URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

8. Juni 2022(*)(1)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke UM – Ernsthafte Benutzung der Marke – Benutzung mit Zustimmung des Inhabers – Benutzung der Marke in der Form, in der sie eingetragen wurde – Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung [EU] 2017/1001) – Vertretung des Markeninhabers – Fristgerecht vorgelegte Benutzungsnachweise“

In der Rechtssache T‑293/21,

Ulrike Muschaweck, wohnhaft in München (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Konle,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelfer vor dem Gericht:

Joachim Conze, wohnhaft in München, vertreten durch Rechtsanwalt H. Bolte,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 15. März 2021 (Sache R 2260/2019‑2) zu einem Verfallsverfahren zwischen Frau Muschaweck und Herrn Conze

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Schwarcz und C. Iliopoulos,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 10. August 2010 meldete die Medizinische Systeme Dr. Muschaweck GmbH (im Folgenden: Medizinische Gesellschaft MSM) nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen UM.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Dienstleistungen in Klasse 44 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „medizinische Dienstleistungen“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 172/2010 vom 14. September 2010 veröffentlicht, und die Marke wurde am 22. November 2011 unter der Nr. 009305731 eingetragen.

5        Am 21. Juli 2015 eröffnete das Amtsgericht München (Deutschland) ein Insolvenzverfahren über die Medizinische Gesellschaft MSM und bestellte einen Insolvenzverwalter.

6        Am 20. Juni 2017 stellte die Klägerin, Frau Ulrike Muschaweck, gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke, der gegen sämtliche von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen gerichtet war.

7        Am 3. Oktober 2017 wurde die angegriffene Marke, nachdem die Medizinische Gesellschaft MSM für insolvent erklärt worden war, auf die Arztpraxis Hernienzentrum Dr. Ulrike Muschaweck und PD Dr. Joachim Conze PartG (im Folgenden: Arztpraxis HUMJC), die Rechtsvorgängerin des Streithelfers Herrn Joachim Conze, übertragen.

8        Am 6. Oktober und 28. Dezember 2017 legte die Arztpraxis HUMJC Nachweise für die Benutzung der angegriffenen Marke vor.

9        Am 29. März 2018 wurde die angegriffene Marke auf den Namen des Streithelfers umgeschrieben.

10      Am 5. November 2018 legte der Streithelfer neue Nachweise für die Benutzung der angegriffenen Marke vor.

11      Mit Entscheidung vom 6. August 2019 gab die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO dem Antrag der Klägerin teilweise statt und erklärte die angegriffene Marke für alle von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme einer Unterklasse der oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen, nämlich „Medizinische Dienstleistungen im Bereich der Hernienchirurgie“, für verfallen.

12      Am 7. Oktober 2019 legte die Klägerin gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

13      Mit Entscheidung vom 15. März 2021 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie war im Wesentlichen der Auffassung, dass die vorgelegten Nachweise die ernsthafte Benutzung dieser Marke für die oben in Rn. 11 genannten Dienstleistungen hinreichend belegten.

 Anträge der Parteien

14      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 6. August 2019 aufzuheben, soweit der Verfallsantrag für die oben in Rn. 11 genannten Dienstleistungen zurückgewiesen wurde;

–        dem Antrag auf Erklärung des Verfalls in vollem Umfang stattzugeben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

15      Das EUIPO und der Streithelfer beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

16      Zunächst sind in Anbetracht des Zeitpunkts des Antrags auf Erklärung des Verfalls, nämlich dem 20. Juni 2017, der für die Feststellung des anwendbaren materiellen Rechts maßgebend ist, auf den vorliegenden Sachverhalt die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, sowie Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C‑736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem sind auf den Rechtsstreit, da nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung), die Verfahrensvorschriften der Verordnung 2017/1001 anwendbar.

17      Die Bezugnahmen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung und die der Parteien in ihren Ausführungen auf die materiell‑rechtlichen Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 sind im vorliegenden Fall folglich dahin zu verstehen, dass sie sich auf die inhaltsgleichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 beziehen.

18      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Klagegründe, mit denen sie erstens die fehlende wirksame Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung, zweitens die verspätete Abgabe der Stellungnahme der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung und drittens einen Verstoß gegen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Fehlende wirksame Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung

19      In Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die mit der Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung betraute Rechtsanwaltskanzlei vom Streithelfer wirksam beauftragt worden sei.

20      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Rechtsanwaltskanzlei, die die Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung vertreten habe, nicht wirksam bevollmächtigt worden sei, so dass die von der Arztpraxis HUMJC vor dieser Abteilung vorgelegten Unterlagen nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Insbesondere sei erstens die Vollmacht vom 20. September 2017 nur von einem der beiden Partner der Arztpraxis, nämlich dem Streithelfer, unterzeichnet worden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Partnerschaftsvertrags, den die Klägerin und der Streithelfer am 22. und 28. November 2012 geschlossen hätten (im Folgenden: Partnerschaftsvertrag), hätte die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Partnerin der Arztpraxis HUMJC bei einem solchen Beschluss mitabstimmen müssen. Zweitens ergebe sich das Verbot für den Streithelfer, die Rechtsanwaltskanzlei eigenmächtig mit der Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung zu beauftragen, auch aus zwei Entscheidungen des Landgerichts München I (Deutschland), nämlich der einstweiligen Verfügung vom 9. Oktober 2017 und dem endgültigen Urteil vom 20. Dezember 2017 (im Folgenden: Entscheidungen des Landgerichts München I).

21      Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

22      § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags betrifft die Geschäftsführung und die Vertretung in sonstigen Angelegenheiten. Diese Bestimmung sieht vor:

„Soweit keine abweichende Regelung gemäß § 6 Abs. 2 [Partnerschaftsgesellschaftsgesetz] besteht, ist auch in sonstigen Angelegenheiten kraft Gesetzes jeder Partner einzeln zur Führung des Geschäfts und Vertretung der Partnerschaft befugt. Diese Befugnis im Außenverhältnis beschränkt sich im Innenverhältnis zwischen den Partnern auf Maßnahmen, die der gewöhnliche Gang des Geschäfts- und der Aufrechterhaltung des laufenden Operations- und Praxisbetriebes mit sich bringen. Darüber hinausgehende Maßnahmen oder [Rechtsgeschäfte] bedürfen eines vorherigen Partnerbeschlusses. Dies gilt im Zweifel für

a)      Geschäfte, durch welche die Gesellschaft mit Verpflichtungen im Wert von mehr als 2 000 Euro im Einzelfall oder kumuliert als Jahreswert belastet wird;

b)      Geschäfte, die durch Gesellschafterbeschluss für zustimmungsbedürftig erklärt sind;

c)      alle ungewöhnlichen Betriebshandlungen, insbesondere die

–        über den gewöhnlichen Rahmen des Praxisbetriebes hinausgehen,

–        der Geschäftspolitik widersprechen,

–        das Ansehen der Praxis beeinträchtigen können, oder

–        eine besondere Bedeutung mit Ausnahmecharakter und hohem Risiko beinhalten.“

23      Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung zum Außenverhältnis und nicht zum Innenverhältnis der Arztpraxis gehört.

