worden sei. Darüber hinaus sei die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu kurz gewesen.

205    In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Unmöglichkeit oder die Schwierigkeit, eine Stellungnahme abzugeben, keine Auswirkung auf die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses hat, wenn das Verfahren ohne die geltend gemachte Regelwidrigkeit nicht zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

206    Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass von einem Kläger, der eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte rügt, nicht der Nachweis verlangt werden darf, dass die angefochtene Entscheidung des betreffenden Unionsorgans inhaltlich anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 106).

207    Die Kläger haben jedoch vor dem Gericht nichts vorgebracht, was belegen könnte, dass es nicht völlig ausgeschlossen war, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn Herr Berlusconi in der Lage gewesen wäre, zusätzlich zu den Erklärungen von Fininvest Stellung zu nehmen. Sie haben lediglich abstrakt geltend gemacht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 112).

208    Viertens werfen die Kläger der EZB vor, es abgelehnt zu haben, eine Anhörung durchzuführen, deren Existenz sie damit rechtfertigen, dass diese es ihnen ermöglicht hätte, die EZB davon zu überzeugen, der Erteilung einer unter Auflagen erteilten Genehmigung für den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung den Vorzug zu geben.

209    Diesbezüglich kann die EZB gemäß Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014, sofern sie es für angebracht hält, den Parteien Gelegenheit geben, sich in einer Sitzung zu den für den EZB-Aufsichtsbeschluss erheblichen Tatsachen, Beschwerdepunkten und Rechtsgründen zu äußern. Somit verfügt die EZB insoweit über ein weites Ermessen.

210    Angesichts der umfangreichen Bemerkungen der Kläger, die in der Übersichtstabelle im Anhang des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben sind, ist festzustellen, dass die EZB keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Ansicht vertrat, dass keine Anhörung erforderlich sei.

211    Außerdem hatte die EZB in Anbetracht der Nichterfüllung des Leumundskriteriums nicht die Möglichkeit, eine Genehmigung zum Erwerb unter Auflagen zu erteilen. Daher wäre eine Anhörung der Kläger zu diesem Punkt nicht von Nutzen gewesen.

212    Demzufolge ist der siebte Klagegrund unbegründet.

 Zum achten Klagegrund, mit dem im Wege der Einrede die Rechtswidrigkeit von Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 geltend gemacht wird

213    Die Kläger rügen im Wege der Einrede nach Art. 277 AEUV die Rechtswidrigkeit von Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 wegen einer Verletzung der in Art. 41 der Charta garantierten Verteidigungsrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben.

214    Die in Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Frist von drei Tagen für die Abgabe von Stellungnahmen zum Beschlussentwurf sei nicht geeignet, die Beachtung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens und die wirksame Ausübung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu den den Entscheidungen über den Erwerb qualifizierter Beteiligungen zugrunde liegenden Tatsachen und Beschwerdepunkten zu gewährleisten.

215    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verteidigungsrechte, die den Anspruch auf rechtliches Gehör umfassen, zu den Grundrechten gehören, die Bestandteil der Unionsrechtsordnung und in der Charta verankert sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. September 2015, Cerafogli/EZB, T‑114/13 P, EU:T:2015:678, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. Oktober 2016, ECDC/CJ, T‑395/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:598, Rn. 53).

216    Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht nur durch die Art. 47 und 48 der Charta verbürgt, die die Wahrung der Verteidigungsrechte sowie das Recht auf ein faires Verfahren im Rahmen jedes Gerichtsverfahrens gewährleisten, sondern auch durch deren Art. 41, der das Recht auf eine gute Verwaltung sicherstellt. Nach Art. 41 Abs. 2 der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2016, ECDC/CJ, T‑395/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:598, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

217    Dieses Recht verlangt, dass jeder Person, der gegenüber eine beschwerende Entscheidung erlassen werden kann, Gelegenheit gegeben werden muss, zu den ihr zur Last gelegten Umständen, auf die die streitige Entscheidung gestützt ist, sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 66, und vom 19. Januar 2016, Mitsubishi Electric/Kommission, T‑409/12, EU:T:2016:17, Rn. 38). Zu diesem Zweck muss sie eine ausreichende Frist erhalten (Urteil vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 37).

