A | Einleitende Bemerkungen des Kanzlers
Zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit zehn neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten sind und damit einen historischen Moment in der Entwicklung des Gerichtshofs geprägt haben.
Alfredo Calot Escobar
Kanzler des Gerichtshofs
Zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit zehn neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten sind und damit einen historischen Moment in der Entwicklung des Gerichtshofs geprägt haben. Es war ein Anlass zur Freude, aber auch eine Zeit nie dagewesener Herausforderungen. Rückblickend kann ich mit Stolz sagen, dass wir diese Herausforderungen nicht nur gemeistert haben, sondern an ihnen gewachsen sind.
Heute befindet sich unser Organ inmitten eines ebenso bedeutenden Wandels.
Das Gesetzgebungsverfahren zur teilweisen Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen auf das Gericht ist abgeschlossen. Dank der unermüdlichen Anstrengungen beider Gerichte und verschiedener Dienststellen wurden alle erforderlichen Schritte unternommen, um eine reibungslose Umsetzung zu gewährleisten.
Von diesem Geist der Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit haben sich auch unsere Bestrebungen in einem anderen wichtigen Bereich leiten lassen, nämlich beim digitalen Wandel. Im Lauf des Jahres haben wir unsere digitalen Ressourcen weiter ausgebaut sowie KI-gestützte Projekte aktiv vorangebracht und dabei sämtliche Initiativen an den Anforderungen der in diesem Jahr in Kraft getretenen Verordnung über künstliche Intelligenz ausgerichtet. Da wir erkannt haben, dass der menschliche Beitrag zum wirksamen Einsatz von KI‑Instrumenten unverzichtbar bleibt, haben wir ein umfassendes, groß angelegtes KI-Schulungsprogramm ins Leben gerufen. Darüber hinaus haben unsere juristischen Übersetzungsdienste eine Vorreiterrolle bei der Neugestaltung von Arbeitsabläufen in einem weiter entwickelten digitalen Umfeld übernommen und damit einen Maßstab für andere Dienststellen gesetzt.
Während wir nach Modernisierung und Innovation streben, ist es ebenso wesentlich, die Sicherheit und Belastbarkeit unserer digitalen Infrastruktur sicherzustellen. In diesem Jahr ist die Cybersicherheitsverordnung in Kraft getreten, mit der innerhalb eines strengen Zeitrahmens erhebliche Verpflichtungen für den Gerichtshof eingeführt wurden.
Auch wenn wir Innovation begrüßen, werden unsere Bestrebungen weiterhin von den zeitlosen Idealen unseres Organs gelenkt. Unser größtes Kapital ist das Herzstück unseres Erfolgs: ein Team von über 2 000 engagierten Individuen aus ganz Europa, die jeden Tag in Harmonie zusammenarbeiten, damit Recht gesprochen wird. Der eigentliche Wert dieser kollektiven Anstrengung liegt in ihrer Vielfalt. Durch das Zusammenspiel einer großen Bandbreite an Sichtweisen, Kulturen, Erfahrungen und Talenten stärkt sie unsere Fähigkeit, unseren Auftrag zu erfüllen.
Um die besten Talente aller Mitgliedstaaten anzuziehen und zu halten, gab es das ganze Jahr über Initiativen zur Sicherstellung der Attraktivität unseres Gastgeberlands als Arbeitsort. Zum ersten Mal wurde auf politischer Ebene anerkannt, dass die Bediensteten in Luxemburg im Vergleich zu ihren Kollegen in Brüssel vor besonderen Herausforderungen stehen. In einem alles andere als einfachen Verfahren haben die Haushaltsbehörden unserem Ersuchen nach befristetem Wohngeld für Kollegen in niedrigeren Gehaltsgruppen stattgegeben – ein wichtiger erster Schritt, um diese Ungleichheit zu beseitigen.
Unser Engagement für Vielfalt beschränkt sich nicht nur auf unser Personal. 2024 haben wir gemeinsam mit dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten neue Initiativen ergriffen, um die geografische Ausgewogenheit der Angehörigen der nationalen Justiz, die an langfristigen Schulungen am Gerichtshof teilnehmen, zu optimieren. Diese Bemühungen haben zu greifbaren Ergebnissen geführt, denn zum ersten Mal in der fast 20-jährigen Laufzeit des Programms haben Kandidaten aus drei neuen Mitgliedstaaten ihre Bewerbung eingereicht.