24      Daher ist zu prüfen, ob, wie die Klägerin geltend macht, der oben in Rn. 22 wiedergegebene § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags eine Beschränkung der jedem Partner verliehenen Befugnis zur Vertretung der Arztpraxis HUMJC im Außenverhältnis vorsieht.

25      Erstens sieht zwar § 11 Abs. 2 Satz 2 des Partnerschaftsvertrags eine Beschränkung der jedem Partner verliehenen Befugnis zur Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor, doch betrifft diese Beschränkung lediglich Handlungen im Rahmen des Innenverhältnisses. Hinsichtlich dieser Handlungen ist jeder Partner lediglich befugt, die Arztpraxis HUMJC im Hinblick auf die Maßnahmen zu vertreten, die der gewöhnliche Gang des Geschäfts- und der Aufrechterhaltung des laufenden Operations- und Praxisbetriebs mit sich bringen.

26      Zweitens kann § 11 Abs. 2 Sätze 3 und 4 des Partnerschaftsvertrags entgegen der Behauptung der Klägerin nicht dahin verstanden werden, dass er sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis Beschränkungen der jedem Partner verliehenen Befugnis zur Vertretung der Arztpraxis HUMJC vorsieht. Diese Bestimmungen sind angesichts ihres Wortlauts im Zusammenhang mit der in § 11 Abs. 2 Satz 2 des Partnerschaftsvertrags festgelegten Beschränkung zu betrachten, die sie konkretisieren und veranschaulichen. So heißt es in Satz 3, dass die im Innenverhältnis ergriffenen, „[d]arüber hinausgehende[n]“ Maßnahmen, d. h. diejenigen, die über den gewöhnlichen Gang des Geschäfts- und der Aufrechterhaltung des laufenden Operations- und Praxisbetriebes hinausgehen, einen vorherigen Partnerbeschluss erfordern. Für Zweifelsfälle listet Satz 4 diese Maßnahmen auf.

27      Somit ist festzustellen, dass § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags keine Beschränkung der jedem Partner verliehenen Befugnis zur Vertretung der Arztpraxis HUMJC im Außenverhältnis vorsieht.

28      Die von der Klägerin geltend gemachten Entscheidungen des Landgerichts München I können die oben in Rn. 27 angeführte Schlussfolgerung nicht entkräften.

29      Zwar hat das Landgericht München I in seinen Entscheidungen festgestellt, dass die Parteien des Partnerschaftsvertrags von der ihnen durch § 6 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, dass ein Gesellschafter von der Führung der sonstigen Geschäfte ausgeschlossen werden könne, wenn diese nicht die Ausübung des Berufs beträfen, der Gegenstand der Partnerschaft sei. Es ist ebenfalls zutreffend, dass dieses Gericht darauf hingewiesen hat, dass der Streithelfer im Rahmen der in § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vorgesehenen Beschränkung entsprechende Willenserklärungen abgeben könne, soweit er mit der Klägerin eine gemeinsame Entscheidung getroffen habe. Das Landgericht München I äußert sich in diesen Entscheidungen jedoch nicht zum Umfang dieser in § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vorgesehenen Beschränkung. Es stellt nicht klar, ob diese Beschränkung sowohl Handlungen im Innenverhältnis als auch solche im Außenverhältnis betrifft.

30      In Wirklichkeit wurde, wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, der Streithelfer durch die Entscheidungen des Landgerichts München I nur dazu verpflichtet, die vertraglichen Beschränkungen im Innenverhältnis zu beachten. Der Rechtsstreit, über den das Landgericht zu entscheiden hatte, betraf nämlich eine vom Streithelfer im Innenverhältnis vorgenommene Handlung, und zwar die Entscheidung, einer Person den Zutritt zu den Räumlichkeiten der Arztpraxis zu untersagen.

31      Den Entscheidungen des Landgerichts München I lässt sich demnach nicht entnehmen, dass die in § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vorgesehene Beschränkung Handlungen sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis betraf.

32      Folglich war der Streithelfer gemäß § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags befugt, die Rechtsanwaltskanzlei, die die Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung vertrat, eigenmächtig zu beauftragen. Da die Rechtsanwaltskanzlei also wirksam mit der Vertretung der Arztpraxis HUMJC beauftragt worden war, hat die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen, als sie die Zulässigkeit der von der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Unterlagen bestätigte.

33      Selbst wenn die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Partnerin der Arztpraxis HUMJC der Entscheidung hätte zustimmen müssen, die Rechtsanwälte mit der Vertretung der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung zu beauftragen, hätte jedenfalls eine erhöhte Gefahr bestanden, dass die Klägerin – die, wie erwähnt, die Antragstellerin auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke ist und somit zum Zeitpunkt der Stellung des Verfallsantrags andere Interessen verfolgte als diese Arztpraxis, obwohl sie einer der beiden Partner war – einer solchen Entscheidung nicht zugestimmt hätte. Eine solche Situation würde das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beeinträchtigen, das der Arztpraxis HUMJC nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zusteht. Ohne die Zustimmung der Klägerin hätte die Arztpraxis HUMJC, die Inhaberin der angegriffenen Marke, ihre Rechte gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 nämlich nicht verteidigen können (vgl. entsprechend Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 55 bis 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Somit ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: verspätete Abgabe der Stellungnahme der Arztpraxis HUMJC vor der Nichtigkeitsabteilung

35      In Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, dass die am 28. Dezember 2017 übermittelten Benutzungsnachweise fristgerecht vorgelegt worden seien.

