URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

19. September 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke, die ein Karomuster in schwarz, grau, beige und dunkelrot darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑329/10

V. Fraas GmbH mit Sitz in Helmbrechts‑Wüstenselbitz (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Kunze und G. Würtenberger,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch B. Schmidt, sodann durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 7. Juni 2010 (Sache R 191/2010-4) über die Anmeldung eines Bildzeichens, das ein Karomuster in schwarz, grau, beige und dunkelrot darstellt, als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz, der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias (Berichterstatter),

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 10. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 5. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Beschlusses vom 23. März 2012, mit dem die Rechtssachen T‑326/10 bis T‑329/10, T‑26/11, T‑31/11, T‑50/11 und T‑231/11 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden sind

auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 14. Juli 2009 meldete die Klägerin, die V. Fraas GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 18, 24 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit sie in Klasse 18 enthalten sind); Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke“;

–        Klasse 24: „Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.

4        Mit Entscheidung vom 2. Dezember 2009 wies der Prüfer die Anmeldung für die oben genannten Waren mit Ausnahme der Waren „Leder und Lederimitationen“ und „Spazierstöcke“ der Klasse 18 zurück, da die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 habe.

5        Am 27. Januar 2010 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers vom 2. Dezember 2009 ein.

6        Mit Entscheidung vom 7. Juni 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die der Klägerin am 10. Juni 2010 zugestellt wurde, wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück, da sie ebenso wie der Prüfer der Ansicht war, dass die fragliche Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 habe.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

 Zum Gegenstand des Rechtsstreits

10      In Randnr. 2 der angefochtenen Entscheidung heißt es, der Prüfer habe die Eintragung für sämtliche von der Markenanmeldung erfasste Waren mit der einzigen Ausnahme der „Spazierstöcke“ der Klasse 18 abgelehnt.

11      Aus der Entscheidung des Prüfers ergibt sich jedoch, dass dieser zwischen „Leder und Lederimitationen“ einerseits und „Waren aus Leder und [aus] Lederimitation“ in Klasse 18 andererseits unterschieden hat. Er ließ die Anmeldung der Klägerin für „Leder und Lederimitationen“ sowie für „Spazierstöcke“ zur Eintragung zu, wies sie jedoch für „Waren aus Leder und [aus] Lederimitation“ der Klasse 18, für „Reise- und Handkoffer“, „Regenschirme“ und „Sonnenschirme“ sowie für alle in Randnr. 3 genannten Waren der Klassen 24 und 25 zurück. Für die letztgenannten Waren hatte die fragliche Marke nämlich seiner Auffassung nach keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

12      Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung nur Beschwerde ein, soweit die Anmeldung zurückgewiesen wurde. Ohnehin wäre sie nämlich nicht befugt gewesen, die fragliche Entscheidung anzufechten, soweit die Anmeldung zur Eintragung zugelassen wurde (Beschluss des Gerichts vom 11. Mai 2006, TeleTech Holdings/HABM – Teletech International [TELETECH INTERNATIONAL], T‑194/05, Slg. 2006, II‑1367, Randnr. 22, vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2011, Völkl/HABM – Marker Völkl [VÖLKL], T‑504/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

13      Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde der Klägerin zurück. Da die Entscheidung des Prüfers durch die angefochtene Entscheidung nicht abgeändert wurde, ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits folglich die Ablehnung der Eintragung der Anmeldemarke für alle von ihr erfassten Waren mit Ausnahme von „Leder und Lederimitationen“ und „Spazierstöcken“ der Klasse 18. Die Parteien haben dieser Schlussfolgerung, die ihnen in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden ist, nicht ausdrücklich widersprochen.

 Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Regelungen der Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009

14      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe sich nicht mit ihrem umfangreichen Vortrag insbesondere im Zusammenhang mit der Wahrnehmung und Verwendung von Bildmarken als Herkunftshinweis auseinandergesetzt. Die Beschwerdekammer wäre nach Ansicht der Klägerin hierzu verpflichtet gewesen, da die Klägerin u. a. Voreintragungen ähnlicher Zeichen und Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte (Österreichs, der Niederlande und Dänemarks) zum Schutz einer ähnlichen Marke angeführt habe und sich außerdem auf eine spezielle Argumentation gestützt habe, der zufolge sich die schottischen Clans durch individuell ausgestattete Karomuster (Tartans) identifizieren ließen. Dass sich die Beschwerdekammer damit nicht auseinandergesetzt habe, stelle einen Begründungsmangel und somit einen Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 dar.

15      Dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung unzureichend sei, werde zudem aus deren Randnr. 32 deutlich, in der sich die Beschwerdekammer damit begnüge, auszuführen, dass die Prüfungsrichtlinien keinen Absatz zu Stoffmustern enthielten und daher die in diesen Richtlinien vorgesehenen Kriterien zu dreidimensionalen Marken heranzuziehen seien. Dies zeige, dass, anders als die Beschwerdekammer behaupte, eine individuelle Prüfung der Anmeldemarke, die den Sachverhalt und die Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtige, nicht erfolgt sei.