Dies zeigt auch unser langjähriges Engagement zur Stärkung des Dialogs mit den nationalen Gerichten, ein Grundsatz, den wir das ganze Jahr über aktiv verfolgt haben. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Förderung des gerichtlichen Dialogs wurde vom Justiziellen Netzwerk der Europäischen Union unternommen: Das Treffen der Korrespondenten fand zum ersten Mal außerhalb des Gerichtshofs statt und wurde vom belgischen Conseil d’État (Staatsrat) mitorganisiert. Dies hat dem Netzwerk eine neue Perspektive geboten und den Grundgedanken gestärkt, dass der gerichtliche Dialog seinem Wesen nach über die Grenzen der Organe hinausgeht.
Neben diesen externen Meilensteinen haben wir unser Augenmerk auch nach innen gerichtet und unser Bekenntnis zu den höchsten ethischen Standards bekräftigt, die seit jeher ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität sind. In diesem Jahr haben wir diese Standards in einem für alle Mitarbeiter geltenden Verhaltenskodex zusammengefasst, mit dem unsere Grundsätze an die zuvor für die Mitglieder festgelegten hohen Standards angeglichen werden.
So wie wir uns vor 20 Jahren den Herausforderungen der Erweiterung mit Entschlossenheit und gemeinsamen Zielvorstellungen gestellt haben, bin ich zuversichtlich, dass wir in 20 Jahren mit dem gleichen Stolz auf die heutigen Veränderungen zurückblicken werden. Die Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, ermöglichen es uns, den zukunftsweisenden Entwicklungen gerecht zu werden, die den Weg unseres Organs in die Zukunft markieren werden, und gleichzeitig die reichen Traditionen zu ehren, die seine Vergangenheit geprägt haben.
B | Wichtigste Ereignisse des Jahres
Teilweise Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen
Um es den Unionsgerichten zu ermöglichen, innerhalb angemessener Fristen qualitativ hochwertige richterliche Entscheidungen zu treffen und die Arbeitsbelastung zwischen dem Gerichtshof und dem Gericht optimal aufzuteilen, sind am 1. September 2024 bedeutende Änderungen der Satzung und der Verfahrensvorschriften in Kraft getreten. Die vom Gerichtshof vorgeschlagenen Änderungen der Satzung wurden vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union angenommen. Die Änderungen der Verfahrensordnungen wurden vom Gerichtshof und vom Gericht nach Zustimmung des Rates erlassen. Sie setzen die teilweise Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen auf das Gericht um und modernisieren die Verfahren vor den beiden Gerichten.
Änderungen der Satzung und ihre Umsetzung
Die Änderungen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ermöglichen eine teilweise Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen auf das Gericht zum 1. Oktober 2024. Diese Möglichkeit wurde im 2001 unterzeichneten Vertrag von Nizza vorgesehen und im Zusammenhang mit der Reform des Gerichtssystems der Union im Jahr 2015 wieder auf die Tagesordnung gesetzt, insbesondere mit der Verdoppelung der Anzahl der Richter des Gerichts, die 2022 vollständig abgeschlossen wurde.
Die Zuständigkeit des Gerichts für Vorabentscheidungsersuchen soll sich auf klar umrissene besondere Sachgebiete beziehen, die nur wenige Grundsatzfragen aufwerfen und in denen es einen bedeutenden Rechtsprechungsbestand des Gerichtshofs gibt, der dem Gericht bei der Ausübung dieser neuen Zuständigkeit als Richtschnur dienen kann. Im Übrigen handelt es sich um Sachgebiete, in denen eine ausreichend große Anzahl von Vorlagen zur Vorabentscheidung gestellt werden dürfte, um eine echte Verringerung der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs durch die Übertragung auf das Gericht zu bewirken.
