URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

15. Juli 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Nicht erwerbstätiger Staatsbürger eines Mitgliedstaats, der sich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält – Art. 18 Abs. 1 AEUV – Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit – Richtlinie 2004/38/EG – Art. 7 – Voraussetzungen der Erlangung eines Rechts auf Aufenthalt für mehr als drei Monate – Art. 24 – Sozialhilfe – Begriff – Gleichbehandlung – Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland – Übergangszeitraum – Innerstaatliche Bestimmung, nach der Unionsbürger, die nach innerstaatlichem Recht über ein Recht auf befristeten Aufenthalt verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 1, 7 und 24“

In der Rechtssache C‑709/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Appeal Tribunal for Northern Ireland (Berufungsgericht für Nordirland, Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Dezember 2020, in dem Verfahren

CG

gegen

The Department for Communities in Northern Ireland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan, M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Kumin und N. Wahl, des Richters T. von Danwitz, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin), der Richter C. Lycourgos, I. Jarukaitis und N. Jääskinen, der Richterin I. Ziemele und des Richters J. Passer,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von CG, vertreten durch R. Drabble und T. de la Mare, QC, T. Royston und G. Sarathy, Barristers, sowie M. Black und S. Park, Solicitors,

–        von The Department for Communities in Northern Ireland, vertreten durch C. Cooley als Bevollmächtigte im Beistand von T. McGleenan, QC, und L. McMahon, BL,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch F. Shibli und S. McCrory als Bevollmächtigte im Beistand von D. Blundell, QC, sowie J. Smyth, Barrister,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Juni 2021

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen CG, die sowohl die kroatische als auch die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt und seit 2018 in Nordirland (Vereinigtes Königreich) lebt, und The Department for Communities in Northern Ireland (Ministerium für kommunale Angelegenheiten [Nordirland], Vereinigtes Königreich) wegen der Nichtgewährung von Sozialhilfe.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 18 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“

4        Art. 20 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.“

5        Art. 21 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“

 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs

6        In der Präambel des am 17. Oktober 2019 angenommenen Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 7, im Folgenden: Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs), das am 1. Februar 2020 in Kraft getreten ist, heißt es in den Abs. 6, 8 und 9:

„IN DER ERKENNTNIS, dass es notwendig ist, einen beiderseitigen Schutz für Unionsbürger und britische Staatsangehörige sowie ihre jeweiligen Familienangehörigen vorzusehen, wenn sie vor einem in diesem Abkommen festgesetzten Tag ihre Freizügigkeitsrechte ausgeübt haben, und zu gewährleisten, dass ihre Rechte nach diesem Abkommen durchsetzbar sind und auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruhen; ferner in der Erkenntnis, dass Rechte, die sich aus Sozialversicherungszeiten ergeben, geschützt werden sollten,

IN DER ERWÄGUNG, dass es sowohl im Interesse der Union als auch im Interesse des Vereinigten Königreichs liegt, einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum festzulegen, in dem – ungeachtet aller Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union für die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, insbesondere des Endes der Amtszeit der im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Union benannten, ernannten oder gewählten Mitglieder der Organe, Einrichtungen und Agenturen der Union am Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens – das Unionsrecht, einschließlich der internationalen Übereinkünfte, auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich und in der Regel mit gleicher Wirkung wie in Bezug auf die Mitgliedstaaten Anwendung finden sollte, um Störungen in dem Zeitraum zu vermeiden, in dem das oder die Abkommen über die künftigen Beziehungen ausgehandelt werden,

IN DER ERKENNTNIS, dass, auch wenn das Unionsrecht im Übergangszeitraum auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich Anwendung findet, die Besonderheiten des Vereinigten Königreichs als eines aus der Union ausgetretenen Staates bedeuten, dass es für das Vereinigte Königreich wichtig sein wird, Schritte unternehmen zu können, um selbst neue internationale Regelungen, auch in den in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallenden Bereichen, auszuarbeiten und festzulegen, sofern solche Übereinkünfte nicht während dieses Zeitraums in Kraft treten oder gelten, es sei denn, die Union stimmt dem zu“.

7        Teil eins („Gemeinsame Bestimmungen“) des Abkommens enthält die Art. 1 bis 8. Art. 2 Buchst. a und c bestimmt:

„Für die Zwecke dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Unionsrecht‘

i)      den Vertrag über die Europäische Union (‚EUV‘), den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (‚AEUV‘) und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (‚Euratom-Vertrag‘) in ihrer geänderten oder ergänzten Fassung sowie die Beitrittsverträge und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta], zusammen ‚Verträge‘ genannt;

ii)      die allgemeinen Grundsätze des Rechts der Union;

iii)      die von den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union erlassenen Rechtsakte;

c)      ‚Unionsbürger‘ jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“.

8        Art. 4 („Methoden und Grundsätze in Bezug auf die Wirkung, die Durchführung und die Anwendung dieses Abkommens“) des Abkommens bestimmt in den Abs. 1 bis 4:

„(1)      Die Bestimmungen dieses Abkommens und die aufgrund dieses Abkommens anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts entfalten für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten.

Dementsprechend können juristische oder natürliche Personen sich insbesondere unmittelbar auf die Bestimmungen berufen, die in diesem Abkommen enthalten sind oder auf die dort verwiesen wird, welche die Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung nach dem Unionsrecht erfüllen.

(2)      Das Vereinigte Königreich gewährleistet durch innerstaatliche vorrangige Gesetzgebung die Einhaltung von Absatz 1, einschließlich in Bezug auf die Befugnisse, die erforderlich sind, damit seine Justiz- und Verwaltungsbehörden widersprüchliche oder unvereinbare innerstaatliche Vorschriften nicht anwenden.