16      In Anbetracht dieser Argumentation ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 11) ausgeführt hat, dass die Anmeldemarke in der Wiedergabe eines Stoffmusters bestehe, bei der es sich um die Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes der Ware selbst handele. Die eingereichte grafische Darstellung der Marke lasse keine Elemente erkennen, die von der für die beanspruchten Waren geltenden Norm oder der Branchenüblichkeit abwichen (Randnr. 18). Im Gegenteil seien unauffällige Karomuster dieser Art im Bereich von Stoffen und Bekleidungsstücken gang und gäbe (Randnr. 20). Sämtliche der in Rede stehenden Waren seien aus Stoff oder könnten Bestandteile aus Stoff enthalten, die der Verbraucher als bloßes modisches Motiv, nicht aber als Herkunftshinweis wahrnehme (Randnrn. 11 und 22). Das maßgebliche Publikum, die Durchschnittsverbraucher in allen Teilen der Europäischen Union, werde in der angemeldeten Gestaltung keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sehen, sondern ein übliches und nahe liegendes Erscheinungsbild der Ware selbst (Randnr. 34).

17      Ferner hat die Beschwerdekammer in den Randnrn. 30, 32 und 33 ihrer Entscheidung hinzugefügt, dass den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des HABM und nationaler Gerichte sowie der Argumentation der Klägerin bezüglich der schottischen Clans kein allgemeiner Grundsatz entnommen werden könne, wonach Stoffmuster eintragungsfähig seien.

18      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen des HABM gemäß Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 mit Gründen zu versehen sind. Diese Verpflichtung hat den gleichen Umfang wie die aus Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389). In diesem Zusammenhang soll die Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen dem doppelten Ziel dienen, die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und es außerdem dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Anforderungen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu entscheiden, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. April 2004, Sunrider/HABM – Vitakraft-Werke Wührmann und Friesland Brands [VITATASTE und METABALANCE 44], T‑124/02 und T‑156/02, Slg. 2004, II‑1149, Randnrn. 72 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Lehnt das HABM die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke ab, muss es zur Begründung seiner Entscheidung das dieser Eintragung entgegenstehende absolute oder relative Eintragungshindernis sowie die Bestimmung, aus der es abgeleitet wird, angeben und darlegen, welchen Sachverhalt es als erwiesen zugrunde gelegt hat, der seiner Auffassung nach die Anwendung der herangezogenen Bestimmung rechtfertigt. Eine solche Begründung ist grundsätzlich ausreichend, um den oben in Randnr. 18 genannten Anforderungen gerecht zu werden (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 46).

20      Der Kontext, in dem eine Entscheidung erlassen wird und der u. a. durch den Meinungsaustausch zwischen der die Entscheidung erlassenden Stelle und dem Betroffenen gekennzeichnet ist, kann unter bestimmten Umständen die an die Begründung zu stellenden Anforderungen erhöhen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass in bestimmten Fällen das Vorbringen eines der Beteiligten am Verfahren vor dem HABM, einschließlich des Hinweises auf das Vorliegen einer – innerstaatlichen oder vom HABM erlassenen – Entscheidung in einer ähnlich gelagerten Sache, eine spezifische Antwort erforderlich macht, die über die oben in Randnr. 19 genannten Anforderungen hinausgeht (Urteil Mozart, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 54).

21      Von den Beschwerdekammern kann jedoch auch nicht verlangt werden, bei ihren Ausführungen alle von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung der Beschwerdekammer zu erfahren, und dem zuständigen Gericht ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit es seine Kontrolle wahrnehmen kann. Folglich braucht das HABM in seiner Entscheidung im Allgemeinen nicht auf jeden Hinweis auf das Vorliegen von in eine bestimmte Richtung gehenden Entscheidungen seiner eigenen Dienststellen oder von innerstaatlichen Gerichten in anderen, ähnlich gelagerten Fällen speziell einzugehen, wenn die Begründung der Entscheidung, die das HABM in einer konkreten und bei seinen Dienststellen anhängigen Sache erlassen hat, zumindest implizit, jedoch klar und eindeutig erkennen lässt, aus welchen Gründen diese anderen Entscheidungen nicht einschlägig sind oder bei der Würdigung durch das HABM keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. Urteil Mozart, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnrn. 55 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Das Vorbringen der Klägerin, die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei unzureichend, ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

23      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer mit ihren Erwägungen, die oben in Randnr. 16 zusammengefasst worden sind, die Gründe dargelegt hat, die sie zu der Schlussfolgerung veranlasst haben, dass die fragliche Marke für die von ihr erfassten Waren nicht eingetragen werden dürfe.

24      Diese Begründung ist ausreichend, um das oben in den Randnrn. 18 und 19 genannte doppelte Ziel der Begründungspflicht zu erreichen.