Die besonderen Sachgebiete betreffen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, die Verbrauchsteuern, den Zollkodex, die zolltarifliche Einreihung von Waren, Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug- und Fahrgäste im Fall der Nichtbeförderung, bei Verspätung oder bei Annullierung von Transportleistungen, und das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.
Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Gerichtshof und dem Gericht
Die Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs legen vor allem die Modalitäten der Erstbehandlung der Vorabentscheidungsersuchen fest, bei der bestimmt wird, ob der Gerichtshof oder das Gericht sich mit ihnen zu befassen hat. Zudem sehen sie die erforderlichen Bestimmungen zur Gewährleistung einer zügigen Bearbeitung der Ersuchen vor, die an den Gerichtshof zurückverwiesen werden, weil sie eine Grundsatzentscheidung erfordern, die die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts berührt. Schließlich regeln sie die Veröffentlichung der Schriftsätze oder schriftlichen Erklärungen, die von den in Art. 23 der Satzung genannten Beteiligten in Vorabentscheidungsverfahren eingereicht werden, auf der Website des Gerichtshofs innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Verfahrens.
Die Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichts legen die Modalitäten für die Behandlung von Vorabentscheidungsersuchen fest, die dem Gericht übertragen werden. Um für die nationalen Gerichte und die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten die gleichen Verfahrensgarantien wie der Gerichtshof sicherzustellen, hat das Gericht im Wesentlichen die Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs für Vorabentscheidungsersuchen übernommen, einschließlich derjenigen über die Veröffentlichung der Schriftsätze und schriftlichen Erklärungen der Beteiligten.
Weitere wichtige Änderungen betreffen die Struktur und Organisation des Gerichts. Sie sehen die Bildung einer Mittleren Kammer mit neun Richtern unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Gerichts vor. Die Vorabentscheidungsersuchen werden Kammern mit fünf Richtern zugewiesen, die speziell mit diesen Rechtssachen betraut sind, können jedoch je nach Bedeutung der vorgelegten Fragen an einen anderen Spruchkörper verwiesen werden.
Die Richter, die in Vorabentscheidungsverfahren das Amt eines Generalanwalts ausüben sollen (sowie die Richter, die sie im Fall einer Verhinderung vertreten), werden vom Gericht gewählt und unterstützen den zuständigen Spruchkörper in jedem Vorabentscheidungsverfahren nach dem Vorbild der Mitwirkung der Generalanwälte an den Verfahren vor dem Gerichtshof.
Darüber hinaus hat das Gericht die Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten sowie über die Einreichung und Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren näher ausgestaltet.
Aufgrund des Umfangs der Änderungen war eine Neufassung der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung des Gerichts erforderlich.
Weitere Änderungen der Verfahrensvorschriften
Mit weiteren Neuerungen soll die Bearbeitung von Rechtssachen durch den Gerichtshof und das Gericht unter Berücksichtigung der Erfahrungen während der Gesundheitskrise verbessert, vereinfacht und modernisiert werden. Von größter Bedeutung für den Gerichtshof ist die – beim Gericht bereits vorgesehene – Möglichkeit für die Vertreter der Parteien oder der in Art. 23 der Satzung genannten Beteiligten, unter bestimmten, in den Praktischen Anweisungen für die Parteien festgelegten rechtlichen und technischen Voraussetzungen an einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz teilzunehmen. Darüber hinaus hat das Gericht eine Reihe von auf Klageverfahren anwendbare Bestimmungen überarbeitet, darunter diejenigen über die vertrauliche Behandlung von Verfahrensschriftstücken, die Anpassung der Klageschrift im Laufe des Verfahrens und die Formvorschriften für die Einreichung von Verfahrensschriftstücken.
Schließlich gestaltet eine neue Bestimmung die Übertragung von öffentlichen Sitzungen am Gerichtshof, ein Instrument der Transparenz und des Zugangs zur Justiz, näher aus, in Bezug auf die mündlichen Ausführungen der Parteien, die Verkündung von Urteilen und die Darstellung der Schlussanträge der Generalanwälte. Das Gericht hat im Wesentlichen gleichwertige Bestimmungen eingeführt.