218    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind jedoch Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (Urteile vom 18. März 2010, Alassini u. a., C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 63, vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 33, und vom 26. September 2013, Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 84).

219    Zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen aufsichtsrechtlicher Verfahren sieht Art. 31 der Verordnung Nr. 468/2014 vor, dass einer Partei, bevor die EZB einen Aufsichtsbeschluss erlässt, der diese Partei beschweren könnte, Gelegenheit gegeben werden muss, sich schriftlich gegenüber der EZB zu den für den EZB-Aufsichtsbeschluss erheblichen Tatsachen, Beschwerdepunkten und Rechtsgründen zu äußern. Nach diesem Artikel kann die EZB, sofern sie es für angebracht hält, den Parteien Gelegenheit geben, sich in einer Sitzung zu äußern.

220    Ferner wird in Art. 31 der Verordnung Nr. 468/2014 klargestellt, dass in der Mitteilung, mittels derer die EZB der Partei Gelegenheit zur Äußerung gibt, der wesentliche Inhalt des geplanten EZB-Aufsichtsbeschlusses sowie die wesentlichen Tatsachen, Beschwerdepunkte und Rechtsgründe angegeben werden, auf die die EZB ihren Beschluss zu stützen gedenkt.

221    Sodann sieht Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vor, dass die Frist für die Einreichung schriftlicher Äußerungen in der Regel zwei Wochen beträgt und dass diese Frist insbesondere in den in den Art. 14 und 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Fällen auf drei Arbeitstage verkürzt wird. Auf Antrag der betroffenen Partei kann die EZB diese Fristen, soweit angemessen, verlängern.

222    So ergibt sich aus Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 in Verbindung mit Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013, dass der am Erwerb einer qualifizierten Beteiligung interessierte Erwerber die Möglichkeit hat, sich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt eines Dokuments, in dem die Tatsachen, Beschwerdepunkte und Rechtsgründe angegeben werden, auf die die EZB ihren Beschluss zu stützen gedenkt, schriftlich zu äußern.

223    Im Übrigen ist es nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 Sache der interessierten Erwerber einer qualifizierten Beteiligung, den zuständigen Behörden ihren geplanten Erwerb und die einschlägigen Informationen zu diesem Erwerb mitzuteilen, so dass die EZB ihren Beschluss auf der Grundlage der vom Antragsteller vorgelegten Elemente erlassen kann.

224    Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass es im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens wie dem vorliegend in Rede stehenden verschiedene Möglichkeiten gibt, um die Wahrung des Anspruchs der betroffenen Parteien auf rechtliches Gehör zu gewährleisten.

225    Erstens sind die betroffenen Parteien verpflichtet, die Elemente und Argumente in Bezug auf einen Antrag auf Genehmigung einer qualifizierten Beteiligung zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrags geltend zu machen.

226    In ihrem Antrag auf Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung können die betroffenen Personen daher bereits alle für die Beurteilung ihres Antrags erforderlichen Elemente geltend machen.

227    Zweitens muss in der Mitteilung, mittels derer die EZB den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, der wesentliche Inhalt des geplanten Beschlusses sowie die wesentlichen Tatsachen, Beschwerdepunkte und Rechtsgründe angegeben werden, auf die die EZB ihren Beschluss zu stützen gedenkt. Diese Mitteilung gibt der betroffenen Partei auch Gelegenheit, zu den Gesichtspunkten, die ihr nicht bekannt waren, aber auch zu allen ihr zur Last gelegten Umständen, auf die die streitige Entscheidung gestützt ist, sachgerecht Stellung zu nehmen und Argumente vorzubringen. Von dieser Möglichkeit kann die EZB auch Gebrauch machen, um alle von den betroffenen Parteien im Verwaltungsverfahren gegebenenfalls vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen, und um alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu vertiefen, auf die die endgültige Entscheidung gestützt wurde.