25      Im Übrigen ist die Beschwerdekammer in Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung konkret auf die Ausführungen der Klägerin zu Voreintragungen ähnlicher Zeichen eingegangen und hat darauf hingewiesen, dass es keine Entscheidung des Gerichts oder der Beschwerdekammern gebe, in der ein Stoffmuster akzeptiert worden sei. Im Gegenteil seien in zwei Entscheidungen von Beschwerdekammern Anmeldungen für Stoffmuster zurückgewiesen worden. Es gebe auch drei Entscheidungen von Prüfern, mit denen solche Anmeldungen zurückgewiesen worden seien, wenn auch in einigen Fällen zugunsten zweier Unternehmen derartige Muster eingetragen worden seien.

26      Zu den Urteilen nationaler Gerichte hat die Beschwerdekammer in derselben Randnummer ihrer Entscheidung ausgeführt, dass sie auch Marken eines der Unternehmen beträfen, die ein Stoffmuster als Gemeinschaftsmarke eingetragen hätten. Aus diesen Urteilen ergebe sich, soweit hier überhaupt interessierend, dass dieses Unternehmen Karomuster auf seinen Waren benutze. Die Klägerin könne sich jedoch nicht auf diese Benutzungshandlung ihrer Konkurrentin berufen, um die Eintragung eines identischen oder ähnlichen Zeichens zu erreichen.

27      Was schließlich die Argumentation der Klägerin betrifft, in Schottland unterschieden sich die Clans insbesondere durch individuell ausgestaltete Karomuster, ist festzustellen, dass sich die Beschwerdekammer in Randnr. 30 der angefochtenen Entscheidung damit auseinandergesetzt hat. Sie hat in dieser Randnummer ausgeführt, dass die Behauptungen der Klägerin erstens nicht durch Nachweise belegt seien, zweitens die Zugehörigkeit zu einer Familie und nicht die betriebliche Herkunft einer Ware beträfen und drittens nicht für das gesamte Gebiet der Union, sondern nur für Schottland relevant seien.

28      Somit wurden in der angefochtenen Entscheidung die Gründe dargelegt, aus denen das oben genannte Vorbringen der Klägerin zurückgewiesen wurde, so dass der Beschwerdekammer insoweit kein Begründungsmangel oder keine unzureichende Begründung vorgeworfen werden kann. Die Stichhaltigkeit der von der Beschwerdekammer dargelegten Erwägungen, die von der Klägerin ebenfalls in Abrede gestellt wird, wird im Folgenden geprüft.

29      Ebenso wenig vermag das Vorbringen der Klägerin zu überzeugen, wonach der Umstand, dass die Beschwerdekammer die in den Prüfungsrichtlinien für dreidimensionale Marken vorgesehenen Kriterien herangezogen habe, zeige, dass eine individuelle Prüfung der Anmeldemarke nicht stattgefunden habe (vgl. oben, Randnr. 15). Zwar hat die Beschwerdekammer in Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Prüfungsrichtlinien keinen eigenen Absatz zu Stoffmustern enthielten, aber betonten, dass Bildmarken, die aus einer naturgetreuen Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes der Ware bestünden, nach den gleichen Kriterien zu behandeln seien wie entsprechende dreidimensionale Marken (Prüfungsrichtlinien, Teil B, 7.5.2). Sie hat dieses Argument jedoch verwendet, um nachzuweisen, dass sich daraus keineswegs eine Amtspraxis der Zulassung solcher Marken ergebe. Anders als die Klägerin vorgetragen hat, heißt es in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung, dass jede der Anmeldemarken für sich zu würdigen sei. Folglich ergibt sich daraus keineswegs, dass eine individuelle Prüfung der Anmeldemarke nicht stattgefunden hat.

30      Die Klägerin wirft dem HABM zudem vor, der ihm gemäß Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 obliegenden Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht in ausreichender Weise nachgekommen zu sein. Sie macht geltend, dass sie dargelegt und dokumentiert habe, dass Bildmarken im Geschäftsverkehr zur Kennzeichnung von Waren im Sinne einer Herkunftsbezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren eingesetzt und verstanden würden. Die Beschwerdekammer habe bei der Zurückweisung ihrer Anmeldung die von ihr vorgelegten schriftlichen Beweise außer Acht gelassen und sich auf bloße Vermutungen gestützt, die nicht durch Beweise belegt seien. Mit diesem Vorgehen habe das HABM die Beweislast zu ihrem Nachteil umgekehrt.

31      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das HABM nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verfahren bezüglich absoluter Eintragungshindernisse den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt.