36      Die Klägerin beanstandet im Wesentlichen die Antwort der Nichtigkeitsabteilung vom 15. Januar 2018, mit der diese den zweiten Antrag der Arztpraxis HUMJC vom 8. Dezember 2017 auf Verlängerung der Frist für die Vorlage von Nachweisen für die Benutzung der angegriffenen Marke abgelehnt habe, wobei sie aus Gründen der Billigkeit und in Anbetracht der Anzahl der Tage, die von der alten Frist verblieben, eine zusätzliche Frist bis zum 20. Januar 2018 gewährt habe (im Folgenden: Antwort der Nichtigkeitsabteilung vom 15. Januar 2018). Die Verlängerung aus Billigkeitsgründen habe keine Rechtsgrundlage, und es sei kein Tag der alten Frist verblieben, da der zweite Antrag am letzten Tag vor deren Ablauf gestellt worden sei. Der letzte Tag für die Vorlage von Nachweisen für die Benutzung der angegriffenen Marke sei der 8. Dezember 2017 gewesen. Ebenso seien die Benutzungsnachweise, die dem bei der Nichtigkeitsabteilung eingereichten Schriftsatz vom 28. Dezember 2017 beigefügt gewesen seien, verspätet und dürften daher im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

37      Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

38      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Prüfungsrichtlinien des EUIPO, obwohl sie keinen verbindlichen Charakter haben, eine Erkenntnisquelle für die Praxis des EUIPO im Bereich Marken darstellen (Urteil vom 18. September 2015, Federación Nacional de Cafeteros de Colombia/HABM – Hautrive [COLOMBIANO HOUSE], T‑387/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:647, Rn. 45).

39      Diese Richtlinien sind die Kodifizierung einer Vorgehensweise, der das EUIPO folgen möchte, so dass sich aus ihnen vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht eine Selbstbeschränkung des EUIPO ergibt, da sich das EUIPO an die Regeln, die es sich selbst auferlegt hat, halten muss (vgl. Urteil vom 18. September 2015, COLOMBIANO HOUSE, T‑387/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:647, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Nr. 4.3 der Prüfungsrichtlinien des EUIPO dann, wenn ein Antrag auf Verlängerung einer verlängerbaren Frist vor Ablauf dieser Frist gestellt wird und diesem Antrag nicht stattgegeben wird, dem betreffenden Beteiligten mindestens ein Tag eingeräumt wird, um die Frist einzuhalten, auch wenn der Antrag auf Verlängerung am letzten Tag vor Ablauf der Frist eingeht. Um die praktische Wirksamkeit von Nr. 4.3 der Richtlinien des EUIPO zu wahren, ist davon auszugehen, dass die neue Frist ab dem Zeitpunkt gewährt wird, zu dem die mit dem Antrag auf Verlängerung einer Frist befasste Stelle des EUIPO ihre Antwort übermittelt.

41      Im vorliegenden Fall handelt es sich erstens bei der Frist, deren Verlängerung von der Arztpraxis HUMJC ein zweites Mal beantragt wurde, um eine verlängerbare Frist. Gemäß Nr. 4.3 der Richtlinien des EUIPO wird nämlich ein zweiter Antrag auf Verlängerung derselben Frist zurückgewiesen, es sei denn, der beantragende Beteiligte erläutert und belegt ordnungsgemäß die „außergewöhnlichen Umstände“, die ihn daran gehindert haben, die verlangte Handlung im Verlauf der beiden bisherigen Zeiträume (d. h. der ursprünglichen Frist plus der ersten Verlängerung) vorzunehmen, und den Antragsteller nach wie vor an der Vornahme dieser Handlung hindern, so dass noch mehr Zeit benötigt wird.

42      Zweitens geht aus den Akten hervor, dass der zweite Antrag auf Verlängerung der Frist für die Vorlage von Nachweisen für die Benutzung der angegriffenen Marke von der Arztpraxis HUMJC am letzten Tag vor Ablauf dieser Frist gestellt wurde.

43      Drittens macht die Klägerin, die in ihren Schriftsätzen selbst auf Nr. 4.3 der Richtlinien des EUIPO Bezug nimmt, keineswegs geltend, dass diese Vorschrift gegen eine höherrangige Rechtsvorschrift verstoße. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass es gegen eine solche Vorschrift verstoßen würde, im Wesentlichen aus Gründen der Billigkeit in Folge eines am letzten Tag einer Frist gestellten Antrags auf Verlängerung eine zusätzliche Frist von mindestens einem Tag zu gewähren.

44      Ohne dass über die Stichhaltigkeit der Begründung der Antwort der Nichtigkeitsabteilung vom 15. Januar 2018 entschieden zu werden braucht, genügt folglich die Feststellung, dass sich die Nichtigkeitsabteilung in Beantwortung des zweiten Antrags auf Verlängerung der Frist für die Vorlage von Nachweisen für die Benutzung der angegriffenen Marke nicht darauf hätte beschränken dürfen, diesen Antrag zurückzuweisen, sondern dass sie gemäß den Prüfungsrichtlinien des EUIPO – und wie sie es auch getan hat – eine zusätzliche Frist ab dem Tag der Übermittlung ihrer Antwort einräumen musste. Da die streitigen Nachweise zwischen der Stellung des zweiten Antrags auf Verlängerung der Frist für die Vorlage von Nachweisen für die Benutzung der angegriffenen Marke und der Antwort der Nichtigkeitsabteilung vom 15. Januar 2018 vorgelegt wurden, hätten diese Nachweise folglich jedenfalls nicht als verspätet vorgelegt angesehen werden können. Daher haben weder die Nichtigkeitsabteilung noch die Beschwerdekammer einen Fehler begangen, indem sie bei der Prüfung der Benutzung der angegriffenen Marke diese Nachweise berücksichtigt haben.

45      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009

46      Die Klägerin macht einen Verstoß gegen Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Dieser Klagegrund ist im Wesentlichen in fünf Teile untergliedert, mit denen die Klägerin Folgendes rügt: erstens sei der maßgebliche Zeitraum fehlerhaft bestimmt worden, zweitens habe die Inhaberin der angegriffenen Marke im maßgeblichen Zeitraum der Benutzung dieser Marke durch die Arztpraxis HUMJC nicht zugestimmt, drittens belegten die vorgelegten Nachweise die Benutzung der angegriffenen Marke nicht im erforderlichen territorialen Umfang, viertens belegten diese Nachweise lediglich eine geringfügige Benutzung der angegriffenen Marke, und fünftens sei die angegriffene Marke in einer Form benutzt worden, die ihre Unterscheidungskraft gegenüber der eingetragenen Form beeinflusse.