Bericht von Giulia Predonzani, Verwaltungsrätin beim Kanzler des Gerichts
„Die Reform der Satzung kann als Marathonlauf betrachtet werden, an dem jeder Läufer eines Tages teilnehmen möchte – und seit mehr als 20 Jahren darüber nachdenkt. Mehrere Etappen mussten durchlaufen werden, um das Ziel zu erreichen. So wurde das Gericht durch den Abschluss der Reform des Gerichtssystems des Gerichtshofs der Europäischen Union mit den Ressourcen und der Struktur ausgestattet, um Vorabentscheidungsersuchen mit der erforderlichen Schnelligkeit zu bearbeiten. An dieser Stelle konnte man jedoch nicht stehen bleiben.
Um diesen Marathon zu laufen, musste sich das Gericht auch einen geeigneten rechtlichen und praktischen Rahmen geben. Um der Einbeziehung der nationalen Gerichte und der in Art. 23 der Satzung genannten Beteiligten in Vorabentscheidungsverfahren Rechnung zu tragen, hat das Gericht nicht nur seine Verfahrensordnung und die Praktischen Durchführungsbestimmungen angepasst, sondern auch seinen Beschluss über die Nutzung der Anwendung e‑Curia sowie alle ‚Soft‑law‘-Texte – Hinweise und Informationsmaterialien (Gewährung der Anonymität in den gerichtlichen Verfahren, Muster für Klageschriften). Des Weiteren musste das Gericht Beschlüsse über die Besetzung und die Arbeitsweise seiner Kammern und seiner verschiedenen Spruchkörper, einschließlich der neuen Mittleren Kammer, erlassen und die Generalanwälte für die Bearbeitung von Vorabentscheidungsersuchen wählen. Schließlich musste sich das Gericht bei der Einführung neuer Arbeitsabläufe mit seinen anderen „Marathon“-Partnern koordinieren, insbesondere mit der Generaldirektion für Multilingualismus, der Direktion Informationstechnologien und der Direktion Wissenschaftlicher Dienst. Ein wichtiger Schritt war die Einrichtung einer einheitlichen Anlaufstelle: eine Anwendung, die die Prüfung der möglichen Übertragung von Vorabentscheidungsersuchen auf das Gericht zentralisiert. Der fruchtbare Dialog mit der Kanzlei des Gerichtshofs, einem echten institutionellen Partner, war während des gesamten „Trainings“ eine wertvolle Konstante.
Vorbereitung, Antizipation des Bedarfs, intensive und ausdauernde Arbeit und all dies innerhalb eines ehrgeizigen Zeitplans. Im Oktober 2024 standen die Mitarbeiter des Gerichts und seiner Kanzlei in den Startblöcken, um diesen lang ersehnten Marathon zu laufen! Bis Ende 2024 sind 23 Verfahrensakten bei der einheitlichen Anlaufstelle eingegangen und 19 Rechtssachen wurden schließlich an das Gericht weitergeleitet. Das Rennen geht weiter – und wir sind in Topform.“
20. Jahrestag der Erweiterung von 2004
Am 1. Mai 2004 sind der Europäischen Union zehn neue Mitgliedstaaten beigetreten: die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und die Slowakei. Es handelt sich um die größte Erweiterung sowohl in Bezug auf die Bevölkerung als auch auf die Anzahl der Länder, die die Union bis heute erfahren hat.
Auswirkungen der Erweiterung von 2004 auf die Arbeitsweise der Gerichte
Von allen aufeinanderfolgenden Erweiterungen war die Erweiterung von 2004 die umfangreichste, mit der Aufnahme von zehn neuen Richtern auf einen Schlag – sowohl am Gerichtshof als auch am Gericht.
Die Auswirkungen auf die Sprachenregelung des Gerichtshofs der Europäischen Union waren beträchtlich. Die Zahl der Amtssprachen stieg von zwölf auf 21, was zu einem exponentiellen Anstieg der Sprachkombinationen von 110 auf 420 führte.
Die Einrichtung der neuen Kabinette und Sprachreferate erforderte eine große strukturelle Anstrengung, sowohl im Hinblick auf die Gerichtsgebäude als auch auf die Einstellung von mehreren Hundert neuen Kollegen innerhalb eines Jahres.
