URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

2. Mai 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Energieeffizienz – Richtlinie 2012/27/EU – Art. 11 Abs. 1 – Kosten für den Zugang zu Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsinformationen – Recht der Endkunden, alle ihre Energieverbrauchsabrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei zu erhalten – Stromgrundgebühr – Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr, den ein Stromanbieter den Kunden gewährt, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben“

In der Rechtssache C‑294/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen, Finnland) mit Entscheidung vom 19. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 27. April 2018, in dem Verfahren auf Betreiben der

Oulun Sähkönmyynti Oy

gegen

Energiavirasto

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Energiavirasto, vertreten durch P. Malén, lakimies,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. G. Marrone, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Huttunen und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG (ABl. 2012, L 315, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens auf Betreiben der Oulun Sähkönmyynti Oy, eines Stromeinzelhandelsunternehmens, wegen einer Entscheidung der Energiavirasto (Energiebehörde, Finnland) in Bezug auf einen monatlichen Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr, der den Endkunden gewährt wird, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erwägungsgründe 32 und 33 der Richtlinie 2012/27 lauten:

„(32)      Die Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsvorschriften der Richtlinien 2006/32/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen und zur Aufhebung der Richtlinie 93/76/EWG des Rates (ABl. 2006, 114, S. 64)], 2009/72/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55)] und 2009/73/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. 2009, L 211, S. 94)] haben sich nur begrenzt auf die Energieeinsparungen ausgewirkt. In großen Teilen der Union hatten diese Bestimmungen nicht zur Folge, dass die Verbraucher so häufig neueste Informationen über ihren Energieverbrauch oder auf dem tatsächlichen Verbrauch beruhende Abrechnungen erhalten, wie Untersuchungen zufolge erforderlich wäre, damit sie ihren Energieverbrauch regulieren können. In Bezug auf Raumheizung und Warmwasserversorgung in Gebäuden mit mehreren Wohnungen gab die mangelnde Klarheit der betreffenden Bestimmungen darüber hinaus Anlass zu zahlreichen Beschwerden von Bürgern.

(33)      Um die Rechte der Endkunden in Bezug auf den Zugang zu Erfassungs- und Abrechnungsinformationen über ihren individuellen Energieverbrauch zu stärken, ist es in Anbetracht der Chancen, die mit dem Prozess der Einführung intelligenter Verbrauchserfassungssysteme und intelligenter Zähler in den Mitgliedstaaten verbunden sind, wichtig, dass die Anforderungen des Unionsrechts in diesem Bereich klarer formuliert sind. Dies dürfte zur Reduzierung der Kosten beitragen, die mit der Einführung intelligenter, mit Funktionen für größere Einsparungen ausgestatteter Verbrauchserfassungssysteme verbunden sind. Die Einführung intelligenter Verbrauchserfassungssysteme ermöglicht häufige Abrechnungen auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs. Es ist jedoch auch erforderlich, die Vorschriften für den Zugang zu Informationen und für eine gerechte und genaue Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs in den Fällen zu präzisieren, in denen intelligente Zähler nicht bis 2020 verfügbar sind; dies gilt auch für Erfassung und Abrechnung des individuellen Wärme‑, Kälte- und Warmwasserverbrauchs in Gebäuden mit mehreren Wohnungen, die über ein Fernwärme- bzw. Fernkältenetz oder über ein in diesen Gebäuden vorhandenes eigenes gemeinsames Heizungs- bzw. Kühlsystem versorgt werden.“

4        In Art. 1 („Gegenstand und Geltungsbereich“) der Richtlinie 2012/27 heißt es:

„(1)      Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für Maßnahmen zur Förderung von Energieeffizienz in der Union geschaffen, um sicherzustellen, dass das übergeordnete Energieeffizienzziel der Union von 20 % bis 2020 erreicht wird, und um weitere Energieeffizienzverbesserungen für die Zeit danach vorzubereiten.