(3)      Die Bestimmungen dieses Abkommens, die auf Unionsrecht oder Begriffe oder Bestimmungen des Unionsrechts verweisen, werden im Einklang mit den Methoden und allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts ausgelegt und angewandt.

(4)      Die Bestimmungen dieses Abkommens, die auf Unionsrecht oder darin enthaltene Begriffe oder Bestimmungen verweisen, werden in ihrer Umsetzung und Anwendung unter Einhaltung der vor dem Ende des Übergangszeitraums ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgelegt.“

9        Teil zwei („Rechte der Bürger“) des Abkommens enthält die Art. 9 bis 39. Art. 9 Buchst. c Ziff. i bestimmt:

„Für die Zwecke dieses Teils und unbeschadet des Titels III bezeichnet der Ausdruck

c)      ‚Aufnahmestaat‘

i)      im Falle von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Vereinigte Königreich, wenn sie dort vor Ende des Übergangszeitraums ihr Aufenthaltsrecht im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen“.

10      Art. 10 Abs. 1 des Abkommens bestimmt:

„Dieser Teil gilt unbeschadet des Titels III für die folgenden Personen:

a)      Unionsbürger, die ihr Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich vor Ende des Übergangszeitraums im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen;

…“

11      Art. 12 des Abkommens bestimmt:

„Im Anwendungsbereich dieses Teils ist unbeschadet darin enthaltender besonderer Bestimmungen jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 AEUV in Bezug auf die in Artikel 10 dieses Abkommens genannten Personen im Aufnahmestaat und im Arbeitsstaat verboten.“

12      Art. 13 Abs. 1 des Abkommens bestimmt:

„Unionsbürger und britische Staatsangehörige haben das Recht, sich mit den Beschränkungen und unter den Bedingungen, die in Artikel 21, 45 oder 49 AEUV sowie in Artikel 6 Absatz 1, Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a, b oder c, Artikel 7 Absatz 3, Artikel 14, Artikel 16 Absatz 1 oder Artikel 17 Absatz 1 der [Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, Berichtigung: ABl. 2004, L 229, S. 35)] vorgesehen sind, im Aufnahmestaat aufzuhalten.“

13      Art. 18 („Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten“) des Abkommens bestimmt:

„(1)      Der Aufnahmestaat kann von Unionsbürgern oder britischen Staatsangehörigen, ihren jeweiligen Familienangehörigen sowie sonstigen Personen, die sich im Einklang mit den in diesem Titel vorgesehenen Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, verlangen, dass sie einen neuen Aufenthaltsstatus, der die Rechte nach diesem Titel verleiht, und ein Dokument zum Nachweis dieses Status, das in digitaler Form ausgegeben werden kann, beantragen.

Die Beantragung dieses Aufenthaltsstatus unterliegt den folgenden Bedingungen:

k)      Von Unionsbürgern und britischen Staatsangehörigen darf der Aufnahmestaat zusätzlich zu den unter Buchstabe i des vorliegenden Absatzes genannten Ausweispapieren nur die Vorlage der in Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG genannten folgenden Belege verlangen:

ii)      wenn sie sich als Nichterwerbspersonen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG im Aufnahmestaat aufhalten: Nachweis, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmestaats in Anspruch nehmen müssen, und dass sie und ihre Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmestaat verfügen,

(4)      Hat sich ein Aufnahmestaat dafür entschieden, von Unionsbürgern oder britischen Staatsangehörigen, ihren Familienangehörigen und sonstigen Personen, die sich im Einklang mit den in diesem Titel vorgesehenen Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, nicht zu verlangen, den als Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Absatz 1 genannten neuen Aufenthaltsstatus zu beantragen, so haben die für Aufenthaltsrechte nach diesem Titel infrage kommenden Personen das Recht, unter den Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG ein Aufenthaltsdokument zu erhalten, das in digitaler Form ausgegeben werden kann und das eine Erklärung enthalten muss, dass es im Einklang mit diesem Abkommen ausgestellt wurde.“

14      Art. 19 („Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten während des Übergangszeitraums“) des Abkommens bestimmt in Abs. 1:

„Während des Übergangszeitraums kann ein Aufnahmestaat gestatten, dass ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens auf freiwilliger Basis ein Antrag auf einen Aufenthaltsstatus oder ein Aufenthaltsdokument nach Artikel 18 Absätze 1 und 4 gestellt wird.“

15      Art. 23 („Gleichbehandlung“) des Abkommens bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen, die in diesem Titel und den Titeln I und IV dieses Teils vorgesehen sind, genießt jeder Unionsbürger oder britische Staatsangehörige, der sich aufgrund dieses Abkommens im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats aufhält, nach Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG im Anwendungsbereich dieses Teils die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf die Familienangehörigen von Unionsbürgern oder britischen Staatsangehörigen, die das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmestaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, oder ihren Familienangehörigen während Aufenthaltszeiten auf der Grundlage des Artikels 6 oder des Artikels 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nach Artikel 15 dieses Abkommens Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

16      Art. 38 Abs. 1 des Abkommens bestimmt:

„Dieser Teil berührt nicht in einem Aufnahmestaat oder einem Arbeitsstaat anwendbare Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die für die betroffenen Personen günstiger sind. Dieser Absatz gilt nicht für Titel III.“

17      Teil drei („Trennungsbestimmungen“) des Abkommens enthält die Art. 40 bis 125. Art. 86 („Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Rechtssachen“) bestimmt in den Abs. 2 und 3:

„(2)      Der Gerichtshof der Europäischen Union ist weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte des Vereinigten Königreichs zuständig, die vor Ende des Übergangszeitraums vorgelegt werden.