228    Drittens kann für den Fall, dass die EZB ihre Entscheidung auf tatsächliche oder rechtliche Erwägungen, die dem Antragsteller nicht bekannt waren, oder auf andere als die von ihm vorgelegten Beweise stützen möchte, die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die der EZB zur Verfügung stehende Möglichkeit, eine Sitzung abzuhalten, sichergestellt werden.

229    Diese Möglichkeit kann im Übrigen auch genutzt werden, um vertieft auf von der betroffenen Partei bei der Stellung ihres Antrags auf Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung aufgeworfene Fragen oder Einwände sowie auf alle ihr zur Last gelegten Umstände einzugehen, auf die die streitige Entscheidung gestützt werden kann.

230    Daher kann entgegen dem Vorbringen der Kläger die Kürze der Frist für die Abgabe einer Stellungnahme zum Beschlussentwurf bei einer Beurteilung im Hinblick auf die verschiedenen Verfahrensmodalitäten, die es den Betroffenen ermöglichen, zu den Umständen Stellung zu nehmen, auf die der angefochtene Beschluss gestützt werden soll, nicht als Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als die EZB diese Frist auf Antrag der betroffenen Partei soweit angemessen verlängern kann.

231    Da es nämlich mehrere Verfahrensmodalitäten gibt, die es den betroffenen Parteien ermöglichen können, gehört zu werden, darunter die Einreichung ihres Antrags auf Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung und die Möglichkeit, eine Sitzung abzuhalten, erscheint ihr Recht, sich zu dem Beschlussentwurf zu äußern, als eine Ergänzung dieser Möglichkeiten. Die Frist von drei Tagen für die Abgabe dieser Äußerungen, die soweit angemessen verlängert werden kann, ist daher als ausreichend anzusehen.

232    Im Übrigen obliegt es der EZB, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um sich konkret der Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu vergewissern, was das Gericht in jedem Einzelfall zu prüfen hat.

233    Insoweit ist jedenfalls auch darauf hinzuweisen, dass mit der Beschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die sich aus der Kürze der Frist für die Abgabe von Stellungnahmen nach Art. 31 der Verordnung Nr. 468/2014 ergibt, Ziele des Allgemeininteresses verfolgt werden, dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, und dass sie keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck und die anderen verfügbaren Verfahrensmodalitäten unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellt, der dieses Recht im Sinne der oben in Rn. 218 angeführten Rechtsprechung beeinträchtigt.

234    Die Regelung des Verfahrens innerhalb kurzer Fristen entspricht nämlich der Notwendigkeit, den Erlass einer Entscheidung über den beabsichtigten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut, die erhebliche finanzielle Folgen haben kann, nicht hinauszuzögern.

235    Darüber hinaus sieht Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/36 vor, dass das Beurteilungsverfahren innerhalb von 60 Arbeitstagen abgeschlossen werden muss. Diese Bestimmung war bereits in der Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor (ABl. 2007, L 247, S. 1) enthalten, deren siebter Erwägungsgrund die Festlegung eines Beurteilungszeitraums von höchstens 60 Tagen mit der Notwendigkeit rechtfertigte, die Klarheit und Vorhersehbarkeit dieses Beurteilungsverfahrens zu gewährleisten.

236    Folglich ist die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 31 der Verordnung Nr. 468/2014 zurückzuweisen, weil dieser Artikel in Verbindung mit den anderen Bestimmungen, die das Verfahren zur Genehmigung qualifizierter Beteiligungen regeln und es den betroffenen Parteien ermöglichen, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise darzulegen, nicht gegen den Anspruch der betroffenen Personen auf rechtliches Gehör verstößt, so dass der achte Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum neunten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der von der Banca d’Italia erlassenen vorbereitenden Handlungen

237    Der neunte, im Laufe des Verfahrens geltend gemachte Klagegrund besteht aus sechs Teilen, mit denen erstens ein Verstoß der Banca d’Italia gegen den Grundsatz der Rechtskraft in Bezug auf das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016, zweitens eine fehlende Befugnis bzw. eine Befugnisüberschreitung der Banca d’Italia, drittens ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung, viertens eine Verletzung der Verteidigungsrechte, des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens und des Rechts auf ein faires Verfahren, fünftens eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und der Nichtanwendbarkeit von nicht veröffentlichten oder nicht übersetzten Rechtsakten gegenüber Einzelpersonen und sechstens eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtmäßigkeit und der Angemessenheit geltend gemacht wird.