32      Gelangt die Beschwerdekammer jedoch zu dem Ergebnis, dass es der angemeldeten Marke von Haus aus an Unterscheidungskraft fehle, darf sie ihre Beurteilung auf Tatsachen stützen, die auf der allgemeinen praktischen Erfahrung mit der Vermarktung von Massenkonsumgütern beruhen und die jedermann und insbesondere den Verbrauchern dieser Waren bekannt sein können. In einem solchen Fall ist die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, eine derartige praktische Erfahrung mit Beispielen zu belegen (vgl. Urteil des Gerichts vom 3. Februar 2011, Gühring/HABM [Kombination von Ginstergelb und Silbergrau], T‑299/09 und T‑300/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den mit der Anmeldung beanspruchten Waren um Massenkonsumgüter in dem Sinne, dass sie regelmäßig gekauft werden und von jedermann gekauft werden können. Die Aussage der Klägerin, wonach es sich um eher „hochwertige“ und zu einem gehobenen Preis verkaufte Waren handele, steht zu dieser Schlussfolgerung nicht im Widerspruch. Unabhängig davon, ob diese Aussage zutrifft, was weiter unten geprüft werden wird, ist darauf hinzuweisen, dass auch teurere Waren, die nicht in regelmäßigen und kurzen Abständen, sondern eher zu seltenen und besonderen Gelegenheiten gekauft werden, als Massenkonsumgüter im Sinne der oben in Randnr. 32 angeführten Rechtsprechung angesehen werden können.

34      In Anbetracht dieser Erwägungen ist festzustellen, dass sich die Beschwerdekammer auf die allgemeine praktische Erfahrung mit der Vermarktung der fraglichen Waren gestützt hat, um in Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die Durchschnittsverbraucher in allen Teilen der Union die Anmeldemarke als übliche und nahe liegende Erscheinungsform der Ware selbst wahrnähmen. Folglich kann ihr insoweit kein Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgeworfen werden.

35      Soweit die Anmelderin entgegen der auf die oben genannte Erfahrung gestützten Beurteilung des HABM geltend macht, dass das von ihr angemeldete Zeichen Unterscheidungskraft besitze, ist es außerdem nach der Rechtsprechung ihre Sache, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen, dass das fragliche Zeichen Unterscheidungskraft entweder von Haus aus besitzt oder durch Benutzung erworben hat, weil sie dazu wegen ihrer genauen Marktkenntnis wesentlich besser in der Lage ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Hartmann/HABM [E], T‑302/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer daher zu Unrecht vor, die Beweislast zu ihrem Nachteil umgekehrt zu haben.

36      Die Argumentation, die Beschwerdekammer habe sich auf bloße Vermutungen gestützt, vermag ebenfalls nicht durchzugreifen. Zwar trifft es zu, dass die Beschwerdekammer eine Vorabprüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens durchzuführen hat. Dieses Erfordernis steht einer konkreten Prüfung jedoch nicht entgegen. Der Zweck der Vorabkontrolle selbst würde daher vereitelt, wenn es dem HABM entgegen dem Erfordernis einer konkreten Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke freistünde, sich ohne schlüssige Begründung auf Annahmen oder bloße Zweifel zu berufen (Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2010, HABM/Borco‑Marken‑Import Matthiesen, C‑265/09 P, Slg. 2010, I‑8265, Randnrn. 44 und 46).

37      Die Beschwerdekammer hat sich jedoch nicht auf Gründe gestützt, die bloße Mutmaßungen darstellen. In den Randnrn. 30 und 32 der angefochtenen Entscheidung hat sie sich nämlich, wie bereits oben in den Randnrn. 25 bis 27 ausgeführt, konkret mit den Ausführungen der Klägerin zu der Entscheidungspraxis des HABM, den Entscheidungen der nationalen Gerichte und den schottischen Clans auseinandergesetzt. Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdekammer Nachweise vorgelegt hat, die ihre behauptete praktische Erfahrung untermauern.

38      Folglich können die Argumente, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen geltend gemacht wird, nicht durchgreifen.

39      Nach alledem sind die Rügen des Verstoßes gegen Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 20//2009 zurückzuweisen.

 Zum Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

40      Die Klägerin macht geltend, dass die Anmeldemarke entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer des HABM Unterscheidungskraft habe.

 Allgemeines

41      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen.

42      Nach der Rechtsprechung ist ein absolutes Eintragungshindernis im Licht des ihm zugrunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen. Was Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 betrifft, so ist der Begriff des Allgemeininteresses offensichtlich nicht zu trennen von der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung dadurch zu garantieren, dass sie ihm die Unterscheidung dieser Ware oder Dienstleistung ohne etwaige Verwechslung von denjenigen anderer Herkunft ermöglicht (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2008, Eurohypo/HABM, C‑304/06 P, Slg. 2008, I‑3297, Randnrn. 55 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Daher bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, dass diese Marke geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im Übrigen ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen ist, die sich aus den Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder -empfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C‑473/01 P und C‑474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 33, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 25). Die Aufmerksamkeit des als durchschnittlich informiert und angemessen aufmerksam und verständig anzusehenden Durchschnittsverbrauchers kann je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 26, und des Gerichts vom 10. Oktober 2007, Bang & Olufsen/HABM [Form eines Lautsprechers], T‑460/05, Slg. 2007, II‑4207, Randnr. 32).

