URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

5. Juli 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke Deutscher Ring Sachversicherungs-AG – Absolute Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑209/10

Deutscher Ring Sachversicherungs-AG mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E. Busse,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 11. März 2010 (Sache R 1290/2009‑1) über die Anmeldung des Wortzeichens Deutscher Ring Sachversicherungs-AG als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka (Berichterstatterin) und des Richters M. Prek,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 5. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 15. Januar 2009 meldete die Klägerin, die Deutscher Ring Sachversicherungs-AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG.

3        Die Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klasse 36 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen“.

4        Mit Entscheidung vom 10. September 2009 wies der Prüfer die Anmeldung für alle beanspruchten Dienstleistungen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

5        Am 28. Oktober 2009 erhob die Klägerin gegen diese Entscheidung beim HABM Beschwerde.

6        Mit Entscheidung vom 11. März 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie war der Auffassung, dass das Wortzeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei. Das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG bestehe aus drei Wörtern und dem Rechtsformzusatz für eine Gesellschaft „AG“. Das Wort „Ring“ könne dabei eine „Vereinigung von Personen, die sich zu einem bestimmten Zweck, zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele, zur Schaffung und Nutzung bestimmter Einrichtungen o. ä. zusammengeschlossen haben“, bezeichnen. Damit könne das fragliche Zeichen als Bezeichnung für eine deutsche Vereinigung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft im Bereich von Sachversicherungen verstanden werden. Das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG bestehe mithin ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Organisationsform der Klägerin sowie der Art und der geografischen Herkunft der angemeldeten Dienstleistungen dienen könnten. Auch die Kombination seiner Bestandteile nehme dem Zeichen nicht seinen beschreibenden Charakter in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne das Wort „Ring“ im Sinne einer „Vereinigung“ eine Aktiengesellschaft bezeichnen, denn jede Gesellschaftsform könne eine Vereinigung sein. Schließlich seien Sachversicherungen Versicherungsdienstleistungen und könnten auch in den Bereichen des Finanzwesens, der Geldgeschäfte und des Immobilienwesens angeboten werden. Demnach sei das fragliche Zeichen für alle angemeldeten Dienstleistungen unmittelbar beschreibend.

7        Die Beschwerdekammer vertrat außerdem die Auffassung, dass das Zeichen keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 habe. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden das Zeichen als eine übliche Beschreibung einer deutschen Vereinigung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft im Bereich von Sachversicherungen auffassen. Die Verbindung der Wörter ohne jede grafische oder inhaltliche Änderung weise keinerlei zusätzliches Merkmal auf, das das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen ließe, die Dienstleistungen der Klägerin von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Daher könne die Marke Deutscher Ring Sachversicherungs-AG auch wegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht eingetragen werden.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Marke wie beantragt einzutragen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

9        Das HABM beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin

10      Mit ihrem zweiten Antrag begehrt die Klägerin, das Gericht möge die Eintragung der angemeldeten Marke veranlassen.

11      Nach ständiger Rechtsprechung hat das HABM im Rahmen einer beim Richter der Europäischen Union eingereichten Klage gegen die Entscheidung einer seiner Beschwerdekammern nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergeben. Das Gericht kann somit dem HABM keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Unionsrichters zu ziehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist der zweite Antrag der Klägerin unzulässig.

 Zur Begründetheit

12      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

13      Im Rahmen des ersten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, dass das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG nicht ausschließlich aus Angaben bestehe, die für die in Frage kommenden Dienstleistungen beschreibend seien. So werde das Wort „Ring“ selten zur Bezeichnung von Wirtschaftsteilnehmern benutzt, im Vordergrund stehe die Bedeutung im Sinne von Fingerring. Der Ausdruck „Deutscher Ring“ habe weder für Versicherungsdienstleistungen noch für eine Aktiengesellschaft beschreibenden Charakter.

14      Das HABM teilt die Analyse der Beschwerdekammer hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Bestandteile des fraglichen Zeichens, ist aber der Auffassung, dass das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG in seiner Gesamtheit keinen beschreibenden Charakter im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 habe.

15      Demnach vertreten die Klägerin und das HABM die Ansicht, dass das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG keinen beschreibenden Charakter im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 habe und dass die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt aufzuheben sei.

16      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die „ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können“. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden „[d]ie Vorschriften des Absatzes 1 … auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen“.

17      Unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 fallen solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise dazu dienen können, die angemeldete Ware oder Dienstleistung entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale zu bezeichnen (Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Procter & Gamble/HABM, C‑383/99 P, Slg. 2001, I‑6251, Randnr. 39, und Urteil des Gerichts vom 26. November 2003, HERON Robotunits/HABM [ROBOTUNITS], T‑222/02, Slg. 2003, II‑4995, Randnr. 34).