(2)      Bei den Anforderungen dieser Richtlinie handelt es sich um Mindestanforderungen; sie hindern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Maßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Solche Maßnahmen müssen mit dem Unionsrecht vereinbar sein. Sehen einzelstaatliche Rechtsvorschriften strengere Maßnahmen vor, so notifizieren die Mitgliedstaaten der Kommission diese Rechtsvorschriften.“

5        In Art. 10 („Abrechnungsinformationen“) Abs. 3 der Richtlinie 2012/27 heißt es:

„Unabhängig davon, ob intelligente Zähler eingebaut wurden oder nicht, gilt für die Mitgliedstaaten Folgendes:

b)      Sie stellen sicher, dass Endkunden die Möglichkeit eröffnet wird, Abrechnungsinformationen und Abrechnungen in elektronischer Form zu erhalten und dass sie auf Anfrage eine klare und verständliche Erläuterung erhalten, wie ihre Abrechnung zustande gekommen ist, insbesondere dann, wenn nicht auf den tatsächlichen Verbrauch bezogen abgerechnet wird.

…“

6        Art. 11 („Kosten für den Zugang zu Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsinformationen“) Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Endkunden alle ihre Energieverbrauchsabrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei erhalten und dass ihnen ferner in geeigneter Weise kostenfreier Zugang zu ihren Verbrauchsdaten gewährt wird.“

7        Anhang VII („Mindestanforderungen an die Abrechnung und an Abrechnungsinformationen auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs“) der Richtlinie 2012/27 sieht in Punkt 1.1, der die „Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs“ betrifft, vor:

„Um die Endkunden in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Energieverbrauch zu steuern, sollte die Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs mindestens einmal jährlich erfolgen; Abrechnungsinformationen sollten, wenn die Verbraucher dies verlangen oder sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, mindestens vierteljährlich und ansonsten halbjährlich zur Verfügung gestellt werden. Ausschließlich zum Kochen verwendetes Gas kann von dieser Anforderung ausgenommen werden.“

 Finnisches Recht

8        Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 wurde durch § 69 des Sähkömarkkinalaki (588/2013) (Gesetz [588/2013] über den Strommarkt) in finnisches Recht umgesetzt. Dieser Paragraf, der mit „Abrechnung durch das Einzelhandelsunternehmen“ überschrieben ist, sieht in Abs. 5 vor, dass „die in diesem Paragrafen genannten Rechnungen sowie Preis- und Verbrauchsinformationen dem Endkunden in geeigneter Weise und kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind“ und dass „Endkunden auf Anfrage die Rechnungen und die Verbrauchsinformationen in elektronischer Form erhalten können“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

9        Der Preis für den von Oulun Sähkönmyynti verkauften Strom setzt sich aus einer fixen monatlichen Grundgebühr und dem auf der Menge des Stromverbrauchs beruhenden Strompreis zusammen. Die Grundgebühr beträgt für gewöhnlich 2,50 Euro pro Monat. Ab dem 1. Januar 2016 gewährte Oulun Sähkönmyynti den Kunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hatten – nicht aber jenen, die sich für andere Formen der Abrechnung, wie die Papierrechnung, das Lastschriftverfahren und, im Fall von Unternehmenskunden, die elektronische Rechnungsstellung und ‑bezahlung (EBPP-Rechnung), entschieden hatten –, einen Preisnachlass in Höhe von 1 Euro auf die monatliche Grundgebühr.

10      Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 stellte die Energiebehörde fest, dass dieser Preisnachlass dazu führe, die Kunden, die sich nicht für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hätten, einen Betrag von 1 Euro für ihre eigenen Abrechnungen zahlen zu lassen. Sie gab der Oulun Sähkönmyynti folglich auf, ihre Abrechnungspraxis zu ändern und das Recht ihrer Kunden, ihre Abrechnungen kostenfrei zu erhalten, sicherzustellen. Ferner forderte sie Oulun Sähkönmyynti mit demselben Bescheid auf, den Teil der Kosten zu erstatten, der seit dem 1. Januar 2016 zu Unrecht von den Kunden erhoben worden sei, die sich nicht für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hätten.