45      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien. Jedoch ist im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien zu berücksichtigen, dass eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht zwingend in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 30, Storck/HABM, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnrn. 26 und 27, und vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 80). Durch das von der Klägerin angeführte Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 2010, Audi/HABM (C‑398/08 P, Slg. 2010, I‑535, Randnr. 38), werden diese Erwägungen nicht in Frage gestellt, da der Gerichtshof darin bestätigt hat, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens, das aus einem Werbeslogan besteht, keine anderen sind als die für andere Markenkategorien.

46      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, nur dann Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 besitzt, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi‑Werke/HABM, C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnr. 31, und Storck/HABM, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 28).

47      Die oben in den Randnrn. 45 und 46 angeführte Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, ist ebenfalls einschlägig, wenn die fragliche Marke eine Bildmarke ist, die aus der Form der Ware besteht. Denn auch in einem solchen Fall besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist (Urteile Storck/HABM, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 29, und Henkel/HABM, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 38).

48      Dies gilt auch für eine Bildmarke, die aus einem Teil der Form der mit ihr gekennzeichneten Ware besteht, da die maßgeblichen Verkehrskreise sie unmittelbar und ohne besonderes Nachdenken als Darstellung eines besonders interessanten oder ansprechenden Details der fraglichen Ware und nicht als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft wahrnehmen werden.

49      Im Licht dieser Erwägungen ist zu überprüfen, ob das Bildzeichen, das ein Karomuster in schwarz, grau, beige und dunkelrot darstellt, keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hat.

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

50      Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass sich die betreffenden Waren an die breite Öffentlichkeit richteten. Bestimmte Waren der Klasse 24 könnten sich auch an ein Fachpublikum richten wie Schneider oder Hersteller von Bekleidung, Tischtextilwaren und Bettwäsche. Außerdem sei, da es sich um ein reines Bildzeichen handele, das Gebiet der Union maßgeblich. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Marke sei daher auf den Durchschnittsverbraucher der Union abzustellen. Allen diesen Erwägungen, die von keiner der Parteien in Abrede gestellt werden, ist zuzustimmen.

 Zur Wahrnehmung der Anmeldemarke durch die Beschwerdekammer

51      Die Klägerin wendet sich gegen die Anwendung der Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken auf den vorliegenden Fall. Sie macht geltend, die in Rede stehende Anmeldung betreffe eine Bildmarke. Die Beurteilung der Beschwerdekammer und des Prüfers, wonach die Anmeldemarke aus einem Stoffmuster und damit dem Erscheinungsbild der mit der Anmeldung beanspruchten Ware selbst bestehe, sei fehlerhaft. Bei dem angemeldeten Zeichen handele es sich um ein Bild, das keine Darstellung der Ware selbst oder ihrer Verpackung sei. Folglich habe die Beschwerdekammer den Gegenstand der Anmeldung verfälscht.

52      Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Hierzu ist, wie in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung, darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Waren Stoffe sind oder Waren, die aus Stoff bestehen oder Stoffoberflächen aufweisen können.

53      Erstens bestehen die „Bekleidungsstücke“ der Klasse 25 sowie die „Webstoffe und Textilwaren“ und die „Bett- und Tischdecken“ der Klasse 24 aus Stoffen, die das Muster aufweisen können, aus dem die Anmeldemarke besteht (vgl. Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung).

54      Zweitens können auch die „Schuhwaren und Kopfbedeckungen“ der Klasse 25 und die „Regenschirme und Sonnenschirme“ der Klasse 18 aus einem Stoff hergestellt sein, der das angemeldete Muster aufweisen kann (vgl. Randnrn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung).

55      Drittens können „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit sie in Klasse 18 enthalten sind), Reise- und Handkoffer“ der Klasse 18 ebenfalls mit Stoffapplikationen versehen sein. Das fragliche Muster kann auf den Oberflächen dieser Waren angebracht sein und somit ihrem Erscheinungsbild entsprechen (vgl. Randnr. 29 der angefochtenen Entscheidung).

56      Die Beschwerdekammer hat nicht außer Acht gelassen, dass es sich bei der Anmeldemarke um eine Bildmarke handelt, sie also aus einem Bild besteht. In Randnr. 1 der angefochtenen Entscheidung wird nämlich darauf verwiesen, dass die Anmeldung eine Bildmarke betreffe. In Randnr. 11 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer gleichwohl ausgeführt, dass sie in der Anmeldemarke die Darstellung eines Stoffmusters sehe. Diese Feststellung beruht offensichtlich auf der allgemeinen praktischen Erfahrung mit der Vermarktung der mit der Anmeldung beanspruchten Waren, die die Beschwerdekammer, wie oben in den Randnrn. 32 bis 34 ausgeführt, berücksichtigen durfte, und ist als zutreffend anzusehen. Es besteht nämlich kein Zweifel daran, dass das in dem Bild, aus dem die Anmeldemarke besteht, wiedergegebene abstrakte Muster ein Stoffmuster sein kann.