47      Eine Unionsmarke wird gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 u. a. auf Antrag beim EUIPO für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und wenn keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

48      Der Normzweck des Erfordernisses, wonach eine Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, um nach dem Unionsrecht geschützt zu sein, liegt darin, dass das Register des EUIPO nicht als ein strategisches und statisches Depot aufgefasst werden darf, das einem untätigen Rechtsinhaber auf unbestimmte Zeit ein rechtliches Monopol verschafft. Vielmehr soll dieses Register wahrheitsgetreu die Angaben widerspiegeln, die die Unternehmen tatsächlich auf dem Markt benutzen, um ihre Waren und Dienstleistungen im Wirtschaftsleben von anderen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 7. November 2019, Intas Pharmaceuticals/EUIPO – Laboratorios Indas [INTAS], T‑380/18, EU:T:2019:782, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      So könnte eine Unionsmarke, die nicht benutzt wird, den Wettbewerb dadurch behindern, dass das Spektrum der Zeichen, die andere Marktteilnehmer als Marken eintragen lassen können, beschränkt und den Mitbewerbern die Möglichkeit zur Verwendung dieser oder einer ähnlichen Marke genommen wird, wenn sie auf dem Binnenmarkt Waren oder Dienstleistungen anbieten, die mit den von der fraglichen Marke erfassten identisch oder ihnen ähnlich sind. Folglich könnte die Nichtbenutzung einer Unionsmarke auch den freien Warenverkehr und den freien Dienstleistungsverkehr beschränken (Urteil vom 19. Dezember 2012, Leno Merken, C‑149/11, EU:C:2012:816, Rn. 32).

50      Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43).

51      Um in einem gegebenen Fall zu prüfen, ob eine Marke ernsthaft benutzt wurde, ist nämlich eine umfassende Beurteilung der zu den Akten genommenen Unterlagen vorzunehmen, wobei alle relevanten Faktoren des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Diese Beurteilung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände vorzunehmen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird, insbesondere anhand der Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, der Art dieser Waren oder Dienstleistungen, der Merkmale des Marktes sowie des Umfangs und der Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil vom 19. Dezember 2012, Leno Merken, C‑149/11, EU:C:2012:816, Rn. 29, vgl. auch entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43).

52      Die von der Klägerin im Rahmen ihres dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente sind im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

 Zum ersten Teil: Zeitraum der Benutzung

53      In Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass der maßgebliche Zeitraum für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung der Zeitraum zwischen dem 20. Juni 2012 und dem 19. Juni 2017 sei.

54      Die Klägerin macht geltend, der maßgebliche Zeitraum für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung sei der Zeitraum vom 21. März 2012 bis zum 20. März 2017. Sie stützt sich auf die Regel, dass die Benutzung nicht innerhalb der letzten drei Monate vor Stellung eines Antrags auf Erklärung des Verfalls wiederaufgenommen werden dürfe.

55      Das EUIPO und der Streithelfer beanstanden die Berechnung der Klägerin der Sache nach. Insbesondere in Anbetracht der in der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Schonfrist hat sich nach Ansicht des Streithelfers der maßgebliche Zeitraum auf die Zeit vom 22. November 2016 bis zum 20. Juni 2017 erstreckt.

56      Insoweit ist als Erstes im Hinblick auf den für die Berechnung des maßgeblichen Zeitraums zu berücksichtigenden Zeitpunkt Folgendes festzustellen.

57      Wie oben Rn. 47 zu entnehmen ist, wird nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 eine Unionsmarke u. a. auf Antrag beim EUIPO für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Gemäß dieser Bestimmung bleibt zudem die Benutzung, wenn sie innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Antragstellung begonnen oder wiederaufgenommen wird, unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass der Antrag gestellt werden könnte.

58      Im Übrigen gelten nach Art. 55 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 62 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) bei Verfall einer Unionsmarke die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen dieser Unionsmarke als von dem Zeitpunkt der Antragstellung oder der Erhebung der Widerklage an nicht eingetreten. In dieser Bestimmung ist ebenfalls vorgesehen, dass in der Entscheidung auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt festgesetzt werden kann, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist.

59      Allerdings ist festzustellen, dass in der Verordnung Nr. 207/2009 der für die Berechnung des ununterbrochenen Zeitraums der Nichtbenutzung von fünf Jahren maßgebliche Zeitpunkt nicht ausdrücklich angegeben wird. Aus den vorstehend angeführten Bestimmungen dieser Verordnung, die den Rahmen für die anwendbare Regelung bilden, geht jedoch hervor, dass dieser Zeitraum von fünf Jahren im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu bestimmen ist und dass er die fünf Jahre vor diesem Antrag umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, Husqvarna, C‑607/19, EU:C:2020:1044, Rn. 36 und 37).

60      Im vorliegenden Fall wurde zum einen der Verfallsantrag am 20. Juni 2017 gestellt und zum anderen macht die Klägerin nicht geltend, dass die Arztpraxis HUMJC, die über ihre Absicht informiert war, einen solchen Antrag zu stellen, die Benutzung der angegriffenen Marke in den drei Monaten vor Antragstellung wiederaufgenommen hätte. Folglich ist der maßgebliche Zeitraum gemäß der oben in Rn. 59 angeführten Rechtsprechung unter Berücksichtigung des 20. Juni 2017 zu bestimmen.

61      Was als Zweites den Zeitpunkt betrifft, ab dem die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen ist, macht der Streithelfer unter Verweis auf die in der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Schonfrist zu Unrecht geltend, dass es sich um den 22. November 2016 handele.

62      Zwar ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung 2017/1001) und deren Art. 51 Abs. 1 Buchst. a, dass eine Unionsmarke bis zum Ablauf der Frist von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung nicht für verfallen erklärt werden kann. Dem Inhaber wird so mit diesen Bestimmungen für den Beginn der ernsthaften Benutzung seiner Marke eine Schonfrist gewährt, während deren er sein ausschließliches Recht aus der Marke gemäß Art. 9 dieser Verordnung (jetzt Art. 9 der Verordnung 2017/1001) für alle von dieser Marke erfassten Waren und Dienstleistungen geltend machen kann, ohne eine ernsthafte Benutzung belegen zu müssen (Urteil vom 21. Dezember 2016, Länsförsäkringar, C‑654/15, EU:C:2016:998, Rn. 26). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine Unionsmarke ab Ablauf dieser Frist für verfallen erklärt werden kann, wenn der Inhaber auf Antrag einer beliebigen Person nicht den Nachweis erbringt, dass er seine Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, ernsthaft benutzt hat, und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen (Urteil vom 14. Februar 2019, Beko/EUIPO – Acer [ALTUS], T‑162/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:87, Rn. 48).