238    Die Kläger tragen vor, die vorbereitenden Handlungen der Banca d’Italia wiesen Mängel auf, die zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen könnten.

239    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

240    Mit diesem Klagegrund machen die Kläger geltend, dass die vorbereitenden Handlungen der Banca d’Italia, insbesondere der Beschluss über die Eröffnung des Verfahrens und der der EZB unterbreitete Beschlussvorschlag Mängel aufwiesen, die zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen könnten.

241    Dieser Klagegrund wurde nach dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), vorgebracht.

242    Der Gerichtshof hat im Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), zum einen entschieden, dass Art. 263 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass die nationalen Gerichte verfahrenseinleitende Handlungen, vorbereitende Handlungen oder nicht bindende Vorschläge, die die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen des Verfahrens nach den Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie den Art. 85 bis 87 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgenommen haben, auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen (vgl. Tenor dieses Urteils).

243    Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), entschieden, dass der Unionsrichter in einem solchen Fall, in dem das Unionsrecht nicht darauf abzielt, zwei Zuständigkeitsbereiche – einen nationalen und einen der Union – mit unterschiedlichen Zielen voneinander abzugrenzen, sondern vielmehr die ausschließliche Entscheidungsbefugnis eines Unionsorgans festlegt, gemäß seiner auf der Grundlage von Art. 263 AEUV bestehenden ausschließlichen Zuständigkeit für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union über die Rechtmäßigkeit der von dem betreffenden Unionsorgan erlassenen endgültigen Entscheidung zu entscheiden und zur Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes der Beteiligten die etwaigen Mängel der vorbereitenden Handlungen oder Vorschläge der nationalen Behörden zu prüfen hat, die die Gültigkeit der endgültigen Entscheidung beeinträchtigen könnten (vgl. Rn. 44 und Tenor dieses Urteils).

244    Da dieser Klagegrund nach Klageerhebung vorgebracht wurde, ist zu prüfen, ob dieser neue Klagegrund, wie von der EZB und der Kommission geltend gemacht wird, als unzulässig anzusehen ist.

245    Zur Begründung der Zulässigkeit dieses Klagegrundes tragen die Kläger vor, dass er einen engen Zusammenhang mit den Klagegründen und Argumenten der Klageschrift aufweise und dass das Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), ein rechtlicher Grund sei, der erst während des Verfahrens zutage getreten sei.

246    Erstens ist festzustellen, dass die Kläger in der Klageschrift keinen Klagegrund und kein Argument zur Rechtswidrigkeit der vorbereitenden Handlungen der Banca d’Italia geltend machen.

247    Da mit den Klagegründen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses dargetan werden sollte, kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass dieser neue, die vorbereitenden Handlungen der Banca d’Italia betreffende Klagegrund einen hinreichend engen Zusammenhang mit diesen Klagegründen aufweist, da diese ausschließlich einen Rechtsakt der Union betrafen und somit einen anderen Gegenstand hatten.

248    Im Übrigen kann der Umstand, dass die Unterlagen der nationalen Klagen gegen die vorbereitenden Handlungen der Banca d’Italia den Anlagen zur Klageschrift beigefügt worden sind, nicht für die Annahme ausreichen, dass dieser Klagegrund, der das gleiche Ziel wie diese Klagen nach nationalem Recht verfolgt, bereits in der Klageschrift geltend gemacht worden sei.

249    Es ist nämlich nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, EU:T:1997:174, Rn. 34, und vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, EU:T:2002:84, Rn. 154).

250    Zweitens machen die Kläger geltend, dass das Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), als ein rechtlicher Gesichtspunkt anzusehen sei, der erst während des Verfahrens zutage getreten sei und daher gemäß Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel rechtfertigen müsse.

