Der Gerichtshof der Europäischen Union, Garant für die Wahrung des Unionsrechts
- Der Gerichtshof der Europäischen Union ist eines der sieben europäischen Organe.
- Als Rechtsprechungsorgan der Union hat er zur Aufgabe, die Wahrung des Unionsrechts zu sichern, indem er für eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Verträge sorgt und die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union überwacht.
- Mit seiner Rechtsprechung trägt er zum Schutz der Werte der Union und zum europäischen Aufbauwerk bei.
- Der Gerichtshof der Europäischen Union besteht aus zwei Gerichten: dem Gerichtshof und dem Gericht.
Vorwort des Präsidenten
In einem geopolitischen Kontext, in dem das Ideal des Friedens zunehmend bedroht ist, erscheint der Gerichtshof der Europäischen Union, der seine Aufgabe erfüllt, die Justiz, den Rechtsstaat, die demokratischen Werte und die Grundrechte zu schützen, als ein Garant für Stabilität.
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Koen Lenaerts
Präsident des Gerichtshofs der Europäischen Union
Das Jahr 2023 war angesichts des fortdauernden Krieges in der Ukraine und des neuen bewaffneten Konflikts im Nahen Osten auf internationaler Ebene ein sehr unruhiges Jahr. In einem geopolitischen Kontext, in dem das Ideal des Friedens zunehmend bedroht ist, erscheint der Gerichtshof der Europäischen Union, der seine Aufgabe erfüllt, die Justiz, den Rechtsstaat, die demokratischen Werte und die Grundrechte zu schützen, als ein Garant für Stabilität. Der Gerichtshof und das Gericht haben sich mit ihrer Rechtsprechung weiterhin für den Schutz dieser Werte und Rechte eingesetzt, die, wie sie immer wieder betont haben, der Union als Rechtsgemeinschaft der Mitgliedstaaten schlechthin ihr Gepräge geben.
Im vergangenen Jahr hat der Gerichtshof seinen intensiven Dialog mit den nationalen Gerichten fortgesetzt, insbesondere mit den Verfassungsgerichten und den obersten Gerichten, und dafür u. a. mehrere Zusammenkünfte in Luxemburg organisiert. Auch bei der zweiten Auflage der Konferenz „In Vielfalt vereint“ („EUnited in Diversity“) trafen sich im September in Den Haag zahlreiche Vertreter dieser nationalen Gerichte mit Richtern des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Mitgliedern des Gerichtshofs, um Themen wie Rechtsstaatlichkeit, verfassungsrechtliche Vielfalt der Mitgliedstaaten und einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu erörtern. Das Forum für Richter und Staatsanwälte bot, wie jedes Jahr, eine gute Gelegenheit für Mitglieder der Unionsgerichte und nationaler Gerichte, sich auszutauschen und die Besonderheiten der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten und der Union besser zu verstehen. In diesem Rahmen, der offene und fruchtbare Gespräche fördert, wird der vor nunmehr über 70 Jahren begonnene Dialog mit den nationalen Richtern fortgeführt.
Umberto Eco hat einmal gesagt: „Die Sprache Europas ist die Übersetzung“. Von Anfang an hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union nachdrücklich zur Vielsprachigkeit bekannt, die es dem Bürger ermöglicht, in einer der 24 Amtssprachen seiner Wahl Klage zu erheben und den Großteil der Entscheidungen der Unionsgerichte in den verschiedenen Amtssprachen zur Kenntnis zu nehmen. Um diese sprachliche Vielfalt und den Zugang der Bürger zur Unionsjustiz in ihrer jeweiligen Sprache weiter zu fördern, hat der Gerichtshof zahlreiche Vorhaben durchgeführt, mit denen die Bedeutung der Vielsprachigkeit für das europäische Einigungswerk vermittelt werden soll.
Schließlich hat der Gerichtshof der Europäischen Union, den Blick in die Zukunft gerichtet, die Arbeitsweise der Unionsgerichte in ihren Konturen neugestaltet. Im vergangenen Jahr wurden die von den beiden Unionsgerichten in den letzten Jahren intensiv geführten Überlegungen zu einer teilweisen Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen vom Gerichtshof auf das Gericht – einer mit dem Vertrag von Nizza seit 2003 eröffneten Option – abgeschlossen. Denn in Anbetracht der steigenden Zahl der beim Gerichtshof anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten muss die Arbeitsbelastung besser auf die beiden Gerichte verteilt werden, auch um den Rechtsuchenden besser dienen zu können. Ende 2023 wurde im Rahmen des „Quadrilogs“ zwischen den Vertretern des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union, der Europäischen Kommission und des Gerichtshofs eine politische Einigung über das Reformvorhaben erzielt. Diese Einigung, deren Umsetzungsmodalitäten im Einzelnen noch in den Verfahrensordnungen der beiden Gerichte festzulegen sind, bezeugt das Vertrauen in das Gericht, dessen Handlungsfähigkeit in den letzten Jahren durch die Verdoppelung der Zahl der Richter deutlich erhöht wurde. Dies bedeutet einen wichtigen Schritt in Fortsetzung der 2016 begonnenen Reform des Gerichtssystems.
Dank des Engagements der Mitglieder der beiden Gerichte und des gesamten Personals war der Gerichtshof der Europäischen Union in der Lage, Tag für Tag zur Stärkung des europäischen Integrationsprojekts beizutragen, das im Jahr 2024 im Zentrum der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der großen Erweiterung von 2004 stehen wird.
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