63      Aus dem Vorstehenden ergibt sich daher, dass der Streithelfer entgegen seiner Behauptung verpflichtet ist, den Nachweis für die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für einen Zeitraum von fünf Jahren zu erbringen, auch wenn sich dieser Zeitraum teilweise mit der Schonfrist überschneidet.

64      Folglich erstreckte sich der für die Beurteilung des Nachweises der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke maßgebliche Zeitraum, wie die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, vom 20. Juni 2012 bis zum 19. Juni 2017.

65      Die Beschwerdekammer gibt in verschiedenen Randnummern der angefochtenen Entscheidung den 17. Juni 2017 als Ende des maßgeblichen Zeitraums an. In Anbetracht der Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung ist jedoch davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer vielmehr den 19. Juni 2017 gemeint hat und dass es sich bei den Bezugnahmen auf den 17. Juni 2017 um Tippfehler handelt. Diese Tippfehler, die im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet wurden, haben im vorliegenden Fall keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

66      Daher ist der erste Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: fehlende Zustimmung der Inhaberin zur Benutzung der angegriffenen Marke

67      In Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die angegriffene Marke von der Arztpraxis HUMJC zumindest während eines Teils des maßgeblichen Zeitraums, d. h. vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017, mit Zustimmung der damaligen Inhaberin, nämlich der Medizinischen Gesellschaft MSM, benutzt worden sei.

68      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe fälschlicherweise festgestellt, dass die Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC im maßgeblichen Zeitraum von der Medizinischen Gesellschaft MSM genehmigt worden sei. Insbesondere habe der Geschäftsführer der Medizinischen Gesellschaft MSM mit eidesstattlicher Versicherung erklärt, der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC nie zugestimmt zu haben. Die bloße Duldung der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC, die nachträglich durch den Insolvenzverwalter der Medizinischen Gesellschaft MSM erfolgt sei, sei unerheblich.

69      Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

70      Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 18 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) gilt die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers als Benutzung durch den Inhaber.

71      Die Zustimmung muss angesichts der Bedeutung ihrer Wirkung – Erlöschen des ausschließlichen Rechts des Inhabers einer Unionsmarke zur Benutzung dieser Marke – auf eine Weise geäußert werden, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt. Ein solcher Wille ergibt sich in der Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Zustimmung in bestimmten Fällen konkludent aus Umständen und Anhaltspunkten vor, bei oder nach der Benutzung der fraglichen Marke durch einen Dritten ergeben kann, die ebenfalls mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen (vgl. Urteil vom 13. Januar 2011, Park/HABM – Bae [PINE TREE], T‑28/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:7, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke im maßgeblichen Zeitraum vorgelegten Unterlagen auf die Benutzung dieser Marke durch die Arztpraxis HUMJC beziehen, die damals nicht Inhaberin der angegriffenen Marke war. Im maßgeblichen Zeitraum war nämlich die Medizinische Gesellschaft MSM die Inhaberin der angegriffenen Marke.

73      Es ist daher zu prüfen, ob die Medizinische Gesellschaft MSM der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC im maßgeblichen Zeitraum zugestimmt hat. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Amtsgericht München am 21. Juli 2015 ein Insolvenzverfahren über die Medizinische Gesellschaft MSM eröffnet und einen Insolvenzverwalter ernannt hat (vgl. oben, Rn. 5). Folglich ist zu prüfen, ob eine Zustimmung des Geschäftsführers der Medizinischen Gesellschaft MSM für den Zeitraum vom 20. Juni 2012 bis zum 20. Juli 2015 bzw. des Insolvenzverwalters für den Zeitraum vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017 erfolgt ist.

74      Insoweit lässt sich den Akten entnehmen, dass der Insolvenzverwalter der Medizinischen Gesellschaft MSM der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC zugestimmt hat.

75      Am 3. August 2017 schloss der Insolvenzverwalter nämlich mit der Arztpraxis HUMJC einen Vertrag über den Kauf und die Übertragung von Marken (im Folgenden: Markenkauf- und Übertragungsvertrag), der u. a. die angegriffene Marke betraf. Wie die Beschwerdekammer zutreffend feststellt, geht aus der Präambel dieses Vertrags hervor, dass die Vertragsparteien „… davon [ausgehen], dass [die Medizinische Gesellschaft MSM]“ der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC ab dem 1. Januar 2013 „stillschweigend zugestimmt hat“. Damit hat der Insolvenzverwalter bestätigt, der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC ab dem Zeitpunkt seiner Ernennung, d. h. ab dem 21. Juli 2015, selbst zugestimmt zu haben.

76      Selbst unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung, in der der Geschäftsführer der Medizinischen Gesellschaft MSM angegeben hat, dass er der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC niemals ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt habe, lässt sich dem Markenkauf- und Übertragungsvertrag daher entnehmen, dass eine solche Zustimmung zumindest ab dem 21. Juli 2015 vom Insolvenzverwalter der Medizinischen Gesellschaft MSM an die Arztpraxis HUMJC erteilt wurde.

77      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Zustimmung des Insolvenzverwalters der Medizinischen Gesellschaft MSM nicht völlig bedeutungslos, weil sie stillschweigend und nachträglich erteilt wurde. Nach der oben in Rn. 71 angeführten Rechtsprechung kann nämlich die Zustimmung in bestimmten Fällen konkludent erfolgen und sich u. a. aus nachträglichen Anhaltspunkten ergeben, die mit Bestimmtheit einen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen lassen. Dies ist vorliegend der Fall, da aus dem vom Insolvenzverwalter der Medizinischen Gesellschaft MSM unterzeichneten Markenkauf- und Übertragungsvertrag ausdrücklich hervorgeht, dass der Arztpraxis HUMJC vor mehreren Jahren eine konkludente Zustimmung zur Benutzung der angegriffenen Marke erteilt worden war.

78      Mithin hat die Beschwerdekammer aus der Präambel des Markenkauf- und Übertragungsvertrags zu Recht abgeleitet, dass die angegriffene Marke von der Arztpraxis HUMJC zumindest ab dem 21. Juli 2015 mit Zustimmung der Medizinischen Gesellschaft MSM, der damaligen Inhaberin, benutzt worden war.