251    Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Urteil, das nur einen Rechtszustand bestätigt, der dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bekannt war, nicht als ein Gesichtspunkt betrachtet werden kann, der es ermöglicht, einen neuen Klagegrund vorzubringen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2014, Buono u. a./Kommission, C‑12/13 P und C‑13/13 P, EU:C:2014:2284, Rn. 58 und 60, sowie vom 20. September 2018, Spanien/Kommission, C‑114/17 P, EU:C:2018:753, Rn. 39).

252    Nach gefestigter Rechtsprechung ist jedoch eine auf ein entsprechendes Ersuchen ergangene Vorabentscheidung nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur und wirkt daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück (vgl. Urteil vom 8. September 2011, Q-Beef und Bosschaert, C‑89/10 und C‑96/10, EU:C:2011:555, Rn. 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

253    Insoweit ist hervorzuheben, dass der Gerichtshof nicht entschieden hat, die Wirkungen des Urteils vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), zeitlich zu begrenzen, so dass diese gefestigte Rechtsprechung in vollem Umfang anwendbar ist.

254    Daraus folgt, dass die Auslegung von Art. 263 AEUV durch den Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023) auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Artikels zurückwirkt.

255    In diesem Sinne hat das Gericht bereits entschieden, dass ein im Laufe des Verfahrens ergangenes Urteil nicht als neuer Gesichtspunkt geltend gemacht werden kann, da das Unionsrecht in diesem Urteil grundsätzlich nur ex tunc ausgelegt wird (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 27. Februar 1997, FFSA u. a./Kommission, T‑106/95, EU:T:1997:23, Rn. 57).

256    Die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung ist somit gemäß dem Grundsatz, dass sich niemand auf die Unkenntnis des Gesetzes berufen kann, als den Klägern zum Zeitpunkt ihrer Klageerhebung bekannt anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 1989, Binder, 161/88, EU:C:1989:312, Rn. 19, und Beschluss vom 22. Juni 2009, Nijs/Rechnungshof, T‑371/08 P, EU:T:2009:215, Rn. 28).

257    Unter diesen Umständen kann das Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), nicht als ein erst im Laufe des Verfahrens zutage getretener rechtlicher Gesichtspunkt im Sinne von Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung angesehen werden.

258    Der neunte Klagegrund ist demzufolge als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum zehnten Klagegrund, mit dem im Wege der Einrede im Sinne von Art. 277 AEUV die Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 3 und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 geltend gemacht wird

259    Mit dem zehnten, im Laufe des Verfahrens vorgebrachten Klagegrund machen die Kläger im Wege der Einrede die Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 3 und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 geltend, da die in diesen Artikeln enthaltene Verweisung auf das nationale Recht und die ausschließliche Zuständigkeit des Unionsrichters für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit nationaler vorbereitender Handlungen, die sich aus dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023) ergebe, zu einer Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz führten.

260    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sei verletzt, da dieses System die im italienischen Verfassungsrecht vorgesehene konkrete Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit nationaler vorbereitender Handlungen verhindere, für die der Unionsrichter nicht zuständig sei. Diese Rechtsakte unterlägen daher keiner Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit, da der Unionsrichter ihre Vereinbarkeit mit der italienischen Verfassung nicht überprüfen könne und er nicht die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof, Italien) zu diesem Zweck anrufen könne.

261    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

262    Da dieser Klagegrund nach Klageerhebung vorgebracht wurde, ist zu prüfen, ob dieser neue Klagegrund, wie von der EZB und der Kommission geltend gemacht wird, als unzulässig anzusehen ist.

263    Was erstens das Bestehen eines hinreichend engen Zusammenhangs zwischen diesem Klagegrund und den Klagegründen und Argumenten der Klageschrift angeht, ist festzustellen, dass die Klageschrift keinen Klagegrund und kein Argument enthält, mit dem die Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 3 und Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 geltend gemacht wird.

264    Da nur der achte Klagegrund in einer Einrede der Rechtswidrigkeit bestand und er sich auf Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 bezog, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser neue, andere Artikel betreffende Klagegrund einen hinreichend engen Zusammenhang mit den Klagegründen der Klageschrift aufweist.