11      Oulun Sähkönmyynti reichte gegen diesen Bescheid beim Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen, Finnland), dem vorlegenden Gericht, Klage ein.

12      Zur Stützung ihrer Klage macht Oulun Sähkönmyynti geltend, dass alle ihre Kunden – unabhängig davon, welche Art der Abrechnung sie gewählt hätten – ihre Stromabrechnung kostenfrei erhielten. Das Erfordernis, die Abrechnung kostenfrei zu erhalten, bedeute gleichwohl nicht, dass es ihr verboten wäre, den Kunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hätten, einen Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr zu gewähren. Zudem beruhe der diesen Kunden gewährte Preisnachlass nicht auf einer tatsächlichen Kostenersparnis, sondern auf der Schätzung der Auswirkungen, die diese Ersparnis habe. Die Anzahl der Abrechnungen wirke sich weder auf die Höhe der Grundgebühr noch auf die des Preisnachlasses aus, wobei die Kunden im Übrigen zwischen vier, sechs und zwölf Abrechnungen pro Jahr wählen könnten. Ferner ermögliche die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege eine Senkung der Verwaltungskosten.

13      Die Energiebehörde ist der Ansicht, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Preisnachlass auf eine Umgehung der Vorschrift hinauslaufe, dass alle Kunden ihre Stromabrechnung kostenfrei erhalten müssten. Aus Sicht des Endkunden sei ohne Bedeutung, ob für die Abrechnung eine gesonderte Gebühr erhoben werde oder ob die Grundgebühr höher sei, weil sich dieser Kunde für eine andere Abrechnungsart als die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden habe. Worauf es ankomme, sei der Preisunterschied zwischen den unterschiedlichen Abrechnungsarten. Allein mit der von ihr vertretenen Auslegung könne gewährleistet werden, dass die Endkunden, denen elektronische Dienstleistungen nicht zugänglich seien und die sich häufig auch in einer schwächeren Position befänden, ihre Stromabrechnung kostenfrei erhielten.

14      Das vorlegende Gericht führt aus, dass sowohl nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 als auch nach § 69 Abs. 5 des Gesetzes (588/2013) über den Strommarkt die Abrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen dem Endverbraucher in geeigneter Weise und kostenfrei zu übermitteln seien. Gemäß dem Leitfaden der Europäischen Kommission zu den Art. 9 bis 11 der Richtlinie 2012/27 (SWD/2013/0448 final) hindere das Erfordernis der Kostenfreiheit der Abrechnung und der diesbezüglichen Abrechnungsinformationen ein Stromeinzelhandelsunternehmen jedoch nicht daran, den Endkunden einen Preisnachlass oder einen Bonus zu gewähren, wenn sie sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hätten.

15      Einerseits zeigten diese Arbeitsunterlagen der Kommission, auch wenn sie keine verbindliche Rechtsquelle im Sinne von Art. 288 AEUV darstellen und nicht die Rechtswirkungen der Richtlinie 2012/27 änderten, dass es möglich sei, Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie auf die von Oulun Sähkönmyynti vorgetragene Weise dahin auszulegen, dass es allein auf die Kostenfreiheit der Abrechnung ankomme. Andererseits könne, wie die Energiebehörde nahelege, die Situation, in der der Endkunde, der sich nicht für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden habe, eine höhere Grundgebühr zu entrichten habe, als eine Situation angesehen werden, in der eine spezielle Gebühr für die Abrechnung auf Papier erhoben werde.

16      Im Übrigen ergebe sich aus dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt nicht, dass die Republik Finnland strengere nationale Maßnahmen ergriffen habe, als die, die in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 vorgesehen seien.

17      Unter diesen Umständen hat das Markkinaoikeus (Gericht für Wirtschaftssachen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 dahin auszulegen, dass die Gewährung eines Preisnachlasses auf eine Stromgrundgebühr aufgrund einer vom Endkunden gewählten Abrechnungsart bedeutet, dass die Abrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen Endkunden, die den Preisnachlass nicht erhalten haben, nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden?