79      Folglich sind für die weiteren Erwägungen die vor den Stellen des EUIPO vorgelegten Nachweise zu berücksichtigen, die sich auf den Zeitraum vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017 beziehen, so wie auch die Beschwerdekammer vorgegangen ist, ohne dass die Klägerin geltend gemacht hätte, dass dieser Zeitraum für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke unzureichend sei. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob der Geschäftsführer der Medizinischen Gesellschaft MSM der Benutzung der angegriffenen Marke durch die Arztpraxis HUMJC vor diesem Zeitraum zugestimmt hatte.

80      Der zweite Teil des dritten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil: eingeschränkte territoriale Benutzung der angegriffenen Marke

81      In den Rn. 33 bis 35 der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass die Benutzung der angegriffenen Marke zumindest in Deutschland und im Vereinigten Königreich hinreichend nachgewiesen sei. Weiter stellte sie fest, dass die Website der Arztpraxis HUMJC international ausgerichtet sei. Außerdem sei die Benutzung der angegriffenen Marke ausschließlich in Deutschland jedenfalls ausreichend und die Tatsache, dass diese Arztpraxis ausschließlich in München ansässig sei, sei für die Frage des räumlichen Umfangs der Benutzung der Marke nicht entscheidend.

82      Die Klägerin beanstandet diese Beurteilungen der Beschwerdekammer. Die Arztpraxis HUMJC habe die angegriffene Marke nur in einem Teil Deutschlands, nämlich in München, benutzt, so dass der Streithelfer keine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke im gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 erforderlichen territorialen Umfang nachgewiesen habe.

83      Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

84      Insoweit ergibt sich aus den Akten, dass sich, wie die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die ihr vorgelegten Nachweise auf München, aber auch auf London (Vereinigtes Königreich) als Niederlassungsort der Arztpraxis HUMJC beziehen. Auszügen der Website dieser Arztpraxis vom 11. Oktober 2015, vom 7. Oktober 2016, vom 3. Dezember 2016 und vom 9. Juni 2016 ist nämlich zu entnehmen, dass die Klägerin, die damals Partnerin der Arztpraxis HUMJC war, regelmäßig Hernienchirurgie in einem Krankenhaus in London praktizierte. Die Briefbögen und die Visitenkarten der Arztpraxis HUMJC beziehen sich außerdem ausdrücklich auf diese beiden Städte. Da das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland im für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke maßgeblichen Zeitraum noch Mitglied der Union war, ist dieses Gebiet zur Bestimmung des Ortes der Benutzung dieser Marke zu berücksichtigen.

85      Selbst wenn die Arztpraxis HUMJC ausschließlich in München niedergelassen wäre, was nicht der Fall ist, wäre dies außerdem im vorliegenden Fall, wie die Beschwerdekammer ausführt, für den Nachweis des räumlichen Umfangs der Benutzung der angegriffenen Marke nicht maßgeblich. Die vorgelegten Entlassungsschreiben belegen eine Tätigkeit der Arztpraxis HUMJC im gesamten Gebiet der Bundesrepublik, da diese an Ärzte gerichtet sind, die u. a. in den deutschen Städten Köln, Düsseldorf und Pforzheim niedergelassen sind, so dass die angegriffene Marke in ganz Deutschland verbreitet wurde.

86      Folglich geht das Vorbringen der Klägerin, die angegriffene Marke sei im Wesentlichen in München benutzt worden, in tatsächlicher Hinsicht fehl. Es ist daher nicht erforderlich, über die Frage zu entscheiden, ob eine auf München beschränkte Benutzung der angegriffenen Marke ausreicht, um deren ernsthafte Benutzung nachzuweisen.

87      Somit ist der dritte Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil: geringfügige Benutzung der angegriffenen Marke

88      In den Rn. 47 bis 49 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer den Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke im Zeitraum vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017 geprüft, d. h. dem Zeitraum, in dem diese Benutzung mit Zustimmung der damaligen Inhaberin erfolgte. Die Beschwerdekammer hat festgestellt, dass aus den vorgelegten Unterlagen hervorgehe, dass die Arztpraxis HUMJC die angegriffene Marke während dieses gesamten Zeitraums im Rahmen des regelmäßigen Betriebs der Arztpraxis ernsthaft benutzt habe, auch wenn sie über keine konkreten Umsatzangaben verfüge. Die Beschwerdekammer hat sich insbesondere auf Schilder der Arztpraxis, Briefbögen der Arztpraxis, Patientenhinweise, Visitenkarten der Arztpraxis, Entlassungsschreiben, die Website der Arztpraxis sowie den Partnerschaftsvertrag gestützt.

89      Nach Ansicht der Klägerin belegen die vom Streithelfer vorgelegten Benutzungsnachweise lediglich eine geringfügige Benutzung der angegriffenen Marke. Insbesondere seien die vorgelegten Nachweise größtenteils undatiert und belegten lediglich eine Benutzung in München. Außerdem seien bestimmte Nachweise nicht geeignet, eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen, oder bezögen sich nicht einmal auf den maßgeblichen Zeitraum.

90      Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

91      Wie bereits oben in Rn. 50 ausgeführt, wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Im Übrigen setzt die ernsthafte Benutzung der Marke voraus, dass sie öffentlich und im Außenverhältnis benutzt wird.

92      Obwohl der Begriff der ernsthaften Benutzung einen Gegensatz zu einer nur geringfügigen Benutzung darstellt, die nicht für die Annahme genügt, dass eine Marke auf einem bestimmten Markt wirklich und tatsächlich benutzt wurde, zielt das Erfordernis der ernsthaften Benutzung dennoch weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolgs noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen geschäftlichen Verwertungen von Marken vorzubehalten (vgl. Urteil vom 15. September 2011, centrotherm Clean Solutions/HABM – Centrotherm Systemtechnik [CENTROTHERM], T‑427/09, EU:T:2011:480, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist nämlich anhand einer umfassenden Beurteilung sämtlicher für den konkreten Fall relevanter Faktoren zu prüfen, d. h. anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 40).

94      Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der betreffenden Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte Umsatz und die Zahl der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Benutzung der älteren Marke nicht immer umfangreich zu sein braucht, um als ernsthaft eingestuft zu werden (Urteil vom 8. Juli 2004, VITAFRUIT, T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 42).

95      Schließlich lässt sich die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteile vom 12. Dezember 2002, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], T‑39/01, EU:T:2002:316, Rn. 47, und vom 6. Oktober 2004, Vitakraft‑Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 28).

96      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerin zum Ort der Benutzung im Rahmen der Prüfung des dritten Teils des dritten Klagegrundes geprüft wurde. Aus Rn. 81 des vorliegenden Urteils geht aber hervor, dass die angegriffene Marke entgegen der Behauptung der Klägerin in ganz Deutschland verbreitet wurde.

