Der Gerichtshof steht somit vor der Aufgabe, die Lehren aus den Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie zu ziehen und langfristig zu konsolidieren, was er bezüglich seiner Arbeitsweise und in seinen Beziehungen zu den nationalen Gerichten, aber auch zur Öffentlichkeit in der gesamten Union erreicht hat.
 
			Im Jahr 2021 mussten sich der Gerichtshof und sein Personal auf die fortdauernden Gesundheitsmaßnahmen und die Beschränkungen zur Bekämpfung der aufeinanderfolgenden Wellen der Covid-19-Pandemie einstellen. Es ist ihnen dennoch gelungen, die Fortsetzung der Tätigkeit im Dienst der europäischen Justiz zu gewährleisten, indem sie sich auf die seit Beginn der Pandemie 2020 dank Telearbeits- und Fernkommunikationstechniken erworbenen Erfahrungen und neuen Gewohnheiten stützten. In diesem Zusammenhang kann der Gerichtshof mit Genugtuung feststellen, dass die Anstrengungen im Zusammenhang mit der Konzeption und Einrichtung eines Videokonferenzsystems, das die Durchführung von mündlichen Verhandlungen vor den beiden Gerichten mit Teilnehmern an Fernstandorten und Simultanverdolmetschung ermöglicht, mit dem von der Europäischen Bürgerbeauftragten verliehenen Preis für gute Verwaltungspraxis in der Kategorie „Exzellenz in Innovation/Transformation“ ausgezeichnet wurden.
Im vergangenen Jahr wurden auch zahlreiche Richterstellen neu besetzt. Der Gerichtshof hat neun neue Mitglieder aufgenommen. Während meine Kollegen mir die Ehre erwiesen, ihr Vertrauen zu erneuern, indem sie mich in meinem Amt als Präsident bestätigten, wurde Richter Bay Larsen nach dem Ausscheiden von Richterin Silva de Lapuerta zum Vizepräsidenten gewählt. Beim Gericht traten fünf neue Richter ihr Amt an.
2021 stiegen sowohl die Zahl der bei den beiden Gerichten anhängig gemachten Rechtssachen (1 720 im Jahr 2021 gegenüber 1 584 im Jahr 2020) als auch die Zahl der erledigten Rechtssachen (1 723 im Jahr 2021 gegenüber 1 540 im Jahr 2020). Die Vielfalt und die Folgen der ergangenen Entscheidungen, sei es im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, der Umwelt, des Datenschutzes, des sozialen Schutzes oder auch der im Zuge der Gesundheitskrise gewährten Beihilfen, zeigen, wie nah die Tätigkeit des Unionsorgans am Puls der Zeit liegt und wie konkret sie sich auf das Leben der Bürger und der Unternehmen in der Europäischen Union auswirkt. Daraus ergeben sich mehrere Herausforderungen.
Erstens ist es erforderlich, dass der Gerichtshof seine Bemühungen um Bürgernähe verstärkt, indem er seine Arbeitsweise transparenter macht. In diesem Zusammenhang läuft derzeit ein Projekt, bei dem versuchsweise die mündlichen Verhandlungen der Großen Kammer per Webstreaming übertragen werden. Die Digitalisierung war der Schlüssel für die erfolgreiche Bewältigung der Gesundheitskrise und die Reaktion des Gerichtshofs auf die pandemiebedingten Bewegungseinschränkungen. Das technische Know-how hat sich entwickelt, die digitale Barriere wurde überwunden, und es hat sich eine neue Normalität eingestellt. Es ist also an der Zeit, den Gerichtshof dank dieser technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen für ganz Europa zugänglich zu machen.
Zweitens wird das Organ seine Überlegungen dazu fortsetzen, wie das Arbeitsvolumen ausgeglichener zwischen dem Gerichtshof, der aus einem Richter pro Mitgliedstaat besteht, und dem Gericht, das seit September über zwei Richter pro Mitgliedstaat verfügt, aufgeteilt werden kann.
Drittens ist eine diffuse Tendenz zu beobachten, die Autorität von Gerichtsentscheidungen und, in einigen Mitgliedstaaten, das Projekt der europäischen Integration sowie seine Werte und Gründungsprinzipien in Frage zu stellen. Angesichts dieser Entwicklung ist es geboten, unablässig auf die Qualität der Entscheidungen des Gerichtshofs zu achten, diese Entscheidungen der Öffentlichkeit gegenüber zu erläutern und die Tätigkeit des Gerichtshofs transparent zu gestalten, damit die europäische Justiz richtig wahrgenommen und verstanden wird, und zwar als eine Justiz, die unter allen Umständen ausschließlich im Dienst der Achtung der Rechtsstaatlichkeit steht.
Der Gerichtshof steht somit vor der Aufgabe, die Lehren aus den Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie zu ziehen und langfristig zu konsolidieren, was er bezüglich seiner Arbeitsweise und in seinen Beziehungen zu den nationalen Gerichten, aber auch zur Öffentlichkeit in der gesamten Union erreicht hat. Diese Ziele werden im Jahr 2022, dem Jahr, in dem der Gerichtshof sein 70-jähriges Bestehen feiert, mit einer Vielzahl von Projekten, Ereignissen und Veranstaltungen verfolgt.