2.      Sofern die erste Vorlagefrage verneint wird und die Gewährung des vorstehend genannten Preisnachlasses zulässig sein kann: Ergeben sich aus der Richtlinie 2012/27 bei Beurteilung der Zulässigkeit des Preisnachlasses spezielle Zusatzvoraussetzungen, die es zu berücksichtigen gilt, wie z. B., ob der Preisnachlass der Kostenersparnis entspricht, die mit der gewählten Abrechnungsart erzielt wurde, ob der Preisnachlass sich auf die Anzahl der Abrechnungen bezieht oder ob der Preisnachlass der Endkundengruppe zugerechnet werden kann, die die Kostenersparnis mit ihrer Wahl der Abrechnungsart bewirkt?

3.      Sofern die Gewährung des in der ersten Vorlagefrage genannten Preisnachlasses bedeutet, dass bei anderen Endkunden als denen, die die spezielle Abrechnungsart gewählt haben, Gebühren unter Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 erhoben wurden: Ergeben sich aus Unionsrecht besondere Anforderungen, die bei der Entscheidung über die Erstattung der Gebühren berücksichtigt werden müssen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

18      Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einem Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr entgegensteht, den ein Stromeinzelhandelsunternehmen nur den Endkunden gewährt, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben.

19      Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, stellt das vorlegende Gericht diese Fragen, weil es der Auffassung ist, dass die Gewährung eines Preisnachlasses auf die Stromgrundgebühr für die Endkunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, bedeuten könnte, dass die anderen Kunden ihre Abrechnungen nicht kostenfrei erhalten.

20      Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 sorgen „die Mitgliedstaaten … dafür, dass die Endkunden alle ihre Energieverbrauchsabrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei erhalten und dass ihnen ferner in geeigneter Weise kostenfreier Zugang zu ihren Verbrauchsdaten gewährt wird“.

21      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteile vom 2. September 2015, Surmačs, C‑127/14, EU:C:2015:522, Rn. 28, und vom 16. November 2016, DHL Express [Austria], C‑2/15, EU:C:2016:880, Rn. 19).

22      Aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung nur dafür zu sorgen haben, dass die Stromeinzelhandelsunternehmen gewährleisten, dass ihre Endkunden ihre Energieverbrauchsabrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei erhalten, und dass diese Bestimmung hinsichtlich dieser Pflicht kein zusätzliches Erfordernis vorschreibt. Da die Abrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen den Endkunden kostenfrei übermittelt werden, steht diese Bestimmung somit nicht dem entgegen, dass dem betreffenden Kunden ein Preisnachlass auf die Grundgebühr gewährt wird.

23      Diese wörtliche Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 wird bestätigt durch den Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, und die Ziele, die mit dieser Richtlinie verfolgt werden.

24      Die Richtlinie 2012/27 bezweckt gemäß ihrem Art. 1 nämlich lediglich, einen gemeinsamen Rahmen für Maßnahmen zur Förderung von Energieeffizienz in der Union zu schaffen, um sicherzustellen, dass das Energieeffizienzziel der Union von 20 % bis 2020 erreicht wird, und weitere Energieeffizienzverbesserungen für die Zeit danach vorzubereiten (Urteil vom 7. August 2018, Saras Energía, C‑561/16, EU:C:2018:633, Rn. 24).

25      Konkret ergibt sich aus den Erwägungsgründen 32 und 33 dieser Richtlinie, dass diese das Schwergewicht insbesondere auf das Erfordernis, die Rechte der Endkunden in Bezug auf den Zugang zu Erfassungs- und Abrechnungsinformationen über ihren individuellen Energieverbrauch zu stärken, auf die Einführung intelligenter Verbrauchserfassungssysteme, auf häufige Abrechnungen auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs, auf den Zugang zu Informationen und auf eine gerechte und genaue Abrechnung legt.

26      Ferner ergibt sich aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie, dem zufolge die Mitgliedstaaten „sicherstellen, dass Endkunden die Möglichkeit eröffnet wird, Abrechnungsinformationen und Abrechnungen in elektronischer Form zu erhalten“, ein Bekenntnis zur Förderung der elektronischen Abrechnung.