(3)      Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Zeitpunkt als eingeleitet und ein Vorabentscheidungsersuchen zu dem Zeitpunkt als vorgelegt, zu dem die Unterlagen zur Einleitung des Verfahrens von der Kanzlei des Gerichtshofs der Europäischen Union registriert wurden.“

18      Art. 89 Abs. 1 des Abkommens bestimmt:

„Vor Ende des Übergangszeitraums ergehende Urteile und Beschlüsse des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie nach Ende des Übergangszeitraums ergehende Urteile und Beschlüsse in Verfahren nach den Artikeln 86 und 87 sind in ihrer Gesamtheit für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich rechtsverbindlich.“

19      Art. 126 („Übergangszeitraum“) des Abkommens bestimmt:

„Es gibt einen Übergangs- oder Durchführungszeitraum, der am Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens beginnt und am 31. Dezember 2020 endet.“

20      Art. 127 („Anwendungsbereich für den Übergang“) des Abkommens bestimmt in den Abs. 1 und 3:

„(1)      Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, gilt das Unionsrecht während des Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich sowie im Vereinigten Königreich.

(3)      Während des Übergangszeitraums entfaltet das nach Absatz 1 für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich geltende Unionsrecht die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten und wird nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen auslegt und angewendet, die auch innerhalb der Union gelten.“

 Richtlinie 2004/38

21      In den Erwägungsgründen 10 und 16 der Richtlinie 2004/38 heißt es:

„(10)      Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.

(16)      Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, sollte keine Ausweisung erfolgen. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sollte daher nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Der Aufnahmemitgliedstaat sollte prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Fall um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigen, um zu beurteilen, ob der Leistungsempfänger die Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch genommen hat, und in diesem Fall seine Ausweisung zu veranlassen. In keinem Fall sollte eine Ausweisungsmaßnahme gegen Arbeitnehmer, Selbstständige oder Arbeitssuchende in dem vom Gerichtshof definierten Sinne erlassen werden, außer aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.“

22      Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt

a)      die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;

b)      das Recht auf Daueraufenthalt der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;

c)      die Beschränkungen der in den Buchstaben a) und b) genannten Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.“

23      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.“

24      Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

…“

25      Art. 24 („Gleichbehandlung“) der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

26      Art. 37 („Günstigere innerstaatliche Rechtsvorschriften“) der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie lässt Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die für die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Personen günstiger sind, unberührt.“

 Recht des Vereinigten Königreichs

 Anhang EU der Niederlassungsregelung

27      Bei dem EU Settlement Scheme – Appendix EU of the UK Immigration Rules (Niederlassungsregelung „EU Settlement Scheme“ – Anhang „EU“ zu den Einwanderungsbestimmungen des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Anhang EU der Niederlassungsregelung) handelt es sich um einen Rechtsakt, mit dem die Behörden des Vereinigten Königreichs im Hinblick auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union für die im Vereinigten Königreich lebenden Staatsangehörigen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWG) und damit auch für die dort lebenden Unionsbürger eine neue rechtliche Regelung getroffen haben. Danach können alle Unionsbürger, die schon vor dem 31. Dezember 2020 im Vereinigten Königreich lebten, für sich und ihre Angehörigen beantragen, weiter im Vereinigten Königreich leben zu dürfen. Diese Regelung ist am 30. März 2019 in Kraft getreten.

28      Im Anhang EU der Niederlassungsregelung ist geregelt, in welchem Verfahren und unter welchen Voraussetzungen verschiedene Kategorien von Unionsbürgern und ihre Angehörigen das Recht, sich dauerhaft oder vorübergehend im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs aufzuhalten, erlangen können. So ist vorgesehen, das Unionsbürger, die das Recht hatten, sich dauerhaft im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs aufzuhalten, den Status einer sich dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person haben, während diejenigen, die seit weniger als fünf Jahren im Vereinigten Königreich leben, den Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person (Pre-Settled Status) erhalten, der für sie ein Recht auf einen vorübergehenden Aufenthalt von fünf Jahren begründet.

 Verordnung (Nordirland) von 2016 über die Universalbeihilfe

29      In den Universal Credit Regulations (Northern Ireland) 2016 (Verordnung [Nordirland] von 2016 über die Universalbeihilfe) in der durch die Social Security (Income-related Benefits) (Updating and Amendment) (EU Exit) Regulations (Northern Ireland) 2019 (Verordnung [Nordirland] von 2019 über die soziale Sicherheit [bedarfsabhängige Leistungen] [Aktualisierung und Änderung] [Austritt aus der Europäischen Union]) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe) bestimmt Art. 9:

„Personen, bei denen angenommen wird, dass sie sich nicht in Nordirland befinden

„(1)      Für die Zwecke der Feststellung, ob eine Person die Grundvoraussetzung erfüllt, sich in Nordirland zu befinden – außer in dem Fall, dass eine Person unter Paragraph 4 fällt –, gilt eine Person als nicht in Nordirland befindlich, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Vereinigten Königreich, auf den Kanalinseln, auf der Isle of Man oder in der Republik Irland hat.

(2)      Eine Person gilt nicht als im Vereinigten Königreich, auf den Kanalinseln, auf der Isle of Man oder in der Republik Irland gewöhnlich aufhältig, wenn sie nicht an einem dieser Orte über ein Aufenthaltsrecht verfügt.