Die Mitgliedstaaten, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, haben einen erheblichen Beitrag geleistet: In 20 Jahren wurden von den Gerichten der zehn beitretenden Mitgliedstaaten fast 1 300 Vorabentscheidungsersuchen eingereicht.
„Ein verfassungsrechtlich historischer Zeitpunkt für Europa“
Um dieses historische Ereignis zu feiern, organisierte der Gerichtshof am 3. Mai 2024 ein Kolloquium mit dem Titel „20-jähriges Jubiläum des Beitritts von zehn Staaten zur Europäischen Union: ein verfassungsrechtlich historischer Zeitpunkt für Europa“, bei dem Richter und Vertreter aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammenkamen, um gemeinsam über den Beitrag des Gerichtshofs zum Fortschritt des europäischen Projekts und den Beitrag der zehn beigetretenen Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Rechtsordnung zu reflektieren.
Das Kolloquium vom 3. Mai, dessen Beiträge auf der Website des Gerichtshofs veröffentlicht wurden, untersuchte mehrere Themen, darunter:
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den Beitrittsprozess der neuen Mitgliedstaaten nach dem Fall der Berliner Mauer, der einen grundlegenden Wandel in der Gesetzgebung, in den Köpfen und in den Kulturen der betroffenen Völker erforderte,
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die gemeinsamen europäischen Werte und den Beitrag der Erweiterung von 2004 zur Entwicklung der Union als „Union der Werte“ und
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die Konvergenz der Volkswirtschaften der neuen Mitgliedstaaten und der restlichen Union.
Die Präsentationen der Redner und die Gespräche mit den Teilnehmern erinnerten daran, dass die Europäische Union einzigartig ist, da sie auf gemeinsamen Werten beruht – allen voran der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit –, die sie und ihre Mitgliedstaaten weiterhin verteidigen müssen.
Kommentar von Ineta Ziemele, Richterin am Gerichtshof, Vorsitzende der Arbeitsgruppe für die Organisation der Veranstaltung
„Das Hauptziel der Konferenz anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der größten Erweiterung der Europäischen Union bestand darin, eine Bilanz der Auswirkungen und Veränderungen zu ziehen, die diese Erweiterung für die Union mit sich gebracht hat. Es wurde als guter Zeitpunkt angesehen, darüber zu reflektieren, wie sich die Union in den letzten 20 Jahren seit diesem historischen Moment entwickelt und verändert hat, und damit einhergehende Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen.
Bei der Vorbereitung der Konferenz haben die Unionsgerichte vorgeschlagen, die Erweiterung von 2004 als verfassungsrechtlich historischen Zeitpunkt – einen Paradigmenwechsel – zu betrachten, der Ost‑ und Westeuropa in einem gemeinsamen Verfassungsprojekt vereint. Die Europäische Union hat ihre Werte und Grundsätze auf Teile Europas mit einer besonders komplexen Geschichte ausgeweitet. Die zehn neuen Mitgliedstaaten sind der EU mit einer starken Entschlossenheit und der Hoffnung auf Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand beigetreten. Dieser Beitritt war ein komplexer, keineswegs selbstverständlicher Prozess, und die beitrittswilligen Staaten haben einen unglaublichen Aufwand betrieben, um die Beitrittskriterien (die sogenannten Kopenhagener Kriterien) zu erfüllen, die 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen festgelegt wurden.
Dieser Tag vor 20 Jahren markiert auch für die Union einen grundlegenden Wandel in all ihren Zuständigkeitsbereichen. In was genau dieser Wandel bestehen würde, war nicht immer leicht vorherzusehen, aber es war offensichtlich, dass er ein größeres Wachstumspotenzial für den Binnenmarkt und eine faszinierende kulturelle, historische und sprachliche Vielfalt mit sich bringen wird, eine Vielfalt, die künftige politische und rechtliche Entwicklungen innerhalb der Union eröffnen und prägen wird. Die erweiterte Europäische Union ist zu einem noch wichtigeren globalen Akteur geworden.
