URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

19. Dezember 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – Richtlinie 2008/94/EG – Art. 8 – Zusatzversorgungseinrichtungen – Schutz der Ansprüche auf Leistungen bei Alter – Garantiertes Mindestschutzniveau – Pflicht des ehemaligen Arbeitgebers, eine Kürzung der betrieblichen Altersversorgung auszugleichen – Externe Versorgungseinrichtung – Unmittelbare Wirkung“

In der Rechtssache C‑168/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2018, in dem Verfahren

Pensions-Sicherungs-Verein VVaG

gegen

Günther Bauer

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,


Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Pensions-Sicherungs-Vereins VVaG, vertreten durch Rechtsanwalt F. Wortmann,

–        von Herrn Bauer, vertreten durch Rechtsanwältin I. Axler,

–        der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und R. Kanitz, dann durch R. Kanitz, als Bevollmächtigte,

–        der luxemburgischen Regierung, vertreten durch D. Holderer und T. Uri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Kinsch, avocat,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Lavery als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, QC,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2019

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (im Folgenden: PSV) und Herrn Günther Bauer über den Ausgleich für die Kürzungen der Leistungen einer Pensionskasse.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 heißt es:

„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten; dabei muss die Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der [Europäischen Union] berücksichtigt werden. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten eine Einrichtung schaffen, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.“

4        Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt sie für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind.

5        Art. 8 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

6        Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 schränkt diese nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen.

 Deutsches Recht

7        Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) vom 19. Dezember 1974 (BGBl. 1974 I, S. 3610) in der durch das Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. 2017 I, S. 3214) geänderten Fassung (im Folgenden: Betriebsrentengesetz) bestimmt in § 1 („Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung“):

„(1)      Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters‑, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

…“

8        § 1b („Unverfallbarkeit und Durchführung der betrieblichen Altersversorgung“) dieses Gesetzes, der in seinen Abs. 2 bis 4 die Möglichkeiten aufzählt, die der Arbeitgeber bei der betrieblichen Altersversorgung hat, sieht im Wesentlichen vor, dass der Arbeitgeber eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abschließen kann (Abs. 2) oder die betriebliche Altersversorgung von einer Pensionskasse oder einem Pensionsfonds (Abs. 3) oder einer Unterstützungskasse (Abs. 4) durchgeführt werden kann.

9        § 7 („Umfang des Versicherungsschutzes“) dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. …

…“

10      § 10 („Beitragspflicht und Beitragsbemessung“) dieses Gesetzes sieht vor:

„(1)      Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung werden auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine Direktversicherung … oder einen Pensionsfonds durchführen.

(4)      Aus den Beitragsbescheiden des Trägers der Insolvenzsicherung findet die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung statt. Die vollstreckbare Ausfertigung erteilt der Träger der Insolvenzsicherung.

…“


11      § 14 („Träger der Insolvenzsicherung“) des Betriebsrentengesetzes sieht vor:

„(1)      Träger der Insolvenzsicherung ist der [PSV]. Er ist zugleich Träger der Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen Luxemburger Unternehmen nach Maßgabe des Abkommens vom 22. September 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über Zusammenarbeit im Bereich der Insolvenzsicherung betrieblicher Altersversorgung.

(2)      Der [PSV] unterliegt der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. …“

12      § 3 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 (BGBl. 1953 I, S. 157) in der durch das Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. 2017 I, S. 2094) geänderten Fassung bestimmt:

„(1)      Die Vollstreckung wird gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht.

(2)      Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind:

a)      der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist;

b)      die Fälligkeit der Leistung;

c)      der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit.

(3)      Vor Anordnung der Vollstreckung soll der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden.

(4)      Die Vollstreckungsanordnung wird von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen darf.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

13      Im Dezember 2000 wurde Herrn Bauer von seiner ehemaligen Arbeitgeberin eine Betriebsrente im Sinne des Betriebsrentengesetzes gewährt.

14      Diese Betriebsrente umfasste eine monatliche Pensionszulage und jährliches Weihnachtsgeld, die von der ehemaligen Arbeitgeberin direkt gezahlt wurden, sowie eine Pensionskassenrente, die auf der Grundlage der Beiträge der ehemaligen Arbeitgeberin von der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (im Folgenden: Pensionskasse), einer überbetrieblichen Einrichtung, die den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährt, gezahlt wurde.