(3)      Für die Zwecke von Paragraph 2 umfasst ein Aufenthaltsrecht kein Recht, das gemäß oder im Einklang mit folgenden Bestimmungen besteht:

(a)      Regulation 13 der [Immigration (European Economic Area) Regulations 2016 (Verordnung von 2016 über die Einwanderung (Europäischer Wirtschaftsraum)), SI 2016/1052, im Folgenden: EWR‑Verordnung] oder Art. 6 der Richtlinie 2004/38,

(b)      Regulation 14 der EWR-Verordnung, jedoch nur in Fällen, in denen das Recht nach der EWR‑Verordnung aufgrund dessen besteht, dass die Person:

(i)      eine im Sinne von Regulation 6(1) dieser Verordnung als Arbeitssuchender qualifizierte Person oder

(ii)      ein Familienangehöriger (im Sinne von Regulation 7 dieser Verordnung) eines solchen Arbeitssuchenden ist,

(c)      Regulation 16 der EWR-Verordnung, jedoch nur in den Fällen, in denen das Recht nach dieser Verordnung besteht, weil die Person die Kriterien nach Regulation 16(5) dieser Verordnung oder nach Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (in dem Fall, dass das Aufenthaltsrecht darauf beruht, dass ohne dieses Recht ein britischer Bürger am effektiven Genuss seiner Rechte als Unionsbürger gehindert würde) erfüllt oder

(d)      eine Person, die über eine begrenzte Erlaubnis zur Einreise in das Vereinigte Königreich oder zum Aufenthalt dort gemäß dem Immigration Act 1971 [Einwanderungsgesetz von 1971] verfügt aufgrund

(i)      des auf Section 3(2) des Einwanderungsgesetzes beruhenden [Anhangs EU der Niederlassungsregelung]

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

30      CG besitzt sowohl die kroatische als auch die niederländische Staatsangehörigkeit. Sie ist Mutter zweier noch kleiner Kinder, die sie alleine großzieht. Nach ihren eigenen Angaben war sie 2018 mit ihrem Partner, dem Vater ihrer Kinder, der die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, nach Nordirland (Vereinigtes Königreich) eingereist. Sie war im Vereinigten Königreich zu keiner Zeit erwerbstätig. Sie lebte dort mit ihrem Partner zusammen, bis sie in ein Frauenhaus zog. CG ist mittellos. Sie ist nicht in der Lage, für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Kinder aufzukommen.

31      Am 4. Juni 2020 wurde CG vom Home Office (Innenministerium, Vereinigtes Königreich) auf der Grundlage des Anhangs EU der Niederlassungsregelung der Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person (Pre-Settled Status) zuerkannt, auf dessen Grundlage ihr ein Recht auf vorübergehenden Aufenthalt gewährt wurde. Die Zuerkennung dieses Status setzt nicht voraus, dass die betreffende Person über bestimmte Mittel verfügt.

32      Am 8. Juni 2020 beantragte CG beim Ministerium für kommunale Angelegenheiten (Nordirland) eine Sozialhilfeleistung, die sog. Universalbeihilfe (Universal Credit). Ihr Antrag wurde mit Bescheid vom 17. Juni 2020 mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht die Voraussetzungen erfülle, die insoweit an den Aufenthalt gestellt würden.

33      Die zuständige Behörde vertrat die Auffassung, dass nur bei Personen, die gemäß Regulation 9(2) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe ein Recht auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich hätten, angenommen werden könne, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich hätten, und deshalb nur solche Personen die Universalbeihilfe erhalten könnten. Personen, die wie CG die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedstaaten besäßen und über ein Aufenthaltsrecht nach Anhang EU der Niederlassungsregelung verfügten, kämen nach Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe hingegen nicht als potenzielle Empfänger der Universalbeihilfe in Betracht.

34      Das Aufenthaltsrecht, das durch den Anhang EU der Niederlassungsregelung für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten geschaffen wurde, gehört, wie sich aus Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe ergibt, nicht zu den Aufenthaltsrechten, die einen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich zu begründen vermögen. Mit dieser Bestimmung, die durch die Verordnung (Nordirland) von 2019 über die soziale Sicherheit (bedarfsabhängige Leistungen) (Aktualisierung und Änderung) (Austritt aus der Europäischen Union) in die Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe eingefügt wurde, wollten die nationalen Behörden die genannten Personen von der Kategorie der potenziellen Empfänger der Universalbeihilfe ausschließen. Hierzu sahen sie vor, dass das Aufenthaltsrecht, über das diese Personen nunmehr verfügen, für die Begründung eines „gewöhnlichen Aufenthalts“ im Sinne der Regulation 9(2) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe nicht relevant ist.

35      Der Bescheid des Ministers für kommunale Angelegenheiten (Nordirland) vom 17. Juni 2020 wurde am 30. Juni 2020 bestätigt, nachdem CG gegen ihn Widerspruch eingelegt hatte.

36      CG erhob daraufhin beim Appeal Tribunal for Northern Ireland (Berufungsgericht für Nordirland, Vereinigtes Königreich) gegen den Bescheid vom 17. Juni 2020 Klage. Sie macht insbesondere geltend, dass die Vorschrift, auf die der angefochtene Bescheid gestützt sei, nämlich die Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe, rechtswidrig sei. Diese Bestimmung verstoße insoweit gegen Art. 18 AEUV und die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus dem European Communities Act 1972 (Gesetz von 1972 über die Europäischen Gemeinschaften) betreffend den Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Europäischen Union, als Unionsbürger, bei denen das Vereinigte Königreich anerkannt habe, dass sie sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhielten, keinen Anspruch auf Sozialhilfe hätten.

37      CG macht insoweit geltend, dass bei ihr, da sie über ein Recht auf vorübergehenden Aufenthalt verfüge, das sich aus dem ihr am 4. Juni 2020 zuerkannten Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person ergebe, davon ausgegangen werden müsse, dass sie sich im Sinne von Regulation 9 der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe im Hoheitsgebiet von Nordirland befinde. Sie habe daher Anspruch auf die Universalbeihilfe. Die Weigerung, ihr diese Sozialhilfeleistung zu gewähren, weil ihr Status für die Begründung eines „gewöhnlichen Aufenthalts“ im Vereinigten Königreich unerheblich sei, stelle eine Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, die sich rechtmäßig im Vereinigten Königreich aufhielten, und Personen, die die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besäßen, und damit eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 1 AEUV dar. Nach dem Urteil vom 7. September 2004, Trojani (C‑456/02, EU:C:2004:488), und der einschlägigen nationalen Rechtsprechung könne sie sich unmittelbar auf diese Bestimmung berufen, um Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, da sie nach innerstaatlichem Recht ein Aufenthaltsrecht habe, auch wenn sie die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts nicht erfülle.