18      Somit fällt ein Zeichen nur dann unter das in dieser Vorschrift aufgestellte Verbot, wenn es einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, sofort und ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. Juli 2004, Lissotschenko und Hentze/HABM [LIMO], T‑311/02, Slg. 2004, II‑2957, Randnr. 30).

19      Im vorliegenden Fall ist die Marke Deutscher Ring Sachversicherungs-AG für Dienstleistungen betreffend „Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen“ angemeldet worden.

20      Unstreitig bestehen die maßgeblichen Verkehrskreise aus deutschsprachigen Durchschnittsverbrauchern, die einen höheren Aufmerksamkeitsgrad zeigen als bei einem gewöhnlichen Kauf, da die fraglichen Dienstleistungen oftmals finanziell aufwendig sind.

21      Das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG besteht aus drei Wörtern und dem Bestandteil „AG“.

22      Das Wort „Sachversicherung“ ist für die angemeldeten Versicherungsdienstleistungen unmittelbar beschreibend. Der Bestandteil „AG“, bei dem es sich um ein Akronym für „Aktiengesellschaft“ handelt, ist für die Rechtsform der Klägerin beschreibend. Das Wort „deutscher“ ist ein Adjektiv, mit dem Personen und Dinge deutscher Herkunft bezeichnet werden. Schließlich hat das Wort „Ring“ in seinem vorrangigen und üblichen Sinn die Bedeutung „Fingerring“, kann aber auch in einer selteneren Bedeutung als „Vereinigung“ oder „Zusammenschluss“ verstanden werden.

23      Dem HABM ist darin zuzustimmen, dass die Wortfolge, die das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG bildet, durch die Hinzufügung des Bestandteils „AG“, der die Rechtsform der Gesellschaft bezeichnet und mit dem Wort „Sachversicherungs“ durch einen Bindestrich verbunden ist, in zwei Bedeutungseinheiten geteilt wird: „Deutscher Ring“ und „Sachversicherungs-AG“. Da durch den zweiten Teil der Wortfolge bereits die Art eines Versicherungsdienstleistungen anbietenden Unternehmens in einer jedermann leicht verständlichen Form beschrieben wird, ist der erste Teil der Wortfolge normalerweise nicht als „Vereinigung“ oder „Zusammenschluss“ zu verstehen. Dieser Teil bleibt vage und ist für Versicherungsdienstleistungen eine Fantasiebezeichnung.

24      Somit wird der Verbraucher nicht in der Lage sein, das beantragte Zeichen sofort und ohne weitere Überlegung in seiner Gesamtheit als Beschreibung der fraglichen Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrzunehmen. Die Auslegung, die dem Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG von der Beschwerdekammer gegeben wird (deutsche Vereinigung von Aktionären, die sich zu dem Zweck des Angebots von Sachversicherungsdienstleistungen und der Verwaltung von Sachversicherungen zusammengeschlossen haben), ist keine Auslegung, die für den mit dem angemeldeten Zeichen konfrontierten deutschen Verbraucher naheliegend wäre. Er könnte zu dieser Auslegung allenfalls nach längerer Überlegung gelangen.

25      Folglich hat die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend sei.

26      Demnach hat der erste, auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte Klagegrund Erfolg.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

27      Im Rahmen des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe sich zu Unrecht auf den beschreibenden Charakter des Zeichens Deutscher Ring Sachversicherungs-AG gestützt, um ihm die Unterscheidungskraft abzusprechen.

28      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Die Unterscheidungskraft eines Zeichens ist in Bezug auf die in der Anmeldung beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen.

29      Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass die Beschwerdekammer ihr Ergebnis, wonach das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG keine Unterscheidungskraft besitze, darauf gestützt hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Zeichen als die übliche Beschreibung einer deutschen Vereinigung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft im Bereich von Sachversicherungen auffassen würden. Die Prüfung des ersten Klagegrundes hat aber ergeben, dass der deutsche Verbraucher das Zeichen Deutscher Ring Sachversicherungs-AG nicht als Bezeichnung einer „deutschen Vereinigung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft im Bereich von Sachversicherungen“ auffassen wird.

30      Folglich ist die Argumentation der Beschwerdekammer zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurückzuweisen, da sie auf dem oben festgestellten Fehler beruht.

31      Demnach greift auch der zweite, auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte Klagegrund durch, so dass der Klage in vollem Umfang stattzugeben ist.

32      Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

 Kosten

33      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 11. März 2010 (Sache R 1290/2009‑1) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt die Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juli 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.