265    Zweitens kann aus den oben in den Rn. 251 bis 257 angeführten Gründen das Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), nicht als ein erst im Laufe des Verfahrens zutage getretener rechtlicher Gesichtspunkt im Sinne von Art. 84 der Verfahrensordnung angesehen werden.

266    Folglich ist der zehnte Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen.

 Zu den neuen Beweisangeboten der Kläger und der EZB

267    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung bestimmt, dass, „[s]ofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist, … die Hauptparteien ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor einer Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, Beweise oder Beweisangebote vorlegen [können]“.

268    Erstens haben die Kläger am 17. Juli 2021 beantragt, die unter der Nr. 8683/14 in das Register eingetragene Beschwerde von Herrn Berlusconi vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) vom 28. Dezember 2013, das Schreiben des EGMR vom 3. Mai 2021, mit dem diese Beschwerde der italienischen Regierung übersandt wurde, sowie eine Darstellung des Sachverhalts und der Fragen zu dieser Rechtssache durch den EGMR vom 17. Mai 2021 zu den Akten der Rechtssache zu nehmen.

269    Sie haben die Vorlage dieser Beweise im Wesentlichen mit dem Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Beschluss, der u. a. auf der Verurteilung von Herrn Berlusconi wegen Steuerbetrugs beruhe, und diesem Rechtsbehelf vor dem EGMR gerechtfertigt, mit dem das Verfahren, das zu dieser Verurteilung geführt habe, angefochten werden solle.

270    Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung haben die EZB und die Kommission der Aufnahme dieser Unterlagen in die Akten nicht widersprochen.

271    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Beschwerde von Herrn Berlusconi vor dem EGMR vom 28. Dezember 2013, die unter der Nr. 8683/14 in das Register eingetragen wurde, zeitlich vor der Erhebung der vorliegenden Klage liegt und dass die Kläger nichts vortragen, was die verspätete Vorlage dieses Dokuments rechtfertigen könnte.

272    Das Dokument muss daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

273    Zum anderen sind das Schreiben des EGMR vom 3. Mai 2021, mit dem die Beschwerde der italienischen Regierung übersandt wurde, sowie die Darstellung des Sachverhalts und der Fragen in Bezug auf diese Rechtssache durch den EGMR vom 17. Mai 2021 nach dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens erfolgt, so dass ihre verspätete Vorlage als gerechtfertigt angesehen werden kann.

274    Diese Elemente sind daher als zulässig anzusehen.

275    Wie sich jedoch aus den vorstehenden Rn. 138 bis 142 ergibt, haben die Kläger in der Klageschrift keinen Grund geltend gemacht, mit dem die Beurteilung der in Rede stehenden Verurteilung durch die EZB angefochten werden soll.

276    Daraus folgt, dass diese Elemente für die vorliegende Klage irrelevant sind.

277    Zweitens haben die Kläger am 17. Juli 2021 beantragt, das Urteil der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Nr. 10355/2021 vom 9. März 2021 zu den Akten zu nehmen, mit dem ihr Rechtsmittel gegen das Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. Mai 2019, durch das dieses Gericht die Maßnahmen zur Vollstreckung des Urteils Nr. 882 des Consiglio di Stato (Staatsrat) vom 3. März 2016 gemäß dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), für unzulässig erklärt hatte, zurückgewiesen wurde.

278    Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung haben die EZB und die Kommission der Aufnahme des Urteils vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), in die Akten nicht widersprochen.

279    Da dieses Urteil nach dem Datum des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens ergangen ist, ist davon auszugehen, dass seine verspätete Vorlage durch die Kläger gerechtfertigt und das Dokument daher zulässig ist.

280    Die Kläger bringen jedoch keine Erklärung oder Argumente vor, die geeignet wären, den Zusammenhang zwischen dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), und den im Rahmen der vorliegenden Klage geltend gemachten Klagegründen darzutun. Darüber hinaus wird durch dieses Urteil kein Argument oder Klagegrund der Kläger gestützt.