38      Der Minister für kommunale Angelegenheiten (Nordirland) macht geltend, dass nach innerstaatlichem Recht der Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person (Pre-Settled Status) als solcher nicht bereits einen Anspruch auf Sozialhilfe begründe. Für diese gälten weiterhin ihre eigenen Anspruchsvoraussetzungen.

39      Das Appeal Tribunal for Northern Ireland (Berufungsgericht für Nordirland) hat das Verfahren deshalb ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist die Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe, eingefügt durch die Verordnung von 2019, die Unionsbürger, die nach innerstaatlichem Recht über ein Recht auf (vorübergehenden) Aufenthalt (im vorliegenden Fall den gemäß dem Anhang EU der Niederlassungsregelung erlangten „Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person“) verfügen, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen ausschließt, (unmittelbar oder mittelbar) rechtswidrig diskriminierend nach Art. 18 AEUV und nicht mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs nach dem Gesetz von 1972 über die Europäischen Gemeinschaften vereinbar?

2.      Wenn Frage 1 bejaht wird und Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe als mittelbar diskriminierend angesehen wird: Ist diese Bestimmung nach Art. 18 AEUV gerechtfertigt und ist sie nicht mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs nach dem Gesetz von 1972 über die Europäischen Gemeinschaften vereinbar?

 Zum Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren

40      Das Appeal Tribunal for Northern Ireland (Berufungsgericht für Nordirland) hat beantragt, die vorliegende Rechtssache angesichts ihrer offensichtlichen Dringlichkeit und der schwierigen finanziellen Lage von CG dem beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

41      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

42      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. Januar 2021 ist das vorlegende Gericht um Auskünfte ersucht worden. Es ist insbesondere darum gebeten worden, sich dazu zu äußern, ob eine potenzielle Gefahr der Verletzung der in den Art. 7 und 24 der Charta der Grundrechte (im Folgenden: Charta) verbürgten Grundrechte von CG und ihrer Kinder besteht, und anzugeben, über welche finanziellen Mittel CG verfügt und wie es um die Wohnverhältnisse von CG und ihren Kindern bestellt ist.

43      Mit E-Mail vom 5. Februar 2021 hat das vorlegende Gericht bestätigt, dass CG mittellos sei, derzeit vom Staat keine Leistungen erhalte und in einem Frauenhaus lebe und dass die Gefahr einer Verletzung der Grundrechte ihrer Kinder bestehe.

44      Unter diesen Umständen hat der Präsident des Gerichtshofs dem Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Berichterstatterin und des Generalanwalts mit Beschluss vom 11. Februar 2021 angesichts der Bedürftigkeit von CG und ihrer Kinder und des Umstands, dass CG nach innerstaatlichem Recht keinen Anspruch auf Sozialhilfe hat, stattgegeben.

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

45      Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gerichtshof zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem nationalen Gericht angerufen wird (Urteil vom 10. Dezember 2020, J & S Service, C‑620/19, EU:C:2020:1011, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Nach Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV und Art. 267 Abs. 1 AEUV ist der Gerichtshof dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung des Unionsrechts oder über die Gültigkeit der Handlungen der Unionsorgane zu entscheiden. Wird in einem Verfahren vor einem Gericht eines Mitgliedstaats eine vorlagefähige Frage gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, kann es die Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV).

47      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich am 1. Februar 2020, dem Tag, an dem das Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs in Kraft getreten ist, aus der Union ausgetreten ist und damit zu einem Drittstaat geworden ist. Die Gerichte des Vereinigten Königreichs können seitdem nicht mehr als Gerichte eines Mitgliedstaats angesehen werden.

48      Im Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs ist in Art. 126 jedoch ein Übergangszeitraum vom 1. Februar 2020 (Inkrafttreten des Abkommens) bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen. Art. 127 des Abkommens sieht vor, dass das Unionsrecht, sofern in dem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, während des Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich sowie im Vereinigten Königreich gilt, die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten entfaltet und nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und angewendet wird, die auch innerhalb der Union gelten.

49      Weiter sieht Art. 86 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs vor, dass der Gerichtshof weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte des Vereinigten Königreichs zuständig ist, die vor Ende des Übergangszeitraums vorgelegt werden (Abs. 2) und dass ein Vorabentscheidungsersuchen zu dem Zeitpunkt als vorgelegt in diesem Sinne gilt, zu dem die Unterlagen zur Einleitung des Verfahrens von der Kanzlei des Gerichtshofs registriert wurden (Abs. 3).

50      Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist am 30. Dezember 2020, also vor Ablauf des Übergangszeitraums, von einem Gericht des Vereinigten Königreichs eingereicht worden, und zwar im Rahmen eines Rechtsstreits über einen von CG am 8. Juni 2020 beim Ministerium für kommunale Angelegenheiten (Nordirland) eingereichten Antrag auf Sozialhilfe.

51      Daraus folgt zum einen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt gemäß den Art. 126 und 127 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs in den zeitlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, und zum anderen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 86 Abs. 2 des Abkommens dafür zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung über das Ersuchen des vorlegenden Gerichts zu entscheiden, soweit damit um die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV ersucht wird.

