Rechtssache C‑308/11

Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH

gegen

Sunstar Deutschland GmbH, vormals John O. Butler GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main)

„Richtlinie 2001/83/EG – Humanarzneimittel – Art. 1 Nr. 2 Buchst. b – Begriff ‚Funktionsarzneimittel‘ – Definition des Begriffs ‚pharmakologische Wirkung‘“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 6. September 2012

1.        Rechtsangleichung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2002/83 – Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion – Begriff „pharmakologische Wirkung“ – Möglichkeit der Berücksichtigung der Begriffsbestimmung in der Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie über kosmetische Mittel von der Richtlinie über Arzneimittel – Zulässigkeit

(Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung, Art. 1 Nr. 2 Buchst. b)

2.        Rechtsangleichung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83 – Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion – Begriff „pharmakologische Wirkung“ – Notwendigkeit einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders – Fehlen

(Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung, Art. 1 Nr. 2 Buchst. b)

1.        Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass zur Definition des Begriffs „pharmakologische Wirkung“ im Sinne dieser Bestimmung die Definition dieses Begriffs in der von den Dienststellen der Kommission in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellten Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel berücksichtigt werden kann.

Zwar kann diese Leitlinie, die im Übrigen nicht zu den in Art. 288 AEUV aufgeführten Rechtsakten der Union gehört, als solche weder rechtlich bindend sein noch den Bürgern entgegengehalten werden. Sie kann gleichwohl zweckdienliche Anhaltspunkte für die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts liefern und damit zu deren einheitlicher Anwendung beitragen. Folglich kann ein nationales Gericht bei der Anwendung des Begriffs „pharmakologische Wirkung“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 diese Leitlinie berücksichtigen Dabei muss es jedoch dafür Sorge tragen, dass die Auslegung, die es ihr entnimmt, im Einklang mit den Kriterien steht, die in der Rechtsprechung zur Auslegung von Rechtsakten der Union einschließlich der Rechtsprechung zur Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens aufgestellt worden sind.

(vgl. Randnrn. 23, 25-27, Tenor 1)

2.        Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass vom Vorliegen einer „pharmakologischen Wirkung“ einer Substanz im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann ausgegangen werden kann, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders kommt, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genügt.

(vgl. Randnr. 36, Tenor 2)