57      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die Anmeldemarke aus der Darstellung eines Stoffmusters bestehe, mit anderen Worten aus der Darstellung des möglichen Erscheinungsbilds der mit der Anmeldung beanspruchten Waren, bei denen es sich um Stoffe handele oder Waren, die aus Stoff bestünden oder Stoffoberflächen aufwiesen.

58      Folglich durfte sich die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke auf die für dreidimensionale Marken geltenden Grundsätze stützen. Die oben in den Randnrn. 47 und 48 angestellten Erwägungen rechtfertigen es nämlich, die oben in den Randnrn. 45 und 46 angeführte Rechtsprechung, die zu dreidimensionalen Marken entwickelt wurde, auch auf Bildmarken anzuwenden, die aus der Form der betreffenden Ware oder der Form eines Teils der betreffenden Ware bestehen, da eine derartige Marke ebenfalls nicht vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Ware unabhängig ist.

59      Des Weiteren trägt die Klägerin vor, dass sich die Beschwerdekammer selbst widerspreche, wenn sie zum einen (in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung) davon ausgehe, dass die Anmeldemarke das „Bild der Ware selbst“ darstelle, und zum anderen (in Randnr. 15) ausführe, die „angemeldete Darstellung der Ware nähere sich der Darstellung an, in der die betreffende Ware am Wahrscheinlichsten in Erscheinung trete“.

60      Aus den Randnrn. 14 und 15 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch keinerlei Widerspruch. In diesen Randnummern hat die Beschwerdekammer die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze resümiert, die sich auf dreidimensionale, aus der Form der Ware selbst bestehende Marken beziehen, nicht aber eine konkrete Beurteilung der Anmeldemarke vorgenommen. Daher sind die oben genannten Rügen der Klägerin zurückzuweisen.

 Zur Argumentation der Klägerin zum Bestehen einer Geschäftspraxis der Verwendung entsprechender Marken in der betroffenen Branche

61      In Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass im Bereich der Bekleidung und der Stoffe die Farbgebung und das Muster nichts weiter als ein Kundenwunsch seien. Die Färbung und Musterung der Kleidungsstücke sowie der Stoffe, aus denen diese geschneidert würden, wähle der Verbraucher im Hinblick auf das ansprechende Äußere aus, das das Bekleidungsstück vermitteln solle. Der Verbraucher werde nicht davon ausgehen können, dass eine bestimmte Farbgebung oder Musterung der Ware als Herkunftshinweis dienen solle.

62      Die Klägerin widerspricht diesen Erwägungen und macht geltend, es bestehe eine Übung, nach der derartige Bildmarken im Handel mit den von der Anmeldung erfassten Waren zur Feststellung der betrieblichen Herkunft dieser Waren verwendet würden. Zum Nachweis dieser behaupteten Übung führt die Klägerin andere gleichartige Gemeinschaftsmarken an, die von einem anderen Unternehmen eingetragen wurden, sowie zahlreiche nationale Eintragungen solcher Marken und diese betreffende Gerichtsentscheidungen. Diese tatsächlichen Gesichtspunkte zeigten, dass insbesondere bei Waren der Klassen 18, 24 und 25 Muster wie das durch die Anmeldemarke dargestellte tatsächlich als Herkunftsbezeichnung im Geschäftsverkehr angesehen und verwendet werden könnten. Außerdem beruft sich die Klägerin darauf, dass sich die schottischen Clans durch ihre individuell ausgestatteten Karomuster (Tartans) identifizieren ließen.

63      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seinem Beschluss vom 13. September 2011, Wilfer/HABM (C‑546/10 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55), die These zurückgewiesen hat, wonach Waren, bei denen der Verbraucher daran gewöhnt sei, dass die Formen bestimmter Elemente des Gesamtprodukts als Hinweis auf dessen Herkunft dienten, von der Anwendung der oben in Randnr. 46 genannten Rechtsprechung ausgenommen seien. Er hat darauf hingewiesen, dass aus dieser Rechtsprechung vielmehr hervorgeht, dass in den Fällen, in denen das Erscheinungsbild von Waren einer bestimmten Branche oder eines Elements dieser Waren als Herstellerhinweis dient, dies sich nur deshalb so verhält, weil das Erscheinungsbild einer ausreichenden Zahl dieser Waren oder ihrer Elemente erheblich von der Branchennorm oder -üblichkeit abweicht (Beschluss Wilfer/HABM, Randnr. 56).

64      Daraus ergibt sich, dass die von der Klägerin geltend gemachte Geschäftspraxis, sollte sie bestehen, nicht ausreicht, um die Eintragung der Anmeldemarke zu rechtfertigen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass diese erheblich von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche abweicht.