52      Dagegen ist der Gerichtshof für Frage 1 insoweit nicht zuständig, als die Vereinbarkeit von Regulation 9(3)(d)(i) der Verordnung von 2016 über die Universalbeihilfe mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus dem Gesetz von 1972 über die Europäischen Gemeinschaften beurteilt werden soll. Frage 1 betrifft insoweit weder die Auslegung des Unionsrechts noch die Gültigkeit einer Handlung der Unionsorgane im Sinne von Art. 267 Abs. 1 AEUV.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit der Fragen

53      Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass der Sachverhalt, um den es im Ausgangsverfahren gehe, allein dem innerstaatlichen Recht unterliege und daher nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle. Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Recht auf vorübergehenden Aufenthalt sei CG allein auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gewährt worden. Dass CG auf der Grundlage des Unionsrechts für einen anfänglichen Zeitraum von drei Monaten Zugang zum Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs gehabt habe, sei für die Beurteilung des Sachverhalts, um den es im Ausgangsverfahren gehe, nicht relevant.

54      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 10. Dezember 2020, J & S Service, C‑620/19, EU:C:2020:1011, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, dass CG, die sowohl die kroatische als auch die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, 2018 in das Vereinigte Königreich eingereist ist und sich seit dem 4. Juni 2020 auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält.

57      Da das Unionsrecht nach Art. 127 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs im Vereinigten Königreich bis zum Ende des Übergangszeitraums galt, sofern in dem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, ist festzustellen, dass ein Unionsbürger, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, so dass seine Situation in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2020, ZW, C‑454/19, EU:C:2020:947, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Weiter entspricht es der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und daher den Status eines Unionsbürgers hat, wenn sie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, auch aus diesem Grund in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Folglich hat eine Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, als Unionsbürger das Recht, sich auf Art. 21 Abs. 1 AEUV zu berufen, und fällt in den Anwendungsbereich der Verträge im Sinne von Art. 18 AEUV, der den Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält (Urteil vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Berlin [Auslieferung an die Ukraine], C‑398/19, EU:C:2020:1032, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Die Situation von CG fiel daher bis zum Ende des im Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs vorgesehenen Übergangszeitraums in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die Vorlagefragen sind mithin insoweit zulässig, als sie die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV betreffen.

 Zur Beantwortung der Vorlagefragen

 Zu Frage 1

60      Mit Frage 1 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, nach der Unionsbürger, die nach innerstaatlichem Recht über ein Recht auf vorübergehenden Aufenthalt verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, unter das in ihm vorgesehene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit fällt.

61      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Hamburg, C‑416/20 PPU, EU:C:2020:1042, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Als Erstes ist auf die Vorschriften einzugehen, die für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts relevant sind. Art. 20 Abs. 1 AEUV verleiht jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers. Dieser ist dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Anwendungsbereich des AEU‑Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 57 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Deshalb kann sich jeder Unionsbürger in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV berufen. Zu diesen Situationen gehören diejenigen, die die Ausübung der durch Art. 20 Abs. 2 Buchst. a AEUV und Art. 21 AEUV verliehenen Freiheit betreffen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      CG ist eine Unionsbürgerin, die von ihrem Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, um sich im Vereinigten Königreich niederzulassen. Ihre Situation fällt daher in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts, so dass sie sich grundsätzlich auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV berufen kann.

65      Nach ständiger Rechtsprechung soll Art. 18 Abs. 1 AEUV eigenständig allerdings nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, für die der AEU‑Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (Urteil vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C‑181/19, EU:C:2020:794, Rn. 78). Außerdem sieht Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV ausdrücklich vor, dass die Rechte, die dieser Artikel den Unionsbürgern verleiht, „unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt [werden], die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind“, und nach Art. 21 AEUV besteht auch das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      So hat das Diskriminierungsverbot für Unionsbürger, die von ihrer Freiheit Gebrauch machen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in Art. 24 der Richtlinie 2004/38 eine konkrete Ausprägung erfahren.

67      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 nur Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort aufhalten, sowie ihre Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie, die sie begleiten oder ihnen nachziehen, in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen und Berechtigte der durch diese gewährten Rechte sind (Urteil vom 10. September 2019, Chenchooliah, C‑94/18, EU:C:2019:693, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Bei einer Person wie CG, die sowohl die kroatische als auch die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt und von der Freiheit, sich im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs frei zu bewegen und aufzuhalten, vor Ende des Übergangszeitraums gemäß Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Gebrauch gemacht hat, ist dies der Fall. Eine Person, die sich in der Situation von CG befindet, fällt mithin in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38, so dass für die Beurteilung der Frage, ob sie aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert wird, nicht Art. 18 Abs. 1 AEUV, sondern Art. 24 der Richtlinie 2004/38 maßgeblich ist.

68      Was als Zweites die Art der Sozialleistungen betrifft, um die es im Ausgangsverfahren geht, ist festzustellen, dass mit dem Begriff „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme gemeint sind, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die der Aufnahmemitgliedstaat gewähren kann (Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ihren Empfängern das Minimum an Existenzmitteln gewährleisten sollen, das erforderlich ist, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht, sind somit als „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C‑181/19, EU:C:2020:794, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass es sich bei der von CG beantragten Leistung, der Universalbeihilfe, um eine zum steuerfinanzierten System des sozialen Schutzes gehörende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, bei deren Gewährung es u. a. auf die Mittel ankommt, über die die betreffende Person verfügt. Mit der Universalbeihilfe sollen verschiedene andere Sozialleistungen ersetzt werden wie die auf dem Einkommen beruhende Leistung für Arbeitssuchende (income based jobseeker’s allowance), die auf dem Einkommen beruhende Leistung bei Beschäftigung und zur Unterstützung (income-related employment and support allowance), die Beihilfe zum Einkommen (income support), die Steuergutschrift für erwerbstätige Personen (working tax credit), die Steuergutschrift für Kinder (child tax credit) und das Wohngeld (housing benefit).

71      Unter dem Vorbehalt der Überprüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen haben wird, ist die Universalbeihilfe demnach als Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 einzustufen.

72      Frage 1 ist daher umzuformulieren. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 24 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats entgegensteht, nach der Unionsbürger mit einem vom Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gewährten Recht auf vorübergehenden Aufenthalt, die nicht erwerbstätig sind und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, während Personen, die die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzen, in einer solchen Situation einen solchen Anspruch haben.