Ein weiteres einzigartiges Merkmal der Konferenz war, dass die Unionsgerichte Redner aus allen betroffenen Staaten eingeladen hatten, die unmittelbar am Beitrittsprozess beteiligt gewesen waren oder als führende Persönlichkeiten eine wichtige Rolle in Bezug auf die Mitgliedschaft des Staates oder für die Union selbst gespielt hatten. Die Rückschau der Unionsgerichte zu diesem Anlass wurde durch die Konferenz mit Interdisziplinarität versehen.
Ein großartiger Überblick von Professor Norman Davies über die besonders komplexe und oft grausame Geschichte dieser Staaten bildete den Abschluss der Konferenz. Dies war eine notwendige Erinnerung daran, dass die Werte der Europäischen Union nicht als selbstverständlich angesehen werden können und ihre Aufrechterhaltung und Entwicklung von jedem in der Union erhebliche Anstrengungen erfordern. Während wir über diese Lehren sinnierten, sang der Chor der Unionsgerichte Lieder in den zehn Sprachen, bevor er mit Beethovens „Ode an die Freude“ endete, die immer noch das eigentliche Ideal der Europäischen Union – die Verbrüderung der Menschen – zum Ausdruck bringt.“
Ein stärkerer ethischer Rahmen für die Bediensteten des Gerichtshofs der Europäischen Union
Angesichts der Art seines Auftrags hat der Gerichtshof der Europäischen Union stets die höchsten Anforderungen an seine Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität gestellt. Die Wahrung dieser Anforderungen, bei denen es sich um Werte handelt, auf denen die Identität des Organs beruht, ist von wesentlicher Bedeutung, um das Vertrauen in die europäische Justiz und ihre Legitimität zu gewährleisten. Aus diesem Grund stellt der Gerichtshof sicher, dass er über einen internen Rechtsrahmen verfügt, der den höchsten berufsethischen Standards entspricht und somit den Erwartungen an die Vorbildfunktion eines Justizorgans gerecht wird.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hält sich daher seit jeher an anspruchsvolle ethische Regeln. Die Mitglieder des Organs (Richter, Generalanwälte und Kanzler) und das gesamte Personal unterliegen diesen Regeln, und das auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Gerichtshof.
Vor dem Hintergrund, dass die Erwartungen an die Vorbildfunktion des europäischen öffentlichen Dienstes immer höher werden, hat der Gerichtshof beschlossen, seinen internen ethischen Rahmen weiter zu modernisieren. Dieser Prozess, der bereits 2021 mit der Änderung des Verhaltenskodex für die Mitglieder und ehemaligen Mitglieder eingeleitet wurde, wird heute mit der Annahme eines Verhaltenskodex für die Bediensteten fortgesetzt.
So wurden die bereits im Statut der Beamten der Europäischen Union und in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten sowie in verschiedenen internen Bestimmungen enthaltenen Vorschriften in einem einzigen Verhaltenskodex für die Bediensteten, der nach seiner Annahme durch den Verwaltungsausschuss am 1. März 2024 in Kraft getreten ist, vertieft, ergänzt und an die Erfordernisse der Justiz angepasst.
Auf der Grundlage der berufsethischen Vorschriften aus verschiedenen bestehenden Quellen bietet dieser Verhaltenskodex in Form eines einheitlichen Instruments einen leichten und verständlichen Zugang für alle Bediensteten, für die diese Vorschriften gelten. Im Interesse der Transparenz und der Rechtssicherheit sollen diese Verpflichtungen mit dem Kodex unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Rechtsprechungsauftrags des Gerichtshofs ausgelegt und ihre Umsetzung präzisiert werden. Er folgt einem ethischen Ansatz, der auf den Werten beruht, die für das Handeln des Organs maßgebend sind und in beispielhaften Verhaltensstandards zum Ausdruck kommen. Der Kodex enthält außerdem besondere Vorschriften für die leitenden Mitarbeiter, die ihrer besonderen Verantwortung Rechnung tragen, sowie für die Referenten angesichts ihrer Stellung bei den Mitgliedern des Gerichtshofs und des Gerichts und ihrer unmittelbaren Beteiligung an der Rechtsprechungstätigkeit. Mit diesen Vorschriften wird unterstrichen, dass die Vorbildfunktion in einem angemessenen Verhältnis zur ausgeübten Verantwortung stehen muss, und es werden spezifische Verpflichtungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und in Bezug auf die Ausübung externer Tätigkeiten, auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst, aufgestellt.