15      Im Jahr 2003 geriet die Pensionskasse in wirtschaftliche Schwierigkeiten und kürzte mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die erbrachten Leistungen. So wurde der Teil der an Herrn Bauer gezahlten und entsprechend den Beiträgen seiner ehemaligen Arbeitgeberin berechneten Rente, der sich im Juni 2003 auf 599,49 Euro brutto belief, von der Pensionskasse zwischen 2003 und 2013 jedes Jahr gekürzt, wobei die elf Kürzungen zwischen 1,40 % und 1,25 % betrugen.

16      Insgesamt wurde die Höhe der Herrn Bauer von der Pensionskasse gezahlten monatlichen Rente zwischen 2003 und 2013 um 13,8 % gekürzt, was für den Betroffenen einen Verlust von 82,74 Euro pro Monat und eine Verringerung des Gesamtbetrags der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die er aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erhält, um 7,4 % bedeutet.

17      Gemäß der sich aus den nationalen Rechtsvorschriften ergebenden Einstandspflicht begann die ehemalige Arbeitgeberin von Herrn Bauer, die Kürzung der Leistungen der Pensionskasse auszugleichen; eine Verpflichtung, die Leistungen der Pensionskassen anderweitig abzusichern sehen diese Rechtsvorschriften jedoch nicht vor.

18      Im Januar 2012 wurde über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet.

19      Der PSV, der die Zahlung der Betriebsrenten im Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers in Deutschland und Luxemburg sicherstellt, informierte Herrn Bauer mit Bescheid vom 12. September 2012 darüber, dass er die Zahlung der monatlichen Pensionszulage in Höhe von 398,90 Euro sowie die Zahlung des jährlichen Weihnachtsgelds in Höhe von 1 451,05 Euro übernehme.

20      Einen Ausgleich der Pensionskassenrente lehnte der PSV allerdings ab; die Pensionskasse zahlt an den Betroffenen die gekürzte Pensionskassenrente weiter.

21      Mit einer beim zuständigen erstinstanzlichen Gericht erhobenen Klage machte Herr Bauer geltend, dass der PSV wegen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seiner ehemaligen Arbeitgeberin für die Leistungskürzungen der Pensionskasse einstehen müsse. Der PSV vertrat die Auffassung, ihn treffe keine Einstandspflicht für Versorgungsansprüche, die von einer Pensionskasse erfüllt würden, wenn der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Einstandspflicht wegen einer eigenen Zahlungsunfähigkeit nicht nachkommen könne.

22      Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, wurde ihr auf die von Herrn Bauer eingelegte Berufung hin jedoch stattgegeben.

23      Das vom PSV angerufene Bundesarbeitsgericht (Deutschland) führt aus, dass es im Ausgangsverfahren die Frage entscheiden müsse, ob der PSV verpflichtet sei, für die Forderung von Herrn Bauer gegen seine ehemalige Arbeitgeberin einzustehen, weil diese zahlungsunfähig sei und folglich ihre eigene Pflicht, für die von der Pensionskasse erbrachten Leistungen einzustehen, nicht erfüllen könne.

24      Dem vorlegenden Gericht zufolge können in Deutschland Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf unterschiedliche Weise erbracht werden. Zum einen kann der Arbeitgeber die Leistungen, zu denen er aufgrund des Betriebsrentensystems seines Unternehmens verpflichtet ist, unmittelbar erbringen. Zum anderen kann er diese Leistungen durch externe Einrichtungen erbringen lassen. Der Arbeitgeber erbringt dann selbst keine Leistungen, sondern sorgt mittelbar für ihre Erbringung entweder durch eine vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung oder durch eine Unterstützungskasse oder eine Pensionskasse, die vom Arbeitgeber mit der Durchführung des Betriebsrentensystems seines Unternehmens beauftragt wird.

25      Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu, die von einer externen Versorgungseinrichtung erbracht werden, und reichen diese Leistungen nicht aus, um die Zusage zu erfüllen, die dieser gemäß dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitnehmer abgegeben hat, erlegt das nationale Recht dem Arbeitgeber eine Einstandspflicht auf, für die er mit seinem eigenen Vermögen einzustehen hat. Ist der Arbeitgeber zahlungsunfähig, sieht das nationale Recht in dieser Situation keine Pflicht für den PSV vor, für die Leistungen einzustehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der von einer Pensionskasse vorgenommenen Kürzungen der gezahlten Leistungen zu erbringen hat.

26      Das vorlegende Gericht fragt sich als Erstes, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 in dem Fall anwendbar ist, in dem eine Pensionskasse, ohne selbst zahlungsunfähig zu sein, die erbrachten Leistungen kürzt, der ehemalige Arbeitgeber aber trotz seiner vom nationalen Recht vorgesehenen Einstandspflicht wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage ist, die vorgenommenen Kürzungen auszugleichen. In diesem Fall bestehe eine Forderung des Arbeitnehmers gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die sich aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 ergebe, da diese Forderungen auf der Zusage von Rentenleistungen durch den ehemaligen Arbeitgeber beruhten.