73      Das vorlegende Gericht hat im Vorlagebeschluss festgestellt, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens seit mehr als drei Monaten im Vereinigten Königreich lebt, dass sie nicht arbeitssuchend ist und dass sie in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs eingereist war, um ihren früheren Lebensgefährten zu begleiten, der der Vater ihrer noch kleinen Kinder ist und von dem sie sich, nachdem sie Opfer häuslicher Gewalt geworden war, getrennt hat. Eine solche Situation fällt unter keinen der Fälle, in denen Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine Ausnahme von der Gleichbehandlung zulässt, insbesondere was den Zugang zu einer Sozialhilfeleistung wie der Universalbeihilfe betrifft.

74      Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats.

75      Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein Unionsbürger nur dann verlangen kann, hinsichtlich des Zugangs zur Sozialhilfe gemäß dieser Bestimmung die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zu genießen, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 68 und 69).

76      Insoweit ist zu beachten, dass das Aufenthaltsrecht bei einem Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats von mehr als drei Monaten und weniger als fünf Jahren von den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen abhängig ist. Insbesondere muss ein Bürger, der nicht erwerbstätig ist, für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38). Wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, soll damit u. a. verhindert werden, dass solche Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Ließe man zu, dass Unionsbürger, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, ebenso wie Inländer Sozialhilfeleistungen beanspruchen könnten, liefe dies diesem Ziel zuwider und würde es nicht erwerbstätigen Unionsbürgern unter Umständen ermöglichen, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 74, 76 und 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Ein Mitgliedstaat hat daher gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen und nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts gemäß der Richtlinie verfügen, Sozialhilfeleistungen zu versagen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 78).

79      Folglich ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Unionsbürger gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 über ausreichende Existenzmittel verfügt und sich daher im Aufnahmemitgliedstaat auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie berufen kann, um die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zu genießen, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, bei der die beantragten Sozialhilfeleistungen außer Betracht bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 80 und 81).

80      Im Ausgangsverfahren ergibt sich aus der Antwort des vorlegenden Gerichts auf das Auskunftsersuchen des Gerichtshofs, dass CG nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt. Folglich kann bei einer solchen Person angenommen werden, dass sie die Sozialhilfeleistungen des Vereinigten Königreichs unangemessen in Anspruch nimmt. Sie kann sich daher nicht auf das in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Diskriminierungsverbot berufen.

81      Dem steht nicht entgegen, dass CG nach innerstaatlichem Recht über ein Recht auf vorübergehenden Aufenthalt verfügt, das ihr ohne Rücksicht darauf gewährt wurde, ob sie über bestimmte Mittel verfügt. Könnte sich nämlich ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger, der nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt und sich außerhalb der in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Bedingungen im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie berufen, würde er einen umfassenderen Schutz genießen als denjenigen, den er bei Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie erhalten hätte, die dazu geführt hätten, dass ihm ein Aufenthaltsrecht verweigert worden wäre.

82      Bei innerstaatlichen Bestimmungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die einem Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht gewähren, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 nicht alle erfüllt sind, ist zwar Art. 37 der Richtlinie einschlägig. Danach steht die Richtlinie nicht dem entgegen, dass das Recht der Mitgliedstaaten eine Regelung vorsieht, die günstiger ist als die durch die Bestimmungen der Richtlinie eingeführte.

83      Bei einem solchen Aufenthaltsrecht kann aber nicht angenommen werden, dass es im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 „aufgrund dieser Richtlinie“ gewährt worden wäre. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass der Umstand, dass innerstaatliche Bestimmungen, die in Bezug auf das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger günstiger sind als die der Richtlinie 2004/38, unberührt bleiben, keineswegs bedeutet, dass diese Bestimmungen in das mit der Richtlinie eingeführte System aufzunehmen wären. Er hat daraus insbesondere gefolgert, dass ein Mitgliedstaat, der sich dafür entschieden hat, eine Regelung einzuführen, die günstiger ist als die durch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 eingeführte, zu bestimmen hat, welche Folgen ein nur aufgrund des innerstaatlichen Rechts gewährtes Aufenthaltsrecht hat (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 49 und 50).

84      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 57), hat ein Unionsbürger, der sich wie CG in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, jedoch von seiner in Art. 21 Abs. 1 AEUV verbürgten Grundfreiheit Gebrauch gemacht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, so dass seine Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, und zwar selbst dann, wenn er sein Aufenthaltsrecht aus dem innerstaatlichen Recht ableitet.

85      Insoweit ist festzustellen, dass der Anwendungsbereich der Charta in Art. 51 Abs. 1 der Charta definiert ist. Danach gilt diese, was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union (Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach ihrem Art. 51 Abs. 2 dehnt die Charta den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Europäischen Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben (Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C‑609/17 und C‑610/17, EU:C:2019:981, Rn. 42).

86      Nach ständiger Rechtsprechung finden die in der Unionsrechtsordnung gewährleisteten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen Anwendung (Urteil vom 19. November 2019, TSN und AKT, C‑609/17 und C‑610/17, EU:C:2019:981, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs CG ein Aufenthaltsrecht gewährt haben, obwohl diese nicht über ausreichende Existenzmittel verfügte. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 82), haben die Behörden des Vereinigten Königreichs eine Regelung angewandt, die, was das Aufenthaltsrecht angeht, günstiger ist als die durch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 eingeführte. Diese Handlung kann daher nicht als Durchführung der Richtlinie angesehen werden. Die Behörden des Vereinigten Königreichs haben damit allerdings das den Unionsbürgern durch Art. 21 Abs. 1 AEUV verliehene Recht eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, sich in seinem Hoheitsgebiet frei aufzuhalten, anerkannt, ohne sich auf die in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Bedingungen und Beschränkungen dieses Rechts zu berufen.