27      Somit kann die Möglichkeit, mit einer elektronischen Rechnung die Informationen über die Energieabrechnung und den individuellen Energieverbrauch zugänglicher zu machen und häufiger zur Verfügung zu stellen, zu den Zielen der Verbesserung der Energieeffizienz beitragen, die mit der Richtlinie 2012/27 verfolgt werden.

28      Folglich widerspricht es nicht den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen, wenn ein Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr gewährt wird, sofern dabei gleichzeitig das sich aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 ergebende Erfordernis, Endkunden ihre Abrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei zu übermitteln, berücksichtigt wird.

29      Schließlich hat der Preisnachlass für Kunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entscheiden, insbesondere zum Zweck, die Verwaltungskosten des Stromeinzelhandelsunternehmens zu senken. Um Verwaltungskosten einsparen zu können, muss dieses Unternehmen aber über Mittel verfügen, mit denen die Endkunden dazu ermuntert werden können, Änderungen ihrer Abrechnungsgewohnheiten, die durch die Annahme der Zustellung der Abrechnung auf elektronischen Wege gegebenenfalls hervorgerufen werden, leichter hinzunehmen. Eine Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 dahin gehend, dass es dem Stromeinzelhandelsunternehmen verboten wäre, den Endkunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entscheiden, einen Preisnachlass auf die Grundgebühr zu gewähren, würde einem solchen Unternehmen diese Möglichkeit nehmen.

30      Im Übrigen kann, entgegen dem Vorbringen der finnischen Regierung, der Umstand, dass den Endkunden, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, ein Preisnachlass auf die Grundgebühr gewährt wird, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht als ein Verstoß gegen die in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 enthaltene Vorschrift angesehen werden, nach der Abrechnungen und diesbezügliche Abrechnungsinformationen kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind.

31      Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass der Preisnachlass, den Oulun Sähkönmyynti den Endkunden gewährt hat, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, bereits bestehende Grundgebühren betrifft, und dass vor der Einführung dieses Preisnachlasses Oulun Sähkönmyynti niemals vorgeworfen worden war, diese Pflicht, Abrechnungen und diesbezügliche Abrechnungsinformationen kostenfrei zu übermitteln, nicht beachtet zu haben. Zudem erhielten die Endkunden, die sich für eine andere Abrechnungsart als die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden hatten, nach Einführung dieses Preisnachlasses auch weiterhin alle ihre Energieverbrauchsabrechnungen und diesbezüglichen Abrechnungsinformationen kostenfrei und zahlten auch weiterhin die Stromgrundgebühr in gleicher Höhe. Offensichtlich zahlten diese Kunden die Grundgebühr unabhängig davon, ob sie die Abrechnung und die diesbezüglichen Abrechnungsinformationen vier, sechs oder zwölf Mal pro Jahr zu erhalten wünschten. Somit kann der Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr, der den Endkunden gewährt wird, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht als eine tatsächliche, den anderen Endkunden vorgeschriebene Zahlung – und folglich nicht als eine Umgehung der in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 vorgeschriebenen Verpflichtung – angesehen werden.

32      Nach alledem ergibt sich, dass auf die erste und auf die zweite Frage zu antworten ist, dass Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27 dahin auszulegen ist, dass er einem Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr, den ein Stromeinzelhandelsunternehmen nur den Endkunden gewährt, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht.

 Zur dritten Frage

33      Die dritte Frage wurde für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof die erste Frage bejahen sollte. Da Letztere, wie sich aus den Rn. 18 bis 32 des vorliegenden Urteils ergibt, verneint wurde, braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

34      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG ist dahin auszulegen, dass er einem Preisnachlass auf die Stromgrundgebühr, den ein Stromeinzelhandelsunternehmen nur den Endkunden gewährt, die sich für die Zustellung der Abrechnung auf elektronischem Wege entschieden haben, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Finnisch.