65      Wie die Beschwerdekammer in Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung (vgl. oben, Randnr. 25) zutreffend ausgeführt hat, reichen die von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkte jedenfalls nicht aus, um eine Übung nachzuweisen, nach der Marken, die aus Karomustern bestehen, Unterscheidungskraft hinsichtlich der mit der fraglichen Markenanmeldung beanspruchten Waren haben.

66      Denn die Beschwerdekammer hat zwar eingeräumt, dass es einige für ähnliche wie die mit der Anmeldemarke beanspruchten Waren eingetragene Gemeinschaftsmarken gibt, die aus Karo- und Streifenstoffmustern bestehen, aber sie hat auch Entscheidungen angeführt, mit denen die Eintragung anderer ähnlicher Marken wegen deren fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt wurde. Unter diesen Umständen kann nicht von einer ständigen Praxis die Rede sein. Außerdem beweisen die von der Klägerin angeführten Umstände und Dokumente zwar die Eintragung bestimmter Marken dieser Art, lassen aber nicht die Gründe erkennen, die die Eintragung gerechtfertigt haben. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Eintragungen handelt, die gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgenommen wurden, weil die betreffenden Zeichen infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hatten. Die Klägerin hat eine derartige Benutzung ihres eigenen Zeichens jedoch nicht geltend gemacht und kann sich, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, nicht auf die Benutzung eines anderen Zeichens durch ein anderes Unternehmen berufen.

67      Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen nationaler Gerichte führen gleichfalls zu keinem anderen Ergebnis, da sie Klagen wegen Verletzung bereits eingetragener Marken betrafen, die der Anmeldemarke ähnlich sind. Diese Entscheidungen enthalten weder die Gründe für die Eintragung der von ihnen betroffenen Marken noch allgemeinere Erwägungen zur Unterscheidungskraft, die diese Marken von Haus aus haben.

68      Was schließlich die Argumentation der Klägerin bezüglich der schottischen Clans angeht, ist – wie es die Beschwerdekammer in Randnr. 30 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen getan hat, und ohne dass auf die Frage eingegangen werden müsste, ob die Klägerin ihre Behauptung bewiesen hat, wonach sich jeder Clan durch die Benutzung seines eigenen Tartans (individuell ausgestaltetes Karomuster) identifizieren lasse – darauf hinzuweisen, dass diese Tatsache für die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke irrelevant ist. Denn die Clans sind keine Unternehmen. Dass ein bestimmtes Karomuster einem bestimmten Clan zugeordnet werden kann, bedeutet nicht, dass es von den betroffenen Verbrauchern als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird, d. h. als Hinweis darauf, dass die betreffende Ware aus einem bestimmten Unternehmen stammt. Dies gilt umso mehr, als nichts mehrere Unternehmen daran hindert, Waren mit dem Karomuster ein und desselben Clans herzustellen und zu vermarkten.

69      Zuzustimmen ist auch der Erwägung der Beschwerdekammer, dass das Argument der Klägerin nur Schottland oder allenfalls das Vereinigte Königreich betrifft, während das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung auch dann Anwendung findet, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Selbst unter der Annahme, dass sich aus der Argumentation der Klägerin bezüglich der schottischen Clans eine Unterscheidungskraft der Anmeldemarke im Vereinigten Königreich ergibt, kann nicht auf derselben Grundlage davon ausgegangen werden, dass eine solche Unterscheidungskraft auch für die übrige Union besteht, bei deren Verbrauchern keine verbreitete Kenntnis der Bräuche und Gewohnheiten schottischer Clans vorausgesetzt werden kann.

70      Folglich sind die oben genannten Rügen der Klägerin zurückzuweisen, die sich auf das Bestehen einer Geschäftspraxis beziehen, nach der derartige Bildmarken im Geschäftsverkehr zur Identifizierung eines Herstellers für die beanspruchten Waren verwendet würden.

 Zur erheblichen Abweichung der Anmeldemarke von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche

71      Zur Frage, ob die grafische Wiedergabe der Anmeldemarke erheblich von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche abweicht, ist in Übereinstimmung mit der Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung darauf hinzuweisen, dass die angemeldete grafische Wiedergabe, die in Farbe eingereicht wurde, ein Muster in der Grundfarbe eines ganz dezenten, unauffälligen Dunkelgrau zeigt, das schon einem Schwarz nahe kommt. Dieses Muster zeigt in quadratischer, so genannter Karoform verschiedene heller und dunkler grau gehaltene, an ihren Kreuzungspunkten hellgrau gehaltene Streifen. In diese ist noch ganz dezent ein schmaler roter Streifen eingelassen, der so dunkel ist, dass er im Bereich der Karofelder mit der Grundfarbe der Felder nicht kontrastiert. Insgesamt erscheint die angemeldete Wiedergabe als ein im Ganzen dunkelgrau gehaltenes Karomuster.