97      Daher ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer, wie die Klägerin geltend macht, zu Unrecht zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die Benutzung der angegriffenen Marke als ernsthaft eingestuft werden könne.

98      Was erstens die Entlassungsschreiben betrifft, hat die Beschwerdekammer, obwohl einige von ihnen nicht in den maßgeblichen Zeitraum fallen, keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie hinsichtlich des untersuchten Zeitraums (nämlich vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017) festgestellt hat, dass mehr als zehn dieser Entlassungsschreiben die Benutzung der angegriffenen Marke in diesem Zeitraum für die in Rede stehenden Dienstleistungen belegten.

99      Zweitens ist festzustellen, dass der Streithelfer datierte Auszüge der Website der Arztpraxis HUMJC für den untersuchten Zeitraum vorgelegt hat. Abgesehen davon, dass diese Auszüge zeigen, dass die angegriffene Marke im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Dienstleistungen benutzt wurde, belegen sie – wie die Beschwerdekammer festgestellt hat – eine bedeutende wirtschaftliche Tätigkeit. Diese Feststellung der Beschwerdekammer wird von der Klägerin bestätigt, die im Rahmen ihrer beim Gericht eingereichten Schriftsätze geltend macht, dass sie seit mehr als 25 Jahren – und damit auch, als sie Partnerin der Arztpraxis HUMJC gewesen sei – 22 000 Leistenoperationen durchgeführt habe. Auch die Auszüge der Website der Arztpraxis HUMJC stellen einen zusätzlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Arztpraxis HUMJC die angegriffene Marke im maßgeblichen Zeitraum geschäftlich benutzt hat.

100    Gleiches gilt für die Feststellung der Beschwerdekammer, dass dem Partnerschaftsvertrag zu entnehmen sei, dass die Partner sich gegenseitig zu einer signifikanten Anzahl von Behandlungen verpflichtet haben, deren Bedeutung von der Klägerin ebenfalls nicht bestritten wird.

101    Drittens ist es zutreffend, dass einige der vorgelegten Nachweise nicht datiert sind. Dabei handelt es sich um die Schilder der Arztpraxis, die Briefbögen der Arztpraxis und die Patientenhinweise.

102    Insoweit können nach ständiger Rechtsprechung undatierte Dokumente in bestimmten Fällen zugrunde gelegt werden, um die Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen, sofern sie Tatsachen bestätigen können, die sich aus anderen Beweismitteln herleiten lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Torrefazione Caffè Michele Battista/EUIPO – Battista Nino Caffè [Battistino], T‑220/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:383, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Im vorliegenden Fall können die oben in Rn. 101 angesprochenen undatierten Nachweise andere Unterlagen wie die Entlassungsschreiben und die Auszüge der Website der Arztpraxis HUMJC untermauern, um die Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen. Diese Nachweise lassen nämlich eine externe Benutzung gegenüber Patienten der Arztpraxis HUMJC erkennen, und auf ihnen wird die angegriffene Marke in einer identischen oder zumindest fast identischen grafischen Gestaltung wie auf den Entlassungsschreiben und den Auszügen der Website der Arztpraxis HUMJC abgebildet.

104    Auch ermöglichen es die oben in Rn. 101 angesprochenen Nachweise zusammen mit anderen Nachweisen, zu belegen, dass die angegriffene Marke auf dem betreffenden Markt zur Bezeichnung der in Rede stehenden Dienstleistungen benutzt wurde.

105    Viertens ist hinsichtlich der Briefbögen und der Visitenkarten der Arztpraxis sowie der Rezeptformulare, die für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke ungeeignet sein sollen, weil sie nicht ausgefüllt seien, festzustellen, dass die Rezeptformulare in der Begründung der angefochtenen Entscheidung zum Umfang der Benutzung nicht ausdrücklich angeführt sind und aus dieser Entscheidung nicht eindeutig hervorgeht, dass sie von der Beschwerdekammer bei der Beurteilung dieser Frage berücksichtigt wurden. Was die Briefbögen und die Visitenkarten der Arztpraxis betrifft, so können diese aus den bereits oben in Rn. 103 dargelegten Gründen die Nachweise untermauern, die die Entlassungsschreiben und Auszüge der Website der Arztpraxis HUMJC umfassen.

106    Fünftens genügt schließlich für den Fall, dass die Klägerin den für die Patienten bestimmten Informationsblättern jede Relevanz absprechen möchte, indem sie ohne nähere Erläuterung vorträgt, dass sie ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmt seien, der Hinweis, dass diese Informationsblätter dazu dienen, die Patienten über den Ablauf der Operation zu informieren. Diese Informationsblätter sind daher entgegen der Behauptung der Klägerin für den externen Gebrauch vorgesehen.

107    Folglich hat die Beschwerdekammer bei der umfassenden Beurteilung der Nachweise in Bezug auf das Kriterium des Umfangs der Benutzung der angegriffenen Marke keinen Beurteilungsfehler begangen, zumal die in Rede stehenden Dienstleistungen medizinischer Natur sind.

108    Der vierte Teil des dritten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Teil: Benutzung der angegriffenen Marke in einer Form, die von der eingetragenen Form abweicht

109    In den Rn. 44 und 45 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke durch die Benutzung von Zeichen, die sich von dieser Marke in ihrer eingetragenen Form unterschieden, nicht verändert werde.

110    Die Klägerin beanstandet diese Beurteilung der Beschwerdekammer und weist darauf hin, dass die angegriffene Marke in den vorgelegten Benutzungsnachweisen stets mit dem unterscheidungskräftigen Bestandteil „Dr. Muschaweck“ versehen sei, der den Charakter der Kombination der Großbuchstaben „UM“ verändere. Außerdem bestehe die angegriffene Marke aus den Initialen der Klägerin, so dass der zu den in Großbuchstaben gehaltenen Initialen „UM“ hinzugefügte Bestandteil „Dr. Muschaweck“ in den Augen der Verkehrskreise die begriffliche Verbindung dieser Bestandteile unterstreiche und nicht als vernachlässigbar angesehen werden könne.

111    Das EUIPO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

112    Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 umfasst der Nachweis der ernsthaften Benutzung einer Marke auch den Nachweis ihrer Benutzung in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird.