88      Daraus folgt, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, wenn sie dieses Recht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gewähren, die Bestimmungen des AEU‑Vertrags über den Unionsbürgerstatus durchführen, der dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein (siehe oben, Rn. 62), und dass sie daher verpflichtet sind, die Vorschriften der Charta zu beachten.

89      Insbesondere hat sich der Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 1 der Charta zu vergewissern, dass ein Unionsbürger, der von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nach innerstaatlichem Recht ein Aufenthaltsrecht hat und sich in einer Situation befindet, in der er schutzbedürftig ist, gleichwohl unter würdigen Bedingungen leben kann.

90      Außerdem erkennt Art. 7 der Charta das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens an. Dieser Artikel ist in Verbindung mit der Verpflichtung zu sehen, bei allen Handlungen, die Kinder betreffen, das in Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannte Wohl des Kindes zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2019, SM [Unter algerische Kafala gestelltes Kind], C‑129/18, EU:C:2019:248, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Der Aufnahmemitgliedstaat ist verpflichtet, es den Kindern, die besonders schutzbedürftig sind, zu ermöglichen, dass sie mit dem Elternteil bzw. den Eltern, dem bzw. denen die elterliche Sorge zusteht, unter würdigen Bedingungen wohnen können.

92      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass CG Mutter von zwei noch kleinen Kindern ist, über keinerlei Mittel verfügt, um für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Kinder aufzukommen, und auf sich allein gestellt ist, weil sie vor einem gewalttätigen Partner geflohen ist. In einem solchen Fall können die zuständigen nationalen Behörden einen Antrag auf eine Sozialhilfeleistung wie die Universalbeihilfe erst dann ablehnen, wenn sie sich vergewissert haben, dass dies den betreffenden Bürger und die Kinder, für die ihm die elterliche Sorge zusteht, nicht dem konkreten und gegenwärtigen Risiko einer Verletzung ihrer Grundrechte, wie sie in den Artikeln 1, 7 und 24 der Charta verbürgt sind, aussetzt. Im Rahmen dieser Prüfung können die zuständigen nationalen Behörden sämtliche Hilfeleistungen berücksichtigen, die das innerstaatliche Recht vorsieht und die der betroffene Bürger und seine Kinder gegenwärtig tatsächlich in Anspruch nehmen können. Im Ausgangsrechtsstreit wird das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob CG und ihre Kinder die anderen Leistungen als die Universalbeihilfe, auf die die Vertreter des Vereinigten Königreichs und des Ministeriums für kommunale Angelegenheiten (Nordirland) in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen verwiesen haben, gegenwärtig tatsächlich in Anspruch nehmen können.

93      Nach alledem ist auf Frage 1 zu antworten:

–        Art. 24 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats, nach der Unionsbürger mit einem vom Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gewährten Recht auf vorübergehenden Aufenthalt, die nicht erwerbstätig sind und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, während Personen, die die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzen, in einer solchen Situation einen solchen Anspruch haben, nicht entgegensteht.

–        Hält sich ein Unionsbürger nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, auf, haben sich die zuständigen nationalen Behörden bei der Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfe jedoch zu vergewissern, dass die auf die genannte Regelung gestützte Ablehnung von Sozialhilfe den betreffenden Unionsbürger und die Kinder, für die ihm die elterliche Sorge zusteht, nicht einem konkreten und gegenwärtigen Risiko der Verletzung ihrer Grundrechte, wie sie in den Artikeln 1, 7 und 24 der Charta verbürgt sind, aussetzt. Verfügt der betreffende Unionsbürger über keinerlei Mittel, um für seinen Lebensunterhalt und den seiner Kinder aufzukommen, und ist er auf sich allein gestellt, haben sich die zuständigen nationalen Behörden zu vergewissern, dass er im Falle der Nichtgewährung von Sozialhilfe mit seinen Kindern dennoch unter würdigen Umständen leben kann. Bei dieser Prüfung können die zuständigen nationalen Behörden sämtliche Hilfeleistungen berücksichtigen, die das innerstaatliche Recht vorsieht und die der betreffende Unionsbürger und seine Kinder tatsächlich in Anspruch nehmen können.

 Zu Frage 2

94      In Anbetracht der Antwort auf Frage 1 ist Frage 2 nicht zu beantworten.

 Kosten

95      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats, nach der Unionsbürger mit einem vom Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gewährten Recht auf vorübergehenden Aufenthalt, die nicht erwerbstätig sind und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, während Personen, die die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzen, in einer solchen Situation einen solchen Anspruch haben, nicht entgegensteht.

Hält sich ein Unionsbürger nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, auf, haben sich die zuständigen nationalen Behörden bei der Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfe jedoch zu vergewissern, dass die auf die genannte Regelung gestützte Ablehnung von Sozialhilfe den betreffenden Unionsbürger und die Kinder, für die ihm die elterliche Sorge zusteht, nicht einem konkreten und gegenwärtigen Risiko der Verletzung ihrer Grundrechte, wie sie in den Artikeln 1, 7 und 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt sind, aussetzt. Verfügt der betreffende Unionsbürger über keinerlei Mittel, um für seinen Lebensunterhalt und den seiner Kinder aufzukommen, und ist er auf sich allein gestellt, haben sich die zuständigen nationalen Behörden zu vergewissern, dass er im Falle der Nichtgewährung von Sozialhilfe mit seinen Kindern dennoch unter würdigen Umständen leben kann. Bei dieser Prüfung können die zuständigen nationalen Behörden sämtliche Hilfeleistungen berücksichtigen, die das innerstaatliche Recht vorsieht und die der betreffende Unionsbürger und seine Kinder tatsächlich in Anspruch nehmen können.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.