281    Mithin ist es für die vorliegende Klage nicht von Relevanz.

282    Drittens haben die Kläger am 6. August 2021 beantragt, die unter der Nr. 23554/14 in das Register eingetragene Beschwerde von Herrn Berlusconi vor dem EGMR vom 13. März 2014, das Schreiben des EGMR vom 3. Mai 2021, mit dem die Beschwerde der italienischen Regierung übersandt wurde, eine Darstellung des Sachverhalts und der Fragen zu dieser Rechtssache durch den EGMR vom 6. April 2021 sowie die von der italienischen Regierung in dieser Rechtssache eingereichte Beschwerdebeantwortung vom 26. Juli 2021 zu den Akten der Rechtssache zu nehmen.

283    Sie rechtfertigten die Vorlage dieser Beweise mit dem engen Zusammenhang zwischen der vorliegenden Klage und dieser Rechtssache vor dem EGMR, die einen zivilrechtlichen Rechtsstreit betreffe, in dem die Kläger im Wesentlichen zu Unrecht für Korruptionshandlungen zivilrechtlich verantwortlich gemacht worden seien, obwohl Herr Berlusconi im Strafverfahren wegen dieser Handlungen freigesprochen worden sei.

284    Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung haben die EZB und die Kommission der Aufnahme dieser Unterlagen in die Akten nicht widersprochen.

285    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Beschwerde von Herrn Berlusconi vor dem EGMR vom 13. März 2014, die unter der Nr. 23554/14 in das Register eingetragen wurde, zeitlich vor der Erhebung der vorliegenden Klage liegt und dass die Kläger nichts vortragen, was die verspätete Vorlage dieses Dokuments rechtfertigen könnte.

286    Das Dokument ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

287    Zum anderen erfolgten das Schreiben des EGMR vom 3. Mai 2021, mit dem die Beschwerde der italienischen Regierung übersandt wurde, die Darstellung des Sachverhalts und der Fragen zu dieser Rechtssache durch den EGMR vom 6. April 2021 sowie die Beschwerdebeantwortung der italienischen Regierung in dieser Rechtssache vom 26. Juli 2021 nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens, so dass ihre verspätete Vorlage gerechtfertigt ist.

288    Diese Elemente sind daher als zulässig anzusehen.

289    Die Kläger haben jedoch in der Klageschrift keinen Grund vorgebracht, um die Beurteilung dieses Zivilrechtsstreits durch die EZB anzufechten.

290    Daraus folgt, dass diese Elemente für die vorliegende Klage nicht von Relevanz sind.

291    Viertens hat die EZB am 10. September 2021 beantragt, das Urteil der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Nr. 21970/21 vom 30. Juli 2021 zu den Akten der Rechtssache zu nehmen, da dieses Urteil im Wesentlichen ihre Auslegung der Wirkungen einer Verschmelzung nach italienischem Recht bestätige.

292    Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger der Aufnahme des Urteils der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Nr. 21970/21 vom 30. Juli 2021 in die Akte nicht widersprochen.

293    Da im vorliegenden Fall das Urteil der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Nr. 21970/21 vom 30. Juli 2021 nach dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens ergangen ist, ist davon auszugehen, dass seine verspätete Vorlage durch die EZB gerechtfertigt und dieses neue Beweisangebot daher zulässig ist.

294    Wie jedoch aus den vorstehenden Rn. 87 bis 89 hervorgeht, sind die Wirkungen der in Rede stehenden Verschmelzung für die Zwecke der Anwendung der Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 nach dem Unionsrecht auszulegen.

295    Daraus folgt, dass das Urteil der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Nr. 21970/21 vom 30. Juli 2021 für die vorliegende Klage unerheblich ist.

296    Folglich ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

IV.    Kosten

297    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der EZB die Kosten aufzuerlegen, die der EZB entstanden sind.

298    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission hat daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Finanziaria d’investimento Fininvest SpA (Fininvest) und Herr Silvio Berlusconi tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Zentralbank (EZB) entstanden sind.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Papasavvas

Buttigieg

Schalin

Costeira

 

      Kornezov

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Mai 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.