27      Als Zweites möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welchen Umständen in Anbetracht der in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 genannten Verpflichtung, die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen, die vom ehemaligen Arbeitnehmer infolge der Zahlungsunfähigkeit seines ehemaligen Arbeitgebers erlittenen Verluste als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden können. Hierzu führt es aus, dass im Ausgangsverfahren die vom betroffenen ehemaligen Arbeitnehmer erlittenen Verluste nur 13,8 % der monatlichen Altersrente und 7,4 % der gesamten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die sich aus den Ansprüchen ergeben, die dieser in der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworben habe, entsprächen. Es hält Erläuterungen zu den in Rn. 35 des Urteils vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C‑454/15, EU:C:2016:891), angesprochenen Umständen für erforderlich, um bewerten zu können, ob der in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehene Mindestschutz im Ausgangsverfahren erfüllt ist.

28      Als Drittes stellt das vorlegende Gericht fest, dass es, falls Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen sein sollte, dass er eine Verpflichtung aufstelle, wonach der betreffende Mitgliedstaat für die von Herrn Bauer geltend gemachten Ansprüche einzustehen habe, die einschlägigen Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes nicht im Einklang mit dieser Richtlinie auslegen könne. Daher fragt es nach der unmittelbaren Wirkung, die Art. 8 der Richtlinie 2008/94, der Herrn Bauer ermöglichen würde, sich vor ihm unmittelbar auf diese Bestimmung zu berufen, haben könnte.

29      Als Viertes sei fraglich, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 – sollte er unmittelbare Wirkung entfalten – einer Einrichtung zur Sicherung von Betriebsrenten wie dem PSV entgegengehalten werden könne.

30      Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 8 der Richtlinie 2008/94 anwendbar, wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegende überbetriebliche Versorgungseinrichtung erbracht werden, diese aus finanziellen Gründen ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berechtigt kürzt und der Arbeitgeber nach nationalem Recht zwar für die Kürzungen gegenüber den ehemaligen Arbeitnehmern einzustehen hat, seine Zahlungsunfähigkeit jedoch dazu führt, dass er seine Verpflichtung, diese Leistungskürzungen auszugleichen, nicht erfüllen kann?

2.      Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben?

3.      Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:

Entfaltet Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unmittelbare Wirkung und verleiht die Bestimmung, wenn ein Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat, dem Einzelnen Rechte, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann?

4.      Falls die dritte Vorlagefrage bejaht wird:

Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat – für die Arbeitgeber verpflichtend – als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaats?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

31      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine überbetriebliche Einrichtung gewährt, infolge seiner Zahlungsunfähigkeit nicht für den Ausgleich der Verluste einstehen kann, die sich aus der Kürzung der von dieser überbetrieblichen Einrichtung erbrachten Leistungen ergeben, wobei diese Kürzung von der diese Einrichtung überwachenden staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt wurde.

32      Was den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2008/94 betrifft, gilt sie nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind.

33      Art. 8 dieser Richtlinie sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten vergewissern, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.

34      Es steht fest, dass Herr Bauer ehemaliger Arbeitnehmer ist, dass seine ehemalige Arbeitgeberin zahlungsunfähig ist sowie dass zum Zeitpunkt des Eintritts ihrer Zahlungsunfähigkeit und aufgrund dessen die erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter beeinträchtigt wurden, da diese ehemalige Arbeitgeberin nicht mehr in der Lage war, gemäß der dem Arbeitgeber nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, für die Zahlung der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einzustehen, die Kürzungen der von einer überbetrieblichen Einrichtung gezahlten monatlichen Betriebsrente auszugleichen.

35      Somit sind die Tatbestandsmerkmale von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 erfüllt, so dass er auf eine Konstellation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a., C‑398/11, EU:C:2013:272, Rn. 40).

36      Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine überbetriebliche Einrichtung gewährt, infolge seiner Zahlungsunfähigkeit nicht für den Ausgleich der Verluste einstehen kann, die sich aus der Kürzung der von dieser überbetrieblichen Einrichtung erbrachten Leistungen ergeben, wobei diese Kürzung von der diese Einrichtung überwachenden staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt wurde.