C | Beziehungen zur Öffentlichkeit
3 985
Angehörige der Rechtsberufe
2 493
Besucher am Tag der offenen Tür
Virtuelle Besuche – Schulprogramm
Das Schulprogramm soll Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe im Alter von 15 bis 18 Jahren die Möglichkeit geben, die Aufgabe des Rechtsprechungsorgans der Union von ihrem Klassenzimmer aus kennenzulernen, ohne nach Luxemburg reisen zu müssen. Damit sollen die Jugendlichen und ihre Lehrer für die demokratischen Werte und die aktuellen juristischen Fragestellungen sensibilisiert werden und ihnen die Auswirkungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf das tägliche Leben der europäischen Bürger anschaulich gemacht werden. 2024 haben etwa 1 300 Schülerinnen und Schüler den Gerichtshof im Rahmen dieses Programms besucht.
Aufgabe der Pressereferenten der Direktion Kommunikation, die alle eine juristische Ausbildung haben, ist es, Journalisten aus den Mitgliedstaaten und ihren verschiedenen Korrespondenten die Urteile, Beschlüsse und Schlussanträge, aber auch anhängige Rechtssachen zu erläutern. Sie verfassen Pressemitteilungen, um Journalisten und Fachleute in Echtzeit über die Entscheidungen des Gerichtshofs und des Gerichts zu informieren. Außerdem übermitteln sie regelmäßige Informationsschreiben zu wichtigen verfahrensbezogenen oder das Unionsorgan betreffenden Ereignissen sowie „Schnellinfos“ zu Rechtssachen, zu denen es keine Pressemitteilung gibt, an Personen, die eine entsprechende Anfrage beim Pressedienst des Gerichtshofs gestellt haben, und bearbeiten E Mails und Telefonanfragen von Bürgern.
610
Informationsschreiben
13 091
beantwortete Anfragen von Bürgern
(Telefonanrufe und E Mails)
Der Gerichtshof zeigt weiterhin eine aktive Präsenz in den sozialen Medien, und zwar über seine beiden X-Konten (auf Englisch und Französisch), sein LinkedIn und sein Mastodon-Konto. Die Zahl seiner Follower steigt stetig, was das Interesse und das Engagement der Öffentlichkeit für die Tätigkeit des Gerichtshofs belegt. Er verfügt auch über einen YouTube-Kanal, auf dem – in den 24 Amtssprachen – vielfältige audiovisuelle Inhalte verfügbar sind, insbesondere Animationen für die breite Öffentlichkeit, in denen erläutert wird, wie sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Alltag der Bürger auswirkt.
163 000
Follower auf X
+2 % im Vergleich zu 2023
297 346
Follower auf LinkedIn
+26 % im Vergleich zu 2023
4 500
Follower auf Mastodon
600 000
Aufrufe auf YouTube
+137 % im Vergleich zu 2023
2024 hat der Gerichtshof ein neues Video zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Gerichtshof und dem Gericht veröffentlicht.
Übertragung von öffentlichen Sitzungen
Um den Zugang zu seiner Rechtsprechungstätigkeit zu erleichtern, bietet der Gerichtshof die Übertragung von öffentlichen Sitzungen an. Die Verkündung der Urteile und die Verlesung der Schlussanträge der Generalanwälte werden nach dem im Gerichtskalender angegebenen Zeitplan live auf der Website übertragen. Zudem werden die mündlichen Verhandlungen der Großen Kammer des Gerichtshofs zeitversetzt übertragen.
Die Aufzeichnung bleibt einen Monat lang verfügbar.
Vor der Übertragung einer mündlichen Verhandlung wird ein Briefing zur Erläuterung der Rechtssache in den Verhandlungssprachen ausgestrahlt und auf der Website des Gerichtshofs sowie in den sozialen Medien veröffentlicht. 2024 wurden insgesamt 29 Briefings ausgestrahlt.