113    Der Zweck von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, der es vermeidet, eine strikte Übereinstimmung zwischen der verwendeten Form der Marke und derjenigen, in der die Marke eingetragen worden ist, vorzuschreiben, besteht darin, es dem Inhaber der letztgenannten Marke zu erlauben, im Rahmen seines Geschäftsbetriebs Veränderungen an dem Zeichen vorzunehmen, die es, ohne die Unterscheidungskraft der Marke zu beeinflussen, erlauben, sie den Anforderungen der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen besser anzupassen. Seinem Zweck entsprechend ist der sachliche Geltungsbereich dieser Bestimmung als auf die Situationen beschränkt zu betrachten, in denen das Zeichen, das vom Inhaber einer Marke konkret zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die diese eingetragen worden ist, verwendet wird, die Form darstellt, in der diese Marke gewerblich genutzt wird. Für solche Situationen sieht die erwähnte Bestimmung vor, dass die Pflicht zur Benutzung der Marke dann, wenn das im Handelsverkehr verwendete Zeichen von der Form, in der es eingetragen worden ist, nur in geringfügigen Bestandteilen abweicht und die beiden Zeichen somit als insgesamt gleichwertig betrachtet werden können, dadurch erfüllt werden kann, dass der Nachweis der Benutzung des Zeichens erbracht wird, das deren im Handelsverkehr benutzte Form darstellt (Urteil vom 23. Februar 2006, Il Ponte Finanziaria/HABM – Marine Enterprise Projects [BAINBRIDGE], T‑194/03, EU:T:2006:65, Rn. 50).

114    Die Feststellung einer Beeinflussung der Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form erfordert die Prüfung der Unterscheidungskraft und der Dominanz der hinzugefügten Bestandteile, bei der auf die Eigenschaften jedes dieser Bestandteile sowie deren jeweilige Rolle bei der Gesamtgestaltung der Marke abzustellen ist (Urteile vom 12. März 2014, Borrajo Canelo/HABM – Tecnoazúcar [PALMA MULATA], T‑381/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:119, Rn. 30, und vom 20. Juli 2017, Cafés Pont/EUIPO – Giordano Vini [Art’s Cafè], T‑309/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:535, Rn. 16).

115    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine Wortmarke handelt und aus den den Stellen des EUIPO vorgelegten Nachweisen hervorgeht, dass sie im Zeitraum vom 21. Juli 2015 bis zum 19. Juni 2017 hauptsächlich in folgender Form benutzt wurde (im Folgenden: benutztes Zeichen):

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116    Als Erstes ist zu unterstreichen, dass die konkrete Darstellung einer Wortmarke generell ungeeignet ist, die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form zu beeinflussen (Urteil vom 21. November 2013, Recaro/HABM – Certino Mode [RECARO], T‑524/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:604, Rn. 42).

117    Als Zweites ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass die Großbuchstaben „UM“, aus denen sich die angegriffene Marke zusammensetzt, die wesentlichen Bestandteile des benutzten Zeichens darstellen.

118    Zum einen sind die Großbuchstaben „UM“ klar hervorgehoben und nehmen im benutzten Zeichen eine bedeutende Stellung ein. Konkret besteht das benutzte Zeichen aus der Abbildung der beiden Großbuchstaben „UM“, die sich auf gleicher Höhe befinden sowie im Großformat und in Großbuchstaben in der Farbe Blau gehalten sind. Der Großbuchstabe „M“ ist fettgedruckt und in einem dunkleren Blau gehalten. Diese Buchstaben dominieren gegenüber den Wortbestandteilen „Hernienzentrum“, „Dr. Muschaweck“, „PD Dr. Conze“ – eingerahmt von zwei blauen Quadraten – und „München‑London“, die in fettgedruckten Großbuchstaben sowie in kleiner Größe geschrieben sind.

119    Zum anderen vermitteln die zusätzlichen Wortbestandteile, auch wenn sie teilweise Eigennamen darstellen, im vorliegenden Fall eine rein informative Aussage und spielen daher nur eine untergeordnete Rolle. Die Wortbestandteile „Hernienzentrum“, „Dr. Muschaweck“ und „PD Dr. Conze“ informieren den Verbraucher nämlich nur über die Identität der Personen, die in der Arztpraxis für die mit den Großbuchstaben „UM“ bezeichneten Dienstleistungen verantwortlich sind. Der zusätzliche Wortbestandteil „München‑London“ enthält nähere Angaben zu den Standorten der Arztpraxis, an denen die in Rede stehenden Dienstleistungen angeboten werden.

120    Zu diesem letzten Aspekt trägt die Klägerin vor, dass der Wortbestandteil „Dr. Muschaweck“ – der sich auf sie beziehe, während ihr „guter Ruf“ international sei – nicht zu vernachlässigen oder geringfügig sei, da er begrifflich mit den Großbuchstaben „UM“ zusammenhänge, bei denen es sich um ihre Initialen handele. Abgesehen davon, dass diese Behauptung die oben in den Rn. 118 und 119 getroffenen Feststellungen nicht in Frage stellt, genügt die Feststellung, dass die Klägerin zum einen keinen Nachweis zur Stützung ihrer Behauptung erbringt, dass sie selbst international einen „guten Ruf“ genieße, und dass zum anderen der Vorname Ulrike im benutzten Zeichen nicht genannt wird, so dass entgegen der Behauptung der Klägerin kein Zusammenhang zwischen dem Wortbestandteil „Dr. Muschaweck“ und den Großbuchstaben „UM“ hergestellt werden kann.

121    Die Behauptung der Klägerin, dass die Großbuchstaben „UM“ unter das Namens- und Persönlichkeitsrecht der Klägerin fielen, ist, selbst unter der Annahme, dass es sich bei dieser Behauptung um ein anderes Argument als das oben in Rn. 120 dargestellte handelt, in keiner Weise näher ausgeführt worden, so dass sie nicht zu prüfen ist.

122    Folglich konnte die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgehen, dass die Unterschiede zwischen dem eingetragenen Zeichen und dem benutzten Zeichen die Unterscheidungskraft des eingetragenen Zeichens nicht beeinflussen konnten. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 ist daher die Benutzung der Marke in dieser Form als eine Benutzung der angegriffenen Marke anzusehen.

123    Der fünfte Teil des dritten Klagegrundes sowie der dritte Klagegrund sind daher zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen, ohne dass über die vom EUIPO erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

 Kosten

124    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

125    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und des Streithelfers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Frau Ulrike Muschaweck trägt die Kosten.

Marcoulli

Schwarcz

Iliopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juni 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Das vorliegende Urteil wird auszugsweise veröffentlicht.