 Zur zweiten Frage

37      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welchen besonderen Umständen bei der Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 davon ausgegangen werden kann, dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der einem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung offensichtlich unverhältnismäßig ist und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach sich zieht, einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der Betroffene mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Ansprüchen auf eine Betriebsrente ergeben.

38      Im Rahmen der Umsetzung von Art. 8 dieser Richtlinie verfügen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung sowohl des Mechanismus als auch des Umfangs des Schutzes der von Arbeitnehmern erworbenen Rechte auf Leistungen bei Alter aus Zusatzversorgungseinrichtungen über einen weiten Ermessensspielraum. Diese Bestimmung kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine vollständige Absicherung der in Rede stehenden Rechte verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 41).

39      Somit hindert Art. 8 der Richtlinie 2008/94 die Mitgliedstaaten nicht daran, im Hinblick auf legitime wirtschaftliche und soziale Ziele die erworbenen Rechte der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers zu kürzen, sofern sie insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 42).

40      Folglich sind die Mitgliedstaaten gemäß dem mit der Richtlinie 2008/94 verfolgten Ziel verpflichtet, Arbeitnehmern – sofern kein Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 12 dieser Richtlinie von deren Seite vorliegt – den in dieser Bestimmung geforderten Mindestschutz zu garantieren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35, und vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 47).

41      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 8 dieser Richtlinie erfordert, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen bei Alter erhält, die sich aus den im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Rentenansprüchen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a., C‑278/05, EU:C:2007:56, Rn. 57, vom 25. April 2013, Hogan u. a., C‑398/11, EU:C:2013:272, Rn. 51, vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35, und vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 50).

42      Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass, auch wenn ein Mindestschutz in Höhe der Hälfte der Leistungen bei Alter nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94 geboten ist, dies nicht zur Folge hat, auszuschließen, dass unter bestimmten Umständen die von einem Arbeitnehmer oder ehemaligen Arbeitnehmer erlittenen Verluste im Licht der in dieser Bestimmung aufgestellten Pflicht zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2016, Webb-Sämann, C‑454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35, und vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 50).

43      Aus den Erläuterungen zum Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 11. April 1978 (KOM[78] 141 endg.) geht hervor, dass das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel darin bestand, einen Schutz unter Umständen zu bieten, die für den Arbeitnehmer und seine Familie eine Existenzbedrohung darstellen. Insbesondere heißt es dort, dass die nunmehr in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 genannten Bestimmungen durch den Willen des Unionsgesetzgebers gerechtfertigt seien, Umstände zu verhindern, die für den Arbeitnehmer wegen des Verlusts der Ansprüche aus einer Zusatzversorgung eine besondere Härte darstellen würden.

44      Daraus kann geschlossen werden, dass eine Kürzung der Leistungen bei Alter eines ehemaligen Arbeitnehmers als offensichtlich unverhältnismäßig anzusehen ist, wenn sich aus dieser Kürzung sowie gegebenenfalls ihrer vorgesehenen Entwicklung ergibt, dass die Fähigkeit des Betroffenen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, schwerwiegend beeinträchtigt ist. Dies wäre bei einer Kürzung der Leistungen bei Alter für einen ehemaligen Arbeitnehmer der Fall, der wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der von Eurostat für den betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder künftig leben müsste.


45      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 verlangt als Mindestschutzpflicht, dass ein Mitgliedstaat einem ehemaligen Arbeitnehmer, der einer solchen Kürzung seiner Leistungen bei Alter ausgesetzt ist, eine Entschädigung in Höhe eines Betrags garantiert, der zwar nicht notwendigerweise den gesamten erlittenen Verlust abdeckt, aber doch geeignet ist, dessen offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit abzuhelfen.

46      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der einem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen wird, obwohl der Betroffene mindestens die Hälfte der sich aus seinen erworbenen Rechten ergebenden Leistungen erhält, wenn dieser ehemalige Arbeitnehmer wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der von Eurostat für den betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder künftig leben müsste.

 Zur dritten und zur vierten Frage

47      Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unmittelbare Wirkung entfalten kann, so dass er gegenüber einer privatrechtlichen Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom Staat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist.

48      Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber einem Mitgliedstaat und allen Trägern seiner Verwaltung berufen sowie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die sich aus den für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben (Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dem Staat können auch Organisationen oder Einrichtungen gleichgestellt werden, die von einer öffentlichen Stelle mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut sind und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet wurden (Urteile vom 10. Oktober 2017, Farrell, C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 34, und vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 55).