72      Was zum einen die Grundfarbe angeht, hat die Beschwerdekammer in den Randnrn. 20 und 21 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass Grau die denkbar unauffälligste Farbe im Bereich der Bekleidung und der Mode sei. In diesem Bereich sei Grau als dezente Farbe sehr beleibt und häufig.

73      In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Farbe Grau von den maßgeblichen Verkehrskreisen dahin wahrgenommen werden wird, dass sie zu Zwecken der Ästhetik oder Produktaufmachung eingesetzt wird, und dass sie als solche nicht ausreicht, um die Waren der Klägerin von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

74      Was zum anderen die Streifen betrifft, die das Karomuster bilden, hat die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass derartige Karomuster im Bereich von Stoffen und Bekleidungsstücken gang und gäbe seien. Das angemeldete Muster sei so einfach, unauffällig und dezent gehalten, dass es aus Sicht des Verbrauchers nichts Weiteres als eines von beliebigen Stoffmustern darstelle. Es falle auch schwer, sich die genaue Zahl der verschiedenen Streifen, aus denen die Karos gebildet seien, ohne analysierende Betrachtungsweise zu merken.

75      Insoweit ist zu beachten, dass die fragliche Darstellung des Karomusters in grafischer Hinsicht keine nennenswerte Abweichung gegenüber der üblichen Wiedergabe solcher Muster enthält und die maßgeblichen Verkehrskreise daher tatsächlich lediglich ein gewöhnliches und häufig anzutreffendes Muster wahrnehmen werden.

76      Folglich kann diese Darstellung in Ermangelung von Elementen, die geeignet sind, sie in der Weise zu individualisieren, dass sie nicht wie ein gewöhnliches Muster erscheint, keine Erkennungsfunktion bezüglich der betroffenen Waren erfüllen. Sie hat als solche daher keine Unterscheidungskraft.

77      Zudem wird die Verbindung zweier für sich genommen nicht unterscheidungskräftiger Elemente nichts an der Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise ändern. Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat, lässt nämlich die Darstellung, die nur wie eine Anordnung von Streifen zu einem Karomuster wirkt, kein Element erkennen, das für die beanspruchten Waren von der Norm oder der Üblichkeit in der Mode-, Bekleidungs- und Stoffbranche abwiche. Denn die Verbraucher schließen aus einem gewöhnlichen Karomuster üblicherweise nicht auf die Herkunft der betreffenden Waren.

78      In Anbetracht der betroffenen Waren und ihrer Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise wird das in Rede stehende Zeichen somit nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren aufgefasst und im Gedächtnis behalten werden.

79      Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift keine Argumente vorgetragen, mit denen diese Erwägungen, die die Merkmale der Anmeldemarke und deren Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise betreffen, in Frage gestellt würden. Über ihre bereits geprüfte und zurückgewiesene Argumentation hinaus hat sie lediglich geltend gemacht, dass die Waren der Klassen 18 und 24 im hochpreisigen Segment vertrieben würden, was eine erhöhte Aufmerksamkeit der Verbraucher begründe.

80      Hierzu hat die Beschwerdekammer in den Randnrn. 14 und 28 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass alle mit der Anmeldemarke beanspruchten Waren im Alltagsleben verwendet würden und eher niedrigpreisig seien, so dass nicht anzunehmen sei, dass der Verbraucher ihnen erhöhte Aufmerksamkeit widme. Hieraus geht hervor, dass die von der streitigen Marke erfassten Waren nach Ansicht der Beschwerdekammer Massenkonsumgüter sind. Zur Branche der Waren der Klassen 18 und 24, die die Klägerin in ihrer Klageschrift besonders erwähnt hat, ist in der Tat festzustellen, dass diese Branche Waren von sehr unterschiedlicher Qualität und sehr unterschiedlichen Preisen umfassen. Zwar ist der Verbraucher möglicherweise aufmerksamer, wenn er eine der fraglichen Waren kauft, die besonders teuer ist, jedoch kann eine solche Haltung des Verbrauchers nicht ohne jeden Nachweis für sämtliche Waren der fraglichen Branche, die auch Waren mit niedrigem Preis umfasst, vorausgesetzt werden. Hierzu ist festzustellen, dass die mit der Anmeldung beanspruchten Waren in sehr allgemeinen Worten beschrieben sind und folglich nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin die Anmeldemarke im Fall ihrer Eintragung auch für die Vermarktung von Waren verwendet, deren Preis niedrig ist.

81      Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

82      Da die Anmeldemarke diese Merkmale mit anderen Karomustern gemeinsam hat und sonstige Merkmale, die eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche erkennen ließen, weder von der Klägerin geltend gemacht worden sind noch vom Gericht bei der Prüfung dieser Marke ausgemacht werden konnten, ist der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdekammer in Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die Anmeldemarke, die ein Karomuster in schwarz, grau, beige und dunkelrot darstellt, keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hat.

83      Folglich ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

84      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die V. Fraas GmbH trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. September 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.