49      Die Prüfung der Frage, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist, muss sich auf drei Gesichtspunkte erstrecken, nämlich die Bestimmung des Personenkreises, dem der in dieser Vorschrift vorgesehene Schutz zugutekommen soll, den Inhalt dieses Schutzes und die Person, die den Schutz schuldet.

50      Hinsichtlich des Personenkreises, dem der in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehene Schutz zugutekommen soll, ergibt sich aus dem Wortlaut dieses Artikels eindeutig, dass diese Richtlinie die Arbeitnehmer und ehemaligen Arbeitnehmer schützen soll, die von einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers oder ehemaligen Arbeitnehmers betroffen sind. Dieser Artikel bezeichnet die von der Garantie Begünstigten folglich so genau und unbedingt, wie es für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinienbestimmung erforderlich ist (Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 57).

51      In Bezug auf den Inhalt des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Schutzes ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass dieser Art. 8 jedem einzelnen Arbeitnehmer einen Mindestschutz garantieren soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Art. 8 dieser Richtlinie, da er den Mitgliedstaaten aufgibt, ohne Ausnahme jedem einzelnen ehemaligen Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Entschädigung zu garantieren, die mindestens 50 % seiner in einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung erworbenen Ansprüche entspricht, eine klare, eindeutige und unbedingte Verpflichtung enthält, die den Mitgliedstaaten obliegt und dem Einzelnen Rechte verleihen soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2018, Hampshire, C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 60).

53      Aufgrund der Ausführungen in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils gilt das Gleiche für die Anforderung, wonach die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 der Richtlinie 2008/94 auch verpflichtet sind, einem ehemaligen Arbeitnehmer, dem Leistungen bei Alter offensichtlich unverhältnismäßig gekürzt werden, einen Mindestschutz zu gewährleisten, so dass der Einzelne sich vor einem nationalen Gericht unmittelbar auf diese Anforderung berufen kann.

54      In Bezug auf die Identität des Schuldners des in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Schutzes geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der PSV vom betreffenden Mitgliedstaat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist. Diese privatrechtliche Einrichtung unterliegt der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht. Zudem erhebt sie von den Arbeitgebern kraft öffentlichen Rechts die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge und kann wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen.

55      In Anbetracht der Aufgabe, mit der der PSV betraut wurde, und der Bedingungen, unter denen er sie erfüllt, unterscheidet sich der PSV von Privatpersonen und ist dem Staat gleichzustellen, so dass die in Art. 8 der Richtlinie 2008/94 genannten unbedingten und hinreichend genauen Bestimmungen grundsätzlich ihm gegenüber geltend gemacht werden können.

56      Wie der Generalanwalt in Nr. 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt diese Auslegung allerdings nur, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Pflicht, den von Art. 8 dieser Richtlinie verlangten Mindestschutz im Bereich der Leistungen bei Alter sicherzustellen, auf den PSV übertragen hat, was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird. Wie insbesondere aus den vom PSV und der deutschen Regierung eingereichten Erklärungen hervorgeht, erstreckt sich die Garantie, die diese Einrichtung gewährleisten muss, nämlich nicht auf die Leistungen, die von Pensionskassen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erbracht werden.

57      Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass der eine Mindestschutzpflicht vorsehende Art. 8 der Richtlinie 2008/94 unmittelbare Wirkung entfalten kann, so dass er gegenüber einer privatrechtlichen Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom Staat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, wenn diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann, sofern sich die Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird.

 Kosten

58      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine überbetriebliche Einrichtung gewährt, wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht für den Ausgleich der Verluste einstehen kann, die sich aus der Kürzung der von dieser überbetrieblichen Einrichtung erbrachten Leistungen ergeben, wobei diese Kürzung von der diese Einrichtung überwachenden staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt wurde.

2.      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen, dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der einem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen wird, obwohl der Betroffene mindestens die Hälfte der sich aus seinen erworbenen Rechten ergebenden Leistungen erhält, wenn dieser ehemalige Arbeitnehmer wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der von Eurostat für betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder künftig leben müsste.

3.      Der eine Mindestschutzpflicht vorsehende Art. 8 der Richtlinie 2008/94 kann unmittelbare Wirkung entfalten, so dass er gegenüber einer privatrechtlichen Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom Staat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bestimmt worden ist, wenn diese Einrichtung in Anbetracht der Aufgabe, mit der sie betraut ist, und der Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat gleichgestellt werden kann, sofern sich die Aufgabe der Sicherung, mit der sie betraut ist, tatsächlich auf die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestschutz verlangt wird.

Regan

Jarukaitis

Juhász

Ilešič

 

Lycourgos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Dezember 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

E. Regan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.